Zur Unterrichtseinheit Differenzialrechnung: Oberflächenminimierung zylinderförmiger Behälter bei vorgegebenem Volumen


Unterrichtsentwurf, 2003

23 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Analyse der pädagogischen Situation

2. Didaktisch-methodische Überlegungen zur Unterrichtsreihe

3. Didaktisch-methodische Überlegungen zur Unterrichtsstunde

4. Ausblick

5. Lernziele und geplanter Stundenverlauf im Überblick

Literaturverzeichnis

Arbeitsmaterialien

1. Analyse der pädagogischen Situation

Ich unterrichte die Klasse FO 12 G/A seit den Herbstferien im Fach Ma­the­­ma­tik. Der Un­ter­richt findet montags in der 3. und 4. Unterrichtsstunde im Raum O13b und dienstags in der 5. und 6. Unterrichtsstunde im Raum P7 statt. Aufgrund ihrer zeitlichen Lage bieten sich die Mon­tags­­­stun­­­den zur Erarbeitung neuer Sachverhalte an, während die Dienstagsstunden häufig zum Üben ge­­nutzt werden. Die Klasse der einjährigen Fach­ober­schu­le, die bzgl. der Fach­­rich­tung zwei­ge­teilt ist, be­­steht aus 18 Schü­lerinnen und Schü­lern[1] (10 Mäd­chen, 8 Jun­gen). Sechs der acht Jun­gen ha­ben als Fachrichtung Agrar, die anderen beiden und die Mädchen Gesund­heit ge­wählt. Trotz der he­­te­ro­­genen Zusammensetzung hat sich eine gute Klassengemeinschaft ent­wi­ckelt, in der man auf­­ein­­an­der Rücksicht nimmt und sich gegenseitig weiterhilft. Die Ar­beits­at­mo­sphä­­­re kann als an­ge­nehm, angstfrei und konstruktiv bezeichnet werden. Die Schü­­ler sind dis­zip­­li­niert, ge­hen freund­lich mit­­­­ein­ander um und neh­men die Bei­trä­ge von Mit­schü­lern ernst. Ich un­­ter­rich­te gerne in dieser Klas­­­se, füh­­le mich als Lehrer ak­zeptiert und habe ein gutes Ver­hältnis zu den Schü­lern, was sich u.a. in einem freund­­li­chen Um­gangs­ton und darin zeigt, dass die Schüler kei­­ne Hem­­­mun­gen haben, im und nach dem Unterricht Fra­gen zu stel­­len.

Die Vorerfahrungen der Schüler mit dem Fach „Mathematik“ waren z.T. sehr verschieden. Wäh­rend einige Schüler dem Fach gegenüber auf­­­geschlossen waren, hatten andere Vorbehalte und wa­ren auf­­grund der während ihrer Schulzeit erlebten mathematischen Miss­erfolge und der damit ver­bun­de­­nen Zweifel an ihrem Leistungsvermögen im Unter­richts­ge­spräch zu­nächst zu­rück­haltend. Das Selbst­­­be­­wusst­sein letz­terer Gruppe versuche ich durch positive Rück­mel­dung und Be­stätigung schritt­­­weise wieder auf­­zu­bauen, was mittlerweile in Verbindung mit der angst­freien At­mosphäre auch die er­sten Er­fol­ge zeigt. So bringen sich nun auch schwächere und ruhigere Schüler entspre­chend ihrer Fä­higkeiten ein. Während der bisherigen Unterrichtszeit zeigte sich, dass vie­le Schü­ler nur noch vage und bruchstückhafte Erinnerungen an den Mittelstufenstoff haben. So konn­ten sie mit den bereits in den Klas­sen 8 bis 10 behandelten Funktionstypen (lineare und qua­dra­ti­sche Funk­­­tio­nen) kaum noch etwas verbinden, so dass diese komplett neu erar­bei­tet werden muss­ten. Auch elementare Rechenregeln mussten an entsprechender Stelle wiederholt werden, um glei­che Lern­­­voraussetzungen zu schaffen.

Die Lerngruppe ist bezüglich des Leistungsvermögens[2] und des Arbeits- und Lerntempos he­te­ro­gen und lässt sich in vier etwa gleich starke Gruppen einteilen. Die erste Gruppe arbeitet zügig und kann Probleme und Fragestellungen relativ schnell er­fas­sen. Ein Schüler dieser Gruppe hat bereits die CTA-Aus­bil­dung absolviert und verfügt dem­ent­spre­­chend ge­gen­über seinen Mitschülern über einen gro­ßen ma­the­ma­tischen Wis­sens­vorsprung. Da er schon mit dem Gebiet der Dif­fe­ren­tial­rech­nung ver­traut ist, weiß er auf Fragen oft unmittelbar eine Antwort. In einem Ge­spräch habe ich ihm seine guten Lei­stun­­gen be­stä­tigt, ihn aber gleich­zei­tig um Verständnis dafür ge­beten, dass ich ihn nicht sofort auf­ru­fe, um auch anderen Schülern die Mög­­lich­­keit zur Be­tei­li­gung und eigenständigen Er­schlie­ßung des Lern­stoffs zu geben. In Übungs­pha­sen halte ich ihn dazu an, seinen Mitschülern be­hilf­lich zu sein. Eine zweite Gruppe ist mündlich etwas zurückhaltender. Die schriftlichen Leis­tun­gen liegen je­doch – bis auf eine Ausnahme – im befriedigenden Bereich und auf Auf­forderung sind die Mitglieder durchaus be­reit, sich ihren Klassenkameraden mitzuteilen. Eine dritte Gruppe ist ins­be­son­dere bei reproduzierenden Fragestellungen aktiv, während die verbleibenden vier Schül­er dem Unter­richts­ge­sche­hen nur lang­samer fol­­gen können und mehr Zeit zum Nach­den­ken benötigen, dann aber häu­fig auch zur rich­tigen Antwort gelangen. Um zu ver­­­hin­­dern, dass diese Schü­ler ent­­mutigt und de­mo­tiviert wer­­den und dann nicht mehr mit­denken, schal­te ich besonders bei komplexeren Prob­lem­stel­lungen eine Part­­ner­ar­beits­pha­se vor oder ver­­mei­­de einen allzu schnel­len Zu­griff durch eine ent­spre­chende Ver­­län­­ge­­rung der Be­denk­zeit, wo­bei die Schüler auch in ihrem Heft nach­schla­gen und sich mit dem Tisch­­­­nachbarn aus­tau­schen kön­nen. Somit können auch lang­sa­mere Schüler gründ­li­che Über­le­gun­gen anstellen und zu­rück­­haltendere Schüler haben die Mög­lich­keit, ihre Ide­en vor der Diskussion im Plenum ab­zu­si­chern, was sich in einer verstärkten Be­tei­li­gung wi­der­spiegelt. Auch die auffassungsschnelleren Schü­­ler werden hier­bei – ähnlich wie bei den durchgeführten Gruppenarbeiten – sinnvoll ein­ge­bun­den, da sie ihre Ide­en für Mitschüler ver­ständ­lich formulieren und zur Diskussion stellen müssen, was zum einen ihre Kommunikations- und Argumentationsfähigkeit aber auch die Teamfähigkeit för­dert (soziale Lern­ziele). Um den Lern­­stoff auch den weniger ab­­strakt denkenden Schülern zu­gäng­lich zu ma­chen, setze ich häufig ent­­sprechendes Anschauungsmaterial ein. So versuche ich mathematische Sach­ver­hal­te durch den Ein­­­satz von Over­head­fo­lien oder mit Hilfe des graphikfähigen Taschenrechners TI 92 zu vi­su­a­li­sie­ren. Das in der Klasse aus­ge­teilte Mathematikbuch [4] ist z.T. noch sehr fach­­syste­ma­­tisch auf­ge­baut und wenig anwendungs­orien­tiert. Daher arbeite ich nur wenig mit dem Buch und setze statt­des­­sen im Un­ter­richt häufig selbst ge­­­staltete Arbeitsblätter ein.

Das Leistungsniveau der Klasse kann insgesamt als mittelmäßig eingestuft werden. Die Stärke der Lern­­grup­pe liegt eher im re­pro­duk­tiven Bereich, während Trans­fer­aufgaben vielen Schülern zu­nächst Schwie­­­­­rig­keiten be­rei­ten. Die sonst gute und relativ breite Be­teiligung sinkt in problem­orien­tierten Un­­­­­ter­­richts­­­pha­sen deut­lich ab, weil es vielen Schülern noch schwer fällt, in größeren Zu­sam­men­hän­­­gen zu denken und even­tuell abstrakte Über­legungen an­zustellen. Außerdem lassen sie sich hier­­bei noch leicht verunsichern. Da­her muss man vor allem bei Trans­fer­prob­le­­men und der Er­ar­­­bei­­tung neuer Sach­ver­halte ent­spre­chende Hilfen einplanen und et­was klein­schrit­tiger vor­­ge­hen, um den Groß­teil der Klasse nicht zu überfordern. In solchen Phasen hat sich eine relativ en­ge Un­ter­­richtsführung im Lehrer-Schüler-Gespräch bewährt.

In den zahlreichen Übungsphasen, die mir Aufschluss über das Verständnis des Stoffs bei den Schü­­­­­­lern sowie die Möglichkeit zur individuellen Betreuung geben, haben die Schüler grund­sätz­lich die Möglichkeit, die Aufgaben in Partner- oder Gruppenarbeit zu erledigen, da die Ausein­an­der­­­­­setzung mit dem Stoff beim gemeinsamen Diskutieren und Hinterfragen be­son­ders intensiv ist. Auch Defizite in den Grundrechenfertigkeiten können so durch gegenseitige Hilfe ab­gebaut wer­den. Um die auffassungsschnelleren Schüler nicht zu unterfordern, biete ich im Sinne einer Dif­fe­ren­­zierung gelegentlich auch Zusatzaufgaben mit einem höheren Schwie­rig­keits­grad an.

Einer teilweise noch vorhandenen Lehrerfixierung begegne ich dadurch, dass ich zunächst mehrere Beiträge sammle, ohne unmittelbar eine Rückmeldung bzw. Wertung zu geben und diese später im Plenum zur Diskussion stelle bzw. Frage von Schülerseite nicht selbst beantworte, sondern an die Klas­se zurückgebe. Um die Selb­stän­dig­keit der Schüler zu fördern, halte ich sie in Grup­pen- und Part­­­ner­ar­beits­phasen da­zu an, den Lehrer erst dann zu fragen, wenn sie auf anderem Wege nicht mehr wei­ter­kommen. Mittlerweile tauschen sich die Schüler in den Übungsphasen verstärkt unter­ein­ander aus, so dass ich oft nur noch bei Fragen zur Aufgabenstellung zu Rate gezogen werde.

Das Interesse an der Ma­the­ma­tik ver­su­che ich durch handlungs- und anwendungsorientierte Auf­ga­ben zu för­dern, so dass ein un­mit­telbarer Le­bens­be­zug sowie der Stellenwert der Mathematik in un­­­se­rem Le­ben deutlich werden. Wie meine bisherigen Erfahrungen in dieser Lerngruppe zeigen, füh­­len sich die Schüler durch solche Auf­ga­ben besonders motiviert, da sie hier einen Nutzen und Sinn der Mathematik erkennen. Außerdem können gerade an Anwendungs­auf­gaben oder Prob­le­men aus dem Alltag die Mathematisierungs- und Problem­lö­sungs­kompetenz, die im späteren Leben und bei vielen Stu­dien­gängen noch eine wichtige Rolle spie­len wird, trai­niert werden. Die Grup­pen­- und Part­ner­ar­beit stellt dabei aus Grün­­­den der He­te­ro­ge­ni­tät und im Hinblick auf die mo­­derne Ar­beits­welt ein wichtiges Element des Unter­­richts dar. Sie bieten die Möglichkeit, die Ko­­ope­ra­tions-, Kom­munikations- und Argumentationsfähigkeit der Schüler zu trainieren.

2. Didaktisch-methodische Überlegungen zur Unterrichtsreihe

Der Rahmenlehrplan Mathematik für die Fachoberschule [7] sieht im Rahmen der Analysis als gro­ßes The­men­gebiet die Differentialrechnung vor, bei dem der Ableitungsbegriff die entscheidende Rol­le spielt. Der Ab­­leitungsbegriff er­mög­licht es, den Verlauf eines Funk­tionsgraphen auf Hoch-, Tief- und Wen­­de­punk­te zu untersuchen (Kur­vendiskussion) und da­mit eine Lösung für zahlreiche Extre­mwertprob­le­me (z.B.: Wie müssen die Ab­messungen einer Schach­tel bei vorgegebener Ober­flä­­che gewählt wer­den, damit das Volumen mög­­lichst groß ist ?) zu finden. Gerade die soge­nann­ten Ex­­trem­­­wert­auf­ga­ben können dazu bei­tra­gen, den Schülern die An­wendungsrelevanz der Ma­the­­ma­tik durch die Ein­bin­dung reali­täts­be­zo­ge­ner und außer­ma­the­ma­ti­scher Problemstellungen auf­­zu­zei­gen. So können die Schüler erkennen, dass die Mathematik dazu bei­trägt, Probleme aus der be­­ruf­li­chen und all­täg­li­chen Umwelt zu beschreiben[3], was zur höheren Mo­tivation der Schüler bei­trägt. Außer­­dem bietet die Behandlung von Extremwertaufgaben die Mög­lichkeit, die Mathe­ma­ti­sie­­rungs- und Problem­lö­sungs­­kompetenz zu fördern. Eine wichtige Rol­le spielt die Differen­tial­rech­­nung u.a. in den fol­gen­den Be­­­rei­chen: Phy­sik (Ableitung als Bin­de­glied zwischen Weg, Ge­schwin­­dig­­keit und Be­­­schleu­­ni­gung), Wirt­­schaft (Steuer und Spit­zen­steu­er­satz, Optimie­rungs­prob­leme), Ver­­­pa­ckungs­­in­­­du­strie (Mi­­­ni­mie­­rung des Ma­terialverbrauchs), Tech­nik (Brückenbau, Tras­sie­rung), Biologie, Che­­­­mie, Me­­­dizin (Wach­­stums- und Zerfallsprozesse, Reak­­­tions­ge­schwin­dig­keit), Po­litik und Sozialwissenschaften (so­zio­­­gra­phi­­sche Ent­wick­lun­gen).

Nach dem Rahmenlehrplan soll der Mathematikunterricht den Schülern Einblicke in Problem­stel­lun­gen, Denk- und Arbeitsweisen und Anwendungsmöglichkeiten der Mathematik ermöglichen. Der Anwendungsaspekt, dem auch in dieser Reihe Rechnung getragen werden soll, wird als ein in­te­graler Bestandteil des Mathematikunterrichts angesehen. Die Schüler sollen u.a. befähigt wer­den, reale Probleme umgangssprachlich und fachsprachlich zu be­schreiben, für ein Problem we­sent­liche Gegebenheiten von unwesentlichen zu unterscheiden, Ana­logien zu finden und Sach­ver­hal­te zweck­mäßig zu notieren. Des weiteren sollen die Problem­lö­se­fä­hig­keit, Ar­gu­mentationsfähigkeit, Selbständigkeit und Selbst­­tätig­keit sowie die Kooperations- und Kom­mu­nikationsfähigkeit ge­för­dert werden. Hierzu kann meines Erachtens die Gruppen- und Partner­ar­beit einen entscheidenden Bei­trag leisten. Aus zeitlichen Grün­­­den ist es zudem in der Fach­ober­schu­le durchaus legitim, an ge­eigneten Stellen didaktische Ver­­­ein­­fa­chun­gen vorzunehmen und auch aus der Anschauung oder durch Plau­si­bilitäts­be­trach­tun­gen Sät­ze ab­zuleiten, solange nichts verfälscht wird.

Als Einstieg in die Anfang Dezember begonnene Reihe „Differentialrechnung“ erhielten die Schü­ler das Höhenprofil eines Straßenabschnitts, auf dem in letzter Zeit die Unfallzahlen gestiegen wa­ren, und sie sollten in Grup­pen – sich in die Rolle eines Auszubildenden beim Landesamt für Stra­ßen- und Verkehrs­we­sen hinein versetzend – eine Entscheidung darüber treffen, welche Pro­zent­angabe auf ein an­zu­brin­gen­des Schild mit dem Gefahrenhinweis „Steigung“ anzubringen sei. Durch das Einzeichnen ver­schie­dener Steigungsdreiecke kamen die Gruppen zu unterschiedlichen Er­gebnissen. Es wurde of­fen­sichtlich, dass sich die Steigung von Punkt zu Punkt ändert und dass es sinn­voll ist, von der Stei­gung des Graphen in einem Punkt zu sprechen. Einige Schüler kamen da­bei auf die Idee, die Stei­gung des Graphen in einem Punkt durch das Anlegen einer Geraden zu be­stim­men, die sich dem Graphen „anschmiegt“. Die Steigung dieser Geraden (Tangente) konnte über ein Stei­gungs­drei­eck bestimmt werden und wurde als Ableitung an der entsprechenden Stelle be­­­zeichnet. Dieses Ver­fahren des „graphischen Differenzierens“ wurde anschließend zur Be­stim­mung der Steigungen von Graphen in vorgegebenen Punkten benutzt. Dabei fiel den Schülern bald auf, dass das zeich­ne­ri­sche Differenzieren relativ ungenau ist, und sie fragten nach einer rech­ne­ri­schen Methode zur Be­stim­mung der Ableitung. Am Beispiel der Funktion f(x) = x² wurde schließ­lich das rech­ne­rische Verfahren er­arbeitet. Die Ableitung (Tangentensteigung) ergibt sich da­bei als Grenz­lage der Se­kan­ten. Nach Einführung der Ableitungsregeln wurde zur Vertiefung die soge­nann­te Kra­ter­auf­­ga­be be­han­delt, bei der die Schüler überprüfen soll­ten, ob ein Fahr­zeug mit vor­ge­ge­bener Stei­gungs­­fähigkeit den Rand des Kra­ters von der Krater­soh­le aus er­rei­chen kann. Um den Ableitungsbegriff sinnstiftend zu verankern und den Schülern bereits frühzeitig den An­wen­dungs­be­zug der Differentialrechnung aufzuzeigen, wurden die Kriterien für Extremstellen an einer relativ einfachen und praxisrelevanten Extremwertaufgabe (Bestimmung der Maße einer Schachtel mit größtmöglichem Volumen) erarbeitet. Diese Vorgehensweise soll­te die Schüler stärker motivieren und dazu beitragen, dass sie einen Sinn im Finden des Ma­xi­mums oder Minimums einer Funktion sehen (Problemorientierung). So erhielten die Schüler den Arbeitsauftrag, in Gruppen aus einem her­kömmlichen DIN-A4-Blatt eine oben offene Schachtel mit möglichst großem Volumen her­zu­stel­len (Handlungs­orien­tie­rung). Die gebastelten Schach­teln wurden miteinander verglichen und die zugehörige Volumina nach Ausmessen der Sei­ten­längen berechnet. Nach Sammeln der von­ein­an­der abhängigen Größen Ein­schnitttiefe x und Vo­lu­men V(x) in einer Tabelle äußerten die Schü­ler Vermutungen über den Kur­venverlauf. Daraufhin wurde die Funktionsgleichung entwickelt und der Graph mittels eines Funk­tionsplotters dargestellt. Anhand des Graphen wurde nun erarbeitet, dass die Steigung und da­mit die Ableitung in einem Hoch- bzw. Tiefpunkt den Wert 0 besitzen muss (notwendiges Kri­te­rium), womit nun eine rechnerische und exakte Lösung des Problems mög­­lich war. Durch das zu­sätz­liche Einzeichnen des Graphens der 1. und 2. Ableitungsfunktion konn­­ten auf anschauliche Wei­se dann auch das hin­rei­chen­de Kriterium hergeleitet werden. Nach Ein­führung der Wen­de­punk­te und einigen Übungs­auf­ga­ben waren die Schüler dann in der Lage, eine vollständige Kur­ven­diskussion durchzuführen. Nachdem nun die Grundlagen der Dif­feren­tial­rech­nung parat sind, schließt sich die Behandlung weiterer Extremwertprobleme an, bei denen die Ma­thematisierung realer Problemstellungen in den Vor­dergrund rückt. Wie man eine Extrem­wert­auf­gabe prinzipiell löst, wurde an einigen zwei­di­men­sionalen Beispielen bereits in den letzten Stunden the­ma­tisiert. Als Anwendungsbezug für die Schüler der Fachrichtung Agrar wurde hier u.a. das Pro­blem der Weideeinzäunung thematisiert: Welche Abmessungen muss man einer recht­ecki­gen Wei­de geben, damit bei vorgegebener Zaunlänge die Weidefläche maximal wird ?

3. Didaktisch-methodische Überlegungen zur Unterrichtsstunde

Die geplante Doppelstunde steht im Gesamtkontext „Extremwertaufgaben“ – einem wichtigen An­wen­­dungs­­feld der Differentialrechnung. Am Beispiel der Oberflächenminimierung zylinder­för­mi­ger Be­hälter bei vorgegebenem Inhalt sol­len die Schüler eine realistische Problem­stel­lung ma­the­ma­­ti­sie­ren und mit Hilfe der Diffe­rential­rech­nung die Abmessungen einer optimalen Dose aus­fin­dig ma­chen. Dabei sol­len sie das bisher zur Lö­sung von zweidimensionalen Extremwertaufgaben ent­wickelte Ver­fah­ren auf ein räumliches Problem anwenden. Die gefundenen Lösungen sollen mit re­­alen Dosen ver­gli­chen und mögliche Ab­­weichungen von den Schülern diskutiert werden. Die ent­­scheidende Er­kenntnis für die Schü­­ler ist, dass bei jeder optimierten Dose, d.h. einer Dose mit mi­­nimalen Ma­te­rial­verbrauch, Durchmesser und Höhe gleich groß bzw. bei je­dem op­ti­mierten zy­lin­­derförmigen Be­hälter ohne Deckel Radius und Höhe gleich groß sein müs­sen. Die Ma­thematik soll dabei als ein we­sentliches Hilfsmittel zur Lösung realer Optimierungsprobleme er­kannt wer­den. Bei der Dosen­op­ti­­mierung handelt es sich um ein anwendungsorientiertes und im Sinne von Blum (sie­he [2]) re­le­­van­tes Problem, denn die Minimierung von Verpackungsaufwand und Ma­te­ria­lkosten spielt so­wohl für den Umweltschutz als auch für betriebswirtschaftliche Überlegungen eine wich­ti­ge Rolle. Nicht umsonst sind Dosen und das Dosenpfand auch Gegenstand der aktuellen Dis­­kus­sion. Dies dürf­te den Schüler die Identifizierung mit dem Problem erleichtern[4]. Da sie sich bis­her durch Auf­ga­ben mit An­­wen­dungs- und Alltagsbezug besonders an­ge­spro­­chen fühlten (siehe 1.), er­war­te ich außerdem eine hohe Mo­­ti­va­tion der Schüler, zumal auch außer­ma­the­ma­­tische Fra­ge­­stel­lun­gen wie die Mi­ni­mie­rung des Ver­packungsmülls und der Umgang mit der Natur dis­ku­tiert wer­den kön­nen.

Zur Auf­stel­lung der Zielfunktion werden die Oberflächenformel (Extremalbedingung: O = 2prh + 2pr²) und die Volumenformel (Nebenbedingung: V = pr²h) für Zylinder benötigt, welche die Schü­ler einer von mir ausgeteilten Formelsammlung entnehmen können[5]. Löst man die Neben­be­din­gung nach h auf und setzt sie in die Extremalbedingung ein, so erhält man die Zielfunktion:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bildet man die 1. Ableitung und setzt diese gleich Null, so erhält man die mögliche Extremstelle:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Durch Einsetzten in die 2. Ableitung O¢¢ findet man heraus, dass an dieser Stelle ein Minimum vor­liegt. Damit ist der optimale Radius der Dose ge­funden, über den man schließlich auch die op­ti­ma­le Höhe und den minimalen Materialbedarf berechnen kann.

Zu Beginn der Stunde werde ich einige mitgebrachte Getränke- und Konservendosen auf das Leh­rer­pult stellen und die Schüler darüber informieren, dass wir uns in der heutigen Stunde mit der Do­­senherstellung beschäftigen werden. Anschließend werde ich die Schüler bitten, sich in einer kur­­­zen Partnerarbeit Kriterien zu überlegen, die für die Dosenform relevant sein könnten. Die Part­ner­arbeit hat dabei den Vorteil, dass alle Schüler dieser heterogenen Gruppe in Ruhe Über­le­gun­gen an­stellen und diese austauschen und diskutieren können. Mög­liche Antworten könnten sein: Inhalt der Dosen, Design, hand­li­ches Format, Stapelbarkeit, Stabilität, mög­lichst ge­rin­ger Material­ver­brauch (Umwelt- und Kostenaspekt), etc. Der letzte Aspekt könnte auch über die aktuelle Markt­­si­tua­­­tion, in der der Kun­de sehr auf die Preise bedacht ist, oder einen Verweis auf die bereits be­han­del­te Schachtel­auf­ga­be angeregt werden. Da die genannten Aspekte bei einer Dis­­­kus­sion am Ende der Problemlösung (Ver­gleich handelsüblicher Dosen mit der optimalen Do­se) wie­der auf­ge­grif­fen wer­den können, werde ich sie auf einer Folie fixieren. Dann wer­de ich die Frage aufwerfen, wel­chen dieser Punkte wir hier im Mathematikunterricht nä­her be­leuch­ten könnten. Dabei erwarte ich, dass von den Schülern der Materialverbrauch bzw. sei­ne Mi­ni­mierung an­ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­­­­sammenhang soll zunächst thematisiert wer­den, aus wel­chem Material Dosen hergestellt wer­­den, welche geometrische Form die Dosen angenähert auf­wei­sen, wel­­che mathematische Grö­ße den Materialbedarf beschreibt (® Oberfläche), woraus sie sich zu­sam­­men­setzt und wovon der Ma­te­­rialbedarf letztlich ab­hängt (® Radius und Höhe). Sollten hierbei Schwierigkeiten auftreten, so kann der Einsatz eines Zylindermodells weiterhelfen.

Zur Konkretisierung des Problems werde ich nun folgende Fragestellung an der Tafel notieren: Ein Le­­bensmittelhersteller möchte eine Konservendose mit 500 ml Inhalt auf den Markt bringen. Wie müs­­sen Radius und Höhe gewählt werden, damit der Materialverbrauch (= Oberfläche) möglichst ge­­ring ist. Nachdem die Problemstellung formuliert ist, werde ich die Schüler fragen, um welchen Typ von Aufgabe es sich hierbei handelt. Da die Schüler mit dem Lösen von Extremwertaufgaben be­­­reits vertraut sind, werde ich sie bitten, in Partnerarbeit die Extremalbedingung und die Ne­ben­­­be­din­gung ausfindig zu machen und damit die Zielfunktion aufzustellen. Die Partnerarbeit zie­he ich hier dem sofortigen Unterrichtsgespräch vor, um möglichst allen Schülern die Mög­lich­keit zu ge­ben, sich intensiv mit der Fragestellung auseinander zu setzen und eigenständig zu Er­ge­bnis­sen zu ge­langen. Andernfalls bestände die Gefahr, dass die leistungsstärkeren Schüler (siehe 1.) den schwä­­­cheren Schülern ihr Lerntempo aufzwingen könnten. Als mögliche Veran­schau­lichungs­hil­fe kön­­­­­nen die mitgebrachten Dosen dienen. Die so erarbeiteten Ergebnisse werden an der Tafel ge­­sam­melt, so dass letztlich alle Schüler die gleiche Basis zur Bestimmung der Extremstelle haben.

Alternativ zu dieser Vorgehensweise könnte man in einer leistungsstarken Mathematikklasse (z.B. in einer Gymnasialklasse) die Problemlösung von der Ausgangsfragestellung bis zur Angabe der op­timalen Maße in heterogen zusammengesetzten Gruppen erarbeiten lassen. In dieser Klasse birgt dieses Vorgehen jedoch zwei Risiken. Zum einen könnten einige Schüler hier überfordert und da­mit demotiviert werden, da sowohl Extremal- als auch Nebenbedingung komplizierter als bei den bis­­herigen Extremwertproblemen sind und eine nicht oder falsch gekürzte Zielfunktion die Lö­sungs­­findung erschweren würde. Das zusätzliche Auftreten von p neben den beiden Variablen r und h könnte bei einigen Schülern Verwirrung stiften. Zum anderen stellt sich hier erstmals die Fra­­ge, nach wel­cher der beiden Variablen r oder h die Nebenbedingung aufgelöst wer­den soll, um letzt­lich die Ziel­­funktion zu erhalten. Prinzipiell kann man die Nebenbedingung so­wohl nach r als auch nach h auf­­lösen, das Auflösen nach h hat aber einen entscheidenden Vorteil, da die Ziel­funk­­tion dann kei­ne Wurzel enthält. Die Behandlung von Wurzelfunktionen ist in der Fach­ober­­schu­le nicht vor­ge­se­hen, so dass das Auflösen nach h zunächst in eine Sackgasse führen und die Lö­sung un­­nötig kom­pli­ziert machen würde. Darüber hinaus ist die Zielfunktion eine ge­bro­chen-ra­tio­nale Fun­k­tion, de­ren Ableitung bisher nur am Rande behandelt wurde. Daher habe ich mich in An­­be­tracht der Lern­grup­pe für ein kleinschrittiges Vorgehen entschieden, bei der das Auf­lö­­sen nach h oder r im Ple­num diskutiert und somit unnötigen Frustrationen vorgebeugt wer­den kann. Da vielen Schülern die Mathematisierung realer Sachverhalte schwer fällt, wird hier vermutlich eine relativ enge Unterrichtsführung notwendig sein.

[...]


[1] Im Folgenden werde ich den Sammelbegriff „Schüler“ statt „Schülerinnen und Schüler“ verwenden.

[2] Dies äußert sich bei komplexeren Fragestellungen mit Transfercharakter und in den Erarbeitungsphasen.

[3] vgl. Rahmenlehrplan Mathematik für die Fachoberschule: [7], Seite 5f.

[4] vgl. [8], S. 145: „Je realistischer und relevanter eine Anwendungsaufgabe ist, desto mehr sind Schüler bereit, sich im Unterricht zu engagieren.“

[5] Die Behandlung dieser Formeln liegt für viele Schüler schon mehrere Jahre zurück, so dass nicht davon auszugehen ist, dass sie bei allen Schülern noch präsent sind.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Zur Unterrichtseinheit Differenzialrechnung: Oberflächenminimierung zylinderförmiger Behälter bei vorgegebenem Volumen
Veranstaltung
Lehrprobe
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V66017
ISBN (eBook)
9783638588058
ISBN (Buch)
9783638671088
Dateigröße
793 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Unterrichtsentwurf in einer Fachoberschulklasse 12 im Fach Mathematik zum Thema Extremwertaufgaben (Dosenoptimierung) inklusive Stundenverlaufsraster, Arbeitsblättern und den zugehörigen Graphen
Schlagworte
Unterrichtseinheit, Differenzialrechnung, Oberflächenminimierung, Behälter, Volumen, Lehrprobe
Arbeit zitieren
Markus Englisch (Autor:in), 2003, Zur Unterrichtseinheit Differenzialrechnung: Oberflächenminimierung zylinderförmiger Behälter bei vorgegebenem Volumen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66017

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