Der Bundestag in der Europäischen Dimension


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

A.Das höchste deutsche Legislativorgan und die europäische Dimension: Frage: Welche Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten hat der Bundestag in und für Europa?

B.Aspekte
1. De Facto: Einschränkung der Mitwirkungsmöglichkeit durch Europäisierung der Politik
a) nationale Exekutive wirkt als europäische Legislative
b) Fehlende Kontrollmöglichkeit der nationalen Parlamente
c) Rechtsnormensetzung durch die EU
d) EU-Politik als „Außenpolitik“
2. De Iure: Institutionalisierte Mitwirkungsmöglichkeiten
a) Festlegungen des Grundgesetzes
b) Der Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union
3. Der Verfassungsentwurf des europäischen Konvents und die Prognose für den Bundestag

C.Beantwortung der Frage: Souveränitätstransfer auf die europäische Ebene

D.Literaturverzeichnis

A. Das höchste deutsche Legislativorgan und die europäische Dimension

Der Bundestag ist im politischen System der Bundesrepublik Deutschland das am besten durch das Volk legitimierte Legislativorgan auf Bundesebene. Die Mitglieder des Deutschen Bundestages werden direkt vom Volk gewählt. Können sich die Wahlberechtigten „ihre“ Bundestagsabgeordneten auch nicht frei aussuchen – müssen sie doch auf Grundlage der von den Parteien getroffenen Vorauswahl der Kandidaten ihre Entscheidung fällen – sind die direkten Möglichkeiten, auf die Zusammensetzung des Bundestages Einfluss auszuüben, deutliche höher als bei der zweiten Kammer der bundesdeutschen Legislative – dem Bundesrat nämlich: Letzten Endes sind die dortigen Repräsentanten die Abgesandten einer Regierung, die von einem Ministerpräsidenten gebildet wurde, der wiederum von einem weiteren zwischengeschalteten Gremium – den Landtagen – gewählt wurde.

Dieser höheren Legitimität des Bundestages aufgrund der Direktwahl durch das Volk wird mit dem größeren Einfluss im Gesetzgebungsverfahren Rechnung getragen. Im Kern der Gesetzgebung besitzt der Bundestag die höchsten Gestaltungsmöglichkeiten und Kompetenzen was Bundesangelegenheiten angeht. Im neuen Jahrtausend gewinnt Politik in ihrer unmittelbaren Auswirkung auf die Menschen eine immer stärkere europäische Dimension. Europa war noch nie so gegenwärtig in den politischen Entscheidungsprozessen wie heute, gerade in den Kernbereichen Handel, Wirtschaft und Agrar. Diese logische Folge einer fortgesetzten europäischen Integration und die zunehmende Übertragung von Entscheidungskraft auf europäische Institutionen eröffnet ein Problemfeld: Verstärkt werden damit auch Kompetenzen der Legislative des Bundes auf die höhere Ebene der Europäischen Union verlagert, und damit dem offenbar am stärksten legitimierten Gremium der bundesdeutsche Gesetzgebung entzogen. Stattdessen werden die Entscheidungen für Europa, die letzten Endes auch jeden einzelnen Bürger betreffen, überstaatlich von weitaus weniger direkt vom Volk legitimierten Institutionen getroffen, etwa vom Ministerrat oder der EU-Kommission.

Es stellt sich die Frage, welchen Einfluss die Einbettung des Bundestages in den europäischen Kontext auf seine Kompetenzen hat, oder kurz: Welche Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten bestehen für den Deutschen Bundestag bei den Entscheidungen für und in Europa und welche Bedeutung hat die europäische Dimension für die Arbeit des höchsten deutsche Parlamentes?

B. Aspekte

1. Einschränkung der Mitwirkungsmöglichkeit durch Europäisierung der Politik

Die europäische Integration bedeutet eine „massive Verschiebung von Regelungsmaterien vom nationalen Kompetenzbereich auf die Ebene der Europäischen Union“[1]. Diese Verlagerung von Kompetenzen auf zwischenstaatliche Organisationen ist eine logische Konsequenz einer echt gewollten Integration, die die Nationalstaaten zur Aufgabe eines Anteils ihrer Entscheidungsmacht zwingt. Im politischen System der Bundesrepublik Deutschland ist dies möglich aufgrund des Artikel 24 GG, der die Übertragung von Hoheitsrechten auf derartige zwischenstaatliche Institutionen wie die Europäische Union ermöglicht. In der Praxis hatte dies jedoch bedeutende Veränderungen der Entscheidungsprozesse der Politik im EU – Kontext:

a) Nationale Exekutive wirkt als europäische Legislative

Die wichtigen Entscheidungen der Europäischen Union fallen im Ministerrat, der sich bekanntermaßen aus den Fachministern der Mitgliedsstaaten zusammensetzt. Dieses Gremium spielt auch die entscheidende Rolle beim Gang der Gesetzgebung auf europäischer Ebene. Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen werden hauptsächlich durch den Rat der EU verabschiedet. Insbesondere die Verordnungen besitzen allgemeine und unmittelbare Geltung für alle Mitgliedstaaten und ihre Bürger[2].

Dieser Erlass von Rechtsakten ist – wie der Name schon sagt – eine legislative Aktion. Die Entscheidungsträger aber – formell die Minister – sind Vertreter der nationalen Exekutive. Da die Regierungsvertreter durch den Regierungschef bestimmt werden, und dieser – zumindest im bundesdeutschen System – vom Parlament gewählt wird, fehlt der direkte Zugriff der nationalen Legislative auf die Setzung von Recht auf europäischer Ebene. Auch im heutigen Stadium ist das Gesetzgebungsverfahren der EU „entparlamentarisiert“ (Scheuing; Börzel)[3]. Das Europäische Parlament, das einzig direkt legitimierte an der Gesetzgebung der EU mitwirkende Organ, ist an der Normsetzung lediglich beteiligt und hat nicht das letzte Wort.[4]gegenüber dem eigentlichen Gesetzgeber, dem Rat der EU, der zudem nicht öffentlich tagt.

b) Fehlende Kontrollmöglichkeit der nationalen Parlamente

Eine dem Bundestag vom Grundgesetz zugedachten Aufgaben ist die Kontrolle der Regierung und ihrer Vertreter. Im dem ausentwickelten Entscheidungsprozess einer Gesetzgebung gehört zur Kontrolle eine genaue Beobachtung des vielzitierten „Ganges der Gesetzgebung“. Nur so kann die Arbeit der Entscheidungsträger und ihre Interaktion beobachtet, analysiert und zur Normensetzung herangezogen werden. Auf nationaler Ebene ist dies bei der legislativen Funktion des Bundestages möglich. Sind die Ausschusssitzungen des Arbeitsparlamentes zwar meist nicht öffentlich, können jedoch zumindest die Debatten des Plenums, dem Ort, wo die Gesetzgebung formell immanent wird, jederzeit verfolgt werden. Das „Schaulaufen“ der Parteirepräsentanten und der Schlagabtausch der Meinungen zeigen der Öffentlichkeit die Konfliktlinien zwischen den Fraktionen und im Endeffekt der Parteien, die sie vertreten, auf. Dies sorgt für Struktur im Geflecht der Meinungen und macht einen öffentlichen Diskurs möglich.

Diese Kontrollmöglichkeit ist beim Gang der Gesetzgebung auf Europäischer Ebene nicht umsetzbar. Das zentrale Beschluss- und Lenkungsorgan ist der Rat der EU, der aus den Fachministern der Mitgliedsstaaten besteht. Hier werden Rechtsakte erlassen und Durchführungsbefugnisse an die Kommission weiter gegeben. Die Sitzung des Rates sind jedoch nicht öffentlich – ein genauer Einblick in die Vorgehensweise und die Positionen der Regierungsvertreter im Detail entzieht sich der Kenntnis der Öffentlichkeit. Lediglich das Ergebnis der Beschlussfassung, nicht aber deren Zustandekommen sind bekannt. Eine Mitgestaltung beim Entscheidungsprozess ist erst recht nicht möglich. Mögen die Vertreter der nationalen Regierungen auch an die Mehrheit des Bundestages, also die Abgeordneten der Regierungskoalition, gebunden sein, besteht jedoch für den Bundestag grundsätzlich ein Informationsdefizit. Da die Debatte inhaltlich nicht verfolgt werden kann, ist eine Einflussnahme sowie ein Diskutieren der anstehenden Beschlüsse und der aktuellen Themen in der Öffentlichkeit nicht möglich. Der Bundestag wird letzten Endes mit dem Ergebnis konfrontiert.

Hinzu kommt, dass die Zusammenkünfte der Minister oft auch außerhalb des offiziellen EU-Rahmens bei weitgehend informellem Charakter im intergouvernemental - zwischenstaatlichen Bereich statt finden[5]. So finden Begegnungen außerhalb der bekannten Sitzungstermine des Rates oft mit einem kulturellen oder einem anderen Vorwand statt[6]. Diese Zusammenkünfte im Rahmen der EU haben längst nicht mehr den früher üblichen Charakter von vielbeachteten „Staatsbesuchen“ und ereignen sich weitgehend ohne Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit.

Ein letzter wichtiger Grund für die fehlende Kontrollmöglichkeit des Bundestages gegenüber der beschlossenen Vorgehensweise bei aktuellen EU-Entscheidungen ist der klassische Nachteil des Abgeordneten bzw. der Abgeordneten gegenüber den ministeriellen Apparaten bzw. dem Apparat der EU-Kommission. Ausgestattet mit enormer personeller Schlagkraft, Fachabteilungen und der Ministerialbürokratie mit entsprechender Sachnähe stehen die Möglichkeiten der Regierungsvertreter oder die der Kommission typischerweise über denen der Abgeordneten oder ihrer Fraktionen der nationalen Parlamente, die sich hier mit weitaus weniger institutionalisierter Unterstützung begnügen müssen. Als Beispiel einer „Entparlamentarisierung der Gemeinschaftspolitik“[7](Bundestags-Drucksache 12/1068 vom 16.08.91) kann die von Mitgliedern des Deutschen Bundestages beklagte „unzureichende Informationspolitik“ der Bundesregierung im Hinblick auf die Verhandlungspositionen im Vorfeld des Vertrages von Maastricht dienen[8].

[...]


[1]Sturm/Pehle 57

[2]Vgl. Woyke 35

[3]Zietiert in: Pohle 54

[4]Vgl. Pohle 53

[5]Vgl. Pohle 55

[6]ebd. 53

[7]Zitiert in: Pilz/Ortwein 160

[8]Vgl. Pilz/Ortwein 159

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der Bundestag in der Europäischen Dimension
Hochschule
Universität Regensburg  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Regieren im Nationalstaat und unter europäischen und globalen Bedingungen
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
15
Katalognummer
V65356
ISBN (eBook)
9783638579506
ISBN (Buch)
9783656791270
Dateigröße
428 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit erläutert die Mitwirkungsmöglichkeiten, die der Bundestag auf europäischer Ebene hat. Durch die Kompetenzverflechtung zwischen europäischer Ebene und bundesstaatlicher Ebene sind dem deutschen Parlament formelle und informelle Kompetenzen zugewachsen, die in der Arbeit untersucht und erläutert werden.
Schlagworte
Bundestag, Europäischen, Dimension, Regieren, Nationalstaat, Bedingungen
Arbeit zitieren
Bernhard Kuttenhofer (Autor:in), 2004, Der Bundestag in der Europäischen Dimension, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65356

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