Giacomo Leopardis Pessimismus


Seminararbeit, 2001

20 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Giacomo Leopardi: Pessimismus und Bild der Epoche

2 Der persönliche Pessimismus

3 Der historische Pessimismus

4 Der kosmische oder universale Pessimismus

Literaturverzeichnis

Einleitung

Gegenstand dieser Arbeit wird die Entwicklung der Philosophie des Pessimismus von Giacomo Leopardi sein. Es werden aus der Lektüre einiger seiner Werke die Grundzüge der Evolution seines Denkens von einem persönlichen über einen historischen bis hin zu einem sogenannten kosmischen oder universalen Pessimismus aufgezeigt, ausgehend von der kulturhistorischen Situation der Zeit, in der Leopardi gelebt hat. Zur jeweiligen Phase seiner Philosophie werden Auszüge aus Beispieltexten hinzugenommen und kommentiert, die sein Denken und dessen Entwicklung in der jeweiligen Phase widerspiegeln können. Die von mir zu diesem Zwecke ausgesuchten Texte sind vor allem Gedichte aus der Sammlung Canti wie Il passero solitario (Leopardi 1996:36-37), Alla luna (Leopardi 1996:41) und L’Infinito (Leopardi 1996:38), Ultimo canto di Saffo (Leopardi 1996: 31-32), A Silvia (Leopardi 1996:63-64), La sera del dì di festa (Leopardi 1996:39-40) und Canto notturno di un pastore errante dell’Asia (Leopardi 1996:70-73). Ausserdem wird durch einen Auszug aus dem patriotischen Gedicht All’Italia (Leopardi 1996:3-6) Leopardis anfänglicher nationalpatriotischer Einsatz unterstrichen werden.

Besonders hervorgehoben wird Leopardis Verhältnis zur Natur im Verlauf seines Lebens und im Kontext seiner Philosophie werden. Dazu werden Passagen aus dem in den Operette morali enthaltenen Prosastück Dialogo della Natura e di un Islandese (Leopardi 1996:176-181) angesprochen, das die tragische und bis dahin degenerierte Beziehung Leopardis zur Natur auf radikale Weise vorführt.

Zum Schluss wird sich das Interesse auf die letzten Verse des Canto notturno di un pastore errante dell’Asia richten und es werden Reflexionsversuche angestellt. Besonders werde ich nach der Möglichkeit fragen, ob sich in diesem Gedicht, neben dem radikalsten Ausdruck des leopardianischen Pessimismus und der Ablehnung der Natur nicht auch einen intimer Wunsch nach Wiedervereinigung mit diesem ständig bekämpften Feind aussprechen könnte.

1 Giacomo Leopardi: Pessimismus und Bild der Epoche

Leopardi wird in der italienischen Literaturgeschichte als der Dichter des Pessimismus betrachtet, weil seine Dichtung so sehr von Schmerz und Traurigkeit durchwoben ist, dass sie oft keinen Trost finden kann. Was den Ursprung seines Pessimismus betrifft, so scheint dieser vor allem rational und nicht sentimental zu sein. In Leopardi baut sich somit ein ständiger Dualismus zwischen der Ratio und den Gefühlen auf: einerseits ein vom Herzen gelenkter Seelenteil des Menschen, der die lebensfreudigsten Illusionen ständig aufbaut und den schönsten Träumen Spielraum läßt, andererseits eine verneinende Vernunft, die jene Illusionen kaltblütig vernichtet. Beide Kräfte agieren in einem ständig gegensätzlichen und voneinander abhängigen Kreislauf. Was das Herz in der Jugend aufbaut, zerstört die Vernunft in den älteren Jahren. Das Herz scheint die Ratio über das, was sie erfahren hat, zu trösten, nämlich dass das Leben des Menschen dem Willen der unbekümmerten Natur ausgeliefert sei. Die Hoffnung auf Glückseligkeit könne für Leopardi keinen Ausweg aus diesem Kreislauf finden als den Tod, der als einziger und alleiniger Sinn gesehen wird. So z.B. im Gedicht A Silvia:

All’apparir del vero

Tu, misera, cadesti: e con la mano

La fredda morte ed una tomba ignuda

Mostravi di lontano. (v. 69-72).

Giacomo Leopardi ist mit dieser pessimistischen Veranlagung jedoch nicht geboren worden. In seiner Kindheit ist er äußerst heiter, fröhlich und lebendig gewesen. Verschiedene Ereignisse (Biral 1978: 59-94) im Leben Leopardis hätten zur später beweinten Entfernung von dieser paradiesischen Unschuld und zur allmählichen Entwicklung seines Pessimismus beigetragen und seine persönliche Krise in den Jahren 1819-21 vorbereitet. Da wäre zunächst sein schlechter gesundheitlicher Zustand, vor allem nach den Jahren seines Studiums, das er selbst „matto e disperatissimo“ (Roncoroni 1998:164) nannte. Seine Augenerkrankung und Rückenverkrümmung erscheinen somit als Zeichen oder auch als Nebenwirkungen seiner Arbeit in der reichen väterlichen Bibliothek.

Leopardi stellt eines der größten Genies seiner Zeit dar und mag dem Ideal des außerordentlich begabten Genies in der Romantik sehr nahe kommen, auch wenn seine kulturellen Interessen nicht mit denen dieser literarischen Strömung übereinstimmen mögen - hatten die Romantiker doch eher das Mittelalter und eben nicht die antike Klassik als Epoche bevorzugt: Mit 13 hatte er schon als Autodidakt Griechisch und Hebräisch gelernt, mit 15 eine Geschichte der Astronomie verfasst (Storia dell’Astronomia) . Es folgt eine philologische Arbeitsphase mit Übersetzungen der Odysse und der Aeneis. Die streng klassische und autoritäre Erziehung im Hause Leopardi führen zu einem Entfremdungseffekt, der den jungen heranwachsenden Giacomo von der Familie abschließt und in seine eigene Welt der Bibliothek und seines Balkons, der auf den Hof schaute, führt. Oft beschreibt sich Leopardi, wie 1828 in A Silvia, als ein zu sehr in seiner Arbeit verwurzelter Jugendlicher. Nur die Melodie der singenden Stimme Silvias konnte ihn von seinem Studium abhalten und nur kurz auf den väterliche Balkon hinauslocken lassen, um dem Klang zu folgen:

Io gli studi leggiadri

Talor lasciando e le sudate carte,

Ove il tempo mio primo

E di me si spendea la miglior parte,

D’in sui veroni del paterno ostello

Porgea gli orecchi al suon della tua voce, Ed alla man veloce

Che percorrea la faticosa tela. (v. 15-22).

Sein Lebensraum begrenzt sich, abgesehen von einigen kurzen Aufenthalten außerhalb Recanatis, auf diesen Radius. Das Leben in Recanati erscheint ihm engherzig, reaktionär und feindlich. Leopardi hat in diesem Dorf nie glücklich leben können, es ist ihm jedoch nie gelungen, sich von ihm zu trennen, denn wie an einer Nabelschnur ist er immer an dieses kleine Dorf gebunden geblieben. Eine ähnlich entfremdete Lebenssituation innerhalb der Familie, besonders gegenüber dem strengen Vater und seiner Geburtsstadt, wird ca. hundert Jahre später bei einem anderen großen Schriftsteller zu finden sein, nämlich beim Prager Franz Kafka. Letztlich tragen vor allem die historische Situation Italiens und Europas zur Zeit Leopardis zu seinem Pessimismus erheblich viel bei: Die politische Enttäuschung nach der französischen Revolution (1789) und das Scheitern ihrer Ideale der liberté, egalité und fraternité, der Wiener Kongress (1815), der den status quo ante wiederhergestellt und somit den republikanischen Strom zunächst eingedämmt hatte, und die wissenschaftlich-philosophischen Erkenntnisse (Galileo Galilei, kopernikanische Revolution, Newton und seine Gravitationsgesetze, Kausalität von Laplace) lassen auch die letzten Ideale des jungen und enthusiastischen Giacomo erlöschen. Er verinnerlicht völlig die neue Weltanschauung, die das alte geozentrische und aristotelische Weltbild auf dem Kopf stellt. Die politische Enttäuschung zerstört seine nationalen Ideale und seinen zivilen Einsatz, die in seinen frühen Gedichten noch so erheblichen Ausdruck erhalten haben:

O patria mia, vedo le mura e gli archi

E le colonne e i simulacri e l’erme

Torri degli avi nostri,

Ma la gloria non vedo,

non vedo il lauro e il ferro ond’eran carchi

I nostri padri antichi. (All’Italia: v. 1-6).

Die Romantik hat inzwischen in Italien ganz andere Züge angenommen als in den anderen europäischen Ländern (Roncoroni 1998: 2-11). Während in Deutschland der philosophische Gedanke von Schlegel, Fichte, Schelling und später Hegel, in England die Liebe zur Natur von Wordsworth und Coleridge thematisiert worden sind, präsentiert sich die neue Strömung in Italien vor allem als Leitkultur der politischen Bewegung. Der literarische Aspekt der Romantik ist in Italien weniger ausgeprägt, weil das Land noch in einer tiefen klassischen Tradition verwurzelt liegt. Erst der 1816 in der „Biblioteca Italiana“ erschienene Aufsatz De l’esprit des traductions von Mme de Stael und die Aufforderung, ausländische Werke zu übersetzen und zu lesen, um nicht in einen kulturellen Verfallsprozeß zu geraten, haben zu einer literarischen Öffnung der italienischen Künstler zur europäischen Romantik geführt.

Leopardi selbst wächst in der klassischen Tradition auf, bleibt in dieser auch verhaftet und kann deshalb nicht völlig der Romantik zugerechnet werden. Sein sprachlicher Ausdruck und seine Lebensweise bleiben klassisch, während er einige Themen der Romantik übernimmt, wie die Sprengung der Gesetze in den Versmaßen, die Freiheit des Künstlers und den Dualismus zwischen Herz und Vernunft (Mazzali 1972:134-139).

Die Romantik in Italien wird somit politisch angepasst. Übernommen werden die französischen Revolutionsideale als Schlachtrufe für die Befreiung Italiens aus der österreichischen Herrschaft sowie die Figur Napoleons als Verkörperung dieser Werte und als Befreier Italiens. Die Enttäuschung durch den Wiener Kongress und die Niederlage Napoleons, der inzwischen vom Freiheitskämpfer zum Diktator degeneriert ist, zerstören auch die letzten Hoffnungen der italienischen Intellektuellen. Erst Jahrzehnte später erfahren diese Ideale eine Wiedergeburt durch die Unabhängigkeitskriege im Risorgimento, die 1861 dann endlich zur Befreiung und zur nationalen Einheit des Landes führen werden. Leopardi hat dies aber nicht mehr miterleben können. Zu seiner Zeit wird ihm nur bewußt, nachdem er die negativen Ereignisse im reaktionären Recanati indirekt mitverfolgt hat, dass die Welt unveränderlich einer ungewissen mechanischen Macht verfangen sei, die nun im Mittelpunkt seiner Meditationen stehen und in seiner Dichtung thematisiert wird.

Der leopardianische Pessimismus kann in drei verschieden Phasen eingeteilt werden und wird ihn vom Jahr 1819 bis an sein Lebensende begleiten. Jener geht von einem persönlichen zu einem historischen, bis hin zu einem kosmischen oder universalen Pessimismus.

2 Der persönliche Pessimismus

Diese Phase seines Denkens fällt in die Jahre 1919-1921, unmittelbar nachdem sich seine Krise zugespitzt hat. Leopardi glaubt in dieser Zeit der einzige Unglückliche auf der Welt zu sein, während alle anderen Menschen glücklich seien. Zu dieser Zeit schreibt er die ersten Idilli, auch Piccoli Idilli genannt. Eines seiner Gedichte, das diesen persönlichen Pessimismus ausdrücken mag, ist Il passero solitario: Während in der Frühlingszeit alle Tiere sich auf die neue Zeit vorbereiten, schaut ein einsamer Spatz dieser Fröhlichkeit nur von der Spitze eines alten Turmes zu, ohne sich mitfreuen zu können:

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Giacomo Leopardis Pessimismus
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Veranstaltung
Giacomo Leopardi
Note
2
Autor
Jahr
2001
Seiten
20
Katalognummer
V64817
ISBN (eBook)
9783638575379
ISBN (Buch)
9783656809838
Dateigröße
511 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Giacomo, Leopardis, Pessimismus, Giacomo, Leopardi
Arbeit zitieren
MA Antonio Sisto (Autor:in), 2001, Giacomo Leopardis Pessimismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64817

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