Byrons und Leopardis Verhältnis zur Natur


Seminararbeit, 2001

27 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Byron und Leopardi: zwei verschiedene Persönlichkeiten
2.1 Byron
2.2 Leopardi

3 Byrons Naturreligion und Leopardis persönlicher Pessimismus
3.1 Vom Naturgefühl zur Naturreligion
3.2 Der persönliche Pessimismus Leopardis

4 Byrons Pantheismus und Leopardis historischer Pessimismus
4.1 Byrons Pantheismus
4.2 Leopardis historischer Pessimismus

5 Byrons Deismus und Leopardis kosmischer Pessimismus
5.1 Byrons Deismus
5.2 Leopardis kosmischer Pessimismus

6 Die verlorene Einheit

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Gegenstand dieser Arbeit wird die Entwicklung der Naturphilosophie von George Gordon Lord Byron und Giacomo Leopardi sein. Es werden aus der Lektüre einiger ihrer Werke die Grundzüge der Evolution ihres Verhältnisses zur Natur aufgezeigt. Dabei kann man in beiden Dichtern drei verschiedene Phasen in ihrer Naturbetrachtung erkennen: Byrons Gedankenentwicklung geht von einer traditionellen pantheistischen Naturbetrachtung aus und entwickelt sich zu einer materialistischen, bis hin zu einer deistischen Weltanschauung. Der sogenannte leopardianische Pessimismus führt auf radikale Weise vor allem Leopardis tragische und degenerierende Beziehung zur Natur auf und geht von einem persönlichen zu einem historischen, bis hin zu einem kosmischen Pessimismus.

Zur jeweiligen Phase beider Dichter werden Auszüge aus Beispieltexten hinzugenommen und kommentiert, die ihr Denken in der jeweiligen Phase widerspiegeln können. Die zu diesem Zwecke ausgesuchten Texte Byrons[1] sind aus Childe Harold’s Pilgrimage , Don Juan , Darkness, Cain, Manfred und ’The Prayer of Nature’[2] , während die Leopardis vor allem aus der Sammlung Canti und Operette morali[3] wie ’Il passero solitario’, ’Alla luna’, ’L’infinito’, ’Ultimo canto di Saffo’, ’Canto notturno di un pastore errante dell’Asia’, ’A Silvia’ und ’Dialogo della Natura e di un Islandese’ sind. Zu den jeweiligen italienischen Texten werden jeweils deutsche Übersetzungen[4] in den Fußnoten angegeben.

Ziel der Arbeit ist es, einen Vergleich beider Dichter hinsichtlich ihrer Naturbetrachtung anzustellen, wobei die Unterschiede und Ähnlichkeiten angesprochen und hervorgehoben werden. Zum Schluss der Arbeit werden Reflexionsversuche über eine mögliche verlorene Einheit des Menschen mit der Natur angestellt.

2 Byron und Leopardi: zwei verschiedene Persönlichkeiten

Byron und Leopardi gehören zu den Schriftstellern, die das literarische Zeitalter der Romantik in der ersten Hälfte des 19. Jh.s wie wenig andere geprägt haben. Beide können chronologisch in die sogenannte letzte Generation der romantischen Dichter eingeordnet werden, die mit dem Scheitern der Französischen Revolution aufgewachsen sind und mit Desillusion und einer stärker geprägten Melancholie in die restaurierte Welt blicken[5]. Sie erhalten von Hause aus eine streng religiöse Erziehung, die fern von liebevoller Zuneigung seitens der Eltern ist. Während Leopardi dem Druck seines Vaters, Conte Monaldo, unterliegt, muss Byron die temperamentvolle Persönlichkeit seiner Mutter Catherine ertragen, wobei er selbst seinen Klumpfuß als Zeichen der Verdammnis im kalvinistischen Sinne der Vorbestimmung des Menschen verspürt. Bei Leopardi hingegen erscheinen seine körperlichen Defizite (Augenerkrankung und Rückenverkrümmung) als Nebenwirkungen seines Studiums in der reichen väterlichen Bibliothek[6]. Diese ähnliche Lebenssituation innerhalb der Familie und die jeweilige konservative Gesellschaft in London und Recanati tragen somit viel zu einem Gefühl der Entfremdung in ihrem kurzen Leben bei. Abgesehen von wenigen kurzen Aufenthalten außerhalb Recanatis begrenzt sich Leopardis Lebensraum innerhalb des väterlichen Hauses, ganz im Gegensatz zur Reisebegeisterung Byrons, den es schon in seinen jungen Jahren auf den europäischen Kontinent zieht, ganz im Geiste des wandernden Künstlers der Romantik. Während sich Byron trotz aller Desillusion weiterhin politisch engagiert und sich z. B. in Italien den anti-österreichischen Freiheitskämpfern der Carbonari anschließt, zieht sich Leopardi in seine Einsamkeit zurück und weint dem verlorenen Freiheitsideal eines einheitlichen Italiens nach.

Was trotz verschiedener Persönlichkeiten und Lebensstilen beide tief verbinden mag, ist der tief verspürte Weltschmerz und Pessimismus dieser Zeit. Obwohl sich beide Dichter nie begegnet sind und in Byrons Schriften und Italienaufenthalten kein Hinweis auf den Dichter aus Recanati besteht, so scheint zwischen ihnen dennoch eine seelische Beziehung zu bestehen, die vor allem in ihrer ähnlichen Weltanschauung und ihrem Verhältnis zur Natur zu erkennen ist, wenn auch sie in ihren Überlegungen verschiedene Schlüsse ziehen werden.

2.1 Byron

Byron gehört zu den außergewöhnlichsten Persönlichkeiten seiner Zeit. Er hat den Geist der Romantik wie kein anderer ausgelebt, obwohl seine kulturellen Wurzeln in der klassischen und naturalistischen Tradition liegen und er von Figuren wie Pope, Milton, Rousseau, Spinoza und Lukretius beeinflusst wird[7]. Jene haben sein Naturbild beeinflußt, das jedoch auch durch ihm zeitgenössische Dichter wie Wordsworth und den direkten Kontakt zu Shelley 1816 in der Schweiz bereichert worden ist. Neben der literarischen Tradition, trägt vor allem Byrons Interesse an den Entwicklungen der Naturwissenschaften seiner Zeit viel dazu bei: die astronomischen Fortschritte in der Untersuchung des Weltalls (Eimer 1912: 8-13), die durch Herschels[8] Spiegelteleskop verbessert worden ist, und die Verbreitung geologischer Untersuchungen, die vor allem in den nordamerikanischen Kolonien wichtige Funde hervorgebracht haben. Nicht zu vergessen sind außerdem die Theorien Buffons[9] und Cuviers über die Beschaffenheit der Erde und ihrer Vergänglichkeit. Curviers Theorie besagt z. B., dass die Erde aus den Trümmerteilen von früheren Welten, die durch Naturkatastrophen zerstört worden sind, entstanden sei[10]. All diese neuen Lehren stellen die damalige Position des Menschen und der Welt allgemein in Frage, und scheinen antike Lehren aus Lukretius‘ De rerum natura von der Unbedeutendheit des Menschen im All und der Unzerstörbarkeit der Materie zu rehabilitieren.

Diese neuen Vorstellungen über die Unermeßlichkeit des Weltraums und der Zahlenlosigkeit der Sterne können an einem modernen Geist wie Byron nicht spurlos in seiner Gedankenentwicklung vorbeilaufen, ohne sein Interesse und später auch seinen Enthusiasmus zu erwecken. Auch Leopardi beginnt sich früh mit diesen Fragen zu beschäftigen, da er schon mit 15 Jahren eine Geschichte der Astronomie verfasst. Byrons ununterbrochenes Interesse an den Naturwissenschaften scheint durch die Worte von Don Juan Ausdruck zu erhalten:

He thought about himself, and the whole earth,

Of man the wonderful, and of the stars,

And how the deuce they ever could have birth;

And then he thought of earthquakes, and of wars,

How many miles the moon might have in girth

Of air-balloons, and of the many bars

To perfect knowledge of the boundless skies;

(Don Juan, I, 92, v. 729-735).

2.2 Leopardi

Leopardi wird in der italienischen Literaturgeschichte als der Dichter des Pessimismus betrachtet, weil seine Dichtung so sehr von Schmerz und Traurigkeit durchwoben ist, dass sie oft keinen Trost finden kann. Was den Ursprung seines Pessimismus betrifft, so scheint dieser vor allem rational und nicht sentimental zu sein. In Leopardi baut sich somit ein ständiger Dualismus zwischen der Ratio und den Gefühlen auf: einerseits ein vom Herzen gelenkter Seelenteil des Menschen, der die lebensfreudigsten Illusionen ständig aufbaut, andererseits eine verneinende Vernunft, die jene Illusionen kaltblütig vernichtet. Beide Kräfte agieren in einem ständig gegensätzlichen und voneinander abhängigen Kreislauf. Was das Herz in der Jugend aufbaut, zerstört die Vernunft in den älteren Jahren.

Die Romantik hat inzwischen in Italien ganz andere Züge angenommen als in den anderen europäischen Ländern. Während in Deutschland der philosophische Gedanke von Schlegel, Fichte, Schelling und später Hegel, in England vor allem die Liebe zur Natur von Wordsworth und Coleridge thematisiert worden sind, präsentiert sich die neue Strömung in Italien als Leitkultur der politischen Bewegung. Der literarische Aspekt der Romantik ist in Italien weniger ausgeprägt, weil das Land noch in einer tiefen klassizistischen Tradition verwurzelt liegt. Leopardi selbst wächst in dieser klassizistischen Tradition auf, bleibt in dieser auch verhaftet und kann deshalb nicht völlig der Romantik zugerechnet werden. Sein sprachlicher Ausdruck und seine Lebensweise bleiben klassizistisch, während er einige wichtige Themen der Romantik übernimmt, wie die Auflösung der traditionellen metrischen Regeln, die Freiheit des Künstlers und den Dualismus zwischen Herz und Vernunft[11].

3 Byrons Naturreligion und Leopardis persönlicher Pessimismus

3.1 Vom Naturgefühl zur Naturreligion

Die erste Phase von Byrons Verhältnis zur Natur lässt sich in die Jahre 1806-1814 eingrenzen und ist vor allem durch die idyllische Naturbetrachtung gezeichnet, die im jungen Dichter eine typische romantische Naturempfindung erweckt und einer pantheistischen Naturvorstellung nahe steht. Byrons große Bildungsreise (1809-1811) trägt viel dazu bei, diesen Naturgedanken weiter zu entwickeln und die allmächtige Ordnung Gottes in der Größe der Natur wiederzufinden. Besonders angezogen wird er von der persischen Weltanschauung und Religion (Eimer 1912: 34-43). Die Vorliebe der Perser, den Gottesdienst in der Natur und nicht in Tempeln abzuhalten, wie in der christlichen Religion, haben auf Byron einen enormen Eindruck hinterlassen und seine Naturliebe in eine wahre Naturreligion umwandelt. Einen Ausdruck seiner Naturreligion erhält man ganz besonders in ’The Prayer of Nature’:

Father of Light! great God of Heaven!

Hear’st thou the accents of despair? (v. 1-2).

Father of Light, on thee I call! (v. 5).

[...]


[1] Lord Byron, The Major Works , ed Jerome J. McGann, Oxford, 2000 (World’s Classics).

[2] Lord Byron, The Complete Poetical Works , ed Jerome J. McGann, Oxford, 1980, Bd.1.

[3] Leopardi, Giacomo, Canti. Operette morali, Editoriale Zeus, 1996.

[4] Leopardi, Giacomo, Gesänge. Dialoge und andere Lehrstücke. Übersetzt von Hanno

Helbing und Alice Volleweider, München, 1978.

[5] Standop, Ewald, Mertner Edgar, Englische Literaturgeschichte , Heidelberg, 1967, S. 418.

[6] Roncoroni, Federico, Testo e contesto. Guida all’analisi delle opere e degli autori nel loro

tempo , Milano, 1998, S. 164-165.

[7] Eimer, Manfred , Byron und der Kosmos , Heidelberg, 1912, S. 1-6.

[8] Herschel entdeckte u.a. den Uranus (1781).

[9] Buffon vertrat die Auffassung, die Welt werde durch Erkältung untergehen.

[10] Marjarum, Edward Wayne, Byron as Skeptic and Believer , New York, 1962, S. 51.

[11] Mazzali, Ettore, Leopardi. La vita il pensiero i testi esemplari, Milano, 1972, S. 134-139.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Byrons und Leopardis Verhältnis zur Natur
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Englisches Seminar)
Veranstaltung
Proseminar - Lord Byron
Note
2,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
27
Katalognummer
V65019
ISBN (eBook)
9783638576833
ISBN (Buch)
9783656531647
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Byrons, Leopardis, Verhältnis, Natur, Proseminar, Lord, Byron
Arbeit zitieren
MA Antonio Sisto (Autor:in), 2001, Byrons und Leopardis Verhältnis zur Natur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65019

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