Journalismus und politisches System - wo liegen die Unterschiede?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

35 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


GLIEDERUNG

1. Einführung
1.1 Aufbau und Ziele der Arbeit
1.2 Der Systembegriff
1.2.1 Das politische System
1.2.2 Das Mediensystem

2. Journalismus und politisches System
2.1 Qualitative Kriterien zur Bestimmung politischer Systeme
2.2 Qualitative Kriterien zur Bestimmung von Mediensystemen
2.3 Idealvorstellung vs. Realität

3. Unterschiede von Journalismus und politischem System: GLOBAL
3.1 Der normative Divergenz-Ansatz
3.2 Der analytische Kontingenz-Ansatz
3.3 Der empirische Konvergenz-Ansatz
3.4 Vier ‚Dimensionen von Verbindungen’

4. Unterschiede: Journalismus in westlichen Demokratien
4.1 historisch-entwicklungsgeschichtliche Unterscheidungskriterien
4.1.1 Das Maß der Pressefreiheit
4.1.2 Zeitungsindustrie/Kommerzialisierung der Presse
4.1.3 Parteibildungsprozess/Politischer Parallelismus
4.1.4 Professionalisierung
4.2 Rollenverständnis, Berufsnormen, professionelle Orientierung
4.3 Rolle des Staates
4.4 Unterschiede bezüglich der Medien- und Meinungsvielfalt

5. Zusammenfassung

6. Diskussion

7. Literatur

1. Einführung

Bereits 1910 sprach Max Weber auf dem ersten deutschen Soziologentag in Frankfurt von der immensen Bedeutung der Presse. In der Untersuchung des gesamten Komplexes der Presse sah er eines der Gebiete, welchem die Soziologie in Zukunft mehr Aufmerksamkeit zulassen kommen sollte. Bemerkenswert hierbei ist,

das sich ein wichtiger Teil seiner formulierten Problemstellungen aus dem internationalen Vergleich ergaben. Aus seinen Beobachtungen heraus hatte sich Weber die Frage gestellt, ob es möglich sei, dass die gesellschaftliche Funktion der Presse in zwei Ländern, in denen schon seit langer Zeit fast uneingeschränkte Pressefreiheit herrscht (USA vs. Frankreich), eine ganz unterschiedliche sein kann. Außerdem wollte Weber in der „Enquete über das Zeitungswesen“ auch der Frage nachgehen, inwiefern der Journalismus es dem Einzelnen ermöglicht, öffentlich Einfluss zu nehmen, wie die „Haltung der Zeitung“ gesichert wird und welchen Einfluss gesellschaftliche Akteure haben. Außerdem stellte er sich die Frage nach dem Funktionieren des Sozialsystems Redaktion und der Rolle von „Kollektivismus und Individualismus bei der Schaffung des Zeitungsinhalts“ (Meyen/Löblich 2006: 150-152).Das er für dieses Vorhaben kaum Unterstützung fand ist bedauerlich, insbesondere vor dem Hintergrund das noch 1975 darauf hingewiesen wurde, der politischen Kommunikation auf internationaler Ebene mehr Aufmerksamkeit zu schenken (Blumler/Gurevitch 1975[1995]). Mittlerweile wundern Forscher sich, warum es so lange dauerte, die komparative Forschung als notwendige und nützliche Erkenntnisstrategie der Kommunikationswissenschaft zu erkennen (Esser/Pfetsch 2003: 9). In letzter Zeit aber rückt die komparative Forschung mehr ins Zentrum. Es war an der Zeit, denn politische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen prägten die letzten Jahrzehnte und die Erforschung nationenübergreifender medialer Entwicklungen und Folgen werden immer wichtiger, um die Wechselbeziehungen von Medien und Politik nachvollziehen zu können.

1.1 Aufbau und Ziele der Arbeit

In der vorliegenden Arbeit werden in einem ersten Schritt die Funktionen der Massenmedien – und damit des Journalismus in bezug auf den jeweiligen Typ des politischen Systems untersucht. Im Folgenden werden Ansätze, die sich vor allem mit Journalismus und politischem System auf globaler Ebene auseinandersetzen („most different systems“ Design) untersucht und diskutiert. Anschließend wird sich das Augenmerk auf das „most similar systems“ Design richten, das heißt, es werden ausschließlich pluralistische, freiheitliche Systeme innerhalb einer relativ homogenen Weltregion untersucht. Dabei wird nicht ein bestimmter Ansatz herangezogen werden, sondern es werden verschieden Ansätze verknüpft und Kategorien, die als wichtig erscheinen, ergänzt. In der abschließenden Diskussion wird dann weniger auf die Unterschiede westlicher Demokratien, sondern mehr auf die vermeintlichen Angleichungsprozesse eingegangen.

1.2 Der Systembegriff

Ein System wird als ein „Bündel von Elementen oder Objekten, die in ihrer je konkreten Beschaffenheit untereinander ständig in Beziehung stehen und ein Ganzes darstellen“ definiert (Pürer 1993: 153f). Es handelt sich bei einem System also um ein von seiner Umwelt abgrenzbares Gefüge, welches aber nicht isoliert ist, sondern mit anderen Systemen in Wechselwirkung tritt. Ein System besteht zum einen aus Strukturen, welche das Ordnungsgefüge und die Beschaffenheit des Systems darstellen. Es handelt sich hierbei also um interne Wechselwirkungen der Elemente oder Subsysteme des Systems. Zum anderen besteht das System aus Funktionen, welche die Leistungen des Systems gegenüber der Gesamtgesellschaft oder anderen Systemen in innerhalb der Gesellschaft bilden. Hierbei handelt es sich also um externe Wechselwirkungen (Pürer 1993: 256-163).

1.2.1 Das politische System

Unter dem politischem System versteht man jenes gesellschaftliche Teilsystem einer Gesellschaft, das die Aufgabe hat, für eine Gesellschaft allgemein verbindliche Regelungen und Entscheidungen herbeizuführen und durchzusetzen (Patzelt 2003: 218). Zwischen Gesellschaft und politischem System findet ein dynamischer Transformationsprozess statt. Zum einen werden aus der Gesellschaft in vielseitigen Kommunikationsprozessen Forderungen an das politische System herangetragen (Input). Im Idealfall setzt das politische System diese um(Responsivität) und stellt allgemeine Verbindlichkeit her indem es Entscheidungen über geltende Normen und über die Verteilung von Ressourcen herstellt (Output) (Patzelt 2003: 219-220).

1.2.2 Das Mediensystem

Das Mediensystem bildet ein Subsystem innerhalb des politischen Systems. Seine Strukturen sind die wechselseitigen Beziehungen der verschiedenen Medienorganisationen und Institutionen. Seine Funktionen ergeben sich aus dem Aufbau der Beziehungen zu anderen gesellschaftlichen Systemen (z.B. zum politischen System). Mediensystem lassen sich anhand ihrer Strukturen und Funktionen analysieren und miteinander vergleichen. Im Fall der international vergleichenden Journalismusforschung werden generell Vergleiche zwischen mindestens zwei politischen Systemen oder Kulturen in bezug auf mindestens einen kommunikationswissenschaftlich relevanten Untersuchungsgegenstand angestellt. Die Wechselbeziehungen werden dabei auf der Akteurseben (Mikroanalyse), Organisations- und Institutionenebene (Mesoanalyse) und der System- bzw. Kulturebene (Makroanalyse) berücksichtigt (Pfetsch / Esser 2003: 14).

2. Journalismus und politisches System

Bezüglich der politischen Ordnung wird generell zwischen monistischen und pluralistischen Herrschaftsformen unterschieden. In pluralistischen Systemen ist die Herrschaft auf eine Vielzahl von demokratisch legitimierten Machtträgern verteilt und es gibt mehrere konkurrierende politische Parteien mit differenzierenden politischen Zielen und weltanschaulichen Haltungen. Politik ist in pluralistischen Systemen zustimmungsabhängig und somit öffentlich begründungspflichtig. Im Gegensatz dazu zeichnen sich monistische Systeme durch eine einzige Gruppe von politischen Akteuren aus, die ihre Herrschaft durch die Weisheit ihres Führers, einer wissenschaftlichen Weltanschauung oder durch göttlichen Willen begründen (Patzelt 2003: 254-255). Man kann sowohl innerhalb monistischer Systeme als auch innerhalb pluralistischer Systeme eine Reihe von Misch- und Übergangsformen feststellen. Außerdem können monistische und pluralistische Systeme auch in Mischformen auftreten, was zum Beispiel in modernen konstitutionellen Monarchien (Belgien, Dänemark, Großbritannien, Schweden, Spanien) der Fall ist (Pürer 2003: 404). Massenmedien verfügen zwar über gesellschaftliche Macht, haben aber weder in monistischen noch in pluralistischen Systemen Einfluss auf die politische Entscheidungsgewalt. Die wichtigste Rolle kommt den Massenmedien in beiden Systemtypen bei der Organisation der Willensbildung zu, da der einzelne Bürger aufgrund der Komplexität der Gesellschaft nicht mehr die Möglichkeit hat, Ereignisse die sich nicht in seiner mittelbaren Umgebung abspielen, direkt zu verfolgen (Pürer 2003: 405). Sowohl das politische System als auch alle anderen Gesellschaftsmitglieder sind auf die Vermittlungsleistungen durch die Massenmedien angewiesen, denn „der Kontakt des einzelnen mit anderen Teilen der Gesellschaft geschieht fast ausschließlich indirekt durch die Vermittlung der Massenmedien“ (Holtz-Bacha 1990: 26). Dabei ergeben sich gravierende Unterschiede in Bezug auf die Einbindung der Massenmedien und des Journalismus in das politische System.

2.1 Qualitative Kriterien zur Bestimmung politischer Systeme

Politische Systeme lassen sich aus demokratietheoretischer Perspektive durch die qualitativen Kriterien Struktur der Herrschaft, Ausmaß der Repräsentation und Organisation der Willensbildung bestimmen. Aus der Struktur der Herrschaft geht hervor, in welcher Form die politische Macht ausgeübt wird und bei welchen politischen oder sozialen Institutionen die endgültigen Entscheidungsbefugnisse liegen. Im Falle monistischer Systeme wäre dies ein Herrscher bzw. eine Partei, in pluralistischen Systemen hingegen mehrere Parteien bzw. politische Organisationen. Bezüglich des Ausmaßes der Repräsentation stellt sich die Frage, welche gesellschaftlichen Sachverhalte Gegenstand herrschaftlicher Entscheidung sind, da Repräsentation total oder partiell sein kann. Bei totaler Repräsentation sind normalerweise alle gesellschaftlichen Sachverhalte herrschaftlicher Entscheidung (monistische Systeme). Bei partieller Repräsentation bleiben bestimmte gesellschaftliche Sachverhalte - wie zum Beispiel die Trennung von Staat und Kirche, die Freiheit der Bildung, Wissenschaft und Kultur, Die Freiheit der Massenmedien - von herrschaftlicher Entscheidung ausgenommen (Pürer 2003: 404-405). Unter der Organisation der Willensbildung versteht man die kommunikative Vorbereitung und Beeinflussung politischer Entscheidungen, die entweder konkurrierend (pluralistische Medien, mehrere Parteien) oder monopolisiert (zentral gesteuerte Medien, eine Partei, ein Herrscher) sein kann. Die Art und Weise der Einbindung der Medien spielt für die Organisation der Willensbildung eine bedeutende Rolle (Pürer 2003: 405).

2.2 Qualitative Kriterien zur Bestimmung von Mediensystemen

Zwar weichen die endgültigen Ziele autoritärer und totalitärer System stark voneinander ab, allerdings haben Massenmedien und Journalismus ziemlich ähnliche Funktionen zu erfüllen. Was vor allem daran liegt, dass sie in das Prinzip der Gewaltenteilung eingebunden sind. Sie stellen den ‚verlängerten Arm’ des Staates, des Führers oder der Partei bzw. der Regierung dar. Die Medien in monistischen Systemen besitzen nach innen eine Steuerungs- und nach außen eine Repräsentationsfunktion. Sie sind außerdem weisungsabhängig von der Exekutive. Strenge Zensur, die Unterdrückung der journalistischen Freiheit und/oder die staatliche Kontrolle des Berufszugangs für Journalisten als auch die politisch-ideologische Kontrolle der Medienkommunikation sind charakteristisch für monistische Systeme. Journalisten und Massenmedien sind dem Staat oder der Partei ‚verpflichtet’. Durch die zentrale Steuerung und Verbreitung der Nachrichten soll die Infiltration bürgerlicher Ideologien bei der öffentlichen Meinungsbildung verhindert und die jeweilige (z.B. sozialistische/kommunistische) Herrschaftsordnung gesichert werden (vgl. Mughan/Gunter 2003: 4; Pürer 2003: 405; Sarcinelli 2005: 61). In pluralistischen Systemen hingegen ist Politik zustimmungsabhängig und somit öffentlich begründungspflichtig. Die Journalisten haben in pluralistischen Systemen nicht nur politische, sondern auch soziale Funktionen sowohl für die Gesellschaft als auch für das politische System zu erfüllen. Die Vermittlungsleistungen lassen sich in vier politische (normativ-manifeste) Funktionen kategorisieren: Herstellung von Öffentlichkeit, Sozialisation und Integration, Kontrolle, Bildung und Erziehung (vgl. Holtz-Bacha 1990: S.26; Pürer 2003: 426). Unter der Herstellung von Öffentlichkeit versteht man einerseits das „Öffentlich-Machen von Erwartungen an das politische System“, andererseits die „Information über und das Verständlich-Machen von politischen Entscheidungen“ (Holtz-Bacha 1990: 26). Die Funktion der politischen Sozialisation und Integration erfüllen die Massenmedien, indem sie den Bürgern Verhaltensnormen und gemeinsame Ziele vorstellen, Vertrauen und Unterstützung herstellen und die Akzeptanz von politischen Entscheidungen sichern. Die Kritik- und Kontrollfunktion dient vor allem dazu, den Rechtfertigungsdruck für politische Institutionen und den Entscheidungsprozess zu erhöhen. Mit der Funktion der politischen Bildung und Erziehung leisten die Massenmedien einen Beitrag zur Meinungs- und Willensbildung und ermöglichen dem Bürger somit die Teilnahme am politischen Prozess (Holtz-Bacha 1990: 26-27). Massenmedien sind in pluralistischen Systemen nicht weisungsabhängig von der Exekutive, deshalb nehmen weder öffentlich-rechtlich noch privat-kommerziell organisierten Massenmedien staatliche Funktionen wahr. Der Zugang zum journalistischen Beruf steht grundsätzlich jeder Person offen. Nachrichten können frei beschaffen, selektiert, aufbereitet und verbreitet werden. Die Massenmedien sind in pluralistischen Systemen nicht in die Staatsgewalt mit eingebunden, da dies nicht mit demokratischen Verfassungen vereinbar wäre und bilden deshalb auch keine „Vierte Gewalt“ neben Exekutive, Legislative und Judikative. Ihre Kontrollfunktion gilt dennoch als wichtiges Qualitätskriterium aus demokratietheoretischer Sicht (Pürer 2003: 405).

2.3 Idealvorstellung vs. Realität

Bezüglich der unterschiedlichen Funktionen der Massenmedien in monistischen bzw. pluralistischen Systemen ist es wichtig darauf hinzuweisen, das es sich bei den beiden eben beschriebenen Rollenzuordnungen um theoretische Idealvorstellungen handelt. Die Vorstellung einer vollkommen freien Presse innerhalb von Demokratien ist genauso übertrieben wie die Auffassung, das die Presse in autoritären oder totalitären Systemen vollkommen dem politischen System untergeordnet ist. „The media in nondemocratic regimes […] never enjoyed the pervasiveness, penetration, or omniscience popularized in George Orwell’s 1984 […]. In the same vein, the media in democratic societies have never been fully free of governmental control” (Mughan/Gunther 2000: 5). Der wohl wichtigste Kritikpunkt in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass eine sehr einfache Trennung in nichtdemokratische und demokratische Zusammenhänge vorgenommen wird. Dabei gelten die Massenmedien in monistischen Systemen als Handlanger der Herrschaft, in demokratischen Systemen tragen sie im Gegensatz dazu zum gesunden Funktionieren der Demokratie bei. Diese einfache Betrachtungsweise ist mit dem Zeitpunkt der Formulierung zu erklären, welche im Zuge des Kalten Krieges deutlich von der Zweiteilung in totalitäre und freie Medien bestimmt wurde. “ […] the media did seem to be associated with the differing political objectives of elites in the two types of regime” (Mughan/Gunther 2000: 5).

3. Unterschiede von Journalismus und politischem System: GLOBAL

Erste Versuche, Aussagen über das Verhältnis zwischen Mediensystemen – und

damit der Rolle des Journalismus - und politischen, sozialen und kulturellen Entwicklungen zu treffen, wurden erstmals vor dem Hintergrund des Kalten Krieges unternommen (vgl. Siebert /Peterson/Schramm 1956). Die Aussagen beruhen im wesentliche auf normativen Aussagen und bleiben somit im Normenkontext des jeweiligen Systems.

3.1 Der normative Divergenz-Ansatz

Dieser Ansatz steht in der Tradition des liberalen Denkens und bezieht sich konkret auf die Four Theories of the Press von Siebert, Peterson und Schramm(1956). Deren globale Klassifikation basiert auf der Differenzierung bestimmter historischer Grundlagen und deren Basisannahmen. Die Mediensysteme werden im Rahmen der jeweiligen Bedingungen und Wertmaßstäbe, aus denen bestimme Erwartungen und Normen für die Massenmedien – und damit den Journalismus – resultieren, verglichen (Weischenberg 1998: 86). Da hier Unterschiede als Gemeinsamkeiten untersucht werden, heißt diese Form der Untersuchung Divergenz-Ansatz. Insbesondere wurde hierbei das Verhältnis von Staat und Medien untersucht, die Rezipientenseite und der Aspekt der Medien (im technischen Sinn) nicht. Siebert, Peterson und Schramm (1956) fragten sich, warum die Presse so ist wie sie ist und stellten die zentrale Hypothese auf, dass die Presse immer Form und Farbe der sozialen und politischen Strukturen annimmt, innerhalb derer sie arbeitet. Außerdem reflektiert die Presse in besonderer Weise das System der sozialen Kontrolle, durch welche die Beziehungen zwischen Individuen und Institutionen geregelt werden. Zusätzlich gelten Mediensysteme als „Ausdruck und Ergebnis sozialphilosophischer Strömungen und Ideologien als auch technisch-ökonomische Entwicklungen. Sie gingen davon aus, dass ein Verständnis dieser gesellschaftlichen Aspekte grundlegend sei für jedes, wie auch immer geartete, systematische Verständnis der Presse. Damit man die Unterschiede von Pressesystemen aus einer ganzheitlichen Perspektive erkennen kann, müsse man die sozialen Systeme untersuchen, innerhalb welcher die Presse agiert (Siebert/Peterson/Schramm 1956: 1-2). Ausgehend von diesem Grundverständnis unterschieden Siebert, Peterson und Schramm (1956) vier normative Medientheorien: die autoritäre, die liberale, die sozialverantwortliche und die sowjetisch-totalitäre Theorie der Presse. Die vier Modelle stehen dabei in einem historischen Zusammenhang zueinander. Während die sozialverantwortliche Theorie vor dem Hintergrund des politischen Umgangs mit Pressekonzentration aus der liberalen Theorie entstand, entwickelte sich die sowjetisch-totalitäre Theorie aufgrund der Ereignisse der Oktoberrevolution aus der autoritären Theorie (Siebert/Peterson/Schramm 1956). Aus autoritärer Sicht ist wichtigste Funktion der Presse die Unterstützung der Regierungspolitik der Machthaben. Die Presse ist ganz explizit ein Instrument der herrschenden Politik, muss sich aber nicht zwingend in Staatsbesitz befinden (vgl. Siebert 1956: 18-29). Mit der Oktoberrevolution von 1917 kam es zu einer Modifizierung dieser Theorie. In der daraus entstandene sowjetisch-totalitäre Theorie wurde das Verständnis von Presse und Journalismus in den Kontext des marxistisch-leninistischen Denkens gebracht. Die wichtigste Funktion der Presse ist es, zum Erfolg und Bestand des sozialistischen Systems beizutragen. Die Medienproduktion erfolgt über Parteimitglieder, die im Interesse der gesamten Arbeiterschaft agieren. Kritik an den übergreifenden Parteizielen ist verboten (Schramm 1956). Die liberale Theorie bildet das Grundmodell der Mediensysteme westlichen Typs und lässt sich theoretisch in die Philosophie des Liberalismus von Milton, Locke und Mill einordnen. Der Presse kommt die Funktion der Wahrheitsfindung, Regierungskontrolle und der Sicherstellung von Unterhaltung und Information zu. Das Recht der Medienproduktion steht jeden, der über ausreichende Mittel verfügt, zu, da die Presse auch Gewinn erwirtschaften soll. Medienkontrolle findet lediglich über den ‚selbstregulierenden Prozess der Wahrheit’ in einem ‚freien Markt der Ideen’ statt (Hepp 2006: 26). Beeinflusst von den negative Erfahrungen der Pressekonzentration - die Gefährdung des ‚freien Markts der Ideen’ durch die Konzentration einer libertär organisierten Presse - entwickelte im 20. Jahrhundert aus der liberalen Theorie die sozialverantwortliche Theorie. An und für sich hat die Presse dieselben Funktionen wie in der liberalen Theorie, allerdings hat nun jeder, der Einfluss hat, das Recht auf Medienproduktion, unabhängig davon ob er über die ökonomischen Mittel verfügt oder nicht. Aufgrund dessen besteht die Notwendigkeit der Integration fördernder Elemente in das Mediensystem. Die Kontrolle der Medien erfolgt über die Gemeinschaftsmeinung. Zwar befindet sich die Presse grundsätzlich in privaten Besitz, kann aber von der Regierung übernommen werden, um öffentliche Belange zu sichern (Hepp 2006: 27).

[...]

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Journalismus und politisches System - wo liegen die Unterschiede?
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Kommunikationswissenschaft)
Veranstaltung
International vergleichende Journalismusforschung
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
35
Katalognummer
V65368
ISBN (eBook)
9783638579575
ISBN (Buch)
9783638670579
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Journalismus, System, Unterschiede, International, Journalismusforschung
Arbeit zitieren
Susanne Backe (Autor:in), 2006, Journalismus und politisches System - wo liegen die Unterschiede?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65368

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