Geschehenslyrik: Sich in eine handelnde Figur versetzen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

15 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Konzept
2.1 Literaturvergleich
2.2 Gedichtauswahl
2.3 Handzettel für den Lehrer

3 Planung
3.1 Unterrichtsentwurf
3.2 Vergleich Seminar – Grundschulklasse

4 Bericht
4.1 Unterrichtsverlauf
4.2 Produktbeschreibung

5 Auswertung
5.1 Selbstbeurteilung
5.2 Seminarkritik

6 Literaturliste

7 Anhang

1 Einleitung

In Texten der Kategorie Geschehenslyrik werden menschliche Probleme in erzählender Art und Weise vorgetragen (H. Reger 1990, S. 72). In welcher Form und mit welchem Ziel man sich dabei in handelnde Personen versetzen kann, werde ich in dieser Hausarbeit darstellen. Das Hauptanliegen dabei ist, sich von der traditionellen Textinterpretation zu trennen, Alternativen kennen zu lernen und zu praktizieren. Damit soll ein offener Umgang zur Literatur geschaffen und den Schülern der Zugang erleichtert bzw. überhaupt erst ermöglicht werden.

Im ersten Kapitel werde ich Geschehenslyrik beschreiben und auf ihre Unterarten eingehen. Anschließend werde ich mich mit der Planung der Unterrichtsstunde auseinandersetzen und die Stunde mit der Seminarsitzung vergleichen. Danach werde ich vom Unterrichtsverlauf und den Ergebnissen berichten. Zum Abschluss beurteile ich meine Stunde anhand meiner zuvor gestellten Ziele und das Seminar.

2 Konzept

2.1 Literaturvergleich

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, hat Geschehenslyrik die Funktion, menschliche Probleme – individuelle und gesellschaftliche – in erzählender Art und Weise vorzutragen. Sie kann die Absicht haben zu informieren, zu unterhalten, zu belustigen, zum Staunen anzuregen, aber auch zu belehren oder zu provozieren. Die Texte können ein Erlebnis beinhalten, eine fiktive Begebenheit, ein geschichtliches Ereignis oder eine historische Gestalt präsentieren. Im Rahmen der Kinderlyrik werden als Unterarten die Ballade, das Erzählgedicht und die Versfabel gezählt . (H. Reger 1990, S. 72)

Balladen werden durch Außergewöhnliches, Unglaubhaftes, Undurchschaubares bestimmt und sind formal durch lyrische, epische als auch dramatisch verdichtete Gestaltung gekennzeichnet. Beispiele für Balladen sind: Der Fischer (Goethe), Das Riesenspielzeug (Adelbert von Chamisso), Barbarossa (Friedrich Rückert), Der Handschuh (Schiller), Der Knabe im Moor (Annette von Droste-Hülshoff) und Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland (Fontane). (H. Reger 1990, S. 73)

Das Erzählgedicht entstand Ende des ersten und verstärkt nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Ziel, balladenhafte und andere erzählerische Elemente für lyrische Texte zu verwenden, um der traditionellen Ballade entgegenzutreten. Somit wird das Erzählgedicht vom Epischen bestimmt und weist keine dramatische Zuspitzung auf. Kennzeichen moderner Erzählgedichte sind beispielsweise sachliche, präzise Darstellung, negative Helden, engagierte, anklagende Zeitbezogenheit. Beispiele für Erzählgedichte sind: Zehn kleine Negerlein (In: Enzensberger), Die Vogelhochzeit (In: Enzensberger), Angsthase – Pfeffernase (Jo Pestum), Blaukäppchen und der liebe Wolf (Jo Pestum), Fauler Zauber (Erich Kästner) und Ladislaus und Komkarlinchen (Peter Hacks). (H. Reger 1990, S. 73ff)

In der Versfabel handeln Tiere so wie Menschen. Es wird damit ein verfremdetes Bild der menschlichen Welt geschaffen. Das Ziel ist, eine Lehre zu vermitteln, die eine allgemeine Wahrheit oder Moral zum Ausdruck bringt und somit Anerkennung bzw. auch Anwendung fordert. Die Lehren der Versfabeln in der Kinderlyrik können Lebensweisheiten, moralische Ansichten und auch Sozialkritik beinhalten. In erster Linie wollen Fabeln belehren und als engagierte Provokation zum Nachdenken, Umdenken und Handeln anregen. Beispiele für Versfabeln sind: Fink und Frosch (Wilhelm Busch), Das Huhn und der Karpfen (Heinrich Seidel), Die Vögel warten im Winter vor dem Fenster (Bertolt Brecht). (H. Reger 1990, S. 76ff)

Mit Geschehenslyrik kann der Literaturunterricht sehr handlungs- und produktionsorientiert gestaltet werden. Dazu eignet sich eine inhaltliche Besprechung des Gedichtes, um anschließend einzelne Gegenstände, Figuren oder Ähnliches näher beleuchten zu können. Dies kann durch eine genauere Beschreibung von Gegenständen geschehen, indem man beispielsweise eine Biographie erfindet. Weiterhin können Gesichtsausdrücke als auch Verhaltensweisen handelnder Personen, die nicht im Text dargestellt, aber möglich sind, beschrieben werden. Es können Randfiguren ausführlicher vorgestellt und ihre Lebensgeschichte erzählt, Überlegungen einer Figur (wie Gefühle, Vorhaben, Bedürfnisse) in Gespräche/Handlung eingeführt (z.B. als innerer Monolog mit imaginären Partnern), die Figur in andere Räume, Zeiten versetzt oder eine weitere Figur hinzugefügt oder auch Phasen der Lebensgeschichte einer Hauptfigur (Kindheit, Arbeitswelt, Schule) hinzu erzählt werden. Um dem Hineinversetzen in eine handelnde Person bzw. einen Gegenstand eine Form zu geben, kann man dies z.B. folgendermaßen darstellen: als Interview der handelnden Personen, als szenische Darstellung der Handlung (mit Originaltext oder eigenem Text), als Brief an Figuren (fiktiver Briefwechsel), als Gedicht (die Figur schreibt ein Gedicht aus eigener Sicht oder ein Gegengedicht), als Zeitungskommentar, als Tagebucheintrag, oder man fügt Biographisches (z.B. Kommentare, Fragen, Glossen oder Einfälle in Form von Fußnoten) hinzu. (W. Ingendahl 1991, S. 51ff; G. Waldmann 1999, S.74ff)

Die Wahl der Darstellung ist in erster Linie vom Gedicht abhängig, kann aber auch gut auf die jeweilige Klasse und das Lernziel zugeschnitten werden. Es kommt auch darauf an, wie viel Zeit dafür zur Verfügung steht. Es ist sicher zeitaufwendiger, einen Zeitungsartikel als einen Tagebucheintrag zu schreiben.

2.2 Gedichtauswahl

Die Sache mit den Klößen

Erich Kästner

Der Peter war ein Renommist. Die andern Kinder saßen stumm

Ihr wisst vielleicht nicht, was das ist. um Peter und die Klöße rum.

Ein Renommist, das ist ein Mann, Beim siebenten und achten Stück

der viel verspricht und wenig kann. bemerkte Kurt: "Er wird schon dick."

Wer fragte: "Wie weit springst du, Peter?" Beim zehnten Kloß ward Peter weiß

bekam zur Antwort: "Sieben Meter." und dachte: Kurt erhält den Preis.

In Wirklichkeit – Kurt hat's gesehn – Ihm war ganz schlecht, doch tat er heiter

sprang Peter bloß drei Meter zehn. und aß, als ob's ihm schmeckte, weiter.

So war es immer: Peter log, Er schob die Klöße in den Mund

dass sich der stärkste Balken bog. und wurde langsam kugelrund.

Und was das Schlimmste daran war: Der Anzug wurde langsam knapp.

Er glaubte seine Lügen gar! Die Knöpfe sprangen alle ab.

Als man einmal vom Essen sprach, Die Augen quollen aus dem Kopf.

da dachte Peter lange nach. Doch griff er tapfer in den Topf.

Dann sagte er mit stiller Größe: Nach fünfzehn Klößen endlich sank

"Ich esse manchmal dreißig Klöße." er stöhnend von der Küchenbank.

Die andern Kinder lachten sehr, Die Köchin Hildegard erschrak,

doch Peter sprach: "Wenn nicht noch mehr!" als er so still am Boden lag.

"Nun gut", rief Kurt, "wir wollen wetten." Dann fing er grässlich an zu husten,

(Wenn sie das bloß gelassen hätten!) dass sie den Doktor holen mussten.

Der Preis bestand, besprachen sie, "Um Gottes willen", rief er aus,

in einer Taschenbatterie. "der Junge muss ins Krankenhaus."

Die Köchin von Kurts Eltern kochte Vier Klöße steckten noch im Schlund.

die Klöße, wenn sie's auch nicht mochte. Das war natürlich ungesund.

Kurts Eltern waren ausgegangen. Mit Schmerzen und für teures Geld

So wurde endlich angefangen. ward Peter wieder hergestellt.

Vom ersten bis zum fünften Kloß, Das Renommieren hat zu Zeiten

da war noch nichts Besondres los. auch seine großen Schattenseiten.

Die Ballade "Die Sache mit den Klößen" von Erich Kästner handelt von dem Renommisten Peter und den Folgen seiner Prahlerei.

Peter belügt die anderen Kinder, was diese allerdings durchschauen und glaubt sogar seinen eigenen Lügen. In der zweiten Strophe behauptet Peter, er springt sieben Meter weit. Allerdings hat Kurt gesehen, dass es nur drei Meter zehn waren. Bei der nächsten Gelegenheit sagt Peter, dass er manchmal dreißig Klöße oder sogar mehr essen würde. Das nimmt Kurt als Anlass, um mit ihm zu wetten. Die Köchin von Kurts Eltern kocht die Klöße. Kurt und die anderen Kinder sitzen um Peter herum und beobachten genau, wie Peter dicker wird. Nach fünfzehn Klößen kann Peter nicht mehr so tun als ob es ihm schmecke. Er fällt auf den Boden und fängt an zu husten. Die Köchin ruft gleich einen Arzt, der Peter sofort ins Krankenhaus schickt. Damit verliert Peter seine Wette und seine Lüge ist aufgedeckt.

In diesem Gedicht wird in einem lockeren, witzigen Stil beschrieben, was passieren kann, wenn man andere belügt oder sich selbst überschätzt. Ich habe mich für dieses Gedicht entschieden, weil Kinder selbst Situationen erleben, in denen sie lügen oder lügen möchten. Insofern können sie sich in Peters Lage hineinversetzen, auch wenn sie extrem überzogen ist. An diesem Beispiel sehen sie, dass man mit der Wahrheit weiterkommt als mit Prahlerei. Es wird deutlich, dass die anderen Kinder und auch die Erwachsenen auf Peters Lügen negativ reagieren. Die Kinder sehen daran, dass man sich mit Lügen keine Freunde, sondern eher Feinde macht. Vielleicht können Kinder mit diesem Gedicht etwas sensibilisiert werden, die Wahrheit zu sagen.

Ein weiterer Grund für die Auswahl dieses Gedichtes ist die Verständlichkeit und einfache Handlung. Da ich zwei Stunden in einer 4. Klasse unterrichte, halte ich es vom Schwierigkeitsgrad und von der Länge angemessen. Außerdem möchte ich sehen, ob die Kinder mit dem Gedicht genau so viel Spaß haben, wie die Seminarteilnehmer.

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Geschehenslyrik: Sich in eine handelnde Figur versetzen
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Erziehungswissenschaften)
Veranstaltung
HS Spielen mit Gedichten
Autor
Jahr
2002
Seiten
15
Katalognummer
V65954
ISBN (eBook)
9783638587099
ISBN (Buch)
9783640860692
Dateigröße
396 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Für die Durchführung des Entwurfs wird das Gedicht "Die Sache mit den Klößen" von Erich Kästner benötigt. Dieses kann aus urheberrechtlichen Gründen hier nicht mitgeliefert werden.
Schlagworte
Geschehenslyrik, Sich, Figur, Spielen, Gedichten
Arbeit zitieren
Susanne Hauk (Autor:in), 2002, Geschehenslyrik: Sich in eine handelnde Figur versetzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65954

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