Kontinuität und Diskontinuität in "Nation und Staat" - Das völkische Moment im Konzept der Neuordnung Europas


Hausarbeit, 2004

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


O. INHALTSANGABE

I. EINLEITUNG
I.1. geschichtliche Einordnung
I.2. These
I.3. Gliederung der Arbeit
I.4. Klärung der Quellenlage
I.5. Klärung der Sekundärliteratur

II. HAUPTTEIL
II.1. Das Europakonzept
II.1.a) Vorstellung und Einordnung des Europakonzeptes
II.1.b) Ein ursprüngliches Europa
II.2. Deutsche Dominanz
II.2.a) Die ‚nationale Frage‘ Europas als originär deutsche
II.2.b) Die Neuordnung Europas unter der Prämisse der Revision
II.2.c) Deutsche Dominanz in exemplarischen Beispielen – Der Austritt der reichsdeutschen und der jüdischen Minderheiten aus dem ENK

III. FAZIT

IV. NACHWEISE
IV.1. Literaturangaben
IV.2. Quellenverzeichnis

I. EINLEITUNG

I.1. geschichtliche Einordnung

Die Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg, die folgenden Resultate der Verträge von Versailles und Saint Germain ließen die Deutschen vom bis dahin maßgeblich etatistisch geprägten Nationsbegriff abrücken[1]. Das Volkstum, eine unklar bestimmte, aber dennoch kritiklos beschworene Entität, wurde als wissenschaftliche Norm und politischer Kampfbegriff entdeckt. Im neuen Mittelpunkt des ethnozentristischen Erkenntnisinteresses stand häufig das „Auslandsdeutschtum“, speziell jene deutschen Gruppen, die durch Versailles zu ‚Minderheiten’ eines nichtdeutschen Staates geworden waren. Hier setzte nicht nur staatliches Interesse an, sondern auch eine diffuse politische Basisbewegung, die sich um die ‚Minoritätenfrage’ aus reichsdeutscher Sicht formierte. Innerhalb dieses ‚Minderheitenaufbruchs’ ist der Europäische Nationalitätenkongreß (ENK) erwähnenswert, welcher sich als europaweit agierende Plattform für die Minderheiten selbst verstand. Der ENK, trotzdessen er sich mit Theoretischem (Europaideen etc.) wie auch Praktischem (Lage nationaler Minderheiten) auseinander setzte und sich somit mit Ähnlichem auseinandersetzte wie der Völkerbund, verortete sich selbst in Konkurrenz zu diesem, da er ihn in einem inadäquatem, weil auf zwischenstaatliche rechtliche Regelung von Konflikten ausgerichteten, von Nationalstaatsinteressen dominierten System verhaftet und damit als handlungsunfähig ansah.

Gerade unter jenen Staaten, die Gebietsverluste zu beklagen hatten, rückten Minderheitenschutz und die Durchsetzung von Minderheitenrechten auf die politische Tagesordnung, da man sich Kontrolle und Einflusssicherung auf noch nicht aufgegebene Regionen versprach. In einem sich zunehmend ethnifizierenden Europa, von einem völkischen Aufbruch, der Rückbesinnung auf Blut-und-Boden-Theorien etc.[2] begleitet, wurde das gemeinsame Interesse von Staat und Bevölkerungsteilen zunehmend problematisch; die ideologische oder aber finanzielle Einflussnahme auf Minderheitengruppen wirkte zunehmend eskalierend und, für alle beteiligten Seiten, radikalisierend.

Spricht man über den Themenkomplex Minderheiten, ist zu bedenken, dass die Diskussionsvoraussetzungen zu diesem Thema auf staatlicher Ebene keineswegs homogen, also gleichberechtigt war, sondern in sich gespalten: in Staaten mit Minderheiten, die nach dem Ersten Weltkrieg Minderheitenschutzverträge hatten unterzeichnen müssen, und Staaten ohne internationale Schutzmechanismen (z.B. Polen und Deutschland). Die unterschiedlichen Ausgangslagen sind für die vorliegende Arbeit von Bedeutung.

I.2. THESE

Es stellt sich die Frage, wie die Idee einer (deutschen) Volksgemeinschaft spätestens nach 1931 solchermaßen ungebremst Einzug halten konnte in eine zwar deutsch-dominierte, aber internationalisierte Minderheitenbewegung. Erklären lässt sich das meiner Meinung nach durch die inhaltliche, wie auch formale (sprachliche) Nähe zu originär völkischen, teilweise auch faschistischen Ideen[3]. Anhand der führenden Schrift für Minderheitenfragen NuS, in der der theoretische Diskurs jener Bewegung maßgeblich stattfand, soll in der vorliegenden Arbeit bewiesen werden, dass ein, in der späteren Rezeption immer wieder behaupteter, inhaltlicher Bruch zu Beginn der NS-Machtübernahme nicht belegbar ist.

Weiter denke ich, war eine der Gründungsmotivationen und ein konstant verfolgtes Ziel die Revision der Versailler Ordnung, sowie späterhin die Durchsetzung einer deutschen Dominanz in und potenziell expansionistischen Bestrebungen nach Osteuropa.

Das Anfang des 20. Jahrhunderts im Umfeld von NuS entworfene und dort verhandelte Europa-Konzept blieb durchgängig erhalten und soll in dieser Arbeit gleichermaßen als roter Faden dienen, Beleg und - nicht zu vergessen - aktueller Anlass sein. Aktuell deshalb, weil, wie ich später noch zeigen werde, ein ebensolches Konzept noch immer gerade in liberalen, minderheitenzentrierten Kreisen virulent ist[4].

I.3. Gliederung der Arbeit

Unter I.4. und I.5. werde ich die Quellen- und Literaturlage klären und eventuell sich daraus ergebende Schwierigkeiten aufzeigen. Im darauf folgenden Hauptteil (II) werde ich das Konzept und dessen Konstanten vorstellen, sowie verschiedene Interpretationen anreißen (1.a)), darauf aufbauend wird unter 1.b) die Vorstellung eines „ursprünglichen“ Europas und dessen Berührungspunkte zur Ideologie vom „Volksdeutschen“ in die Neuordnungskonzeption eingeordnet. Weiter ist die Gründungsmotivation von NuS näher zu beleuchten, eventuelle Staats- und minderheitenlobbyistische Interessen, die sich zwangsläufig aus dem „deutschen Standpunkt“ ergeben (2.a)). Unter 2.b) des Hauptteils werde ich aufzeigen, wie die Revision der Versailler Grenzen im Europakonzept von NuS schon angelegt ist und sich aus der dahinterstehenden Ideologie heraus expansionistische Kriegshandlungen begründen lassen. Abschließend werde ich die These der deutschen Dominanz innerhalb der Minderheitenbewegung anhand zweier exemplarischer Beispiele aus dem ENK und deren (Nicht-)Behandlung in NuS anreißen (2.c)), nämlich den Austritt der reichsdeutschen Minderheiten aus dem Kongress, sowie jenen der jüdischen Mitgliedsgruppe. Im Fazit (III) werde ich aus dem Entwickelten meine Eingangsthese abschließend zu begründen, sowie diese mit einem kritischen Verweis auf aktuellen Entwicklungen abzuschließen.

I.4. Klärung der Quellenlage

Nation und Staat “ erschien von 1925 bis 1944 und war das wichtigste Periodikum für Minderheitenfragen im deutschsprachigen Raum. Gegründet wurde NuS vom Verband der Deutschen Volksgruppen in Europa, einerseits in Konkurrenz zur ungarischen Glasul Minoritatilor, andererseits um eine Dominanz international ausgerichteter Zeitschriften und als Gegengewicht zur polnisch dominierten Kulturwehr (die Zeitschrift der Minderheiten im Deutschen Reich). Die deutsche Dominanz, aus einer unverfänglichen Minderheitenposition heraus, wurde mit der Gründung quasi festgeschrieben.[5] Der endgültige Beschluss zur Gründung fiel in einer Sitzung des Auswärtigen Amtes und Preußischen Innenministeriums u.a.. Die Finanzierung erfolgte ausschließlich über öffentliche Haushalte und auch das inhaltliche Konzept entstand in Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen. Das staatliche Interesse an Minderheitenarbeit und der Kontrolle der führenden Organe sollte im Folgenden im Hinterkopf behalten werden[6].

Als Druckort und Sitz der Redaktion wurde nach Debatten Wien gewählt[7].

Formal gliedert sich NuS nach folgendem Schema: mehrere Artikel, eingeführt durch einen umfangreichen Leitartikel, Lageberichte über die Minderheitensituation verschiedener Länder und Literaturbesprechungen.

Obwohl NuS (wie auch die inoffizielle Mutterorganisation, der ENK) mit dem Ziel einer Aktivität der Minderheiten für sich selbst angetreten war, gab es zu keiner Zeit eine enge Verbindung zur ursprünglichen Zielgruppen und Klientel, den Nationalitä-ten. Die Schreibenden, wie überhaupt die Volkstums- und Minderheitenpolitiker dieser Zeit, rekrutierten sich ausschließlich aus einem gutsituierten und gebildeten Kreis. Das Umfeld, der Kongress sowie die Redaktion von NuS waren deutsch-dominiert, gleiches gilt für veröffentlichte Artikel, die Themen der Lageberichte – dies verschärfte sich im Laufe der Jahre.

Aufgrund des tatsächlich erfolgten Generations- und Elitenwechsels fällt es schwer, die These der inhaltlichen Kontinuität durch eine formale, die der Protagonisten, zu untermauern. 1931 verortet man beim ENK „die Wende“ im Sinne einer offenen Orientierung hin zum Nationalsozialismus[8]. Dies wird einerseits an jenem (todesbedingten) Elitenwechsel festgemacht, andererseits am Zusammenrücken des ENK mit nationalsozialistisch geführten bzw. großdeutschen Organisationen und Institutionen (z.B. die Volksdeutsche Mittelstelle (VoMi) oder der Deutsche Schutzbund (DS)). Da die wortführenden Politiker des Kongresses fast ausnahmslos auch die ständigen Autoren von NuS stellten[9], trifft der Elitenwechsel ebenso für die vorliegende Arbeit zu. In der Sekundärliteratur wird sich zudem häufig auf die Übernahme der Chefredaktion durch den radikalen Werner Hasselblatt bezogen, sowie das Ablegen des Minoritäten- zugunsten des Nationalitätenbegriffs im Untertitel von NuS[10]. Ich werde mich im Folgenden auf die generelle inhaltliche Kontinuität beschränken, die mir wichtiger erscheint als die, durch die Ablösung der alten konservativen Riege entstandenen, kleinen Brüche.

1944 wurde NuS eingestellt, offiziell wegen Papiermangel. Europa Ethnica, die Zeitschrift der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) fügte sich selbst formal und inhaltlich in die Tradition.[11]

I.5. Klärung der Sekundärliteratur

Die einzige zu NuS erschienene Monographie ist äußerst problematisch, da sie vom 1938 von Werner Hasselblatt berufenen Redakteur Arnold Weingärtner, dessen Artikel von einer großen Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie zeugen, verfasst wurde. Diese Monographie ist lediglich interessant, um die Widersprüche innerhalb der Minderheitenagitation, speziell jene, die durch eine inhaltliche Nähe zu völkischer oder aber nationalsozialistischer Ideologie begründet werden, zu untersuchen.

Die beiden Monographien zum ENK sind insofern von Interesse, als dass sie das Umfeld von NuS erfassen – die Zeitschrift selbst jedoch nicht bzw. kaum. Informativ ist vor allem das Buch von Bamberger-Stemmann, welches durchaus aus einer kritischen Perspektive die Funktion des Kongresses als internationales, unabhängiges und friedlich orientiertes Minderheitenparlament hinterfragt. Eine konsequente Kritik am inhaltlichen Konzept jedoch wird lediglich angedeutet, die Autorin beschränkt sich auf die Offenlegung von personellen Verstrickungen etc.. Die Monographie von Michaelsen behandelt nur den Zeitraum bis 1928, auch ist der Autor zu sehr einem ethnifizierten Denksystem verhaftet. Eine Hinterfragung der Motivationen oder Inhalte des ENK findet nicht statt.

[...]


[1] Vgl. dazu: Emmerich, Walter: Kritik der Volkstumsideologie. Frankfurt/ Main 1971

[2] erwähnenswert sind hier vor allem übergreifende Bewegungen, wie die der „Lebensreform“ oder verwandte aus einem völkisch motivierten antimodernistischen Gestus heraus agierende „Zurück zur Natur“-Bewegungen.

[3] zur Begriffsklärung ‚faschistisch’ generell und speziell im Gegensatz etwa zu ‚nationalsozialistisch’: Sternhell, Zeev: Faschistische Ideologie. Berlin 2002

[4] Standartbeispiel hierfür dürfte die NuS formal und inhaltlich beerbende Europa Ethnica der Dachorganisation Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) sein, die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), das European Centre for Minority Issues (ECMI) etc..

[5] Otto Junghann sah anfangs das Problem, dass NuS das „Organ der kämpfenden deutschen Minderheiten in Europa“ wäre. Zitiert nach: Bamberger-Stemmann: Der Europäische Nationalitätenkongreß 1925 bis 1938, S.235

[6] interessant ist die Frage ist, inwieweit sich der deutsche Staat mit Finanzierung und Eingriffen in das Konzept über NuS tatsächliche Kontrolle über die internationale Arbeit deutscher Minderheiten sichern konnte.

[7] es sollte ein Ort außerhalb des Deutschen Reiches sein.

[8] ‚Wende‘ meint hier die durch politische Umbrüche und den Generationswechsel bedingte Radikalisierung der minderheitlichen Forderungen und der allg. politischen Ausrichtung. Die nachrückende Elite stammte ideologisch zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus der ‚Erneuerungsbewegung‘, war offen revisionistisch und radikal-deutsch. Die Destabilisierung der demokratischen Potenziale des ENK bedeutete gleichzeitig seine (finanzielle) Stabilisierung durch gesteigerte staatliche Zuwendungen etc.. Vgl. dazu: Bamberger-Stemmann, S.180ff,103ff; Hering, Reiner: Konstruierte Nation. Der Alldeutsche Verband 1890 bis 1939. Hamburg 2003

[9] es ist u.a. dies ein Indiz dafür, dass jene Minderheitenlobby keinesfalls repräsentativ war und aufgrund des Bildungshintergrundes, sowie der politischen Karrieren nicht weniger Protagonisten, denke ich, kann eine maßgeblich ideologische Motivation unterstellt werden.

[10] „Deutsche Zeitschrift für das europäische Minoritätenproblem“ zu „Deutsche Zeitschrift für das europäische Nationalitätenproblem“. Dies halte ich insofern für nebensächlich, als das die deutschen Gruppen den Minoritätenbegriff ohnehin nicht für sich akzeptiert hatten.

[11] Europa Ethnica startete 1958 mit dem Jahrgang 18, anschließend an die 17 Jahrgänge von NuS und trug in der ersten Ausgabe den Untertitel „früher [...] Nation und Staat“. In der Einleitung heißt es:„ Europa Ethnica setzt auf demokratischer Grundlage das Anliegen von Nation und Staat fort: Freiheit, Recht und Toleranz den europäischen Volksgruppen, nationalen, religiösen und rassischen Minderheiten! Europa Ethnica anerkennt die publizistischen Leistungen von Nation und Staat auch in verworrener und schwerer Zeit [...].“ zitiert nach: Weingärtner, Arnold: „Nation und Staat“. Eine Monographie, S.121. Dazu in dieser Arbeit: III. Fazit

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Kontinuität und Diskontinuität in "Nation und Staat" - Das völkische Moment im Konzept der Neuordnung Europas
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Osteuropainstitut)
Veranstaltung
Deutsche‘ in Südosteuropa – revisited
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V65255
ISBN (eBook)
9783638578707
ISBN (Buch)
9783656802822
Dateigröße
552 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kontinuität, Diskontinuität, Nation, Staat, Moment, Konzept, Neuordnung, Europas
Arbeit zitieren
Sonja Vogel (Autor:in), 2004, Kontinuität und Diskontinuität in "Nation und Staat" - Das völkische Moment im Konzept der Neuordnung Europas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65255

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