Die Feste im Nibelungenlied


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

31 Seiten, Note: 1-


Leseprobe


Inhalt

I. Einleitung

II. Die Funktion von Festen

III. Der inhaltliche Ablauf der Feste im Nibelungenlied
III. 1 Siegfrieds Schwertleite
III. 2 Das Siegesfest in Worms
III. 3 Die Doppelhochzeit zu Worms
III. 4 Kriemhilds und Siegfrieds Besuch in Worms
III. 5 Die Hochzeit von Kriemhild und Etzel
III. 6 Kriemhilds Fest

IV. Offizieller und heimlicher Zweck der Feste im Nibelungenlied
IV. 1 Die Schwertleite
IV. 2 Das Siegesfest
IV. 3 Die Doppelhochzeit in Worms
IV. 4 Der Besuch in Worms
IV. 5 Die Hochzeit von Kriemhild und Etzel
IV. 6 Kriemhilds Fest

V. Ablauf der sechs Feste nach bestimmten Regeln 22 und Ritualen

VI. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Sechs große höfische Feste werden im Nibelungenlied geschildert, z.B. die Schwertleite Siegfrieds, das Siegesfest nach dem Sachsenkrieg und mehrere Hochzeiten.

Die Beschreibungen überliefern stets wiederkehrende Abläufe: Zunächst werden die Einladungen übermittelt, dann beginnen die Vorbereitungen für das Fest. Der Ankunft der Gäste folgt deren feierlicher Empfang, die festliche Bewirtung, die Unterhaltung und schließlich das Beschenken der Gäste zum Abschied.

Auffällig sind bei jedem der Feste der große finanzielle Aufwand und die Prächtigkeit der Ausrichtung, angefangen bei den Festgewändern über die Fülle an Speisen und die unterhaltenden Darbietungen bis hin zu den Gastgeschenken.

Dabei dienen diese Feste nicht vornehmlich der Zerstreuung und geschehen nicht aus egozentrischer Prunksucht, sondern stellen im Gegenteil eine große wirtschaftliche Belastung dar, die häufig aus reiner Verpflichtung eingegangen werden muss.

Allen Festen im Nibelungenlied liegt immer eine politische Motivation zu Grunde, und sie besitzen neben ihrem offiziellen häufig ebenfalls einen heimlichen Zweck.

Im Folgenden soll in einem allgemeinen Teil zunächst die Funktion von Festen im Mittelalter dargestellt werden. Darauf folgt ein Abriss über den inhaltlichen Ablauf der Feste im Nibelungenlied. Nach dieser Übersicht wird auf die Motivation und den offiziellen sowie versteckten Zweck eines jeden der Feste eingegangen.

Abschließend erfolgt eine nähere Betrachtung der Regeln und Rituale, die den Ablauf jedes der dargestellten Feste dirigieren.

II. Die Funktion von Festen

Anlässe für höfische Feste des Mittelalters sind z.B. Hochzeiten, Turniere, Schwertleiten oder Krönungsfeiern. Das mittelalterliche Wort für Fest, hôchgezît oder hôchzît, lässt darauf schließen, dass das Fest zwar im Grunde etwas positiv Besetztes und dem Alltag Enthobenes darstellt, dennoch fehlt so gut wie nie auch der politische Zweck bei einem Fest, anders als etwa bei Festen am Hof Ludwig XIV.[1]

Das Ausrichten von Festen dient in der vorhöfischen Zeit insbesondere der Repräsentation königlicher oder fürstlicher Macht. Hier bietet sich die Gelegenheit, persönliche, familiäre oder herrschaftliche Beziehungen und Bindungen zu knüpfen. Feste ermöglichen das Zusammentreffen politischer Akteure, die hier die Möglichkeit erhalten, sich kennen zu lernen, Unterredungen abzuhalten und Absprachen zu treffen. Mittelalterliche Feste sind Orte der politischen Kommunikation, wobei im Gegensatz zur heutigen Gegenwart damit nicht nur verbaler Meinungsaustausch gemeint ist, sondern in der mittelalterlichen Öffentlichkeit überwiegen Akte nonverbaler Kommunikation, durch die bestimmte Dinge zur Anschauung gebracht werden.[2] Die Symbolik der einzelnen Segmente eines Festes spielt daher eine große Rolle.

Jeder Teil des Festes bietet die Möglichkeit zu einem Verhalten, mit dem gezeigt und bewiesen werden soll, dass man mit den anderen Teilnehmern friedlichen und ehrenvollen Umgang zu pflegen willens und in der Lage ist.

Neben der bloßen Einladung der Gäste zu einem Fest gehören zur Wahrung bzw. Herstellung der gegenseitigen friedfertigen Beziehungen also ebenfalls das Beschenken der Gäste und das gemeinsame Mahl[3], das im Mittelalter ohnehin ein wichtiges Kommunikationsmittel darstellt, denn durch ein gemeinsames Essen zeigt man seine gegenseitige Bereitschaft zu einem friedlich-freundschaftlichen Verhältnis. Das Mahl stellt sogar eine rechtsrituelle Handlung dar und besitzt insofern konstitutive Bedeutung, als dass man sich für die Zukunft zu einem bestimmten Verhalten gegenüber seinen Tischgenossen verpflichtet.[4]

Einzelne Bestandteile des Festes wie das Mahl oder auch das ritterliche Turnier zeigen aber nicht nur Zusammengehörigkeitsgefühl und Gemeinschaftsbewusstsein, sondern sie demonstrieren auch den Reichtum und die milte eines Herrschers.

Insbesondere das Ausrichten des Festmahls und die Üppigkeit der Gastgeschenke eignen sich auf diesen Festen gut dazu, die Macht eines Herrschers zu repräsentieren.

Denn die Herrschaftsausübung der Könige im Mittelalter besteht weitgehend aus Akten der Repräsentation und dem Zur-Schau-Stellen ihrer êre, wobei êre hier noch nicht eine innere moralische Qualität meint, sondern Ansehen, das sich auf Besitz und äußere Machtstellung gründet.[5]

Prunk und vor allem Opulenz sind daher typische Merkmale des mittelalterlichen Festes. Bei allen Festlichkeiten steht die Zahl des Gefolges und der Pferde, der Aufwand der Aufmachung aller Beteiligten, aber auch die Reichhaltigkeit der Speisen und Getränke im Mittelpunkt des Interesses, denn sie alle zeugen von eindrucksvollem Besitz und somit Macht eines Herrschers.

Die scheinbare Verschwendung, die Freigiebigkeit und prunkvolle Ausstattung wird im Mittelalter als angemessene Verwendung des adligen Vermögens betrachtet und gilt als lohnende Investition, sich der Loyalität von Leuten zu versichern, von deren Unterstützung man abhängig war oder die sich unter Umständen noch als nützlich erweisen könnte.

III. Der inhaltliche Ablauf der Feste im Nibelungenlied

III.1 Siegfrieds Schwertleite (2. Aventuire, Strophe 27-43)

König Siegmund verschickt durch Boten Einladungen für das bevorstehende Fest an einheimische Gefolgsleute sowie an Könige anderer Länder. Auch deren Söhne werden geladen, weil sie mit Siegfried zusammen das Ritterschwert erhalten sollen.

Die Boten führen Pferde und Ausrüstungen für die Gäste mit, damit diese das Fest auch erreichen können: Die Anreise zu einem Fest stellt insbesondere für Gäste von weit her eine langwierige und auch kostspielige Angelegenheit dar.

Das sieben Tage dauernde Fest beginnt zur Sonnenwendzeit und wird mit einer Messe im Münster eröffnet.

Nach der Messe veranstalten die erfahrenen Ritter zusammen mit den Knappen ein Turnier.

Auf das Turnier folgt ein Festmahl, das durch die Darbietung der Spielleute untermalt wird.

Den Abschluss des Festes bildet die Vergabe von Lehen an die übrigen Ritter durch Siegfried und das reiche Beschenken der Anwesenden durch Königin Sieglinde.

III.2 Das Siegesfest in Worms (4. und 5. Aventuire, Strophe 257-318)

Mit diesem 12 Tage andauernden Fest wird der Sieg der Burgunden über die Sachsen und Dänen gefeiert, und darüber hinaus begegnen Siegfried und Kriemhild sich zum ersten Mal.

Der Beschreibung des Dichters zufolge beginnt auch dieses zweite Fest mit einer Messe.

Es folgt darauf allerdings keine Darstellung des weiteren chronologischen Festverlaufs, trotzdem erfährt der Leser, dass Turniere und Festmähler wiederum auch Bestandteile dieses Festes sind:

Freude unde wunne, vil grœzlîchen schal

sach man aller tägelîch vor Guntheres sal,

dar ûz und ouch dar inne, von manegem küenen man.

Ortwîn unde Hagene vil grôzer wunder began. (306)

In der hôchgezîte der wirt der hiez ir pflegen

mit der besten spîse. er hete sich bewegen

aller slahte schande, die ie künec gewan.

man sach in friuntlîche zuo den sînen gesten gân. (309)

Am Schluss des Festes schließt König Gunther mit den besiegten Königen Dänemarks und Sachsens Liudegast und Liudeger einen Friedensvertrag. Er lässt sie ziehen, ohne das von ihnen angebotene Lösegeld anzunehmen. Dadurch stehen sie in Gunthers Schuld und sind somit an Burgund gebunden.

Abschließend erfolgt die reiche Beschenkung der Festgäste.

III.3 Die Doppelhochzeit zu Worms (9. und 10. Aventuire, Strophe 565-689)

Brünhild hatte zur Bedingung gemacht, dass sie nur bereit sei denjenigen zu heiraten, der sie im Zweikampf besiegen könne. Gunther ist dies mit Hilfe von Siegfrieds Zauberkräften und dessen übermenschlicher Stärke gelungen, und so muss Brünhild in diese Ehe einwilligen und mit Gunther die Reise von Island nach Worms antreten.

Begleitet von ihrem Gefolge, bereiten Königin Ute und Kriemhild den Isländern und heimkehrenden Burgunden und Nibelungen einen prächtigen Empfang.

Nach Ritterspielen und einem Festmahl erinnert Siegfried Gunther an dessen Versprechen, nach dem Siegfried als Lohn für seine Verdienste bei der Werbung Brünhilds, Kriemhild zur Frau bekommen soll.

Als Kriemhilds Vormund holt Gunther daraufhin pro forma noch einmal die Einwilligung seiner Schwester ein. Kriemhild stimmt der Heirat zu und wird darauf mit Siegfried verlobt.

Nach dem Hochzeitsmahl und weiteren Ritterspielen folgt für beide Paare die Hochzeitsnacht, in der der eigentliche Akt der Eheschließung vollzogen werden soll.

Brünhild jedoch verweigert sich Gunther, da sie sich von ihm betrogen fühlt. Sie ahnt, dass sie bei der Werbung um sich getäuscht worden ist. Der Grund für ihr Misstrauen ist der, dass sie Siegfrieds scheinbaren Vasallenstatus anzweifeln muss, da er sich mit Kriemhild verheiraten darf.

Am Morgen danach nimmt das Fest mit der Einsegnung der Brautleute im Münster seinen Fortgang. Weitere Teile dieses Festtages stellen eine Schwertleite, ein Festmahl und erneute Ritterspiele dar.

Das eigentliche Festgeschehen wird wiederum durch die Beschreibung der folgenden Nacht unterbrochen. Hier kommt Siegfried, in seinen Tarnmantel gehüllt, Gunther erneut zur Hilfe. Er überwältigt Brünhild, so dass Gunther die Ehe mit ihr vollziehen kann. Siegfried behält Brünhilds Ring und Gürtel ein, um sie später an Kriemhild zu verschenken.

Dieses dritte, 14 Tage andauernde Fest endet mit der extrem großzügigen Beschenkung und Verabschiedung der Festgäste. Es erfolgt sogar ein Hinweis vom Dichter darauf, dass die Großzügigkeit des Königs mit immensen Kosten verbunden gewesen sei.

III. 4 Kriemhilds und Siegfrieds Besuch in Worms (12.-17. Av., Strophe 724-1072)

Auf Brünhilds Wunsch laden die Burgunden Siegfried und Kriemhild nach Worms ein.

Auch dieses vierte Fest findet um die Zeit der Sonnenwende statt.

Nach dem standesgemäßen Begrüßungszeremoniell findet zu Ehren der Gäste ein eindrucksvolles Lanzenstechen statt, bevor im Inneren der Burg und in den Festzelten im Freien das Festmahl stattfindet.

Der zweite Festtag beginnt mit einem Turnier, später folgt die Frühmesse und dann darauf erneut ein reichhaltiges Mahl.

Wie die nachfolgenden Festtage im Detail verlaufen, erfährt der Leser nicht, lediglich dass es bis zum elften Tag ein sehr schönes Fest gewesen sei.

Das Feiern wird an diesem Punkt von dem Streit der beiden Königinnen Brünhild und Kriemhild unterbrochen, und es folgt keine weitere Festszene.

Siegfried wird in einen Hinterhalt gelockt und von Hagen ermordet, um so seiner Herrin Brünhild Genugtuung zu verschaffen.

Das vierte Fest endet mit der Trauerfeier für Siegfried und seinem Begräbnis.

Es gibt diesmal kein Beschenken der Gäste zum Abschied, das Verhältnis zwischen Burgunden und Nibelungen ist wegen Siegfrieds Tod schwer beschädigt.

Die Gäste reiten ohne urloup oder Abschied zu nehmen nach Xanten zurück, wobei lediglich Giselher ihnen Geleit gibt.

III. 5 Die Hochzeit von Kriemhild und Etzel (20.-22. Aventuire, Strophe 1143-1386)

13 Jahre später setzt die Handlung des zweiten Teils des Nibelungenliedes mit dem Vorhaben des Hunnenkönig Etzels ein, um die verwitwete Kriemhild zu werben.

Markgraf Rüdiger von Bechelaren kann Etzel ausführlich über Kriemhild Auskunft geben und wird von Etzel als Bote auserwählt, weil er die drei Könige Gunther, Gernot und Giselher schon von Kindheit an kennt (1147).

Mit seinem glanzvoll ausgestatteten Gefolge erreicht Rüdiger den Hof in Worms, wo er ehrenvoll empfangen wird und die Werbung im Namen Etzels vorbringt.

Trotz Hagens vehementen Widerstands stimmt Gunther einer Heirat zu, macht die Entscheidung aber letztlich vom Einverständnis Kriemhilds abhängig (1214).

Kriemhild weist die Werbung zunächst entschieden zurück. Als ihr jedoch der Vorteil dieser Verbindung bewusst wird, willigt sie schließlich ein. Sie hofft insgeheim, durch ihre

neue Machtstellung doch noch eine Möglichkeit zur Rache an Siegfrieds Mördern zu bekommen (1259). Kriemhild beschließt Rüdiger sofort ins Hunnenland zu folgen und bereitet ihre Reise vor.

Mit einer prächtigen Gefolgschaft macht sich Kriemhild auf den Weg.

Auf ihrer Reise ins Hunnenland kommen Rüdigers Leute ihrem Zug entgegen und bereiten den Gästen aus Worms ein Lager zur Rast. Es finden ritterliche Spiele zur Unterhaltung der Gäste statt, und Kriemhild wird von Rüdigers Frau und Tochter herzlich begrüßt und beherbergt (1305-1327).

[...]


[1] Vgl. Joachim Bumke (2002): Höfische Kultur, S. 282 ff.

[2] Vgl. Gerd Althoff (1997): Spielregeln der Politik im Mittelalter, S. 230.

[3] Vgl. Verena Epp: „Rituale frühmittelalterlicher › amicitia‹ “, S. 11f. in: Althoff [Hrsg.] (2201): Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter.

[4] Vgl. Gerd Althoff: „ Frieden-, Bündnis- und Gemeinschaftsstiftender Charakter des Mahles“, S.14f, in: Bitsch, Irmgard et al. [Hrsg.] (1987): Essen und Trinken in Mittelalter und Neuzeit.

[5] Vgl. Helmut Brackert: Das Nibelungenlied. 2. Teil. S. 286 Anm. zu 1331.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Die Feste im Nibelungenlied
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1-
Autor
Jahr
2001
Seiten
31
Katalognummer
V65918
ISBN (eBook)
9783638587013
ISBN (Buch)
9783656816904
Dateigröße
560 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Feste, Nibelungenlied
Arbeit zitieren
Susanne Prang (Autor:in), 2001, Die Feste im Nibelungenlied, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65918

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