Legasthenie/LRS - Eine Spurensuche mit Perspektivwechsel


Magisterarbeit, 2006

92 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Legasthenie aus medizinischer Sicht
2.1 Ursachen
2.1.1 Erkenntnisse aus der Genetik
2.1.1.2 Familiäre Häufung
2.1.1.3 Zwillingsstudien
2.1.1.4 Molekulargenetische Befunde
2.1.2 Erkenntnisse aus der Neurobiologie
2.1.2.1 Auditive Wahrnehmung
2.1.2.2 Visuelle Wahrnehmung
2.1.2.3 Teilleistungsschwäche
2.2 Definition und Diagnostik
2.3 Förderung
2.4 Legasthenie im Schulrecht
2.4.1 Schulische Diagnostik der Legasthenie in Schleswig-Holstein

3 Das interaktive Modell der Entwicklung von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten – Eine Erweiterung des medizinischen Ansatzes
3.1 Der Einfluss der familiären Interaktion
3.1.1 Familiäre Bedingungen für das Leseverhalten im schulischen Bereich

4 Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten aus pädagogischer Sicht
4.1 Schriftspracherwerb
4.1.1 Vorläuferfertigkeiten zum Schriftspracherwerb
4.1.2 Schriftspracherwerb als aktiver Prozess
4.2 Förderdiagnostik
4.3 Förderung
4.3.1 Schulische Förderung in Schleswig-Holstein
4.3.2 Außerschulische Förderung in Schleswig-Holstein
4.3.2.1 Im Vorschulalter
4.3.2.2 Im Schulalter
4.3.3 Kritische Betrachtung der außerschulischen Förderung

5 Medizinischer versus pädagogischer Ansatz

6 Folgen des Schulversagens

7 Perspektivwechsel

8 Konstruktivismus
8.1 Grundgedanken des Konstruktivismus
8.1.1 Radikaler Konstruktivismus
8.1.2 Die Neurobiologie des Erkennes
8.1.3 Systemtheorie
8.1.4 Neuere Lernkonzeptionen
8.2 Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten aus konstruktivistischer Sicht
8.2.1 Definition und Diagnostik
8.2.2 Förderung
8.2.3 Beurteilung der individuellen Leistung
8.2.4 Konstruktivistische Didaktik
8.2.5 Förderung durch die Gestaltung von fördernden Umwelten, basierend auf dem Denkansatz des Konstruktivismus
8.2.5.1 Förderliche Lernumgebungen
8.2.5.2 Unterricht
8.3 Die Relevanz des Konstruktivismus für „Legasthenie/LRS“

9 „Legasthenie/LRS“ – Eine Spurensuche Zusammenfassung
9.1 Das Bild des funktionierenden Menschens und der objektiven Wahrheit
9.2 Das konstruktivistische Menschenbild und die subjektive Weltkonstruktion

10 Systemische Einflüsse, die zum Erhalt des des Konstrukts „Legasthenie/LRS“ beitragen
10.1 Systemebenen nach Bronfenbrenner
10.2 Welche systemischen Zusammenhänge sind denkbar, die zum Entstehen des „Legasthenie/LRS“ Konstrukts führen und wie könnte eine konstruktivistische Sichtweise aussehen? Eine Annäherung auf verschiedenen Ebenen
10.2.1 Makrosystem
10.2.2 Exosystem
10.2.3 Mesosystem
10.2.4 Mikrosystem

11 Meine persönliche Lernkontrolle und zugleich Resümee

12 Literaturverzeichnis. Als Anhang: Die Erklärung nach der Magisterprüfungsordnung

Das Land der Hinkenden

Vorzeiten gabs ein kleines Land,

Worin man keinen Menschen fand,

Der nicht gestottert, wenn er redte,

Nicht, wenn er ging, gehinket hätte;

Denn beides hielt man für galant.

Ein Fremder sah den Übelstand;

Hier, dacht er, wird man dich im Gehn bewundern müssen;

Und ging einher mit steifen Füßen.

Er ging, ein jeder sah ihn an,

Und alle lachten, die ihn sahn,

Und jeder blieb vor Lachen stehen,

Und schrien: Lehrt doch den Fremden gehen!

Der Fremde hielts für seine Pflicht,

Den Vorwurf von sich abzulehnen.

Ihr, rief er, hinkt; ich aber nicht;

Den Gang müßt ihr euch abgewöhnen!

Der Lärmen wird noch mehr vermehrt,

Da man den Fremden sprechen hört.

Er stammelt nicht; genug zur Schande!

Man spottet sein im ganzen Lande.

C. F. Gellert (1746-1748)

(Fortsetzung auf der letzten Seite)

1 Einleitung

Erinnerungen an die Schulzeit:

„Zum Beispiel war da das Lesenlernen, als ich in die erste Klasse der Volksschule ging. Das Lesen zu lernen war eine Übungsaufgabe für zu Hause und stellte sich unerreichbar und quer in die versonnten Nachmittage. Dafür gab es eine Fibel. Ich starrte auf die Buchstaben, die mit Namen zu nennen mir ein Leichtes war, und versuchte, in ihrer Aneinanderreihung einen sprech- und verstehbaren Sinn zu finden. Es gelang nicht. Die Zeichen wollten jedes für sich bleiben, zwei Buchstaben aneinander ergab nichts und schon gar nicht drei oder noch mehr. Verzweifelt hockte ich stundenlang, wie es mir schien, vor den Bögen und Strichen – es half nichts, dass sie groß und farbig waren. „Sie ist doch sonst nicht dumm“, sagte meine Mutter zu meiner Tante, die extra angereist war, mir zu helfen, „sie ist einfach verbockt.“ Das Wort verbockt umfasste eine unbestimmbar große Menge an Ereignissen, wo ich nichts gelernt hatte, was so als Verweigerung benannt wurde. Ich bekam Stubenarrest, während meine Geschwister spielen durften. Meine Tante las mir die Worte vor, aber ich vergaß sie wieder und vergaß vor allem das Zueinander von bestimmten Zeichen und Wort. Ich wollte raus und spielen. Es war ungerecht, mir dieses sinnlose Zeug abzuverlangen, das ich einfach nicht lernen konnte. „Andere nehmen das Buch mit unter das Kopfkissen in der Nacht“, verriet eine Nachbarin, „am Morgen wachen sie auf und können lesen.“ Ich wusste sogleich, dass die Nachbarin unerlaubt abergläubisch sein musste, und versuchte es nicht.

Irgendwann müssen sich die Buchstaben zu Wörtern gefügt und dieser Vorgang sich sinnvoll in eine mögliche, gern geübte Tätigkeit verwandelt haben. Es käme jetzt, in einer Studie über Lernen, darauf an, dies festzuhalten. Aber ich erinnere diesen Lernschub nicht, sondern nur und ausschließlich die Zeit des Versagens.“

(Haug 2003 S. 13 f.)

So ähnlich wie Frigga Haug könnten sich einige an ihre Schulzeit erinnern.

Auch ich denke mit Unbehagen an das Lesen- und Schreibenlernen zurück. Während sich mein Lesen durch stetes Üben verbesserte, blieben meine Rechtschreibleistungen unter der Norm. In der 6. Klasse wurden Tests durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass ich auf dem Gymnasium bleiben durfte und zwei Jahre intensiv gefördert wurde.

Dies alles hatte ich erfolgreich verdrängt, bis meine älteste Tochter zur Schule kam. Die Lehrerin sprach mich an und meinte, dass meine Tochter „Legasthenikerin“ wäre und getestet werden soll. Da wir in Schleswig-Holstein wohnen, bekam sie die „förmliche Feststellung einer Legasthenie“.

Ich las viele Bücher über das Thema, wurde Mitglied im „Bundesverband Legasthenie e.V.“, besuchte Fachkongresse und nahm an einem Präsenzseminar zum Thema „Möglichkeiten der Legasthenietherapie“ der FernUni Hagen teil.

Alle Informationen, die ich bekam, beruhten auf dem medizinischen Modell „Legasthenie“, das ich im ersten Teil der folgenden Arbeit vorstellen möchte.

In Schleswig-Holstein wird auch das Schulrecht von dem „Legasthenie-Konstrukt“ beeinflusst, so dass ich die schulrechtlichen Folgen und die Möglichkeiten der schulischen und außerschulischen Förderung aufzeige.

Durch eine Diskussion zwischen Frau Dummer-Smoch, eine der führenden Anhängerin des medizinischen Ansatzes, und Frau Valtin, die einen pädagogischen Ansatz favorisiert, wurde ich auf die pädagogische Sichtweise aufmerksam, die ich im 4. Kapitel darstelle.

Der medizinische Ansatz wird im „interaktiven Modell der Entwicklung von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten“ um die Faktoren Familie und Unterricht ergänzt.

Dass das Schulversagen der Kinder im späteren Leben folgenreich ist, wird im sechsten Kapitel dargestellt.

Durch das Studium, insbesondere durch ein späteres Präsenzseminar, kam ich zu meinem persönlichen Perspektivwechsel – dem Konstruktivismus. Nachdem ich im Kapitel 8 die konstruktivistische Sichtweise erläutert haben werden, werde ich aufzeigen, welche Konsequenzen dieser Perspektivwechsel für das Konstrukt „Legasthenie“ hat und schließe damit die Spurensuche ab.

Aber warum ist die eine Spur viel breiter? Warum wählen so viele Menschen den einen Weg und nicht den anderen? Diesen Fragen möchte ich mich im letzten Abschnitt systemisch nähern.

Bevor die Spurensuche beginnt, noch zwei Anmerkungen:

Erstens: Im Wörterbuch der Pädagogik wird Legasthenie aus dem lateinischen abgeleitet. Legere bedeutet Lesen und asthenaia Schwäche. Geprägt wurde dieser Begriff 1926 von Ranschburg. (vgl. Böhm 1994) Die medizinische Sprache ist Latein, so dass im medizinischen Ansatz häufig von Legasthenie gesprochen wird, wenn das Problem des erschwerten Erlernens der Schriftsprache in einem Begriff zusammengefasst werden soll. Im pädagogischen Ansatz wird die deutsche Übersetzung unter Einbeziehung der Rechtschreibung bevorzugt. Abwandlungen wie Lese- Rechtschreibstörung oder Lese- Rechtschreibschwierigkeit sind, abhängig von dem jeweiligen Autor, ebenfalls verbreitet. In der folgenden Arbeit werden die Begriffe verwandt, die dem Autor entsprechen. Dass die deutschen Begriffe alle mit LRS abgekürzt werden, erleichtert die Arbeit.

Zweitens: Da laut dem Statistischen Bundesamt im pädagogischen Handlungsfeld überwiegend Frauen arbeiten (im Schuljahr 2004/05 lag der Anteil weiblicher Lehrkräfte in allen Schularten bei 67,6 % und in den Grundschulen bei 86,3 %), verbietet es sich, aus Sicht der Verfasserin, nur die männliche Schreibform zu nutzen. (vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland 2005)

Um den Anspruch einer gleichberechtigten Schreibweise gerecht zu werden und dabei nicht die Lesbarkeit zu beeinträchtigen, hat sich die Verfasserin für folgende Regelung entschieden:

Bei konkreten Personen oder Personengruppen wird die männliche und weibliche Form mit einem Schrägstrich und einem Auslassungsbindestrich angezeigt (z.B. Lehrer/-innen). Unterscheidet sich die männliche und weibliche Schreibweise durch einen Vokal oder eine Endung wird nur die weibliche Form verwandt (z.B. die Pädagogin). Für beide Schreibweisen gilt, dass die sich darauf beziehenden Pronomen in weiblicher Form erfolgen.

Abstrakte Personenbegriffe, die einen allgemeinen Standpunkt darstellen, werden in männlicher Form geschrieben (z.B. der Beobachter).

Ansonsten wird, wo es möglich ist, eine geschlechtsneutrale Schreibweise genutzt (z.B. die Lehrkraft)

Selbstverständlich übernehme ich bei Untersuchungsbeschreibungen die gewählte Form der Autor/-in.

Jetzt kann die Spurensuche beginnen.

2 Legasthenie aus medizinischer Sicht

Die medizinische Sicht auf das erschwerte Lesen- und Schreibenlernen ist geprägt von der Ursachenforschung.

2.1 Ursachen

Die Ursache für Probleme beim Lesen- und Schreibenlernen wird in der biologischen Konstitution gesucht. Unterschiedliche Felder der Medizin forschen nach ursächlichen „Defekten“. Insbesondere sind hier die Gebiete der Genetik und der Neurobiologie zu nennen.

Schulte-Körne stellt die Ursachen im folgenden Modell vereinfacht dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Vereinfachtes Ursachenmodell zur Lese-Rechtschreibstörung (Schulte-Körne 2002a S.14)

2.1.1 Erkenntnisse aus der Genetik

Wie das vereinfachte Ursachenmodell zeigt, wird eine genetische Disposition angenommen. Diese Annahme ergibt sich aus Studien der familiären Häufung, der Zwillingsforschung und molekulargenetischen Befunden.

2.1.1.1 Familiäre Häufung

Schon in frühen Studien Anfang 1900 wurde darauf hingewiesen, dass unerwartete Leseschwierigkeiten familiär gehäuft auftreten. (vgl. Klipcera, Schabmann & Gasteiger-Klipcera 2003 S. 162)

Mehrere neue Studien, die sich auf Stammbaumanalysen stützen, beschreiben eine familiären Häufung von Lese- und Rechtschreibschwäche. Diese systematischen Familienuntersuchungen zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit von LRS betroffen zu sein bei ca. 43 % liegt, wenn schon Geschwister von LRS betroffen sind und bei ca. 44 % liegt, wenn die Eltern betroffen sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Ergebnisse von Familienuntersuchungen (Schulte-Körne 2002a S. 31)

Aus diesen Ergebnissen lässt sich aber kein kausaler Zusammenhang zwischen Vererbung und LRS ableiten, denn der Mensch wird nicht nur von seinen Genen bestimmt, sondern auch von Umweltfaktoren. Nach Weinert sind „etwa 50 % der geistigen Unterschiede zwischen Menschen genetisch determiniert (...), ungefähr ein Viertel durch kollektive Umwelt und ein weiteres Viertel durch die individuelle, zum Teil selbstgeschaffene Umwelt erklärbar". (2000 S. 367) Dies kann im Hinblick auf die familiäre Häufung von LRS bedeuten, dass auch die soziale Umwelt, hier die Familie, für die Entstehung von LRS sehr prägend ist.

2.1.1.2 Zwillingsstudien

Für die Klärung der Frage, ob und wie viel Anteil die Vererbung an einem Merkmal hat, werden in der Genetik Zwillingsstudien durchgeführt. Hierbei werden eineiige und zweieiige Zwillinge miteinander verglichen. Die Heritabilitatsschätzung (Maß der genetischen Varianz) lag in früheren Studien bei fast 100 %, neuere Untersuchungen haben diese hohe Übereinstimmung nicht bestätigt. Die Heritabilität für die Lesefähigkeit liegt bei ca. 50 % und die für die Rechtschreibfähigkeit um die 60 %. (vgl. Schulte-Körne 2002a S. 31 f.) Insbesondere weisen die Ergebnisse der Zwillingsuntersuchungen auf eine hohe Heritabilität der Phonologischen Bewusstheit bzw. der Phonologischen Dekodierung hin. Diese Erkenntnisse werden in einem neuen Ansatz zur Vorbeugung von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten im Vorschulalter umgesetzt – der Phonologischen Bewusstheit, der in Kapitel 4.1.1 näher beschrieben wird.

2.1.1.3 Molekulargenetische Befunde

Molkulargenetischen Studien dienen zur Ortung von Merkmalen auf den Chromosomen. In einem Überblick der neueren Untersuchungen von Schulte-Körne (2002a S. 33 ff.) werden für die Entstehung von LRS Genorte auf den Chromosomen 1,2,3,6,15 und 18 angenommen. Diese Gene sollen für die Entwicklung der Hirnfunktionen zuständig sein, die das Erlernen von Lesen und Schreiben ermöglichen. Veränderungen von einem oder mehreren Genen können demnach zu Störungen des Lese-und Schreibenlernprozesses führen. Die Zuordnung von Phänotypen, wie Phonologische Bewusstheit oder Pseudowortlesen, auf bestimmte Gene ist in den Studien nicht eindeutig.

Zusammenfassend soll hier die Würzburger Legasthenie-Forschergruppe um den Kinder- und Jugendpsychiater Warnke zitiert werden:

„Sehr wahrscheinlich sind es bei den meisten Personen mit Legasthenie von den Genen gesteuerte Entwicklungsprozesse im Gehirn, die in einem heute noch unbekannten komplizierten Zusammenwirken mit anderen Einflüssen eine Lese- und Rechtschreibstörung begründen“ - aber wie „sich eine genetische Veranlagung in einer Lese-Rechtschreibstörung auswirkt, ist ein Rätsel, von dem noch nicht sicher ist, dass es gelöst werden kann.“ (Warnke, Hemminger, Roth & Schneck 2002 S. 36)

2.1.2 Erkenntnisse aus der Neurobiologie

In der medizinischen Legasthenieforschung nimmt die Neurobiologie einen großen Raum ein. Insbesondere die Wahrnehmung von Reizen und deren Verarbeitung stehen im Mittelpunkt der Forschung.

„Unter Wahrnehmung versteht man im medizinischen Sinne die Aufnahme und Verarbeitung von Sinneseindrücken aus äußeren und inneren Reizen unter Einfluß von Intellekt und Psyche, die zum Erkennen von Gegenständen und Vorgängen der Umwelt und der eigenen Person führen." (Schäfer 1998 S.3)

Gerade die bildgebenden Verfahren der Hirnforschung lassen vermuten, dass basale Störungen in der visuellen und/oder auditiven Informationsverarbeitung zugrunde liegen. (vgl. Schulte-Körne 2002a, Warnke u.a. 2002)

2.1.2.1 Auditive Wahrnehmung

Unter dem Begriff „auditive Wahrnehmung“ bzw. „auditive Wahrnehmungsstörung“ „werden eine Vielzahl von Funktionen und Auffälligkeiten im Bereich Reizwahrnehmung, -diskrimination und –verarbeitung (...) zusammengefasst.“ (Schulte-Körne 2002a S. 15. Auslassung durch Verfasserin)

Aus den Ergebnissen der Forschung zur auditiven Wahrnehmung entwickelt Schulte-Körne das folgende Modell:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Modell zu Störungen der auditiven Informationsverarbeitung (Schulte-Körne 2002a S.15)

Störungen des Lesens bzw. des Rechtschreibens können im phonologischen Bereich liegen.

1. Basale auditive Wahrnehmungsstörungen.

Zahlreiche Untersuchungen widmeten sich der zeitlichen Verarbeitung von dargebotenen Reizen. Methodisch wird hauptsächlich die Ordnungsschwelle bestimmt. “Die Ordnungsschwelle (OS) bezeichnet jenes Zeitintervall zwischen zwei schnell hintereinander dargebotenen Reizen, bei dem die richtige Reihenfolge gerade noch angegeben werden kann.“ (Bergwanger 2003 S. 130. Hervorhebung im Original) Bei gesunden Erwachsenen liegt die Ordnungsschwelle bei etwa 20-40 Millisekunden. (vgl. ebd S. 130) Bei Untersuchungen von Nagarajan u.a. zeigte sich, dass bei einem Reizabstand von 100 ms und 200 ms Leseschwache signifikant schlechtere Erkennensleistungen erbrachten, als die Kontrollgruppe. Dieses Ergebnis wurde durch die Analyse der Hirnaktivität bestätigt. (vgl. Nagarajan, S., Mahncke, H., Salz, T., Tallal, P., Roberts, T. & Merzenich, MM. 1999 nach Schulte-Körne 2002a S. 16) Warnke u.a. (2002 S. 34) kommen in einer Zusammenfassung der Forschungsergebnisse zum Schluss, dass ein Zusammenhang zwischen Legasthenie und der zeitlichen Verarbeitung von einfachen Tönen umstritten ist, aber ein Zusammenhang zwischen der zeitlichen und fehlerlosen Erkennung von sprachlichen Lauten und der LRS bei vielen Menschen gegeben sei.

2. Störungen der Sprachwahrnehmung.

„Als Sprachwahrnehmung bezeichnet man die Fähigkeit, lautliche Einheiten zu erkennen und zu unterscheiden.“ (Schulte-Körne 2002a S. 16) Sprache gliedert sich in verschiedene Laute auf, die sich zeitlich unterscheiden können. Vokale und dehnbare Konsonanten haben eine längere Zeitspanne als Plosiv- bzw. Stopplaute. In einem Spektogramm, einer Aufzeichnung der wichtigsten Komponenten der Stimme, zeigt sich, dass bei den Silben /ba/ und /da/ die Stopplaute /b/ bzw. /d/ innerhalb der ersten 40 ms gesprochen wird, während der Vokal /a/ nachfolgend etwa 200 ms gesprochen wird. (vgl. Fitch, Miller & Tallal 1997 S. 331 ff. nach Bergwanger 2000 S. 3) Hier zeigt sich, dass nach dem Modell von Schulte-Körne die drei Stufen aufeinander aufbauen. Wenn Leseschwache schon in der Wahrnehmung von akustischen Reizen ein Defizit im Bereich der zeitlichen Verarbeitung haben, dann liegt dieses Defizit auch im Bereich der Wahrnehmung von Lauten vor. Zu beachten ist aber, dass die Wahrnehmung von akustischen Reizen und Lauten verschieden ist und z.B. auch von der Aufmerksamkeit oder der Gedächnisleistung beeinflusst wird. (vgl. Schulte-Körne 2002a S. 16 f.)

3. Störungen der Phonologischen Bewusstheit.

„Phonologische Bewusstheit wird als ein übergeordneter Begriff für verschiedene lautanalytische Prozesse verwendet, die sich hinsichtlich der Komplexität der zu verarbeitenden Strukturen (Phonem, Reim, Silbe) sowie der mit den Aufgaben verbundenen kognitiven Prozesse unterscheiden.“ (ebd. S. 20) Für den Schriftspracherwerb ist es notwendig nicht nur den Inhalt von Sprache, sondern auch die Lautstruktur der Sprache zu erkennen. Schneider und Küspert (2003 S. 111) differenzieren die Phonologische Bewusstheit in einem weiteren und einem engeren Sinne. Phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne bezieht sich auf die Fähigkeit größere Einheiten der gesprochenen Sprache zu erkennen wie Wörter, Silben oder Reime. Im engeren Sinne ist das Erkennen der kleinsten Einheiten gemeint, den Phonemen.

Barth (1999) untersuchte in seiner Studie, an der 147 Schulanfänger aus den Grundschulen und einer Schule für Sprachbehinderte aus dem Kreis Kleve (Niederrhein) teilnahmen, den Zusammenhang zwischen zeitlicher Verarbeitungsprozesse und der Phonologischen Bewusstheit und der Entwicklung von Lese-Rechtschreibkompetenz. Untersuchungszeitpunkte waren der Beginn, die Mitte und das Ende des ersten Schuljahres. Gegenstand der Untersuchung waren unter anderem der auditive Ordnungsschwellenwert und die Phonologische Bewusstheit zu Beginn des Schuljahres und die Lese- und Rechtschreibleistungen am Ende des Schuljahres. In dieser Studie konnte keine statistisch signifikante Korrelation zwischen zeitlicher Verarbeitungsfähigkeit und Lese-Rechtschreibleistungen festgestellt werden. (ebd. S. 189) „Daraus läßt sich schlußfolgern, daß die Ordnungsschwelle alleine für sich gesehen noch kein zuverlässiger Parameter zur Früherkennung und Früherfassung von LRS Kindern zu Schulbeginn darstellt.“ (ebd. S. 190) Jedoch fand er signifikante Zusammenhänge zwischen Phonologischer Bewusstheit und Lese- Rechtschreibleistungen. (vgl. ebd. S. 200)

Das Modell von Schulte-Körne zeigt, dass die Störungen aufeinander aufbauen und dadurch das Lesen- und Schreibenlernen erschwert wird. Dieser kausale Zusammenhang ist aber nicht zwingend gegeben. Einflussfaktoren wie Aufmerksamkeit und Gedächnisleistung müssen berücksichtigt werden.

Ebenfalls haben nicht alle Kinder mit LRS hohe Ordnungsschwellenwerte. (vgl. Barth 1999 S. 189 f.) Auch wenn der Zusammenhang zwischen Phonologischer Bewusstheit und LRS hoch ist, gibt es Kinder, die im Bielefelder Screening (Test der Phonologischen Bewusstheit zur Vorhersage des Risikos einer späteren Lese-Rechtschreibschwäche vgl. Kapitel 4.1.1) als unauffällig eingestuft wurden und später eine LRS entwickeln, wie auch als Risikokinder klassifizierte Schüler/-innen völlig problemlos das Lesen und Schreiben erlernten. „Diese Ergebnisse verweisen darauf, daß phonologische Bewußtheit zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für den Schriftspracherwerb darstellt. Im Hinblick auf den individuellen Entwicklungsverlauf des Kindes und die Prognose seiner Schriftsprachentwicklung sind auch visuelle Informationsverarbeitungsprozesse, familiäre und schulische Unterstützung und Förderung, spezifische Unterrichtsbedingungen wie Instruktions- und Lehrmethoden und emotionale Faktoren des Kindes mit zu berücksichtigen.“ (Barth 1999 S. 38)

2.1.2.2 Visuelle Wahrnehmung

Nicht nur auditive Wahrnehmungsstörungen werden als Ursache für die Entstehung einer LRS diskutiert, sondern auch visuelle Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörungen. Jedoch sind visuelle Wahrnehmungsstörungen als Ursache geringer einzuschätzen.

„Störungen der Sehfunktion des Auges sind sehr wahrscheinlich nur selten die Ursache, sondern fast immer Folgen der Legasthenie.“ (Warnke u.a. 2002 S. 31)

Die Befunde der neurobiologischen Forschung sind widersprüchlich und ein kausaler Zusammenhang zwischen basalen visuellen Wahrnehmungsstörungen und LRS ist noch nicht eindeutig bewiesen. (vgl. Warnke u.a. 2002; Suchodoletz 2003a; Schulte-Körne 2002b) Daher sollen an dieser Stelle nur kurz die Erkenntnisse der Forschung zur Blicksteuerung dargestellt werden.

Zum Lesen eines Textes sind drei Komponenten von besonderer Bedeutung: die Fixationsdauer, die Sakkaden (schneller Blicksprung) und die willkürliche Blicksteuerung. Während des Lesens werden die Augen 3 bis 5 mal in der Sekunde in Leserichtung bewegt. Fischer untersuchte nun an einer Gruppe mit 1582 Legastheniker und einer Kontrollgruppe mit 114 Kindern die drei Komponenten der Blicksteuerung. Als Ergebnis seiner Forschung der Blicksteuerung bei legasthenischen Kindern im Vergleich zu der Kontrollgruppe im Alter von 7 bis 17 Jahren formuliert Fischer (2003 S. 187. Auslassung durch Verfasserin): „nicht die Bewegungen der Augen als solche sind betroffen,(...) sondern die willentliche Komponente, die vom frontalen Gehirn gesteuert werden“ und das dieser Unterschied mit dem Alter zunimmt. Auffällig ist demnach bei legasthenischen Kinder die Antisakkaden, also nicht die Sakkaden in Leserichtung, sondern die Blicksprünge, die in entgegen gesetzte Richtung gehen, um übersprungene - nicht entschlüsselte- Informationen zu überprüfen.

Ob diese Auffälligkeiten im kausalen Zusammenhang mit einer Lesestörung stehen ist aber noch ungeklärt. (Schulte-Körne & Remschmidt 2003 S. 402 f.)

Probleme der verlängerten Fixationszeiten, der ungezielten Fixation und die Häufigkeit der Fixation finden sich bei jedem Menschen, wenn er sehr schwierige Texte liest. (vgl. Warnke u.a. 2002 S. 31)

Zu beachten ist, dass die Entwicklung der Seh- und der Hörleistung erst im Alter von 17 bis 20 Jahren abgeschlossen ist. (vgl. Fischer 2003 S. 185)

2.1.2.3 Teilleistungsschwäche

Ursachenforschung findet in der Medizin auf vielen Gebieten statt. Die eine Ursache scheint es nicht zu geben, viel mehr wird vermutet, dass verschiedene Faktoren zusammenwirken. (vgl. Schulte-Körne 2002b S. 13; Amorosa 1998 S. 6)

Diese verschiedenen Faktoren lassen sich auch als Wahrnehmungsstörungen oder Teilleistungsstörungen zusammenfassen. Der Begriff der Teilleistungstörungen wurde von Graichen (1979) geprägt und als „Leistungsminderungen einzelner Faktoren oder Glieder innerhalb eines funktionellen Systems, das zur Bewältigung einer komplexen Anpassungsaufgabe erforderlich ist“ definiert. (ebd. S. 49) Für Dietel und Kassel (1993) sind Teilleistungen „basale neuropsychologische Funktionen“, „die wesentliche Voraussetzungen für die Entwicklung bzw. das Erlernen aller höheren psychischen und physischen Tätigkeiten sind“ (ebd.S. 299) Um ein funktionelles System wie z.B. Lesen oder Schreiben zu erreichen, werden viele Teilleistungen benötigt. Aber nur das Zusammenspiel der Teilleistungen ermöglicht es, die Gesamtleistung Lesen oder Schreiben zu erbringen.

Breitenbach (2000) fasst die Forschungsergebnisse zusammen: „Mit der Zunahme der Aufgabenkomplexität und Aufgabenschwierigkeit geht auch eine Zunahme der aktivierten Hirnmasse einher und an jeder Teilfertigkeit scheint ein Netz unterschiedlicher Hirnregionen beteiligt zu sein“ (ebd. S. 7)

Knauer (2003) kritisiert den Begriff Teilleistungsschwächen, da „er suggeriert, nur ein Teil des Kindes sei beeinträchtigt“ (ebd. S. 3) Sie verwendet statt dessen Begriffe wie „abweichende“ oder „beeinträchtigte“ Wahrnehmung.

„Als hochkomplexes System stellt die menschliche Wahrnehmung (Sensorik) in untrennbarer, zirkulärer Wechselwirkung mit der (Re-) Aktion (Motorik = Denken, Fühlen, Handeln, Sprache, Bewegung) die Grundlage für alles menschliche Tun, für ontogenetische wie polyogenetische Entwicklungen dar.“ (Knauer 2003 S. 4) Der Ort an dem die Wahrnehmungen und das Verhalten (Denken, Fühlen, Handeln) sich wechselseitig bedingen ist das Gehirn. Bei der Geburt sind nur einzelne Nervenzellen mit wenigen Fortsätzen und Verästelungen vorhanden, die sich aber innerhalb weniger Monate zu einem dichten Netz vervielfältigen und entwickeln. Die Hirnreifung verlangsamt sich nach dem zweiten Lebensjahr (etwa 60 – 70 % der Entwicklung ist vollendet) und ist zum Zeitpunkt der Pubertät nahezu abgeschlossen. (vgl. Milz 1994 S.13 ff.; Knauer 2003 S. 6 ff.) Die Hirnregionen, an denen spezifische Funktionen verarbeitet werden, sind bei vielen Menschen ähnlich. Jedoch zeigt die Forschung an Hirnverletzten auch, dass andere Regionen die Funktionen der verletzten Areale übernehmen können. Das Gehirn ist demnach ein äußerst dynamisches System.

Die Entwicklung des Gehirns sowie das Wahrnehmen und (Re-) Agieren ist untrennbar mit der Umwelt verbunden. Die Person und die Umwelt stehen in ständiger Interaktion miteinander und beeinflussen sich wechselseitig.

2.2 Definition und Diagnostik

Eine Definition von Legasthenie aus medizinischer Sicht beruht auf dem Internationalen Klassifikationsschema psychischer Störungen (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Der Begriff Legasthenie wird in der deutschen Übersetzung jedoch nicht erwähnt. Vielmehr wird eine Lese- und Rechtschreibstörung, eine isolierte Rechtschreibstörung und kombinierte Störungen schulischer Fertigkeiten unterschieden.

„F81 Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten
Es handelt sich um Störungen, bei denen die normalen Muster des Fertigkeitserwerbs von frühen Entwicklungstadien an gestört sind. Dies ist nicht einfach Folge eines Mangels an Gelegenheit zu lernen; es ist auch nicht allein als Folge einer Intelligenzminderung oder irgendeiner erworbenen Hirnschädigung oder -krankheit aufzufassen.

F81.0 Lese- und Rechtschreibstörung

Das Hauptmerkmal ist eine umschriebene und bedeutsame Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten, die nicht allein durch das Entwicklungsalter, Visusprobleme oder unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Leseverständnis, die Fähigkeit, gelesene Worte wiederzuerkennen, vorzulesen und Leistungen, für welche Lesefähigkeit nötig ist, können sämtlich betroffen sein. Bei umschriebenen Lesestörungen sind Rechtschreibstörungen häufig und persistieren oft bis in die Adoleszenz, auch wenn einige Fortschritte im Lesen gemacht werden. Umschriebene Entwicklungsstörungen des Lesens gehen Entwicklungsstörungen des Sprechens oder der Sprache voraus. Während der Schulzeit sind begleitende Störungen im emotionalen und Verhaltensbereich häufig.

Entwicklungsdyslexie
Umschriebene Lesestörung
"Leserückstand"
Exkl.: Alexie o.n.A. (R48.0)

Dyslexie o.n.A. (R48.0)
Leseverzögerung infolge emotionaler Störung (F93.-)

F81.1 Isolierte Rechtschreibstörung

Es handelt sich um eine Störung, deren Hauptmerkmal in einer umschriebenen und bedeutsamen Beeinträchtigung der Entwicklung von Rechtschreibfertigkeiten besteht, ohne Vorgeschichte einer Lesestörung. Sie ist nicht allein durch ein zu niedriges Intelligenzalter, durch Visusprobleme oder unangemessene Beschulung erklärbar. Die Fähigkeiten, mündlich zu buchstabieren und Wörter korrekt zu schreiben, sind beide betroffen.

Umschriebene Verzögerung der Rechtschreibfähigkeit (ohne Lesestörung)
Exkl.: Agraphie o.n.A. (R48.8)

Rechtschreibschwierigkeiten:
- durch inadäquaten Unterricht (Z55.8)
- mit Lesestörung (F81.0)

F81.3 Kombinierte Störungen schulischer Fertigkeiten

Dies ist eine schlecht definierte Restkategorie für Störungen mit deutlicher Beeinträchtigung der Rechen-, der Lese- und der Rechtschreibfähigkeiten. Die Störung ist jedoch nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar. Sie soll für Störungen verwendet werden, die die Kriterien für F81.2 und F81.0 oder F81.1 erfüllen.

Exkl.: Isolierte Rechtschreibstörung (F81.1)

Lese- und Rechtschreibstörung (F81.0)
Rechenstörung (F81.2)“

(Weltgesundheitsorganisation 1999)

Dieses Klassifikationsschema lässt viele Fragen offen.

Zum Beispiel:

F81. Was sind „normale Muster des Fertigkeitserwerbs“, welche Norm soll zu Grunde gelegt werden?

Welche „frühen Entwicklungsstadien“ sind gestört, wenn das Problem erst in der Schule, beim Erlernen von schulischen Fertigkeiten auftritt?

Wer legt fest, ab wann ein Mangel an Gelegenheit zum Lernen vorliegt?

Was wird als Intelligenzminderung verstanden?

Welche Hirnschäden führen zu umschriebenen Entwicklungsstörungen und welche nicht?

Diese und noch weitere Fragen lassen sich auch für F81.0 und F81.1 formulieren. Die m.E. ungenauen Kriterien werden noch durch F81.3 übertroffen, die „eine schlecht definierte Restkategorie für Störungen“ klassifiziert.

Dieses Klassifikationsschema ist dennoch Grundlage für die multitaxiale Diagnostik der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychatrie und Psychotherapie, die versucht, die Ein- und Ausschlusskriterien genauer zu formulieren. Einschlusskriterium ist, dass die Lese- und/oder Rechtschreibleistungen unter dem zu erwartenden Niveau in Bezug auf das Alter, der Intelligenz und der Beschulung liegen. Auszuschließen ist nach dem Entscheidungsschema für „Diagnostik und Behandlung der Lese-Rechtschreibstörung“ (nach Warnke u.a. 2002 S. 59 ff.) eine erworbene zelebrale Schädigung, die zum Verlust von bereits erworbenen Fertigkeiten führt; eine psychische bzw. organische Erkrankung; eine Deprivation bzw. mangelnde Möglichkeit zum Erlernen der schulischen Fertigkeiten; mangelnde Intelligenz (IQ<70) und eine Diskrepanz zwischen Lese- Rechtschreibleistung und der Intelligenz unter 1,5 Standardabweichung.

Eine Lese- und/oder Rechtschreibstörung (Legasthenie) liegt demnach dann vor, wenn das Ergebnis eines Lese- und/oder Rechtschreibtests mit dem Ergebnis eines Intelligenztests um mindestens 1,5 vom Standard abweicht und alle anderen genannten Kriterien ausgeschlossen worden sind.

Dass die Diagnose einer „umschriebenen Lese- und Rechtschreibstörung“ nach dem Entscheidungsschema nicht unumstritten ist, stellt Warnke in seiner Anmerkung dar: „Auf wissenschaftlicher Ebene gibt es eine Diskussion über die Möglichkeit, eine „umschriebene Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie)“ zu messen und von anderen Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten diagnostisch zu trennen. Insbesondere ist das Kriterium der Diskrepanz zur Intelligenz ein methodisches Problem. Bekannt sind die Schwächen, die Intelligenztests und Lese-Rechtschreibtests anhaften.“ (ebd. S. 59) Trotzdem befürwortet er eine solche Begriffsbestimmung und die Diagnosekriterien um Kindern mit solchen Lese-Rechtschreibschwierigkeiten Hilfe zukommen zu lassen und bezieht als weiteres Diagnosekriterium die schulische Beobachtung mit ein.

Der Intelligenzquotient ist als Vorhersagekriterium für Schulerfolg alleine nicht zwingend gültig.

Kritisch zu sehen ist: 1. Das Konstrukt Intelligenz 2. Die Messung von Intelligenz und 3. Die Korrelation von Intelligenz und Schulerfolg

1. Weinert fasst die derzeitigen Ergebnisse der Intelligenzforschung zur Erklärung der Determinanten des Konstrukts Intelligenz wie folgt zusammen:

„- Dass 50 % oder etwas mehr der interindividuellen Fähigkeitsunterschiede durch Erbeinflüsse erklärbar sind, weiß man aus den übereinstimmenden Resultaten von Zwillingsforschung und Adoptionsstudien seit langem.
- Dass die Einflüsse kollektiv erfahrener Umwelten im Verlauf des Lebens ab- und die Wirkungen individuell erlebter Eigenwelten zunehmen, ist ebenfalls nicht neu.
- Dass Erb- und Umwelteffekte nicht unabhängig voneinander sind, sondern in starkem Maße kovariieren, liegt seit Jahrzehnten auf der Hand.“ (Weinert 2000 S. 355)

Dies bedeutet, dass Intelligenz keine feststehende Eigenschaft ist, sondern ein dynamischer Prozess, bei der Intelligenz durch die genetische Disposition und der kollektiven und interindividuellen Umwelt wechselseitig beeinflusst wird.

Was ist aber Intelligenz? Eine operationale Definition lautet: „Intelligenz ist das, was Intelligenztests messen“ (Zimbardo 1995 S. 531) Was unter Intelligenz verstanden werden soll, wird von dem Forscher konstruiert. Um aber einen inhaltlichen Eindruck des Konstrukts Intelligenz zugeben, soll hier die Definition von Zimbardo genannt sein: „Intelligenz ist die Fähigkeit, aus Erfahrungen Nutzen zu ziehen und das Gegebene in Richtung auf das Mögliche zu überschreiten“ (ebd. S. 528) Festzuhalten ist, das Intelligenz ein hypothetisches Konstrukt ist, das nur durch beobachtbare Verhaltensweisen erschlossen werden kann.

2. Diese Beobachtungen werden durch Intelligenztests erhoben. Wie die oben genannte operationale Definition schon andeutet, misst der Test das, was der Testentwickler unter Intelligenz versteht. Kulturelle, soziale und sprachliche Einflüsse können Testergebnisse verzerren. Ebenfalls kann Intelligenz durch die Umwelt beeinflusst werden, so dass eine Messung nur eine Momentaufnahme und (z.B. durch Pädagogik) beeinflussbar ist. (vgl. Zimbardo 1995 S. 539 ff.) Je nach Test ist die Validität und Reliabilität unterschiedlich. Bei dem CFT 20 (Grundintelligenztest Skala 2), der für die schulische Diagnostik verwandt wird, ist die Reliabilität der Testbatterie sehr hoch und die Korrelationen mit anderen Intelligenztests liegen im Durchschnitt bei r = .64. (vgl. Testzentrale) Weitere Probleme bei der Intelligenzmessung durch den CFT 20 werden unter dem Punkt „Schulische Diagnostik der Legasthenie in Schleswig-Holstein“ (2.4.1)aufgezeigt.

3. Zwar kommt Zimbardo zu dem Fazit, dass Intelligenztests für die Bereiche „des Erfolges bei Schul- und Studienleistungen und des Berufsstatus“ (ebd. 1995 S. 537) valide Vorhersagen treffen, aber schränkt gleichzeitig ein, dass vielleicht die Intelligenztests die Leistungen messen, die auch für den Schulerfolg von Nöten sind. Weitere Variablen die zu einem Schulerfolg führen können wie Motivation, Einstellung der Eltern, Erwartungen der Lehrer/-innen usw. bleiben bei dieser Korrelation unberücksichtigt. Er weist auf eine Langzeitstudie von McCall (1977) hin, bei der „der beste Prädikator des Bildungs- und des beruflichen Status einer Person nicht deren IQ im Kindesalter, sondern das Bildungsniveau des Vaters“ ist. (Zimbardo 1995 S. 538) In einem Vortrag über die GOLD-Studie weist Weinert auf, „dass unterdurchschnittlich intelligente Menschen eher schlechte berufliche Aussichten haben, es sei denn, ihre Eltern verfügen über einen hohen Bildungsgrad und über die damit im Durchschnitt verbundenen Privilegien. In diesem Fall sind die weniger intelligenten Kinder im späteren Erwachsenenalter fast genauso erfolgreich wie die intelligenten Probanden.“ (Weinert 2000 S. 367) Dies unterstreicht auch das Ergebnis der PISA-Studie (Programme for international student assessment) 2000 (Artelt, Baumert, Klieme, Neubrand, Prenzel, Schiefele, Schneider, Tillmann & Weiß 2001 S. 35) für die Bundesrepublik Deutschland sehr eindrucksvoll. Hier zeigte sich, das Sozialschichtzugehörigkeit und Bildungsbeteiligung eng verwoben ist. Mehr als die Hälfte der 15-jährigen, deren Bezugsperson in die Sozialschicht „obere Dienstklasse“ zugeordnet wurde, besuchte das Gymnasium.

Krech, Crutchfield, Livson, Wilson und Parducci (1992) heben in ihrer Schlussfolgerung des Kapitels „Die Messung geistiger Fähigkeiten“ über den Zusammenhang zwischen Intelligenztest und Schulerfolg hervor, dass „ihre Prognosen bestenfalls so grob sind, daß man sie für gefährlich halten muß, wenn sie auf Einzelfälle angewandt werden.“ (ebd. S. 65)

Das Problem der operationalen Definition und der diagnostischen Kriterien in der Legasthenieforschung sind auch für Haffner, Zerahn-Hartung, Pfüller, Parzer, Strehlow und Resch (1998) nicht befriedigend gelöst. So konnten sie in einem Vergleich von unterschiedlichen operationalen Definitionen der spezifischen Rechtschreibschwäche aufzeigen, dass die Legastheniehäufigkeit nach neuer Normierung zwischen 1,7 % und 13 % je nach Definition schwankt. Insbesondere die unterschiedliche Festlegung der Standardabweichung führte zu diesen Differenzen. Ebenso kritisch wurde die Normierung der Tests gesehen. Schon zehn Jahre alte Normen können zu einer bedeutsamen Überschätzung der Fallhäufigkeit führen. (vgl. ebd. S. 127 ff.) Normierte Rechtschreibtests legen in ihren Normen fest, wie die Schüler/-innen der Gesamtstichprobe abgeschnitten haben und setzen diese auf eine Prozentskala. Ein Prozentrang von 15 bedeutet, dass 85 % der Schüler/-innen aus der Gesamtstichprobe besser abgeschnitten haben. Bei einer solchen Prozentskala wird es auch nach einer neuen Normierung immer Schüler/-innen geben, die am unteren Skalenbereich liegen.

Unabhängig von der Problematik der Operationalisierung einer Definition, soll an dieser Stelle die weit verbreitete Definition des wissenschaftlichen Beirat des Bundesverbandes Legasthenie - eine Interessenvertretung von Betroffenen und deren Eltern sowie von Fachleuten (Pädagoginnen, Psychologinnen, Ärztinnen und Wissenschaftlerinnen, im sozialen Bereich Tätigen), die sich in Theorie und Praxis mit der Legasthenie auseinandersetzen – genannt werden, da sie die Grundgedanken des medizinischen Modells widerspiegeln.

„Legasthenie ist die Bezeichnung für Schwächen beim Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechtschreiben, die weder auf eine allgemeine Beeinträchtigung der geistigen Entwicklung noch auf unzulänglichen Unterricht zurückgeführt werden können.“ (Dummer-Smoch 1998a S.115)

Diese Unterscheidungen zeigt folgende Tabelle von Frau Dummer-Smoch mit Hinweisen auf Vorkommen und Förderungsmöglichkeiten:

Lese- und Rechtschreibprobleme

Vorübergehende

Schwierigkeiten Überdauernde Schwächen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Schwierigkeiten und überdauernde Schwächen

(Dummer-Smoch 1998b S. 8)

2.3 Förderung

Der Kinder- und Jugendpsychiater Suchodoletz kommt schon in seiner Einleitung in seinem Buch „Therapie der Lese-Rechtschreibstörung. Traditionelle und alternative Behandlungsmethoden“ zu dem Schluss: „ Wissenschaftlich begründete Verfahren berufen sich auf sonder- und heilpädagogische sowie lerntheoretische Erkenntnisse.“ (Suchodoletz 2003b S. 15. Hervorhebung im Original) Und auch Schulte-Körne kommt zu dem Fazit: „Insgesamt ist der Einsatz lerntheoretisch begründeter Therapieverfahren bei der Förderung von lese-rechtschreibschwachen Kindern sehr zu empfehlen.“ (Schulte-Körne 2003 S. 53) „So werden lerntherapeutische Prinzipien bei unterschiedlichen Entwicklungsstufen des Schriftspracherwerbs eingesetzt, wie z.B. bei der Vermittlung von phonologischem oder von orthografischem Wissen.“ (ebd. S. 32)

Diese Fördermaßnahmen werden bei dem pädagogischen Ansatz (4.3.2.2) noch näher erläutert, denn sie sind, wie Suchodoletz und Schulte-Körne anmerken, pädagogische Konzepte.

Therapieverfahren, die an den Wahrnehmungsstörungen ansetzen, sind nach einem Überblick von Suchodoletz entweder nicht zu empfehlen oder der Wirksamkeitsnachweis fehlt. Training der auditiven Wahrnehmung, Training des Richtungshörens, Hochtontraining, Klangtherapie, Schalltherapie und die Therapie nach Tomatis kann nach seiner Überprüfung der Wirksamkeitsnachweise nicht als wirksam angesehen und sollten daher nicht angewendet werden. Ähnlich sieht es mit dem Training der visuellen Funktionen aus. Farbfolien und farbige Brillengläser, Rasterbrillen, Training des beidäugigen Sehens, Training der Blicksteuerung sowie Training des dynamischen Sehens werden als Therapie nicht empfohlen. Weitere Untersuchungen müssten folgen. (Suchodoletz 2003a S. 162 ff.)

2.4 Legasthenie im Schulrecht

In der Bundesrepublik Deutschland unterliegen große Bereiche des Bildungswesen der Länderhoheit. Die „Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder“ (KMK) befasst sich mit länderübergreifenden Problemen und versucht einheitliche Lösungen zu finden und zu beschließen. So auch 1978, als die KMK-Grundsätze „Zur Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens“ beschlossen wurden. Diese Grundsätze haben aber nur Empfehlungscharakter und es obliegt dem jeweiligen Bundesland diese in bindendes Landesrecht umzusetzen. So finden sich in den 16 Bundesländer mehr oder weniger unterschiedliche Erlasse, die den Umgang mit Kindern mit Problemen beim Lesen und Schreiben regeln.

Beispielhaft soll hier der „Erlass zur Förderung von Schülern mit Lese-Rechtschreibschwäche (Legasthenie)“ des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein (MBWFK) vom 20. 09.1985 genannt sein, da hier explizit der Begriff Legasthenie genannt wird, was nicht in allen Bundesländern der Fall ist.

Inhaltlich steht die Förderung von Kindern mit Lese-Rechtschreibschwäche bzw. -schwierigkeiten durch innere und äußere Differenzierungsmaßnahmen im Vordergrund. In der Primarstufe soll eine Bewertung nach pädagogischen Gesichtspunkten des Einzelfalles stattfinden.

Eine Besonderheit des Erlasses ist das „Verfahren zur förmlichen Feststellung einer Legasthenie“, das in der 4. Klasse durchgeführt werden soll. Nach der förmlichen Anerkennung erhalten die Kinder eine Art von „Notenschutz“, d.h. die Rechtschreibleistungen in Deutsch, Mathematik und Sachfächern dürfen nicht mit bewertet werden und wird im Zeugnis vermerkt. Die Förderung soll auch in der Sekundarstufe I fortgesetzt werden. Der Erlass gilt für alle Schularten und längstens bis zum Erreichen des Realschulabschlusses.

Die KMK hat am 04.12.2003 ihren Beschluss von 1978 überarbeitet und „Grundsätze zur Förderung von Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben“ beschlossen. Schon in der Überschrift zeigt sich, neben der geschlechtsspezifischen Anrede, eine Veränderung; die Schwierigkeiten betreffen nicht nur das Erlernen, sondern generell das Lesen und Rechtschreiben. Neu aufgenommen wurde die Erarbeitung von individuellen Förderplänen. Ansonsten lässt sich feststellen, dass die Grundsätze nicht wesentlich voneinander abweichen, jedoch die neue Empfehlung vorsichtiger formuliert wurde. So steht in dem 78er Beschluss unter 3.2 „Besondere Fördermaßnahmen“: „Die Zahl der Förderstunden sollte je nach Bedarf zwei bis fünf Wochenstunden betragen“, während in den 03er Empfehlungen von solchen Ressourcen keine Rede ist, sondern allgemein von „besondere Unterstützungsprogramme wie Intervallförderung oder Förderung in Zusatzkursen“. Auch die Lehreraus- und Lehrerfortbildung ist kein eigenständiger Abschnitt mehr.

Da die Umsetzung der KMK-Beschlüsse Ländersache ist und die Länder sich dabei Zeit lassen können (In Bayern dauerte es 12 Jahre bis zur Umsetzung nach 1978, in Schleswig-Holstein 7 Jahre) wird es in absehbarer Zeit schulrechtlich keine Veränderung geben.

2.4.1 Schulische Diagnostik der Legasthenie in Schleswig-Holstein

Wie im vorstehenden Punkt erwähnt, wird laut Erlass am Ende der 1. Hälfte der 4. Klasse auf Beschluss der Klassenkonferenz bzw. auf Antrag der Eltern das Verfahren zur förmlichen Feststellung eine Legasthenie eingeleitet. „Eine Legasthenie liegt vor, wenn bei mindestens durchschnittlicher Intelligenz erhebliche Ausfälle im Lesen und/oder in der Rechtschreibung auftreten“ (MBWFK 1985 Punkt 2.3.2) Diese Untersuchung wird durch eine hierfür qualifizierte Lehrkraft durchgeführt. Es kann auch extern durch eine Diplompsycholog/-in oder eine Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie per Gutachten erfolgen. Das Ergebnis wird der Schulaufsichtsbehörde vorgelegt und diese entscheidet über die „Anerkennung der förmlich festgestellten Legasthenie“.

Die schulische Testung erfolgt mit dem Grundintelligenztest Skala 2 (CFT 20) und dem Diagnostischer Rechtschreibtest für 4. Klasse (DRT 4). Auch in höheren Klassen ist es möglich, im Rahmen des Anerkennungsverfahren Tests durchzuführen. Hierbei werden je nach Klassenstufe der DRT 5, der Westermann Rechtschreibtest 6+ bzw. ab 14 Jahre der Rechtschreibtest verwandt. Zusätzlich kann ein Lesetest durchgeführt werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 92 Seiten

Details

Titel
Legasthenie/LRS - Eine Spurensuche mit Perspektivwechsel
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1,8
Autor
Jahr
2006
Seiten
92
Katalognummer
V65000
ISBN (eBook)
9783638576666
ISBN (Buch)
9783656524618
Dateigröße
846 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In der Magisterarbeit "Legasthenie/LRS - eine Spurensuche mit Perspektivwechsel" werden unterschiedliche Sichtweisen dargestellt, die zur Erklärung der Schwierigkeiten beim Lesen- und Schreibenlernen herangezogen werden.
Schlagworte
Legasthenie/LRS, Eine, Spurensuche, Perspektivwechsel
Arbeit zitieren
M.A. Kerstin Hanert-Möller (Autor:in), 2006, Legasthenie/LRS - Eine Spurensuche mit Perspektivwechsel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65000

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