Hugo von Hofmannsthal und der Film


Hausarbeit, 2005

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Hofmannsthal an der Schwelle zu einer neuen Kunstform

2. „Der Dichter und diese Zeit“ – ein Selbstzeugnis

3. Der Fortschritt und „Das Glück am Weg

4. Bühne versus Film: Traumfabrik und Träume
4.1 Pantomime und Film - „Das fremde Mädchen“
4.2 „Die Bühne als Traumbild“
4.3 „Der Ersatz für die Träume“

5. Filmprojekte Hofmannsthals
5.1 Eine Defoe – Biographie
5.2 „Der Rosenkavalier“
5.3 Der Reinhardt – Hofmannsthal – Gish – Film

6. Der Fortschritt des Films in der Zeit

Literaturverzeichnis:

Der Film im Schaffen von Hugo von Hofmannsthal

1. Hofmannsthal an der Schwelle zu einer neuen Kunstform

Die Wiener Moderne, ein Abschnitt in der deutsch - österreichischen Literatur, der in der Zeit der Jahrhundertwende in Wien seine Höhepunkte fand, war das Lebens– und Arbeitsumfeld eines Dichters, der in Genialität und Kreativität durch vollkommen neue literarische und künstlerische Schöpfungen bestach. Hugo von Hofmannsthal wurde schon kurz nach seinem Tod 1929 gerühmt, zu den „ großen Klassikern“ zu gehören. „…zu einem großen Klassiker, dem letzten Klassiker Deutschlands und Europas, so lang neben uns unerkannt gestanden und nun nicht tot, sondern sofort unsterblich, dem gefeiten Verwalter unserer Zeit vor Folgezeiten, dem Namen, dem Unrechte, dem Stolze, dem Schmerze, der Ewigkeit Hofmannsthal.“[1]

Der unbändigen Kreativität und Sprachgewalt Hofmannsthals konnte nicht einmal die später fast bis in Unerträgliche gesteigerte Kritik Einhalt gebieten, sich im Filmgeschäft mit zu beteiligen und auch dort seine künstlerischen Träume auszuleben.

In seiner Abhandlung „Die Bühne als Traumbild“ setzt sich Hofmannsthal eingehend mit der Dynamik auseinander, die im Theater essentiell ist. Von diesem Text aus, ist auch seine Entwicklung bis zum Film hin besser zu beschreiben und zu verstehen.

Als Grundlage muss jedoch die Jahrhundertwende dienen, denn in dieser Zeit kam das Filmwesen auf. Dies stellte eine totale Revolution des Künstlerischen dar – nicht nur für die Konsumenten, sondern vor allem für die Künstler, Dichter, Choreographen, Musiker und war damit auch ein vollkommen neues Betätigungsfeld für Hugo von Hofmannsthal.

2. „Der Dichter und diese Zeit“ – ein Selbstzeugnis

„Sie wie ich sind Bürger dieser Zeit, …“[2] Dieses Zitat, das Hofmannsthal in einem seiner Vorträge prägte, zeigt ganz besonders die Notwendigkeit der historischen Nachforschung. Nur im gleichzeitigen Blick auf die zeitgeschichtlichen Hintergründe ist es möglich, Erfolg und Misserfolg, Anpassung oder Auflehnung eines Dichters, Lob oder Kritik von Seiten der Kunstverständigen richtig zu bewerten. Hofmannsthal lebte in einer Zeit des Umbruches, des sozialen und wirtschaftlichen Aufstiegs. Er lebte in einer Zeit neuer technischer Erfindungen, die das Gesellschaftssystem grundlegend veränderten, aber auch in einer Zeit des Krieges und der neuen technisierten Kampfmittel. Dies alles trägt zu seinem Verhältnis zu Technik, Fortschritt und zu seinem Literaturbegriff prägend bei. „ Denn wären die Bücher nicht ein Element des Lebens, ein höchst zweideutiges, entschlüpfendes, gefährliches, magisches Element des Lebens, so wären sie gar nichts und es wäre nicht des Atems wert über sie zu reden. Aber sie sind in der Hand eines jeden etwas anderes, und sie leben erst, wenn sie mit einer lebendigen Seele zusammenkommen.“[3] Hofmannsthal deutet hier unmissverständlich auf die Notwendigkeit, ja gleichsam Lebensnotwendigkeit von Büchern hin. Er besetzt sie mit etwas Magischem, das in der Einheit mit dem Leser erst zum vollen Leben erweckt wird. Bücher, aber auch Theater sind für Hofmannsthal zu jeder Zeit unvergleichbar mit dem Film, dem er auch durchaus seine gute Berechtigung zugesteht. Gleichzeitig gibt er dem Film auch eine wichtige Rolle als „Ersatz für die Träume“. So beteiligt sich Hofmannsthal mehr oder weniger erfolgreich an einigen Filmprojekten, doch sein Verständnis von Film fand selten eine Entsprechung bei seinen Kritikern[4] und in Hollywood[5]. Über Hofmannsthal und seine Einstellung zum Film lässt sich keine absolute Klarheit herstellen, da sich der Dichter auf der einen Seite für den Film stark macht und sogar eine Art Filmtheorie entwirft und mehrere Filme dreht, doch auf der anderen Seite äußert er sich in seinen Briefen oft distanziert[6] und auch sehr kritisch[7].

In dieser Zeit der Jahrhundertwende, in der die Industrialisierung schnell voranschreitet, entwickelt sich die Filmtechnik parallel zur Automatisierung der Waffen. Dieselbe Technik, mit der der Film als Unterhaltungsmedium die Menschen belustigt und ihrem Alltag eine wohlgefällige Abwechslung bietet, sorgt dafür, dass immer mehr Menschen durch die brachiale Gewalt von Maschinengewehren dem 1. Weltkrieg zum Opfer fallen.[8] Demgegenüber steht Hofmannsthals Vorstellung vom „Ersatz für die Träume“.

Der Begriff „Traum“ wird sehr häufig von Hofmannsthal gebraucht. Das Übersinnliche, das in Träumen seine Geltung findet, und das Unterbewusste, das im Schlaf in Träumen gleichsam aufstößt nimmt bei Hofmannsthal eine wichtige Rolle ein. Treffend formuliert er folgendes: „[…] dieser Zeit […] Ja sie regiert noch unsere Träume und gibt ihnen Mischung ihrer Farben, und nur im tiefen todesähnlichen Schlaf meinen wir zu sein, wo sie nicht ist.“[9] Doch die Zeit scheint über alles zu herrschen – selbst über die Träume. So möchte ich nochmals hervorheben, wie wichtig es ist, Hugo von Hofmannsthal im Kontext seiner Zeit zu sehen und von diesem Standpunkt aus seine Theorien zu entschlüsseln. Die Träume sind ein wichtiger Bestandteil in Hofmannsthals Theorie über den Dichter, die Bühne und schließlich auch über den Film. Die Realität selbst sieht Hofmannsthal ambivalent: „ Diese Zeit ist bis zur Krankheit voll unrealisierter Möglichkeiten und zugleich ist sie starrend voll von Dingen, die nur um ihres Lebensgehaltes willen zu bestehen scheinen und die doch nicht Leben in sich tragen.“[10] Dieses Zitat beweist, dass Hofmannsthal nicht nur „Bürger seiner Zeit war“, sondern auch sämtliche Möglichkeiten, aber auch Missstände erkannt hat. Er wollte mitwirken und beitragen, den Menschen ein tragendes Literaturverständnis anzubieten, und er wollte den Menschen auch die sinnliche Erholung von den harten Arbeitstagen an Maschinen in den kalten Maschinenhallen schenken. Gerade deshalb schreckte er nicht davor zurück, selbst Filme zu produzieren, auch wenn das Filmgewerbe in Österreich lange verpönt war: „Bis 1912 fiel das Kinogewerbe unter das Vagabunden – und Schaustellergesetz…“[11]

Der Vortrag „Der Dichter und diese Zeit“ beweist, dass Hofmannsthal besonders auf die Menschen geblickt hat. Er war jemand, der sich nicht nur über die Philosophie und das Theaterwesen Gedanken machte. Er besaß auch ein feines Auge vor allem für die Menschen, deren Sorge und Sehnsucht. „Sie suchen ein Ich, an dessen Brust gelehnt ihr Ich sich beruhige. Sie suchen mit einem Wort die ganze Bezauberung der Poesie.“[12]

3. Der Fortschritt und „Das Glück am Weg

Ein wichtiges Kapitel, um Hofmannsthals Filmtheorie tiefer verstehen zu können, bildet die Abhandlung „Das Glück am Weg“[13]. Dieser Text beinhaltet an sich keinen expliziten Bezug auf die Filmtheorie Hofmannsthals, aber etwas näher betrachtet gibt er Aufschluss für Hofmannsthals Vorstellung und Denkweise. „Das Glück am Weg“ ist ein kurzer Text, der fast an ein Drehbuch für eine kleine Filmsequenz erinnert. Hier bekommt Hofmannsthals Verständnis von Film an sich Gestalt. Er beschreibt derart bildhaft, dass sich der Leser ganz und gar in das Geschehen hineinversenken kann und in sich einen Film ablaufen lassen kann, der sich „Das Glück am Weg“ nennt. Gleichzeitig zeigt sich auch das Problem der Sprache. Der Leser kann sich „Das Glück am Weg“ zwar detailgetreu vorstellen, aber mitfühlen, wie der Schöpfer des Textes, kann er nicht. Dieses Paradigma kann als schriftlicher Beweis dafür gelten, dass das Problem der Sprachskepsis nicht literarisch zu lösen ist. Der Film bietet hier ganz neue und vielfältige Methoden. Mit Untersetzung von Musik, einschlägigen Bildsequenzen, möglicherweise einem Erzähler und Lichteffekten, kann der Film mehr deckungsgleiche Gefühle von Autor und Publikum erzeugen. Allerdings ist hier auch die Ambivalenz zu beachten, denn genau das oben Beschriebene kann auch als Kritik verwendet werden. Durch den Film werden die Gefühle des Publikums fixiert und durch eben diese Möglichkeiten des Films einseitig manipuliert. Genau dies kann die Deckungsgleichheit der Gefühle von Autor und Publikum wieder nivellieren. „All diese Dinge dachte ich nicht deutlich, ich schaute sie in einer fliegenden, vagen Bildersprache.“[14] Das Problem das sich hier dem Erzähler stellt, ist genau dasselbe, vor dem sich der Dichter und Regisseur, ob im Film oder im Theater, sieht. Die „Träume“, vage Gefühle und Bilder, Stimmungen und Wünsche, und noch so vieles in der Gefühlswelt eines Menschen in Gleichklang zu bringen mit anderen Menschen, ist ein Aufgabe gleich einer Sisyphosarbeit. Der Künstler schöpft alle Möglichkeiten seines Mediums aus und wenn er dann am Gipfel der Vollkommenheit seines Werkes und der technischen Möglichkeiten ankommt, sieht er sich mit seinem großen Paket der ausgeschöpften Mittel und der höchsten künstlerischen Leistungen plötzlich am Fuße des Berges wieder. „Das Glück am Weg“ zeigt eindrucksvoll, wie mächtig ausgefeilte Sprache und gezielt einsetzte sprachliche Mittel in der Vorstellungskraft des Lesers wirken können.

Nicht das Theater, sondern nur der Film könnte das wirklich konkret machen, was Hofmannsthal hier beschreibt. Doch bleibt die Frage: Würde ebendieses Konkretisieren nicht schädlich sein für die „Traum – und Vorstellungswelt“ und damit das wahre Amüsement des Rezipienten?

[...]


[1] Rudolf Borchardt: Hofmannsthals Wirkung, in: Gotthart Wunberg (Hg.): Hofmannsthal im Urteil seiner Kritiker. Athenäum Verlag, Frankfurt am Main 1972, S. 340.

[2] Hugo von Hofmannsthal: „Der Dichter und diese Zeit“, in: Herbert Steiner (Hg.): Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Prosa II, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 1959, S. 230.

[3] „Der Dichter und diese Zeit“, in: Herbert Steiner (Hg.): Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Prosa II, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 1959, S.229 – 258.

[4] Vgl. Ernest Prodolliet: Das Abenteuer Kino. Der Film im Schaffen von Hugo von Hofmannsthal, Thomas Mann und Alfred Döblin, Universitätsverlag, Freiburg (Schweiz) 1991, S.15, 28.

[5] Vgl. Ernest Prodolliet: Das Abenteuer Kino, S. 37.

[6] Vgl. Mathias Mayer: Hugo von Hofmannsthal, J.B. Metzler Verlag, Stuttgart/Weimar 1993.

[7] Vgl. dazu: Hugo von Hofmannsthal: Brief an Willy Haas, am 19.11.1927, in: Martin E. Schmid (Hg.): Hugo von Hofmannsthal: Briefchronik. Regest – Ausgabe, Bd. 2, Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2003, Sp. 2742/2743.

Hugo von Hofmannsthal: Brief an Max Reinhardt im Dezember 1928, in: Martin E. Schmid (Hg.): Hugo von Hofmannsthal: Briefchronik. Regest – Ausgabe, Bd. 2, Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2003, Sp. 2825/2826.

Hugo von Hofmannsthal: Brief an Leopold von Andrian, in: Walter H. Perl (Hg.): Hugo von Hofmannsthal, Leopold von Andrian: Briefwechsel. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1968, S. 413.

[8] Vgl. Friedrich Kittler: Grammophon, Film, Typewriter, Brinkmann & Bose Verlag, Berlin 1986, S.190 Abs.3 f.

[9] Hugo von Hofmannsthal: „Der Dichter und diese Zeit“, in: Herbert Steiner (Hg.): Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Prosa II, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 1959, S. 230.

[10] Hugo von Hofmannsthal: „Der Dichter und diese Zeit“, S. 232.

[11] Heinz Hiebler: Hugo von Hofmannsthal und die Medienkultur der Moderne, in: Epistemata. Würzburger Wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft, Bd. 416, Königshausen & Neumann Verlag, Würzburg 2003, S. 433f.

[12] Hugo von Hofmannsthal: „Der Dichter und diese Zeit“, S. 239.

[13] Hugo von Hofmannsthal: „Das Glück am Weg“, in: Herbert Steiner (Hg.): Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Prosa I, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 1956, S. 122 – 127.

[14] Hugo von Hofmannsthal: „Das Glück am Weg“, S. 125.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Hugo von Hofmannsthal und der Film
Hochschule
Universität Augsburg
Veranstaltung
Dramen der Wiener Moderne
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V66141
ISBN (eBook)
9783638588508
ISBN (Buch)
9783638775885
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Wie schon der Titel andeutet, geht es in dieser Arbeit um Literatur und Film. Die Filmtechnologie steckte noch in den Kinderschuhen und die Literaten der Wiener Moderne gehören zu den Pionieren des Films. Interessant für alle, die sich für Film, Theater, Drama und ihre inneren Zusammenhänge interessieren und wissen wollen wo der Unterschied zwischen Theater und Film liegen könnte.
Schlagworte
Hugo, Hofmannsthal, Film, Dramen, Wiener, Moderne
Arbeit zitieren
Peter Kaimer (Autor:in), 2005, Hugo von Hofmannsthal und der Film, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66141

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