Ursachen von Banken- und Zahlungsbilanzkrisen


Seminararbeit, 2005

39 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zahlungsbilanzkrise
2.1. Definition Zahlungsbilanzkrise
2.2. Die Ursachen von Zahlungsbilanzkrisen

3. Bankenkrise
3.1. Definition Bankenkrise
3.2. Die Ursachen von Bankenkrisen

4. Banken- und Zahlungsbilanzkrisen
4.1. Der theoretische Hintergrund:
4.2. Häufigkeiten der Krisen
4.3. Bedingende Wahrscheinlichkeiten
4.4. Zeitlicher Verlauf von Banken- und Zahlungsbilanzkrisen
4.5. Volkswirtschaftliche Kosten von Zwillingskrisen

5. Makroökonomische Indikatoren
5.1. Die Indikatoren
5.2. Methodik
5.3. Aussagekraft der einzelnen Indikatoren
5.3.1. Prozentuale Aussagekraft
5.3.2. „Noise-to-signal“-Quotient
5.3.3. Prozentuale Aussagekraft und N/S-Quotient
5.3.4. Schwellenwert and kritischer Wert
5.3.5. Bedeutsame Indikatoren
5.4. Auftreten als Frühwarnindikator
5.5. Verhalten der Indikatoren und Erklärungsansätze

6. Ergebnisse

7. Schlussbemerkung

8. Literaturverzeichnis

Anhang A (Abbildungen und Tabellen)

Anhang B (Berechnungen)

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: zeitliches Auftreten der Krisen

Tabelle 2: Wahrscheinlichkeiten der jeweiligen Krisen

Tabelle 3: Auswirkungen der Krisen

Tabelle 4: Prozentuale Aussagekraft der Indikatoren

Tabelle 5: Prozentuale Aussagekraft der Indikatoren

Tabelle 6: Gemeinsames Auftreten als Frühwarnindikator

Tabelle 7: Zeitpunkt von Zwillingskrisen und Finanzmarkliberalisierung

Tabelle 8 A: Kritische Region

Tabelle 8 B: Kritische Region

Tabelle 9: Vergleich prozentuale Aussagekraft bei Zahlungsbilanzkrisen

Abbildung 1: Indikatoren bei einer Zahlungsbilanzkrise

Abbildung 2: Indikatoren bei einer Bankenkrise

Abbildung 3: Indikatoren bei einer Zwillingskrise

Berechnungen

Berechnung 1: Berechnung der zeitlichen Differenz

Berechnung 2: Test auf Normalverteilung

Berechnung 3: Prozentuale Aussagekraft und N/S-Quotient

Berechnung 4: Bedingte Wahrscheinlichkeiten Bankenkrise nach 1980

Berechnung 5: Aussagekraft der Indikatoren unter Berücksichtung der Verfügbarkeit

Berechnung 6: Aussagekraft der Krisen

Berechnung 7: Bereinigte Aussagekraft der Indikatoren bei Zahlungsbilanzkrisen

1. Einleitung

Die folgende Seminararbeit setzt sich mit dem gleichzeitigen Auftreten von Banken- und Zahlungsbilanzkrisen auseinander und bedient sich der empirischen Untersuchung von Kaminsky und Reinhart (1999).1 Die Autoren versuchen durch den Vergleich von Banken- und Zahlungsbilanzkrisen (twin crises) gemeinsame Verhaltensmuster herauszufinden, mögliche Verbindungen zu untersuchen, sowie Symmetrien und gegenseitige Abhängigkeiten zwischen den Krisen zu erkennen. Nach Kaminsky und Reinhart (1999) werden Zeiträume, in denen Zahlungsbilanzkrisen innerhalb von 48 Monaten einer Bankenkrise folgen als Zwillingskrisen (twin crises) bezeichnet.

Während in den letzten Jahren die Literatur sich entweder auf Zahlungsbilanz- oder Bankenkrisen konzentriert hat, wurde eine mögliche Verbindung weniger behandelt und trotz des Auftretens von Zwillingskrisen getrennt voneinander betrachtet. Nach ruhigeren 1980er- Jahren wurde mit zunehmenderen Krisen die Thematik neu geweckt. Die neuere Literatur nahm zunehmend auch psychologische Faktoren auf, wie beispielsweise selbsterfüllende Erwartungen (self-fulfilling expectations) und Herdenverhalten (herding behavior)2, sowie den Faktor der politischen Wahlen. Während sich eher mit den theoretischen Aspekten beschäftigt wurde, blieb eine empirische Untersuchung aus. Ziel dieser Seminararbeit ist es die Charakteristika von Zwillingskrisen aufgrund makroökonomischer Indikatoren herauszufinden, und gewisse Interdependenzen zu erkennen. 76 Zahlungsbilanz- und 26 Bankenkrisen von 1970 bis 1995 aus Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer wurden untersucht.3

Es lässt sich erkennen, dass eine Bankenkrise die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Zahlungsbilanzkrise erhöht. Auch haben Zwillingskrisen einen stärkeren negativen wirtschaftlichen Schaden zur Folge. Anhand der makroökonomischen Indikatoren und deren Verhalten im Verlauf einer Krise lässt sich erkennen, dass Banken- und Zahlungsbilanzkrisen einem gewissen Muster folgen, prinzipiell eine Verschlechterung der Indikatoren. In den Abschnitten 2 und 3 werden die Krisen definiert und deren Aufkommen kurz erläutert. Anschließend wird in Abschnitt 4 der theoretische Zusammenhang zwischen Banken- und Zahlungsbilanzkrise betrachtet, zusammen mit ersten empirischen Erkenntnissen. In Abschnitt 5 werden die makroökonomischen Indikatoren vorgestellt, auf deren theoretischen Erklärungsgehalt eingegangen und deren Verhalten im Zeitverlauf untersucht. Anschließend werden in Abschnitt 6 die Ergebnisse zusammengefasst. Zum Abschluss erfolgt eine Zusammenfassung in Verbindung mit einigen kritischen Anmerkungen und einen Ausblick auf weitere Forschungsvorhaben.

2. Zahlungsbilanzkrise

2.1. Definition Zahlungsbilanzkrise

Da sich eine Zahlungsbilanzkrise aus einem stärkeren Kapitalabfluss als -zufluss zusammensetzt, wird des öfteren eine derartige Krise mit einer Abwertung der Währung oder einem flexiblen Wechselkurs begegnet.4 Um den Einfluss von spekulativen Attacken einzudämmen, kann die Regierung auch die eigene Währung unterstützen. Dies ginge mit höheren Zinsen und einem Verlust von Devisenreserven einher.5 Um diese Effekte zu berücksichtigen, wurde ein gewichteter Index6 aus Wechselkursänderung und Änderung der Devisenreserven ermittelt. Bei einem Abweichen dieses Index7 um mehr als die dreifache Standardabweichung wird von einer Krise ausgegangen.8 Der Index lautet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2. Die Ursachen von Zahlungsbilanzkrisen

Faktoren9, die zur Abwertung der heimischen Währung führen, scheinen bei Zahlungsbilanzkrisen eine wichtige Rolle zu spielen. Ein fester Wechselkurs kann solange stabil bleiben, bis grundlegende wirtschaftliche Ungleichgewichte und veränderte Rahmenbedingungen eine Anpassung des Wechselkurses nötig machen. Eine Abwertung kommt in Betracht, wenn aufgrund mangelnder Wettbewerbsfähigkeit ein Kapitalabzug stattfindet bzw. ein steigendes Leistungsbilanzdefizit zu Abwertungserwartungen führt. Die Veränderung des Leistungsbilanzdefizits lässt sich anhand der Entwicklung von Importen, Exporten und dem internationalen Tauschverhältnis (Terms of Trade) ablesen. Eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung (z.B. durch ein schwaches Produktionsniveaus oder sinkende Aktienkurse) indiziert u.a. auch mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, wobei die schlechtere wirtschaftliche Entwicklung selbst einen Kapitalabzug nach sich ziehen kann. Ebenfalls spielen interne und externe Zinssätze eine Rolle. Ein niedriger Zinssatz kann aufgrund einer schwachen Geldpolitik herrühren, die inflationsfördernd wirkt und so zu Abwertungserwartungen führt. Ansteigende ausländische Zinsen können eine Kapitalflucht hervorrufen, welche die heimische Währung schwächt und bei fixen Wechselkursen einen Reserveverlust nach sich zieht. Auch können spekulative Attacken einen Kapitalabzug und eine Schwächung der Währung beschleunigen und verstärken, was bei einem fixen Wechselkurssystem wahrscheinlicher als bei einem flexiblen ist.10

3. Bankenkrise

3.1. Definition Bankenkrise

Eine Schließung, Fusion, Übernahme oder staatliche Unterstützung einer oder mehrerer Finanzinstitute wird als Beginn einer Bankenkrise bestimmt.11 Da sich Bankenkrisen über einen längeren Zeitraum entwickeln und die Probleme sich auch nach dem Beginn einer Krise noch verstärken können, wurde neben dem Beginn einer Krise, auch deren Höhepunkt datiert.

3.2. Die Ursachen von Bankenkrisen

Eine Situation, wo die Banken nicht mehr ihre Zahlungsverpflichtungen erfüllen können, mag sich darauf zurückführen, dass aufgrund wirtschaftlicher Entwicklungen die Schuldner ihrerseits ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen können und somit den Bankensektor in eine Krise führen. Indikatoren für eine derartige Entwicklung wären daher das Verhalten von Exporten und Importen, das internationale Tauschverhältnis, sowie das Produktionsniveau, da sie eine schwache wirtschaftliche Entwicklung andeuten. Interessant sind zudem die Aktienkurse, da sie ggf. eine spekulative Blase darstellen, die bei deren „platzen“ eine wirtschaftliche Rezession und Kapitalflucht nach sich ziehen kann. Zudem führt auch eine höhere Anzahl an Krediten, ablesbar am Verhältnis der Inlandskredite zum BIP (Inlandskredite/BNP), zu einer erhöhten Krisenanfälligkeit. Ein kreditfinanzierter Boom kann bei einer Rezession die Rückzahlung der Kredite erschweren. Ein Liberalisierung, einhergehend mit schwacher Regulierung und Bankenaufsicht, kann die Stabilität des Bankensektors zusätzlich schwächen.

4. Banken- und Zahlungsbilanzkrisen

4.1. Der theoretische Hintergrund:

Bisher wurden Zahlungsbilanz- und Bankenkrisen getrennt voneinander betrachtet. Auch wenn ein Auftreten von Zwillingskrisen als empirisch evident erscheint, scheint die Theorie über die Zusammenhänge gespalten. Beispielsweise folgert Mishkin (1996), dass eine Zahlungsbilanzkrise zu einer Bankenkrise führt, wenn Finanzinstitute einen hohen Anteil ihrer Verbindlichkeiten in ausländischer Währung aufführen.12 Eine Währungsabwertung kann bei Banken zu einer starken Belastung führen und somit eine Bankenkrise vorantreiben. Velasco (1987) vertritt eine entgegengesetzte Ansicht und führt eine Währungskrise auf eine Bankenkrise zurück. Sollte die Zentralbank eine in Schwierigkeit geratenen Finanzinstitution unterstützen und dies durch die Ausgabe neuen Geldes finanzieren, kann es über die gesteigerte Inflation zu einer Zahlungsbilanzkrise kommen. Die Ursachenkette muss jedoch nicht linear von einer Krise zur anderen führen. Auch gemeinsame Ursachen, gleichzeitiges Auftreten und direkte Interdependenzen sind denkbar. Ein durch ausländische Kredite finanzierter Boom, kann bei Kapitalabzug (bspw. durch spekulative Attacken, Panikverkäufe oder wirtschaftliche Schwäche) sowohl zu einer Zahlungsbilanz- als auch Bankenkrise führen.13

4.2. Häufigkeiten der Krisen

Bankenkrisen sind eher ein Phänomen ab 1980. Von 1970 bis 1995 trat eine Bankenkrise pro Jahr auf. Der Durchschnitt betrug 0,3 von 1970 bis 1979, jedoch 1,44 zwischen 1980 und 1995, eine Steigerung um 480%. Zahlungsbilanzkrisen, insgesamt 76, sind mit einer Rate von 2,92 pro Jahr zwischen 1970 und 1995 aufgetreten. Für die Jahre 1970 bis 1979 betrug der Durchschnitt 2,60 und für die Jahre 1980 bis 1995 3,13, ein Anstieg von etwa 20,4%. Die gemeinsame Betrachtung von Zahlungsbilanz- und Bankenkrisen lässt erkennen, dass sich das Auftreten von alleinigen Zahlungsbilanzkrisen von 2,50 pro Jahr zwischen 1970 und 1979 auf 2,00 pro Jahr zwischen 1980 und 1995 verringert hat (-20%). Im gleichen Zeitraum stieg das durchschnittliche Auftreten von Zwillingskrisen von 0,10 pro Jahr auf 1,13 pro Jahr (+1130%).14 Dieser Anstieg lässt sich damit erklären, dass in den 1970ern Bankenkrisen kaum und erst mit einer Liberalisierung verstärkt auftraten.

Mehrez und Kaufmann (1999) kommen zu dem Schluss, dass eine Finanzmarktliberalisierung nur innerhalb der 5 drauffolgenden Jahre die Wahrscheinlichkeit einer Krise erhöht. Vor allem bei einer starken Bankenregulierung und -aufsicht scheint eine Finanzmarktliberalisierung die Krisenanfälligkeit nicht zu erhöhen.15

4.3. Bedingende Wahrscheinlichkeiten

Die bedingten bzw. unbedingten Wahrscheinlichkeiten geben an, inwieweit das Auftreten einer Krise die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der jeweils anderen Krise beeinflusst.16 Die unbedingte Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsbilanzkrise innerhalb der nächsten 24 Monate beträgt 29%, die Wahrscheinlichkeit unter der Bedingung einer Bankenkrise 46%. Die Bedingung eines Höhepunktes einer Bankenkrise besitzt eine Wahrscheinlichkeit von 22%.

Die unbedingte Wahrscheinlichkeit einer Bankenkrise innerhalb der nächsten 24 Monate beträgt 10%, die Wahrscheinlichkeit unter der Bedingung des Beginnes einer Zahlungsbilanzkrise 8%.17 Im Gegenzug erhöht eine stattgefundene Finanzmarktliberalisierung die Wahrscheinlichkeit auf 16%.18 Bei einer Betrachtung der Wahrscheinlichkeit einer Bankenkrise unter der Bedingung einer Zahlungsbilanzkrise von 1980 bis 1995 bleibt die Wahrscheinlichkeit bei 10%19

4.4. Zeitlicher Verlauf von Banken- und Zahlungsbilanzkrisen

Zwischen dem Einsetzen einer Bankenkrise und deren Höhepunkt liegen durchschnittlich 27,4 Monate. Eine Zahlungsbilanzkrise setzt durchschnittlich 6,4 Monate nach Beginn einer Bankenkrise und etwa 20,9 vor deren Höhepunkt ein. Die zeitliche Differenz zwischen Beginn einer Banken- und Zahlungsbilanzkrise ist normalverteilt.20

4.5. Volkswirtschaftliche Kosten von Zwillingskrisen

Für den Vergleich der Auswirkungen einer Zwillingskrise zu einer einzelnen Krise, wurde für die Bankenkrise auf die Kosten der Rekapitalisierung (bail out costs) des Bankensystems (in % zum BIP) und für die Zahlungsbilanzkrise auf den Verlust an Währungsreserven (in %) und die Währungsabwertung (in %) zurückgegriffen. Während bei einer Bankenkrise die Kosten der Rekapitalisierung 5,1% betragen, erhöhen sie sich bei einer Zwillingskrise auf 13,3%. Bei einer Zahlungsbilanzkrise beträgt der Währungsreservenverlust 8,3%, bei einer Zwillingskrise jedoch 25,4%. Die prozentuale Währungsabwertung erscheint hier ausgeglichener. Bei einer Zahlungsbilanzkrise beträgt sie 26,6%, bei einer Zwillingskrise nur 25,7%.21

5. Makroökonomische Indikatoren

5.1. Die Indikatoren

Neben den bereits vorgestellten 22 Indikatoren wurden noch weitere Indikatoren aufgenommen. Bezüglich der Finanzmarktindikatoren wurden das Verhältnis der Geldmenge M2 zum Basisgeld (M2-Multiplikator) und Inlandskredite/BIP genommen, da angenommen wird, dass sowohl Banken- als auch Zahlungsbilanzkrisen mit einem starken Anstieg von Krediten (kreditfinanzierter Boom) als auch des Geldmengenaggregats einhergehen.23 Ebenso kann eine Verschlechterung der Zahlungsfähigkeit (Kreditausfall) negative Auswirkungen auf den Bankensektor haben. Der Zinssatz hat für Bankenkrisen eine Aussagekraft, da sich in ihm auch die Risikobereitschaft widerspiegelt. Für die Zahlungsbilanzkrisen ist der Ursachenzusammenhang nicht so eindeutig. Ein hoher Zins kann sowohl eine höhere Risikoprämie beinhalten, einhergehend mit der Angst vor einer Abwertung, als auch zum Schutz der Währung (Hochzinspolitik) fungieren. Andere Indikatoren des Finanzsektors sind das Überschuß-M1-Saldo, als Indikator für eine schwache Geldpolitik, sowie M2/Währungsreserven und die Bankeinlagen.24 Durch ein starkes auseinanderdriften von M2 und Währungsreserven, wird die Währung anfällig für negative Geldnachfrageschocks. M2/Währungsreserven zeigt zudem an, inwieweit die Zentralbank in der Lage ist, einem Umtausch von heimischer in fremder Währung nachzukommen und so den festen Wechselkurs zu stützen. Da ein Abzug von Kapital einen Einfluss auf die Stabilität des Bankensektors als auch der Währung hat, dienen Bankeinlagen als weiterer Indikator. Zum externen Sektor gehören Exporte, das internationale Tauschverhältnis, der reale Wechselkurs und Importe. Besonders ein schlechtes int. Tauchverhältnis scheint für die Entwicklung eines Defizits verantwortlich. Die durch eine Währungsüberbewertung hervorgerufene außenwirtschaftliche Schwäche sind Bestandteil und somit Indikatoren einer Währungskrise. Zudem wirkt sich eine Währungsüberbewertung negativ auf das Wirtschaftswachstum aus.25 Die außenwirtschaftliche Schwäche greift auf die gesamte Ökonomie über und kann somit auch den Bankensektor schwächen. Die Begründung für die Währungsreserven und das Realzinsdifferential als geeignete Indikatoren, erfolgt analog wie bei den Bankeinlagen, M2/Währungsreserven und den Zinsen.

5.2. Methodik

Da es das Ziel ist, neben der Betrachtung des typischen Verhaltens der genanten Indikatoren, auch auf eine Verwendung dieser als Frühwarnindikator schließen zu können, bedarf es eines kritischen Wertes, ab dem ein Indikatorverhalten als Warnsignal oder nur als „falscher Alarm“ gewertet werden kann. Bei Zahlungsbilanzkrisen ist jedes Signal, welches 24 Monate und bei Bankenkrisen, jedes Signal, welches 12 Monate vor einer Krise auftritt, prinzipiell als Signal anzusehen. Um herauszufinden, ab welchem Wert26 ein Indikator als Warnsignal fungiert, wurde auf den „Noise-to-Signal“-Quotienten (N/S-Quotient)27 zurückgegriffen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

5.3. Aussagekraft der einzelnen Indikatoren

5.3.1. Prozentuale Aussagekraft

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Als prozentuale Aussagekraft bezeichnet man zu wie viel Prozent auf ein Signal eines Indikators auch tatsächlich eine Krise folgte. Der stärkste Indikator ist der Realzins mit 94% (ZB-Krise 91%, Bankenkrise 100%). Es ist somit auch nicht verwunderlich, dass der Realzinsunterschied mit 88% (ZB-Krise 86%, Bankenkrise 100%) der viertbeste Indikator ist. Der zweitbeste Indikator sind die Exporte mit 89% (ZB-Krise 89%, Bankenkrise 88%), gefolgt von M2/Währungsreserven mit 89% (ZB-Krise 86%, Bankenkrise 75%).

Erwähnenswert ist auch das internationale Tauschverhältnis mit 83% (ZB-Krise 77%, Bankenkrise 96%) und die Reserven mit 79% (ZB-Krise 78%, Bankenkrise 92%). Bei den Bankenkrisen spielen noch die Aktienkurse mit 81% und der Output mit 89% eine Rolle, die bei Zwillingskrisen und Zahlungsbilanzkrisen schwächer sind.29 Insgesamt weisen Zwillingskrisen eine Aussagekraft von 67,75%, Zahlungsbilanzkrisen von 67,63% und Bankenkrisen von gar 72,63% auf.30 Dies lässt die Vermutung zu, dass Bankenkrisen leichter zu antizipieren sind. Es ist zudem interessant, dass die Reihenfolge der Indikatoren bei Zwillingskrisen eher der Reihenfolge bei Zahlungsbilanz- als bei Bankenkrise entspricht.31 Kritisch zu beachten ist, dass Kaminsky und Reinhart (1999) bei der Berechnung der prozentualen Aussagekraft bei Zahlungsbilanzkrisen alle Krisen berücksichtigt haben, also auch diejenigen, die in enger zeitlicher Verbindung zu einer Bankenkrise stehen. Dementsprechend könnten die Bankenkrisen einen Einfluss auf die Zahlungsbilanzkrisen haben und die Ergebnisse somit verzerren. Berechnung 7 in Anhang B gibt die prozentuale Aussagekraft der Zahlungsbilanzkrisen wieder, die nicht zugleich auch Zwillingskrisen sind. Prinzipiell ändern sich die Ergebnisse nicht allzu stark. Auffällig ist nur, das bei der „unbereinigten“ prozentualen Aussagekraft Inlandskredite/BNP (+11%), Exporte (+9%) und die Aktienkurse (+9%) ein stärkeres Ausmaß annehmen. Ein Indiz, dass diese Indikatoren von Banken- auf Zahlungsbilanzkrisen einen Einfluss ausüben.

5.3.2. „Noise-to-signal“-Quotient

Die Prozentangaben vom vorhergehenden Abschnitt geben an, inwieweit auf ein Signal auch tatsächlich eine jeweilige Krise folgte. Da es jedoch möglich erscheint, dass ein Indikator ständig Signale von sich gibt und somit logischerweise eine hohe Prozentzahl erreicht, ohne wirklich signifikant zu seien, wird der N/S-Quotient hinzugezogen. Bei Zahlungsbilanzkrisen beträgt der durchschnittliche N/S-Quotient 0,65 und bei Bankenkrisen 0,73.32 Dies lässt vermuten, dass das Auftauchen eines „Zahlungsbilanzkrisen-Indikators“ eine höhere Verlässlichkeit aufweist. Als einzelne Indikatoren weisen bei Zahlungsbilanzkrisen der reale Wechselkurs, die Aktienkurse, die Exporte, das Produktionsniveau, die Staatsschuldenquote, M2/Währungsreserven und die Reserven den geringsten N/S-Quotient auf. Bei den Bankenkrisen sind dies die Aktienkurse, die Staatsschuldenquote, der Realzins, das Produktionsniveau, der M2-Multiplikator und das Realzinsdifferential. Es ist anzumerken, dass keine Daten des N/S-Quotienten für Zwillingskrisen vorliegen.

5.3.3. Prozentuale Aussagekraft und N/S-Quotient

Es wurde die jeweilige Prozentangabe durch den N/S-Quotienten geteilt.33 Ziel ist es eine Gewichtung zwischen der prozentualen Aussagekraft und dem N/S-Quotienten herzustellen. Es lässt sich erkennen, dass Banken- und Zahlungsbilanzkrisen als gemeinsames Merkmal vor allem den realen Wechselkurs teilen. Selbst, wenn er nur wenige Krisen vorhersagen konnte, so ist sein Auftauchen aufgrund des niedrigen N/S-Quotienten ein sicheres Indiz für eine baldige Krise. Aufgrund seines hohen N/S-Quotienten scheint der Zinssatz bei Zahlungsbilanzkrisen kein allzu guter Indikator zu sein, während er bei Bankenkrisen besser geeignet ist. Dies mag mit der Tatsache zusammenhängen, dass in den 1970ern die Zinssätze reguliert waren und daher nicht besonders informativ sind.34 Anderes gilt für die Exporte und M2/Währungsreserven, die eher bei Zahlungsbilanzkrisen als bei Bankenkrisen ausschlagen. Es erscheint interessant, dass obwohl Produktionsniveau und Aktienkurse nicht besonders häufig Zahlungsbilanzkrisen aussagen, deren Aussagekraft bei einer Division durch den N/S- Quotient doch enorm ist. Bei den Bankenkrisen sind ebenfalls das Produktionsniveau und die Aktienkurse bedeutsam.

5.3.4. Schwellenwert and kritischer Wert

Ein weiterer Faktor für die Bestimmung der Güte eines Indikators sei die kritische Region. Der Indikator gibt ein Signal, wenn die Veränderung des jeweiligen Indikators in die kritische Region der Verteilungsfunktion fällt. Nach Kaminsky (1998) wird jeder Indikator, der in das 0-5% Perzentile fällt als extremer und jeder, der in das 5-10% Perzentile fällt als milder Indikator gewertet.

Bei den Zahlungsbilanzkrisen ist der beste Indikator das Überschuß-M1-Saldo mit einem Wert von 94%, gefolgt vom Verhältnis Inlandskredite/GDP, den Exporten, dem realen Wechselkurs, den Bankeinlagen und den Importen mit je 90%.

[...]


1 Da sich die Seminararbeit überwiegend auf deren Artikel “The Twin Crises: The Causes of Banking and Balance-of-Payment Crises” bezieht, enstammen, wenn nicht anders gekennzeichnet, alle Angaben diesem Artikel.

2 Summers (2000) begründet Herdenverhalten jedoch aufgurnde einer schwache wirtschaftliche Entwicklung, und somit sind makroökonomische Indikatoren wiederum ausschlaggebend.

3 Bei den Ländern, für eine Auflistung siehe Tabelle 7 in Anhang A, wurden kleine, offene Volkswirtschaften, deren Währung zum Krisenzeitpunkt entweder fix waren bzw. sich in festgelegten Bandbreiten bewegten, betrachtet.

4 Frankel und Rose (1990) sprechen bei einer nominalen Abwertung von 25% von einer Währungskrise.

5 Kaminsky und Reinhart (1999, S.476.)

6 In Anlehnung an Eichengreen, Rose und Wyplosz (1996, S. 20-23).

7 I=Index; ∆e/e=Wechselkursänderungsrate; ∆R/R=Änderungsrate der Devisenreserven; σe=Standardabweichung der Wechselkursänderungsrate; σR=Standardabweichung der Änderungsrate der Devisenreserven.

8 Andere Indikatoren wie z.B. eine wechselkursorientierte Hochzinspolitik könnten ebenfalls auf eine Währungskrise hindeuten, bleiben jedoch im eben genannten Index unbeachtet.

9 Für eine nähere Betrachtung der Indikatoren verweisen Kaminsky und Reinhart (1999) auf Gorton(1988), Calomiris und Gorton (1991), Galbis (1993) und Calvo und Mendoza (1996).

10 Dornbusch, Goldfajn und Valdés (1995) untersuchen eingehend Zahlungsbilanzkrisen anhand der Krisen in Chile, Mexiko und Finnland. Bezüglich des fixen Wechselkurses siehe Summers (2000, S. 8).

11 Mögliche andere Indikatoren wären die Aktienkurse oder die Anzahl von Bankrotten. Aufgurnd unvollständiger Datenlage griffen Kaminsky und Reinhart (1999) auf bestehende Untersuchungen und die Finanzpresse zurück.

12 Ebenso folgert Summers (2000), dass eine Währungsabwertung den Wert der ausländischen Verbindlichkeiten erhöht, die Kreditwürdigkeit der inländischen Kreditnehmer schwächt und durch eine Abnahme der Kreditgewährung das wirtschaftliche Umfeld weiter schwächt.

13 Für eine nähere Betrachtung verweisen Kaminsky und Reinhart (1999) auf Reinhart und Végh (1996).

14 Siehe Tabelle 1 in Anhang A.

15 Aufgrund der bisherigen Ergebnisse, dass eine Liberalisierung einen Einfluss auf das Auftreten von Krisen hat und der Tatsache, dass die Liberalisierung in den meisten Ländern schon stattfand, beschränken wir uns soweit wie möglich auf Daten und Angaben der Nach-Liberalisierungs-Ära

16 Nach Kaminsky und Reinhart (1999, S.478) wird bei der unbedingten Wahrscheinlichkeit die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass eine Krise innerhalb der nächsten 24 Monate eintritt. Bei der bedingten Wahrscheinlichkeit wird die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass eine Krise innerhalb von 24 Monate eintritt, unter der Bedingung, dass die jeweils andere Krise bereits vorherrscht

17 Siehe Tabelle 2 in Anhang A.

18 Man möge beachten, dass die Unterschiede in den Wahrscheinlichkeiten auch auf eine höhere Anzahl von Zahlungsbilanzkrisen zurückzuführen ist.

19 Siehe Berechnung 4 in Anhang B.

20 Siehe Berechnungen 1 und 2 in Anhang B; in Anlehnung an Tabelle 7 in Anhang A.

21 Siehe Tabelle 3 in Anhang A.

22 Bezüglich der Indikatoren sei wiederum auf Gorton(1988), Calomiris und Gorton (1991), Galbis (1993) und Calvo und Mendoza (1996) verwiesen.

23 Verstärkt gehen McKinnon und Pill (1996) auf den Einfluss von Krediten ein.

24 Krugmann (1979) beschäftigt sich tiefergehend mit den theoreitschen Verbindung zwischen der Geldnachfrage nach heimischen Geld und den Wechselkursen.

25 Dornbusch, Goldfajn und Valdés (1995, S.211 ff.).

26 Als Ausschlag bezeichnet man die Veränderung eines Indikators im Verhältnis zum Durchschnitt.

27 Als Kriterium der Prognosequalität eines Indikators dient das Verhältnis von schlechten zu guten Signalen (sog. N/S-Quotient), die ein Indikator aussendet. Je kleiner der Quotient, um so besser ist die Fähigkeit der Variablen, eine drohende Krise anzuzeigen. Ist der Quotient kleiner als eins, handelt es sich um einen relativ guten Indikator, weil die Anzahl der guten Signale die Anzahl der schlechten Signale übersteigt. Umgekehrt verhält es sich, wenn der Quotient größer als eins ist.

28 Als Niveau wird der kritische Wert in Bezug auf die Verteilungsfunktion eines Indikators bezeichnet, der, sobald ein Ausschlag eines Indikators diesen überschreitet, als Signal gewertet wird. Siehe Tabelle 10 in Anhang A.

29 Siehe Tabelle 4 in Anhang A.

30 Es ist zu Bedenken, dass nicht für alle Indikatoren bei jeder Krise auch genügend Datenmaterial zur Verfügung stellten. Inwieweit die einzelnen Indikatoren Datenmaterial zur Verfügung stellten, kann man in Berechnung 5 im Anhang nachlesen. Zudem wurden alle Zahlungsbilanzkrisen betrachtet, also auch diejenigen, denen eine Bankenkrise vorherlief. Somit könnten auch Signale einer Bankenkrise sowohl als Signal einer Banken- und Zahlungsbilanzkrise gewertet werden und somit die Prozentangaben verzerren.

31 Siehe Tabelle 5 im Anhang.

32 Siehe Tabelle 9 und 10 im Anhang.

33 Eine Methode, die in ähnlicher Form schon bei Kaminsky und Reinhart (2000) Anwendung fand. Siehe Berechnung 3 in Anhang B.

34 Siehe Kaminsky und Reinhart (1999, S. 484).

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Ursachen von Banken- und Zahlungsbilanzkrisen
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
39
Katalognummer
V65621
ISBN (eBook)
9783638581417
ISBN (Buch)
9783638670760
Dateigröße
860 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ursachen, Banken-, Zahlungsbilanzkrisen
Arbeit zitieren
Andreas Westermeier (Autor:in), 2005, Ursachen von Banken- und Zahlungsbilanzkrisen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65621

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