Die innerparteiliche Neuorientierung der F.D.P. - von der FDP zur F.D.P. - zwischen 1966 und 1969.


Seminararbeit, 2002

27 Seiten, Note: 2,0

Dietmar Klumpp (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2. Der Rücktritt der FDP- Minister 1966 und der Gang in die Opposition

3. Die Schollwer- Studie

4. Der Parteitag in Hannover

5. Der Freiburger Parteitag 1968

6. Generalvertragsentwurf

7. Die Bundespräsidentenwahl und ihr „seismographischer Charakter“

8. Der Nürnberger Parteitag und die Reise nach Moskau

9. Zusammenfassung

10 Literaturliste

Quellen

Darstellungen

1 Einleitung

„Der Kampf in dieser Partei damals ist deshalb so faszinierend, weil sie ihn stellvertretend, wie im Laborversuch für die das ganze bürgerliche Lager ausfocht.“[1]

Diese Einschätzung kommt den Begebenheiten von 1966 bis1969 ziemlich nahe.

Während die SPD und die Union noch verzweifelt versuchten- die eine mehr die andere weniger- sich an altgedienten Formeln Deutscher Politik festzuhalten, war die FDP in dieser Zeit befreit von der Regierungslast und konnte und wollte deshalb auf allen Politikfeldern experimentieren.

Es fand ein Wandlungsprozess statt, der einerseits generations andererseits soziologisch und ideologisch bedingt war. Der Wechsel in der Führung- Scheel löste Mende ab- und die Neuorientierung im Programm- die Parteitage in Hannover und Nürnberg- zeigte deutlich diesen Prozess. Das sich von nun an eine vermehrte Anzahl von FDP Leuten für eine sozialliberale Koalition aussprachen war zusätzlich ein unverkennbares Zeichen ideologischer Wandlung. Die Forderung war klar: „Es muss wieder Politik gemacht werden.“[2]

Die Zeichen standen auf Sturm in der FDP, denn die politische Bandbreite zwischen den national- konservativen Kräften und den radikal- demokratischen Reformern war enorm. Doch allen divergierenden Meinungen zum trotze konnte der Ausgleich geschaffen werden. Indem gemäßigte Reformer- allen voran Walter Scheel- die Partei zusammen hielten und eine echte Alternative zu den Parteien der Großen Koalition schufen. Dabei erlebte die FDP in diesen Jahren einen nicht zu übersehenden Wechsel ihrer Wähler- und Mitgliederschafft, was das Ergebnis der Bundestagswahl von 1969 zeigte.[3]

Alle diese Wandlungs- und Neuorientierungsprozesse in der FDP ermöglichten dann 1969 ein zusammengehen der FDP mit der SPD und schufen die Basis für den großen Richtungs- und Politikwechsel in der Bundesrepublik der siebziger Jahre. „Inhaltlich bildete vor allem die Ostpolitik den Kitt für die sozialliberale Koalition nach der Bundestagswahl 1969.“[4]

Das Thema der Hausarbeit wird mit dem Ende der Koalition von CDU/CSU und FDP 1966 einsetzen, dabei werden die auseinandertreibenden Positionen der koalierenden Partner in kurzer Form behandelt. Das Hauptaugenmerk wird jedoch auf die Entwicklung der Partei vom Gang in die Opposition bis vor die Bundestagswahlen von 1969 gerichtet sein. Die Ost- und Deutschlandpolitik der FDP wird dabei einen großen Stellenwert einnehmen. Sie war für viele die entscheidenste- freilich nicht die einzige- Streitfrage innerhalb der FDP. Es soll dargestellt werden, wie sich die Partei in den drei Jahren entwickelt hat, wie Entscheidungen getroffen und Kompromisse gefunden wurden, wie zum Beispiel in Hannover. Als weiteres wird die Heinemann Wahl näher beleuchtet, um herauszustellen, wie die Fronten in der FDP verliefen und ob dadurch schon Grundvoraussetzungen für eine spätere Koalitionsfähigkeit mit der SPD geschaffen wurden.

Bei der Quellenauswahl zeigt sich deutlich wie die FDP des öfteren ihre innerparteilichen Meinungsverschiedenheiten in der Öffentlichkeit austrug und in wieweit die Medien in den internen Neuorientierungsprozess mit eingriffen.

Die vorhandene geschichtswissenschaftliche Forschung über die FDP lässt darauf schließen, dass zumindest auf zeitgeschichtlichem Gebiet- nach 1960- noch einige Fragen offen beziehungsweise nicht vollständig geklärt sind, denn Memoiren und Biographien sind immer mit Subjektivität behaftet und können über den wahren Ablauf der Dinge hinweg täuschen. Denn mit der Tatsache, dass die 30 jährige Sperrfrist für Akten in Archiven erst vor kurzem abgelaufen ist, scheint klar zu sein das die bisher produzierte Forschung nicht über alle Fakten verfügen kann.

2. Der Rücktritt der FDP- Minister 1966 und der Gang in die Opposition.

Die Union führte seit 1965 eine Koalition mit der FDP in Bonn, jedoch war der kleine Koalitionspartner mit seiner Rolle nicht vollkommen glücklich.[5] 1966 bestand dann eine nicht zu übersehende Deckungslücke im Haushaltsetat. Deshalb wollte die Union die Steuern erhöhen. Anders lagen die Dinge bei der FDP. „Diese hatte sich- wohl auch mit Rücksicht auf ihre Wähler- Klientel- entschlossen, eine Steuererhöhung auf jeden Fall zu verhindern.“[6]

„ ...- [W]egen einer Nichtigkeit kündigten die Liberalen die Koalition mit der CDU/CSU auf. Es ging um die Erhöhung der Tabaksteuer, und weil sich die FDP gegen eine Erhöhung der Verbrauchssteuer festgelegt hatte und weil sie seit 1961 als `Umfaller- Partei´ galt( sie hatte Adenauer als Kanzler nicht weggekriegt), ließ sie sich lieber in die Opposition drängen[, ...]“[7]

„Nach der Bundestagswahl 1965, die die bisherige Koalition im Amt bestätigte, wuchs bei den Liberalen rasch die Unzufriedenheit über die Perspektivlosigkeit der Bundesregierung. In der Deutschlandpolitik ging es mit der CDU/CSU nicht voran und die `Wiedervereinigungspartei` FDP drohte ihre Vorreiterrolle auf diesem Gebiet und ihr Markenzeichen an die oppositionelle SPD zu verlieren.“[8] Im Oktober brach dann die Koalition am Streit über die Konsolidierung des Bundesetats 1967 auseinander. Während drei der vier FDP- Minister, Mende, Dahlgrün und Bucher, im Kabinett eine Haushaltskompromiss zunächst zugestimmt hatten, war eine starke Front in der FDP- Fraktion, unterstützt vom vierten FDP- Minister Scheel, entgültig zum Ausstieg entschlossen. Die Frage möglicher Steuererhöhungen diente dabei nur noch als Auslöser, um die Zusammenarbeit mit der Union aufkündigen zu können. Der Abgeordnete Karl Moersch, Anhänger einer radikalen Reformpolitik, gewann am 27. Oktober in der Fraktion mit dem Antrag, die FDP- Minister zum Rücktritt aufzufordern, die Mehrheit. Über seine Beweggründe schrieb er später: „ Ich hatte (...) nicht, wie mir von den Anhängern einer FDP/CDU- Koalition unterstellt wurde, im Herbst 1966 eine Regierungszusammenarbeit mit den Sozialdemokraten anvisiert, sondern ich wollte in erster Linie die FDP von einem, wie mir schien, widersprüchlichen und auch risikoreichen Kurs in der Außenpolitik lösen.“[9]

„ Es geht uns ja nicht allein um den Haushalt sondern auch um Sicherheits- und Deutschlandpolitik“[10], im gleichen Stil kommentierte ein FDP- Sprechen in `Die Zeit` - ohne dabei seinen Namen zu nennen- die Sachlage. Dies zeigte deutlich, dass sich große Teile der FDP in den letzten Jahren von der Union entfernt hatten.

Lange fuhr die FDP mit der Union einfach mit. Dabei degradierte sie sich selber zur bloßen Wirtschaftspartei, und musste zusehen, wie die Union ihnen die Mitglieder und Wähler abnahm. Man wollte sich bei der Rechts-, Verfassungs- und Kulturpolitik schon lange von der Union distanzieren. Anders lag das bei wirtschaftlichen- und außenpolitischen Fragen. Lange Zeit stimmten die Richtungen von FDP und Union überein. Aber im Verlauf der sechziger Jahre veränderte sich die außenpolitische Lage zunehmend. Während die Union am alten Kurs festhielt, veränderte sich innerhalb der FDP die Haltung gegenüber dem Osten.[11]

In den darauffolgenden Wochen handelte die FDP konzeptlos, ohne Koalitions- strategie und landete somit in der Opposition.[12] Außerdem hatte es den Anschein, daß wichtige Kräfte in der FDP sich nach einem Jungbrunnen in der Opposition zu sehnen schienen, um sich neu profilieren zu können. Damit kam es knapp einen Monat nach den Rücktritten der vier FDP- Minister- für die damalige BRD absolut neuen Koalitionsvariante- zwischen CDU/CSU und SPD zu einer Großen Koalition.[13]

3. Die Schollwer- Studie.

Da sich nun die 49 FDP- Abgeordneten den 447 Vertretern der Großen Koalition gegenübersaßen, bedurfte es einer klaren Alternative auf allen wesentlichen Politikfeldern, um sich von SPD und Union abzuheben.[14] „ Wenn man ideologisch oder traditionelle Momente ausklammert und politische Marktforschung ganz wertneutral betreibt , zeigt sich ganz einfach, dass ein Platz nur noch links von der Großen Koalition offen ist. Rechts von ihr kämpft die NPD (...). Links von der Mammutkoalition ist dagegen ein Vakuum.“[15] So wie dieser Autor hier sah Mende die politische Lage aber nicht, zumal man ihn im national- konservativen Lager der FDP einordnen musste.

Mende erkannte aber die Notwendigkeit einer echten Alternative rasch und beauftragte noch am gleichen Tag der Kanzlerernennung Kiesingers einige Referenten, die alternative Diskussionsvorlagen erarbeiten sollten. Unter ihnen befand sich Wolfgang Schollwer.[16] Schollwer kam aus der liberaldemokratischen Partei der DDR (Potsdam) und arbeitete nach seiner Flucht in den Westen lange Zeit in der Bundesgeschäftsstelle der FDP. 1959 wurde er Leiter der Pressestelle und übernahm den Chefredakteursposten der „freien demokratischen Korrespondenz (fdk)“. Im März 1962 brachte Schollwer seine „Gedanken zur Deutschlandpolitik der Freien Demokraten“ in Umlauf. In diesem Papier stellte er erstmals den Alleinvertretungsanspruch der BRD infrage. Das Papier erregte die Gemüter seiner Parteigenossen ebenso wie die Öffentlichkeit. Thomas Dehler- der das Papier in Fetzen zerriss- und andere lehnten es ab. Damit war die Sache vorerst vom Tisch.[17]

Beim zweiten Schollwer- Papier liefen die Dinge dann anders ab. Schollwer wurde von Mende beauftragt, sich mit der Ostpolitik zu befassen. Auf der einen Seite wollte man sich von der Union abheben, auf der anderen Seite aber war es von Nöten der SPD auf diesem Terrain zu vorzukommen, da sich innerhalb der SPD eine Neuformulierung der Ostpolitik abzeichnete. Das Eigenprofil der FDP auf diesem Gebiet der Ost- und Deutschlandpolitik, das schon bestand und sich weiter ausbauen ließ, könnte der FDP Stimmengewinne ermöglichen. So dachte man in weiten Kreisen der FDP. Das Papier lag am 21. Januar 1967 auf einer Tagung des Bundesvorstands der FDP zum ersten Mal vor.[18]

Das zweite Schollwer- Papier bestand aus neun Hauptforderungen, die innen- und außenpolitische Tragweiten hatten. Dabei stachen sieben Forderungen besonders ins Auge.

Als erster Schritt ist eine “Zusammenarbeit von Parteien notwendig, die an einem Brückenschlag zwischen Ost und West unter Einschluss der DDR interessiert und zur Aufgabe überholter deutschlandpolitischer Vorstellungen (Alleinvertretungsrecht, Rückstellungsklausel etc.) bereit sind. Das bedeutet auch entsprechende Koalitionsbildungen.“[19]

Daraus folgend erfordert es für die FDP als eigenständige Partei „die Sammlung aller `radikaldemokratischen`, liberalen Kräfte, um eine politische erneuerte FDP, die den Fortschritt will und im Hinblick auf die gegenwärtige Regierungskoalition zu einer echten politischen Alternative“ werden zulassen.

Als weiteres erfordert es „die Aufgabe des Alleinvertretungsanspruchs der Bundesregierung und deren Bereitschaft, auf allen Ebenen mit den zuständigen Stellen der DDR über beide deutsche Staaten interessierende Fragen zu verhandeln.“

Außenpolitisch folgt daraus „die Aufgabe des Anspruchs auf die deutschen Ostgebiete und die Akzeptierung der gegenwärtigen deutschen Ostgrenze.“

Ferner erfordert es militärisch den „Verzicht der BRD auch auf Teilhabe an multilateralen bzw. multinationalen Atomstreitkräften und die Bereitschaft Westdeutschlands, sich atomwaffenfreien Zonen in Mitteleuropa anzuschließen, sobald ausreichende Sicherheitsgarantien gegen atomare Erpressungen gegeben und entsprechende Vereinbarungen mit den Verbündeten getroffen worden sind.“

[...]


[1] Ulrich Wildermuth, Von der FDP zur F.D.P., in: Verantwortung für die Freiheit. 40 Jahre F.D.P., hrsg. von Mischnick, Wolfgang, Stuttgart 1989, S194- 214, S.205.

[2] Ralf Dahrendorf, Für eine Erneuerung der Demokratie in der Bundesrepublik, Sieben Reden und andere Beiträge zur Deutschen Politik 1967- 1968, München 1968, S.130. -Es muss wieder Politik gemacht werden. Rede auf dem 31. Ordentlichen Landesparteitag der FDP („Drei- Königs- Treffen“) am 30.1.1968 .

[3] Vgl. Jürgen Dittberner, FDP- Partei der zweiten Wahl. Ein Beitrag zur Geschichte der liberalen Partei und ihre Funktion im Parteiensystem der BRD, o. O. 1987, S.42.

[4] Ebd.

[5] Vgl. Christof Brauers, Liberale Deutschlandpolitik 1949- 1969. Positionen der F.D.P. zwischen nationaler und europäischer Orientierung, Münster und Hamburg 1993, S. 146.

[6] Dittberner, FDP-Partei der zweiten Wahl, S.40.

[7] Wildermuth, Von der FDP zur F.D.P., S.200f.

[8] Brauers, Liberale Deutschlandpolitik 1949- 1969, S.178.

[9] Karl Moersch, Kurs- Revision. Deutsche Politik nach Adenauer, Frankfurt a.M. 1978, S.89f; siehe auch Brauers, Liberale Deutschlandpolitik 1949- 1969, S.167.; siehe auch Klaus Hildebrand, Von Erhard zur Großen Koalition 1963- 1969, Stuttgart/Wiesbaden 1984, S.196 und S.339.

[10] Rolf Zundel, Kanzler- Sturz auf Stottern. Porträt der Krise: So zerbrach das zweite Kabinett Erhard, in: Die Zeit, Nr. 45 vom 4.11.1966, S.3.

[11] Vgl. Arnulf Baring unter Mitarbeit von Manfred Görtemaker, Machtwechsel. Die Ära Brand-Scheel, Stuttgart 1982, S. 96f.

[12] Vgl. Brauers, Liberale Deutschlandpolitik 1949- 1969, S.178.

[13] Vgl. Hildebrand, Von Erhard zur Großen Koalition 1963- 1969, S. 254.

[14] Brauers, Liberale Deutschlandpolitik 1949- 1969, S. 149.

[15] Karl- Hermann Flach, F.D.P. und Große Koalition, in: liberal vom März 1967; zitiert nach: Bretschneider, Joachim/ Hofmann, Harald (Hrsg), Karl- Hermann Flach. Liberaler aus Leidenschaft, München 1974, S107- 110, S.109.

[16] Vgl. Brauers, Liberale Deutschlandpolitik 1949- 1969, S. 149.

[17] Vgl. Baring, Machtwechsel, S. 211ff.

[18] Vgl. Ebd., S. 219f.

[19] Für die folgenden Zitate siehe: Vgl. Wolfgang, Schollwer, Deutschland- und Außenpolitik Arbeitspapier. Arbeitspapier für den FDP- Bundesvorstand, Januar 1967, in: liberal, Nr. 9 (1967), S.255- 262; zitiert nach Wolfgang Benz, Einheit der Nation. Diskussionen und Konzeptionen zur Deutschlandpolitik der großen Parteien seit 1945, Stuttgart- Bad Cannstatt 1978, S.214f.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die innerparteiliche Neuorientierung der F.D.P. - von der FDP zur F.D.P. - zwischen 1966 und 1969.
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Die große Koalition: Zur Geschichte der Bundesrepublik, 1966- 1969.
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
27
Katalognummer
V64519
ISBN (eBook)
9783638573122
ISBN (Buch)
9783638773782
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neuorientierung, Koalition, Geschichte, Bundesrepublik
Arbeit zitieren
Dietmar Klumpp (Autor:in), 2002, Die innerparteiliche Neuorientierung der F.D.P. - von der FDP zur F.D.P. - zwischen 1966 und 1969., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64519

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