Die Rolle des Ebrovertrages in der Kriegsschuldfrage des Zweiten Punischen Krieges


Seminararbeit, 2006

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die politische Neuorientierung Karthagos

3. Der Ebrovertrag

4. Die geographische Lage des Ebro

5. Römische Intervention in Südspanien

6. Hannibals Einnahme Sagunts und die römische Kriegserklärung

7. Rechtsgültigkeit bzw. eigentliche Rolle des Ebrovertrages zum Zeitpunkt der Kriegserklärung

8. Fazit

9. Quellen- und Literaturverzeichnis

Einleitung

201 v. Chr. endete der für Karthago wohl folgenreichste Zweite Punische Krieg gegen Rom. Karthago musste sich nicht nur dem römischen Friedensdiktat unterwerfen, sondern ebenso die Vorstellung von einer alleinige Vormachtstellung im Mittelmeerraum verwerfen. Die Fra­ge, die hieraus erwächst, ist, wie es zu diesem fatalen Krieg kommen konnte, der so verhee­rende Konsequenzen für Karthago mit sich brachte. Ist der Kriegsgrund in dem ausge­prägten Römerhass der Barkiden begründet, so wie die antiken Historiker Polybios und Livius zu wis­sen glaubten, oder brach der Krieg auf Grund der römischen imperialistischen Bestre­bungen aus? Bis heute wird in der historischen Forschung heftig darüber diskutiert, ob die römische Kriegserklärung im Zuge der karthagischen Einnahme Sagunts oder dem Über­schreiten des Ebro durch Hannibal erfolgte. Auch wenn in den antiken Quellen, die, wie man aus histori­scher Sicht anmerken muss, leider überwiegend aus der römischen Perspektive vor­liegen und dementsprechend stark unter dem Einfluss Roms stehen, behauptet wird, Rom habe schon zu dem Zeitpunkt in Spanien interveniert, als Hannibal Sagunt angegriffen bzw. eingenommen hat, muss man bei genauerer Betrachtung der Abläufe zu dem Ergebnis kom­men, dass erst Hannibals Ebroüberschreitung von römischer Seite als casus belli betrachtet wurde.[1] Greift man auf die antiken Quellen zurück, schließen sich beide Erklärungsansätze nicht aus, da Polybios, Livius und Appian davon ausgehen, der Ebro läge südlich von Sagunt.[2] Einige Wis­senschaftler sind vormals davon ausgegangen, dass der Ebrovertrag eine Sagunt­klausel enthal­ten habe, die die Stadt vor karthagischen Angriffen schützen sollte.[3] Solch eine Klausel würde „dem Geist des Ebrovertrages“ widersprechen, sodass sie mittlerweile „als eine späte annalis­tische Erfindung angesehen wird, die dazu dienen sollte die Römer von der Verantwortung an einem Krieg freizusprechen“.[4] Inwieweit generell verlass auf die antiken Quellen ist, soll sich im Rahmen dieser Arbeit zeigen.

Als problematisch muss angesehen werden, dass man sich nicht alleine auf die eigentliche Ebroüberschreitung Hannibals konzentrieren kann, da durch die vorliegenden Quellen glaub­haft gemacht werden soll, dass bereits Hannibals Einnahme von Sagunt den casus belli her­aufbeschwor.[5] Daher müssen zunächst einmal die Geschehnisse um die Eroberung Sagunts, einschließlich der römischen Reaktion diesbezüglich, näher untersucht werden, damit im An­schluss festgestellt werden kann, welche Rolle dem Ebrovertrag in der Kriegsschuldfrage des Zweiten Punischen Krieges beigemessen werden muss.

Die politische Neuorientierung Karthagos

Nachdem Karthago durch den Ersten Punischen Krieg 264-241, dem Söldneraufstand auf Sar­dinien und dem Libyschen Krieg 237 äußerst geschwächt war, machte man sich in Karthago an die Frage nach der zukünftigen politischen Zielsetzung bzw. Vorgehensweise. Auf der einen Seite bestand für Karthago die Option, auf weitere Bestrebungen des Ausbaus einer Großmachtstellung im westlichen Mittelmeerraum zu verzichten und sich ausschließlich auf die Herrschaft über die nordafrikanischen Nachbarstämme zu beschränken oder eine Poli­tik der Stärke zu verfolgen und neue Ressourcen zu erschließen, die nicht nur dazu notwendig waren, um die römischen Ansprüche nach dem Ersten Punischen Krieg und dem Söldnerauf­stand auf Sardinien zu begleichen, sondern auch dazu dienen sollten, ein neues Absatzgebiet für karthagische Exportwaren zu etablieren.[6] Man einigte sich in Karthago darauf, eine Politik der Stärke zu verfolgen, und entsendete 237 v.Chr. Truppen nach Iberien.[7]

In der antiken Geschichtsschreibung des Polybios, Livius und auch Appians wurde im Nachhin­ein behauptet, die karthagische Intention der spanischen Eroberungen sei in dem tiefen barki­dischen Römerhass begründet gewesen, der enstanden sei durch die einschneidenden Nieder­lagen Karthagos gegenüber Rom und die darin kulminieren sollten, einen neuen Krieg mit Rom anzuzetteln.[8] Dabei stützen sich die antiken Quellen auf den Eid Hannibals, den er als neunjähriger Junge seinem Vater Hamilkar abgeleistet haben soll. Livius stellt es so dar, als habe Hannibal seinem Vater, der ihn vor einen Altar geführt und auf ein Opfer habe schwören lassen, zugesagt, dass er so bald wie möglich als Feind des römischen Volkes auftreten wer­de.[9] Appian geht sogar soweit zu sagen, dass Hannibal schwor ein erbitterter Gegner Roms zu sein.[10] Polybios skizziert die möglichen Abläufe wesentlich objektiver, da er schreibt, dass Ha­milkar in Spanien eine Machtposition aufbauen wollte, um neue Ressourcen zu erschließen, die unabdingbar gewesen wären im Krieg gegen Rom, und dass Hamilkar seinen Sohn vor dem Altar auf ein Opfer hat schwören lassen, niemals ein Freund der Römer zu sein.[11] Setzt man voraus, dass Polybios von allen drei Geschichtsschreibern derjenige war, der am ehesten objektiv berichtet und am nächsten an den Ereignissen lebte, muss man eindeutig feststellen, dass die polybianische Version des Eids Hannibals nicht impliziert, dass dieser sich zu einer unbedingten Feindschaft gegenüber Rom erklärt.[12] Es lassen sich aber, wie im Folgenden dargelegt werden wird, keine aktiven kriegerischen Absichten, weder bei Hamilkar noch später bei Hannibal, erkennen, sodass davon ausgegangen werden muss, dass die karthagischen Unternehmungen in Spanien zunächst ausschließlich als Notwendigkeit zum Wiederaufbau Karthagos verstanden werden müssen.[13]

Der Ebrovertrag

Der damalige karthagische Heeresführer Hamilkar Barkas hatte, nachdem er mit Truppen nach Iberien entsendet wurde, schnell Erfolg und konnte etliche einheimische Stämme unter­werfen. In neun Jahren ist es Hamilkar somit gelungen, die karthagische Machtsphäre bis in die Gegend von Ilici in der Nähe von Alicante, also circa 300 km vom Ebro entfernt, zu er­weitern.[14] Als er die Stadt Akra Leuka gründete, schickten die Römer 231/30 eine Gesandt­schaft nach Iberien, um zu eroieren, welche Größenordnung die karthagischen Eroberungen hatten.[15] Die Römer scheinen die karthagische Expansion also schon zu diesem Zeitpunkt mit Argwohn beobachtet zu haben, auch wenn sie sich mit der karthagischen Rechtfertigung, Kar­thago wolle neue Ressourcen erschließen, um die Kriegsschulden gegenüber Rom beglei­chen zu können, zufrieden stellten.[16] Erst 225/26 schickte Rom erneut eine Gesandtschaft nach Ibe­rien, als sich ein schwerer Krieg der Römer gegen die Kelten abzeichnete. Die römischen Ge­sandten waren damit beauftragt worden, mit Hasdrubal einen Vertrag zu schließen, in dem er sich dazu bereit erklären sollte, den Fluss Iber nicht in kriegerischer Absicht zu überschrei­ten. Der sogenannte Ebrovertrag soll aber hinsichtlich des restlichen Spaniens keinerlei Beschrän­kungen für Hasdrubal beinhaltet haben. Somit implizierte die Zusicherung Has­drubals gleich­zeitig seine unumschränkte Handlungsfreiheit südlich des Ebro durch diese in­direkte Ver­zichtserklärung der Römer, die ebenso daran gebunden gewesen sein müssen, diese Demarka­tionslinie nicht zu überschreiten.[17] Dieses indirekte römische Eingeständnis ist ausschließlich dadurch zu erklären, dass Rom erst die Gefahr durch die Kelten niederschlagen wollte und be­fürchtete, dass die karthagische Expansion durch Hasdrubal in dieser Zeit so weit fortschreiten könne, als dass sie für Rom bzw. römische Interessen im Nachhinein eine Gefahr darstellen könne, hatte Hasdrubal doch durch die Gründung der Stadt Neu-Karthago den karthagischen Stützpunkt von Akra Leuka weiter nördlich verlagert.[18] Dass es definitiv auch ein Eingeständ­nis auf römischer Seite gegeben haben muss, erklärt sich daraus, dass „die politische und mili­tärische Lage der Karthager zu jener Zeit recht günstig [war]“, die Römer hingegen am Vor­abend eines schweren Krieges standen.[19] Generell muss man davon ausgehen, dass die Römer verärgert waren nicht schon früher der karthagischen Expansion in Iberien entgegengewirkt zu haben. Doch angesichts des drohenden Kelteneinfalls in Oberitalien mussten die Römer sich mit dem Ebrovertrag arrangieren, bis sie wieder in der Lage waren, die karthagische Macht­sphäre einzudämmen.[20]

Die geographische Lage des Ebro

Nach dem Tod Hasdrubals übernahm Hamilkars Sohn Hannibal die Leitung der militärischen Operationen in Spanien. Auch ihm gelang es etliche Stämme in Iberien zu unterwerfen, sodass binnen kurzer Zeit Sagunt schon in den karthagischen Machtbereich fiel, ohne jedoch, dass Hannibal die Stadt bereits eingenommen hatte. In Sagunt muss sich schon die Angst vor einer karthagischen Okkupation breit gemacht haben, wobei die Stadt bereits in zwei politische La­ger, nämlich ein karthagerfreundliches und ein römerfreundliches, gespalten war. Vor 220 war es innerhalb Sagunts zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Parteien gekommen. Nachdem die römerfreundliche Partei Rom um Hilfe gebeten hatte, legte Rom den Streit bei, beseitigte den Führer der Gegenpartei und führte eine Neuordnung der Gemeinde durch.[21] 220 entwickelte sich schließlich ein Konflikt zwischen Sagunt und den karthagerfreundlichen Tor­boleten. Die Torboleten baten Hannibal um Unterstützung, die Saguntiener wandten sich an Rom. Wieder intervenierte Rom und schickte eine Gesandtschaft an Hannibal, der sich nicht in den Konflikt der beiden Stämmen eingemischt hatte. Die Gesandten waren damit beauftragt worden, Hannibal vor der Überschreitung des Ebro und einem Angriff auf Sagunt zu war­nen.[22] Möglicherweise ging es der römischen Gesandtschaft aber auch darum, den Ebrovertrag zwischen ihnen und Hasdrubal von Hannibal als weiterhin rechtsgültigen Vertrag anerkennen zu lassen.[23] Sollte dennoch Polybios Darstellungen korrekt sein, dann verdeutlicht gerade dieses römische Anliegen das Problem der antiken Quellen. Es handelte sich bei dem Anliegen der Gesandtschaft nämlich jeweils um zwei verschiedene Rechtsverhältnisse, die als völlig unabhängig voneinander verstanden werden müssen.[24] Die Aufforderungen, den Ebrovertrag nicht zu brechen und Sagunt, welches sich laut Polybios in einer fides mit Rom befunden haben soll und somit durch den Lutatiusvertrag von 241 geschützt gewesen wäre, Folge zu leisten, dürfen nicht in direkte Beziehung miteinander gesetzt werden.[25] Vorab muss aber festgestellt werden, dass Sagunt sich bei Ratifizierung des Lutatiusfriedens 241 noch nicht zu den römischen Bundesgenossen zählen durfte.[26] Inwieweit dies später der Fall war, wird an anderer Stelle zu klären sein. Was aber eindeutig feststeht ist, dass Hannibal, sofern er Sagunt einnehmen wollte, den nördlich gelegenen Ebro nicht überqueren musste. Nur wenn man genau wie J. Carcopino, G.V. Summer, P. Barcélo und D. Vollmer davon ausgeht, dass der Fluss Iber nicht für den weit nördlich gelegenen Fluss Ebro, sondern für den weiter südlich gelegenen Fluss Júcar bzw. Segura steht, sind beide Forderungen der römischen Gesandtschaft miteinander verknüpft. Es ist aber keineswegs davon auszugehen, dass es sich bei dem Fluss Iber um den Júcar oder den Segura handelt, wie eine andere Textpasse bei Polybios beweist.[27] Laut Polybios soll sich nämlich „nach dem Sieg [der Karthager] über die mächtigen Carpetanier und [deren] Verbündeten niemand mehr diesseits des Iber [gewagt haben] den Karthagern die Stirn zu bieten außer den Saguntienern“.[28] Polybios Ausführungen implizieren somit, dass die Karthager zu diesem Zeitpunkt südlich des Iber operierten haben müssen und dass dementsprechend auch Sagunt südlich von dem bei Polybios bezeichneten Fluss Iber liegen muss.[29]

[...]


[1] Otto: Kriegsschuldfrage, S. 79; Eckstein: Two Notes, S. 255.

[2] Polyb. III 30,3; Liv. XXI 16,5-17; App. Hisp. 2,10; Barceló: Rom und Hispanien, S. 53.

[3] App. Hisp. 2,7.

[4] De Sanctis: „Kriegsschuldfrage” der Antike, S. 113, 115; Astin: Sagunt, S. 180 f.; Eucken: Vorgeschichte, S. 27.

[5] Bleicken: Geschichte der Römischen Republik, S. 47; De Sanctis: „Kriegsschuldfrage” der Anti­ke, S. 110.

[6] Otto: Kriegsschuldfrage, S. 84.

[7] Christ: Hannibal, S. 45.

[8] Otto: Kriegsschuldfrage, S. 80.

[9] Liv. XXI 4-5.

[10] App. Hisp. 2,9

[11] Polyb. III 11-11,8.

[12] Otto: Kriegsschuldfrage, S. 82.

[13] Otto: Kriegsschuldfrage, S. 84 f; Christ: Hannibal, S. 46; De Sancti: „Kriegsschuldfrage” der Anti­ke, S. 121; Kromayer: Hannibal, S. 266.

[14] Otto: Kriegsschuldfrage, S. 85.

[15] Barceló: Rom und Hispanien, S. 47.

[16] Eucken: Vorgeschichte, S. 119.

[17] App. Hisp. 2,7.

[18] Polyb. II 13-13,5.

[19] De Sanctis: „Kriegsschuldfrage” der Antike, S. 114.

[20] Polyb., II 13,4-14.

[21] Otto: Kriegsschuldfrage, S. 96; Caven: Punic Wars, S. 90.

[22] Polyb. III 15, 3-10.

[23] Hoyos: Power and politics, S. 92.

[24] Schwarte: Der Ausbruch, S. 38 f.; Bringmann: Der Ebrovertrag, S. 38 f.

[25] Schwarte: Der Ausbruch, S. 38 f.

[26] Polyb. III 21,1-6.

[27] Bringmann: Der Ebrovertrag, S. 375.

[28] Polyb. III 14,9.

[29] Bringmann: Der Ebrovertrag, S. 372.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Rolle des Ebrovertrages in der Kriegsschuldfrage des Zweiten Punischen Krieges
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Veranstaltung
Rom und Karthago im 2.Punischen Krieg
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
17
Katalognummer
V65195
ISBN (eBook)
9783638578257
ISBN (Buch)
9783638767675
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ebrovertrages, Kriegsschuldfrage, Zweiten, Punischen, Krieges, Karthago, Krieg
Arbeit zitieren
Toni Rudat (Autor:in), 2006, Die Rolle des Ebrovertrages in der Kriegsschuldfrage des Zweiten Punischen Krieges, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65195

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