Hermann Hesse: Unterm Rad (1906) und andere Werke - Zwischen Kultautor und umstrittenem Nobelpreisträger


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

16 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Hermann Hesses Roman Unterm Rad
1.1 Gattungsaspekte
1.2 Epochenaspekte
1.3 Textgenese
1.4 Inhalt
1.5 Rezeption
1.6 Hermann Hesse als Crosswriter

2. Beginn und Ende einer Schulaufbahn
2.1 Titelarbeit
2.2 Das Schicksal eines Schülers

3. Hermann Hesses Werk: Zu Unrecht mit dem Nobelpreis ausgezeichnet?

Literaturverzeichnis

Einleitung

Diese Hausarbeit beschäftigt sich im Lichte des Nobelpreises mit Hermann Hesses Werk Unterm Rad und der – sowohl für das Referat als auch für diese Arbeit – erkenntnisleitenden Frage, ob dieses und andere seiner Werke zur Hochliteratur gezählt werden können oder in die Kategorie des Jugendbuches und der Unterhaltungsliteratur einzuordnen sind. Dies stellt unter anderem auch des­wegen eine wichtige Frage dar, da Hesses Prosawerk in der Rede der Nobelpreisjury 1946 nur eine untergeordnete Rolle spielt.[1] Zwar erhielt der Autor den Preis für sein Gesamtwerk, aus seinem Prosawerk werden aber nur die Romane Der Steppenwolf, Siddharta und Das Glasperlenspiel - und somit nur Werke, die nach 1920 entstanden sind – in der Begründung der Nobelpreisjury ge­nannt; frühere Erzählungen und Romane wie Peter Camenzind, Unterm Rad oder Demian finden an dieser Stelle keinerlei Erwähnung, stattdessen wird vor allem Hesses Lyrik gelobt.

Die Diskussionen gehen sogar so weit, dass teilweise vermutet wird, Hesse habe nur aufgrund sei­ner politischen Haltung den Nobelpreis erhalten, so wie es zum Beispiel Curt Hohoff in „Hermann Hesse als Crosswriter“[2] darstellt. Von ihm und vielen anderen wird Hesse immer wieder für seine Romane und Erzählungen kritisiert und besonders aufgrund seines frühen Prosawerkes in die Un­terhaltungsliteratur eingeordnet. Um zu klären, ob diese Kritik berechtigt ist, soll zunächst das Impulsreferat zum Thema „Hermann Hesse – Unterm Rad“ wiedergegeben werden, in dem allgemeine Informationen zu Gattung, Strömung, Entstehung, Inhalt und Rezeption von Unterm Rad dargestellt werden. Außerdem wird die gemeinsame Arbeit an Titel und symptomatischer Textstelle sowie die gemeinsame Diskussion im Seminar dargelegt, so dass sich schließlich der dritte Teil dieser Arbeit auf die Beantwortung der erkenntnisleitenden Fragestellung konzentriert.

1. Hermann Hesse s Roman Unterm Rad

1.1 Gattungsaspekte

Hesse selbst bezeichnete seine Erzählung Unterm Rad als „Schülerroman“, womit er ihn in eine Reihe mit Werken wie Frühlings Erwachen (1891) von Wedekind, Professor Unrat (1905) von H. Mann oder auch Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906) von Musil stellte.[3] Diese und viele andere Werke, die in der wilhelminischen Epoche entstanden sind, wenden sich gegen das damals herrschende Erziehungssystem, welches zunehmend militärischen Charakter annahm. „Vor allem die Erziehung des Einzelnen zu einem gehorsamen Untertanen“[4] und das „Brechen des Individu­ums“[5] stehen bei Hesse - und anderen Schriftstellern – immer wieder im Vordergrund.

Neben der Bezeichnung „Schülerroman“ gilt Unterm Rad aber auch als sogenannter „Entwicklungsroman“, da Hesse die Entwicklung einer einzelnen Person schildert. Bettina Kümmerling-Meibauer bestreitet jedoch, dass Unterm Rad dieser Gattung zugeordnet werden kann und bezeichnet ihn stattdessen als „Adoleszenzroman“. Sie begründet ihre Einordnung damit, dass es den Protagonisten im klassischen Bildungsroman, wie Goethes Wilhelm Meister -Romane ihn repräsentieren, noch gelingt, „in der Auseinandersetzung mit der Welt zu einer Versöhnung zwischen den Ansprüchen des Individuums und der Welt zu gelangen“.[6] Im Gegensatz dazu steht der Adoleszenzroman der Jahrhundertwende, in dem das Leben des jungen Hauptdarstellers meist mit dem Tod endet, wie es auch bei Unterm Rad der Fall ist.[7]

Somit ist festzuhalten, dass Hesses Unterm Rad einerseits in die Gattung des Schülerromanes einzuordnen ist, weil es vorrangig um das Schicksal eines Schülers geht, das aber gleichzeitig auf die allgemeinen Zustände des damaligen Schulsystems verweisen soll. Außerdem handelt es sich bei diesem Werk um einen Adoleszenzroman, da die Entwicklung eines jungen Menschen dargestellt wird, der im Konflikt mit Vater, Schule und eigener Identität steht und letzten Endes an dieser Pro­blematik zugrunde geht.

1.2 Epochenaspekte

Die Erzählung Unterm Rad – wie auch Hesses erster Roman Peter Camenzind - wird in der For­schungsliteratur aufgrund der Symbollastigkeit und der umfangreichen Naturbeschreibungen meist der Neuromantik zugeteilt.[8] „Neuromantik ist die zusammenfassende Bezeichnung für die künstlerischen, besonders die literarischen Bemühungen um 1900, die durch die Ablehnung des Naturalismus und des Positivismus gekennzeichnet sind und sich an Grundsätze der Romantik anlehnen.“[9]

Hermann Bahr sagte 1891 die Überwindung des Naturalismus mit seinem gleichnamigen Werk voraus. Seiner Meinung nach war alles zum „Kopfsprung in die neue Romantik“[10] bereit. Damit kam der Begriff „Neue Romantik“ auf, der zunächst unkritisch mit Bezeichnungen wie Impressionismus, Dekadenz oder Fin de siècle gleichgesetzt wurde.

Anfangs zeichnete sich diese Strömung dadurch aus, dass Stoffe und Motive der Romantik übernommen wurden. Im Handlexikon zur Literaturwissenschaft[11] werden unter anderem die Antike, exotische Stoffe, die Welt des Übersinnlichen, Märchen und Religion und Glaube zu diesen Stoffen gezählt, die auch bei Hesses Werk immer wieder zu finden sind.

Später stand aber nicht mehr die Übernahme dieser und anderer Motive im Vordergrund der Neuromantik, vielmehr ging es um die innere Haltung des Autors, „sein Weltbild und dessen Spiegelung in seinem Werk“.[12] Es ging vor allem um die Abwendung vom Naturalismus, die Aversion gegen den Verstand und die Hinwendung zurück zum Gefühl und zum Irrationalen,[13] was sich auch in Unterm Rad und anderen Werken Hesses wiederfindet. Somit gilt die Neuromantik weniger als literarkritischer Terminus, sondern vielmehr als Bezeichnung einer Weltanschauung.[14]

Die neuromantische Literatur entstand in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, in einer Zeit poli­tischer Spannungen. Werke von Gerhart Hauptmann, Paul Ernst, Rainer Maria Rilke, Hermann Hesse und etlichen anderen Schriftstellern dieser Zeit entführten den Leser aus dieser grauen und beängstigenden Realität in ferne Welten, vermittelten gleichzeitig ein Heimatgefühl und pflegten Ideale wie den germanischen Edelmut und die volkhaften Kräfte.[15]

Einer der wichtigsten Aspekte, aufgrund derer Unterm Rad zur Neuromantik gezählt werden kann, ist der Symbolismus. Dieser stellt ein wichtiges stilistisches Mittel Hesses dar, um dem lesenden Publikum die Stimmung der jeweiligen Situation zu vermitteln. Hierzu greift Hesse immer wieder auf sehr detaillierte Naturbeschreibungen zurück; insbesondere die Art und Weise, wie Hesse das Wasser metaphorisch einsetzt, ist ein wichtiges stilistisches Mittel, das Hesse viele Male verwendet, um Situationen und Gefühle zu verdeutlichen. In Unterm Rad bildet die Natur, die vom Autor so eindrucksvoll geschildert wird, den einzigen Zufluchtsort vor dem gesellschaftlichen Druck, dem der Protagonist Hans Giebenrath ausgesetzt ist. Diese Gegenüberstellung von Natur und Zivilisati­on spielt eine tragende Rolle in der neuromantischen Literatur, so dass Unterm Rad aufgrund dieser Aspekte dieser Strömung zuzuordnen ist.

1.3 Textgenese

Hermann Hesse schrieb Unterm Rad 1903 in Calw; damals war er gerade 25 Jahre alt. Die Erzäh­lung trägt – wie alle Werke Hesses – viele autobiografische Züge, sowohl im Hinblick auf Örtlichkeiten als auch auf die Schullaufbahn. So verarbeitet der Autor Erlebnisse, die er während seiner Schulzeit im Semi­nar in Maulbronn gemacht hat. Zum Thema Schule schrieb Hesse 1904 in einem Brief an Karl Isenberg: „Die Schule ist die einzige moderne Kulturfrage, die ich ernst nehme und die mich ge­legentlich aufregt. An mir hat die Schule viel kaputtgemacht, und ich kenne wenig bedeutendere Persönlichkeiten, denen es nicht ähnlich ging“.[16] Somit steht fest, dass Hesses Kritik am Schulsystem, die er in Unterm Rad deutlich macht, wenigstens zu einem großen Teil auf persönlichen Erfahrungen beruht.

[...]


[1] Vgl. http://www.nobelpreis.org/Literatur/hesse.htm.

[2] Hermann Hesse. 1877-1962-2002. Hrsg. von Cornelia Blasberg. Tübingen: Attempto, 2003, S.67-85; hier S.67.

[3] Vgl. Patzer, Georg: Lektüreschlüssel Hermann Hesse. Unterm Rad. Stuttgart: Reclam, 2004, S.88.

[4] Patzer: 2004, S.88.

[5] Patzer: 2004, S.88.

[6] Hermann Hesse 1877-1962-2002: 2003, S.76f.

[7] Vgl. ebd.

[8] Vgl. Patzer: 2004, S.8.

[9] http://www.wissen.de.

[10] Handlexikon zur Literaturwissenschaft. Hrsg. von Diether Krywalski. München: Ehrenwirth, 1974, S.367.

[11] Handlexikon zur Literaturwissenschaft: 1974, S.367f.

[12] Ebd. S.369.

[13] Vgl. ebd.

[14] Vgl. ebd.

[15] Vgl. ebd. S.371.

[16] Pfeifer, Martin: Hesse-Kommentar zu sämtlichen Werken. München: Winkler Verlag, 1980, S.89.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Hermann Hesse: Unterm Rad (1906) und andere Werke - Zwischen Kultautor und umstrittenem Nobelpreisträger
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Germanistisches Institut)
Veranstaltung
Literaturnobelpreisträger
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
16
Katalognummer
V64723
ISBN (eBook)
9783638574662
ISBN (Buch)
9783638596565
Dateigröße
526 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hermann, Hesse, Unterm, Werke, Zwischen, Kultautor, Nobelpreisträger, Literaturnobelpreisträger
Arbeit zitieren
Berit Marchetti (Autor:in), 2005, Hermann Hesse: Unterm Rad (1906) und andere Werke - Zwischen Kultautor und umstrittenem Nobelpreisträger, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64723

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