Prävention von Bulimie (am Beispiel sozialpägogischer Präventionsmaßnahmen in Bamberg)


Diplomarbeit, 2006

170 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Essverhalten und Bulimie bei Jugendlichen
2.1 Gestörtes Essverhalten – Normalität und Abweichung
2.1.1 Essen und Ernährung
2.1.2 Das Essverhalten Jugendlicher
2.1.3 Normales Essverhalten, gestörtes Essverhalten und Essstörungen
2.2 Bulimie
2.2.1 Geschichtlicher Überblick
2.2.2 Klassifikationskriterien der Bulimie
2.2.3 Verlaufsformen der Bulimie
2.2.4 Prävalenz.
2.2.5 Risikofaktoren der Bulimie
2.2.5.1 Geschlecht, Alter und die körperliche und sexuelle Entwicklung in der Pubertät
2.2.5.2 Streben nach dem Schönheitsideal
2.2.5.3 Essverhalten und Körpergewicht
2.2.5.4 Individuelle Risikofaktoren
2.2.5.5 Sexueller und körperlicher Missbrauch
2.2.5.6 Dysfunktionale Familienstrukturen
2.2.5.7 Geschlechtsspezifische Rollenerwartungen
2.2.5.8 Weitere Risikofaktoren
2.2.6 Physische und psychische Folgeschäden

3. Prävention von Essstörungen bei Jugendlichen als Aufgabe der Sozialpädagogik
3.1 Prävention
3.1.1 Definition
3.1.1.1 Primäre, sekundäre und tertiäre Prävention
3.1.1.2 Verhaltens- und Verhältnisprävention
3.1.2 Strategien der Prävention
3.1.3 Prävention und Gesundheitsförderung Exkurs: Gesundheit und Krankheit
3.1.4 Prävention und Sozialpädagogik
3.2 Prävention von Essstörungen bei Jugendlichen
3.2.1 Entwicklungsgeschichte
3.2.2 Notwendigkeit präventiver Maßnahmen
3.2.3 Ziele
3.2.4 Zielgruppen
3.2.5 Präventionsarbeit mit Jugendlichen
3.2.5.1 Zentrale Inhalte
3.2.5.2 Methodische Aspekte
3.2.6 Präventionsarbeit mit Eltern
3.2.6.1 Zentrale Inhalte
3.2.6.2 Methodische Aspekte
3.2.7 Fortbildung von Lehrern und anderen pädagogischen Fachkräften
3.2.7.1 Zentrale Inhalte
3.2.7.2 Methodische Aspekte
3.2.8 Fortbildung von Ärzten
3.2.8.1 Zentrale Inhalte der Fortbildungen für Ärzte
3.2.8.2 Methodische Aspekte
3.2.9 Kooperation und Vernetzung
3.2.10 Grenzen der Prävention von Essstörungen

4. Präventionsmaßnahmen sozialer Institutionen in Bamberg
4.1 Prävention von Essstörungen in Bamberg – Ein Überblick
4.1.1 Präventionsveranstaltungen in Schulklassen
4.1.2 Wanderausstellung „Der Klang meines Körpers“ - Kreative Wege zur Prävention von Essstörungen an Schulen
4.1.3 Informationsveranstaltungen für Eltern
4.1.4 Multiplikatorenschulungen
4.1.5 Arbeitskreis Essstörungen. Fehler! Textmarke nicht definiert.
4.1.6 Beratungsangebot der Psychosozialen Beratungsstelle der Caritas Bamberg Fehler! Textmarke nicht definiert.
4.1.7 Beratungsangebot der Beratungsstelle pro familia
4.1.8 Selbsthilfegruppe „SABA“
4.2 Interviews mit Betroffenen
4.2.1 Erkenntnisinteresse
4.2.2 Beschreibung der Stichprobe
4.2.3 Methodische Vorgehensweise im Interview
4.2.5 Leitfaden
4.2.4 Reliabilität der Interviews
4.2.6 Auswertung
4.2.7 Ergebnisse der Auswertung
4.3 Zusammenfassung und Diskussion der ‚Prävention von Essstörungen’ in Bamberg

5. Diskussion und Ausblick

6. Literatur

7. Anhang

1. Einleitung

Vorbemerkungen

„Über 50% der nicht so topmodeligen Deutschen sind zu dick“[1] und „Jedes zehnte Kind in Deutschland leidet an Fettleibigkeit“[2]. Diese und andere Schlagzeilen liest man in letzter Zeit immer häufiger. Laut dem Ernährungsbericht 2004 der deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) e.V. sind mehr als 65% der Männer und ca. 55% der Frauen in Deutschland übergewichtig[3]. Solche Zahlen sind immer Definitionssache – Wo fängt Übergewicht an? Und wer bestimmt überhaupt, ab wann ein Mensch übergewichtig ist? Dieses Thema soll später an anderer Stelle erörtert werden. Hier geht es vielmehr darum, dass die Ergebnisse auf eine satte und zufriedene Wohlstandsgesellschaft hindeuten.

Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Die Deutschen sind keineswegs zufrieden, wofür Pudel und Westenhöfer in einer eigenen Untersuchung Bestätigung fanden: „Weniger als 15% der Bevölkerung entsprechen ihren selbstgewählten Idealvorstellungen“ (ebd. 1998, S. 198).

In unserer Gesellschaft hat sich in den letzten 40 Jahren ein Körperideal entwickelt, dass sich immer weiter vom realen Körperbild entfernt. Während die Ernährungswissenschaftler von einer drohenden Verfettung der deutschen Bevölkerung sprechen, bewegen sich immer mehr Models auf ein lebensbedrohliches Untergewicht zu. Wissenschaftler der Universität Ontario in Kanada stellten bei einer Untersuchung von 240 Playmates[4] aus den Jahren 1978 bis 1998 fest, dass 70 Prozent dieser Mädchen mit einem BMI von unter 18,1 untergewichtig sind (vgl. Katzmarzyk und Davis 2001), wobei diese Models in der Regel noch ein paar Kilo mehr auf die Waage bringen, als die Models der internationalen Modeagenturen.

Diäten haben seitdem Hochkonjunktur. Der Wunsch, schlank zu sein, wird heute nicht mehr nur durch die Frühjahrsausgaben diverser Frauenzeitschriften bestimmt, sondern setzt sich langsam als Norm unserer westlichen Gesellschaft durch, der sich vor allem Jugendliche immer mehr unterordnen. Es herrscht die verbreitete Illusion, dass ein schlanker Körper zu Erfolg, Beliebtheit, Schönheit und Gesundheit verhelfe. Dass Diäten und Schlankheitsmittel eigentlich nie ihren gewünschten Zweck erfüllen, wird erfolgreich verschwiegen und von den Verbrauchern verdrängt.

Schlankheitswahn und Diäthalten werden heute als die bedeutungsvollsten Ursachen gestörten Essverhaltens angesehen (vgl. Killen et al. 1996, Kraemer et al. 1997, Jacobi et al. 2005). Eine Körperschemastörung, unter der Menschen mit gestörtem Essverhalten häufig leiden, verschärft das Problem zusätzlich: Die Betroffenen sehen und fühlen sich dicker und schwerer als sie in Wirklichkeit sind.

Hauptmerkmal einer Essstörung ist, dass Essen oder Nicht-Essen zu einem Zwang wird, so dass sich Betroffene ständig mit Nahrung, Kalorientabellen, dem eigenen Körpergewicht und/oder sportlichen Exzessen beschäftigen und dafür soziale Kontakte oder frühere Freizeitbeschäftigungen vernachlässigen. Essstörungen sind so gesehen also nur die Spitze des Eisbergs.

Um aus einer Diät oder einem Schlankheitswunsch eine Essstörung zu entwickeln, bedarf es jedoch zusätzlich tieferliegender psychischer Probleme, die sich beispielsweise aus Rollenkonflikten, einem niedrigen Selbstwertgefühl oder dysfunktionalen Familienstrukturen entwickeln können. Es spielen immer mehrere Faktoren eine Rolle, die letztendlich in eine Essstörung münden.

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts gehören Essstörungen zu den verbreitetsten psychischen Erkrankungen unter Jugendlichen und jungen Frauen (Stahr 1999, S. 89).

Zentrales Anliegen dieser Arbeit ist die Bearbeitung der Frage, ob und inwieweit der Entstehung einer Bulimie vorgebeugt werden kann. Hierbei war mir besonders wichtig, Präventionsmöglichkeiten nicht nur an theoretischen Modellen und wissenschaftlichen Untersuchungen aufzuzeigen, sondern auch praktische Modelle in meine Ausarbeitung mit einzubeziehen und diese mit bestehenden Theorien zu vergleichen. Im Mittelpunkt stehen hierbei Präventionsangebote zum Thema Essstörungen in Bamberg.

Die Anregung zu diesem Thema bekam ich im Rahmen eines Praktikums, bei dem ich die Gelegenheit hatte, am 7. April 2005 an einem Treffen des „Arbeitskreises Essstörungen“ im Landratsamt Bamberg teilzunehmen. Verschiedene Fachleute Bamberger Einrichtungen, die durch ihren Beruf mit essgestörten Menschen zu tun haben, unterhielten sich unter anderem über die Notwendigkeit präventiver Maßnahmen. Eine Teilnehmerin berichtete in diesem Zusammenhang, sie habe von einem Rettungsassistenten der Bamberger Rettungsleitstelle erfahren, dass pro Woche etwa sieben Einsätze im Zusammenhang mit gestörtem Essverhalten stattfinden. Diese Aussage wurde in einem Zeitungsartikel der Bamberger Tageszeitung „Fränkischer Tag“ vom 10.6.2005 bestätigt: „Alleine im Zuständigkeitsbereich der Bamberger Rettungsleitstelle erfolgen wöchentlich mindestens fünf Einsätze, die im Zusammenhang mit problematischem Essverhalten stehen“[5].

Prävention hat mich auch deshalb interessiert, weil ich mir die Frage stellte, ob es bei dem derzeitigen Schönheitsideal überhaupt möglich ist, einer Essstörung vorzubeugen. Medien, Modeschöpfer, Nahrungsmittelindustrie, Pharmazie und Schönheitschirurgie sorgen mit Werbung und der Propagierung des Schlankheitsideals dafür, dass viele Frauen und auch immer mehr Männer der Illusion verfallen, ein Körper sei beliebig formbar und Schlankheit jederzeit und unter allen Umständen machbar. Besonders interessant im Hinblick auf Prävention erachtete ich das Krankheitsbild der Bulimie. Menschen, die unter Bulimie leiden, sieht man ihre Erkrankung nicht an. Sie sind meist normalgewichtig, essen in der Öffentlichkeit relativ normal und haben meist ein sehr selbstbewusstes Auftreten, hinter dem sie ihre Erkrankung erfolgreich verstecken. Die Wahrscheinlichkeit einer Früherkennung der Essstörung ist hier deutlich geringer als beispielsweise bei Magersucht oder Adipositas.

Da eine Bulimie in der Regel zwischen 17 und 21 Jahren beginnt (vgl. Herpertz-Dahlmann 1993, Richter 2005), Prävention idealerweise im Vorfeld stattfinden sollte, lege ich meinen Schwerpunkt auf die Prävention von Bulimie bei Jugendlichen in der Pubertät.

Ausblick auf die vorliegende Arbeit

Die Diplomarbeit beginnt mit einer Einführung zum Essverhalten und Bulimie bei Jugendlichen.

In Kapitel 2.1 geht es zunächst um das Thema, welchen Stellenwert Essen und Ernährung in unserer Gesellschaft und vor allem bei Jugendlichen hat. Heranwachsende sind grundsätzlich risiko- und experimentierfreudiger als ein Großteil der restlichen Bevölkerung und verhalten sich weniger gesundheitsbewusst. Der immer weiter zunehmende Alkoholkonsum Jugendlicher, von dem uns fast täglich in den Medien berichtet wird, belegt diese These. Dass ein riskantes Essverhalten von Jugendlichen jedoch nicht mit einer Essstörung gleichzusetzen ist, möchte ich in Kapitel 2.1.3 herausarbeiten.

Kapitel 2.2 beinhaltet vielseitige Informationen rund um das Thema Bulimie. Neben einer Einführung in die Entwicklungsgeschichte der Erkrankung steht hier im Vordergrund, die Krankheit Bulimie anhand internationaler Klassifikationskriterien und einschlägiger Literatur zu beschreiben. Die Risikofaktoren für Bulimie werden sehr ausführlich dargestellt, was darauf zurückzuführen ist, dass sie für die Prävention von Bulimie eine wichtige Rolle spielen: Prävention ist unter anderem ein Versuch, potentielle Risikofaktoren einer Erkrankung auszuschalten.

Die Herausarbeitung physischer und psychischer Folgeschäden der Bulimie in Kapitel 2.2.6 soll verdeutlichen, weshalb die Absicht, psychischen Erkrankungen wie Bulimie vorzubeugen, besonders sinnvoll und notwendig ist.

Im dritten Kapitel, dem Mittelpunkt dieser Diplomarbeit, geht es um die Prävention von Essstörungen bei Jugendlichen als Aufgabe der Sozialpädagogik.

In einer Einführung zum Thema werden zunächst allgemeine Begriffe und Strategien der Prävention erklärt (Kap. 3.1). Besonders interessant erschien mir die Frage, ob und weshalb Sozialpädagogen diese Aufgabe übernehmen (Kap. 3.1.4).

Die Entwicklungsgeschichte der Prävention von Essstörungen (Kap. 3.2.1) zeigt zunehmend deutlich, dass jahrelange Untersuchungen und Studien zwar Ergebnisse hervorbrachten, dass konkrete Maßnahmen zur Prävention jedoch auf Wahrscheinlichkeitsaussagen beruhen. Man kann nie sicher behaupten, dass Präventionsaktivitäten den gewünschten Erfolg gebracht haben. Daher erörterte ich im folgenden Unterkapitel 3.2.2 die Frage, ob es nicht eher sinnvoll wäre, die immensen Kosten für die Präventionsforschung und -praxis für Interventionsaktivitäten einzusetzen.

Im Anschluss stelle ich Inhalte und Methoden für die Prävention von Essstörungen bei Jugendlichen vor, die sich in der Praxis als sinnvoll und effektiv erwiesen haben (Kap.3.2.5). Zwar stehen Jugendliche als Zielgruppe im Vordergrund, da bei der Prävention jedoch nicht nur das Individuum, sondern auch sein Umfeld berücksichtigt werden muss, befasse ich mich daneben auch mit Eltern und Angehörigen, Lehrern und pädagogischen Fachkräften und auch mit Ärzten. Die hier aufgeführten Aspekte beschreiben ideale Vorgehensweisen, die in Theorie und Praxis erarbeitet wurden.

Interessant erschien mir die Frage, ob und inwieweit diese Theorien in der Praxis umgesetzt werden und werden können. Im vierten Kapitel werden daher nicht nur Präventionsmaßnahmen sozialer Einrichtungen in Bamberg vorgestellt, sondern auch mit den im dritten Kapitel erarbeiteten Ansätzen verglichen.

Einen interessanten Einblick geben von mir durchgeführte Interviews mit Betroffenen. Meine Absicht war es zu erfahren, wie Betroffene das Angebot präventiver Maßnahmen in Bamberg beurteilen und ob die bestehenden Angebote überhaupt den Interessen und Bedürfnissen der Jugendlichen entsprechen. Die Interviews haben keinesfalls einen Anspruch auf Repräsentativität, da die Anzahl der Befragten viel zu gering ist.

In Kapitel 4.3 findet sich eine umfassende Zusammenfassung und Diskussion der gesammelten Fakten zur Prävention von Essstörungen in Bamberg .

Eine kritische Diskussion zu Möglichkeiten und Grenzen der Prävention von Essstörungen durch soziale Einrichtungen am Beispiel aktueller Präventionsmaßnahmen in Bamberg schließt die Arbeit ab (Kap. 5).

Ergänzende Materialien, Informationen und Gedächtnisprotokolle der Interviews sind in einem Anhang gesammelt.

Zu Beginn meiner Ausarbeitung stellte sich mir die Frage, wie ich eine Erkrankung bezeichnen soll, die in der Medizin Bulimia Nervosa, von einigen Autoren Bulimarexie und im regulären Sprachgebrauch heute Bulimie, Ess-Brech-Sucht oder auch Freß-Kotz-Sucht genannt wird. Ich entschied mich dafür, das Wort Bulimie durchgängig zu verwenden, da dieses Wort mir am Geläufigsten und für ein flüssiges Lesen der Arbeit am meisten geeignet erschien.

Während ich mich mit den Themen Prävention und Bulimie vertraut gemacht habe, stellte ich fest, dass es in deutschsprachigen Ländern nur sehr wenige Präventionskonzepte gibt, die sich mit Essstörungen befassen. Daher habe ich meine Recherchen auf andere Länder ausgedehnt. Präventionsmodelle, die explizit auf Bulimie ausgerichtet sind, gibt es bisher noch nicht. Präventionsprogramme beziehen sich immer auf alle Essstörungen, was auch sinnvoll ist, da die Grenzen zwischen den einzelnen Krankheitsbildern fließend sind und den Erkrankungen ähnliche Risikofaktoren zugrunde liegen. Eine gemeinsame Prävention ist auch deshalb empfehlenswert, da es unmöglich ist, für alle möglichen Erkrankungen Präventionskonzepte zu entwerfen und diese alle nebeneinander anzuwenden. Daher spreche ich bei den Präventionsmaßnahmen nicht nur über Prävention von Bulimie sondern von Essstörungen allgemein.

Da Statistiken zufolge 95 Prozent der essgestörten Menschen weiblich sind (Wissenschaftliches Kuratorium der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. 2004, S.8) und sich die Erforschung von Essstörungen bei Männern noch im Anfangsstadium befindet (und folglich kaum Literatur zu diesem Thema existiert), habe ich mich in dieser Arbeit auf Essstörungen bei Frauen beziehungsweise Mädchen konzentriert.

2. Essverhalten und Bulimie bei Jugendlichen

In diesem Kapitel werden die für die Prävention von Essstörungen notwendigen Hintergrundinformationen beleuchtet. Nach einer allgemeineren Einführung in die Themen Essen und Ernährung, gestörtes Essverhalten und Essstörungen folgt im zweiten Teil eine detaillierte Beschreibung des Krankheitsbildes der Bulimie.

2.1 Gestörtes Essverhalten – Normalität und Abweichung

Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht das Essverhalten Jugendlicher. Ziel ist, dem Leser zu verdeutlichen, welchen Stellenwert Essen und Ernährung in unserer Gesellschaft und unter Jugendlichen hat und welche Merkmale eine Essstörung kennzeichnen. Hierfür greife ich auf die in der Fachliteratur verwendeten Unterscheidungskriterien von normalem Essverhalten, gestörtem Essverhalten und Essstörungen zurück, mit denen Fachleute die Schwere einer Essstörungen einschätzen. Trotz der häufigen Kritik an fragwürdigen Normvorgaben (Wer definiert überhaupt, ab wann ein Mensch essgestört ist?), übernehme ich diese Definitionen für diese Arbeit, da sich hieran die gesamte Präventions- und Interventionsarbeit mit essgestörten Menschen orientiert. Es handelt sich hierbei um subjektive Kriterien, die aufgrund ihrer Ungenauigkeit keinesfalls zur Diagnose einer Essstörung benutzt werden können. Für eine Ersteinschätzung und zur Verdeutlichung der Unterschiede zwischen normalem und gestörtem Essverhalten sind sie jedoch erwähnenswert. Auf medizinische Diagnosekriterien gehe ich in einem späteren Kapitel noch ein.

2.1.1 Essen und Ernährung

Essen ist eines der Grundbedürfnisse des menschlichen Körpers, das befriedigt werden muss. Es ist etwas Alltägliches, immer Wiederkehrendes, und scheint auf den ersten Blick das Natürlichste und Selbstverständlichste der Welt zu sein. „Essen ist eines der häufigsten Ereignisse des Lebens, denn bei drei Mahlzeiten pro Tag und einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 75 Jahren nimmt der Mensch ca. 80 000 Mahlzeiten zu sich“ (Gniech 1995, S.1).

Es gibt keine menschliche Gesellschaft, in der lediglich gegessen wird, um Körperfunktionen aufrecht zu erhalten. Spezifische Essgewohnheiten und Arten der Nahrungszubereitungen sind mit Sitten, Ritualen, Werten und Normen von Kulturen und Subkulturen verbunden und wirken in körperliche, psychische und soziale, aber auch in wirtschaftliche und politische Dimensionen des menschlichen Lebens ein. Ein bestimmter religiöser Glauben kann das Essverhalten beeinflussen, wie beispielsweise der Verbot des Essens von Schweinefleisch im Islam. In China dient die Mahlzeit dem Zweck des sozialen Austauschs, der Kommunikation und des Zusammenseins. Vegetarier essen aufgrund ihrer Ideologie kein Fleisch.

Daneben erzeugt Essen Gefühle von Wohlbefinden und Sättigung und ist mit Lustempfindungen gekoppelt, die vorübergehend andere Gefühle von Unlust verdrängen können. Essen kann Ersatzbefriedigung für entgangene andere Genüsse sein oder als Mittel der Gefühlregulierung benutzt werden. Wer hat nicht schon einmal aus Frust oder Kummer eine Tafel Schokolade verschlungen? Auch Redewendungen, wie zum Beispiel „Liebe geht durch den Magen“, „Ich hab Dich zum Fressen gern“ oder der Stress „schlägt mir auf den Magen“ verdeutlichen den Zusammenhang zwischen Essen und Gefühlen.

In der heutigen Zeit variiert das Ernährungsverhalten der Individuen enorm, was nicht zuletzt mit der Pluralisierung und Individualisierung der Lebensformen zusammenhängt.

Der wichtigste Aspekt ist hierbei die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln. Hilde Bruch bringt es auf den Punkt: „Die Geschichte der Menschheit ist eine Chronik seiner Nahrungssuche genannt worden“ (ebd. 2001, S. 21). Viele Entwicklungen der Industriellen Revolution bereiteten der heutigen Situation des Nahrungsüberflusses den Weg, so zum Beispiel die Industrialisierung der Landwirtschaft, die Entwicklung langfristiger Konservierungsmethoden oder die Ausweitung des Transportwesens. Dadurch wurde eine regelmäßige, qualitativ und quantitativ verbesserte Versorgung der Gesellschaft mit Nahrungsmitteln möglich. „Ab ca. 1950 kann schließlich von einer Situation des Überflusses gesprochen werden“ (Habermas 1997, S. 3). Nahrungsmittel stehen heute überall und jedem zur Verfügung. An jeder Ecke locken Snackbars, Bäckereien oder Schnellimbisse mit ihren Angeboten. In den Medien wird uns der Appetit förmlich aufgedrängt. Überall wimmelt es nur so von bunten, ansprechenden Nahrungsmitteln und Süßigkeiten, die vor allem auch Kinder und Jugendliche zum Kauf animieren sollen.

2.1.2 Das Essverhalten Jugendlicher

Jugendliche befinden sich in einer schwierigen und komplexen Lebensphase, die durch starke biologische, kognitive und soziokulturelle Veränderungen geprägt ist. Der körperliche Reifeprozess, die allmähliche Ablösung vom Elternhaus und eine verstärkte Orientierung an der Peer-Group, Veränderungen im Lebensstil und in der Lebenswelt und eine zunehmende Beschäftigung mit dem eigenen Aussehen sind nur einige Aspekte, die diese Veränderungen beschreiben sollen. Und natürlich wirken sich diese auch auf das Essverhalten und die Essensauswahl aus.

Ich beschränke mich im Folgenden auf problematisches Essverhalten unter Jugendlichen, da dies im Zentrum meiner Arbeit steht.

Hurrelmann et al. erforschten für den Jugendgesundheitssurvey 2003 unter anderem auch die Ernährungsgewohnheiten in einer repräsentativen Stichprobe von 5650 Jugendlichen im Alter von 11 bis 15 Jahren (vgl. Hurrelmann et al. 2003, S. 162ff).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: HBSC 2002 Germany (N=5.650), Hurrelmann et al. 2003, S. 162

In Tabelle 1 kann man erkennen, dass Schüler umso seltener frühstücken, je älter sie sind. Während in der 5. Klasse schon 10,5 Prozent der Mädchen das Frühstück ausfallen lassen, tut dies in der 9. Klasse schon jedes vierte Mädchen (25,1%) – ein Anstieg um mehr als das Doppelte.

Deutlich geringer ist die Anzahl derjenigen, die unregelmäßig oder nie Mittag- und Abendessen. Dennoch steigt auch hier der prozentuale Anteil mit dem Alter. 6,8 Prozent der Mädchen der 9. Klasse lassen das Abendessen immer ausfallen und insgesamt 35,2 Prozent der Mädchen nehmen es unregelmäßig zu sich. Ein Anzeichen für die Bedeutungsabnahme der Mahlzeiten (vgl. Kap. 2.1.3), für die Bedeutungszunahme von Aussehen und Körpergewicht und der damit verbundenen angestrebten Manipulation des Gewichts durch verminderte Nahrungszufuhr, oder vielleicht auch Anzeichen für beides? Eines ist klar: „Das Risiko eines Übergewichts zeigte sich besonders hoch für die Gruppe von Jugendlichen, die keinen regelmäßigen Rhythmus in den täglichen Hauptmahlzeiten aufwiesen. Im Vergleich zu denjenigen, die einen regelmäßigen Verzehr entweder von einer oder allen Hauptmahlzeiten angaben, war die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Übergewicht etwa doppelt so hoch“ (Hurrelmann et al. 2003, S. 170).

Das Auslassen der Mahlzeiten kann mit der Absicht einer Reduktion des Gewichts zusammenhängen. Insbesondere das Frühstück wird oft von diätenden Jugendlichen ausgelassen. Konzentrationsschwierigkeiten und verminderte Leistungsfähigkeit in der Schule können die Folge sein. Gezügeltes Essverhalten löst früher oder später Heißhungerattacken aus, die wiederum in einem Teufelskreis von gezügeltem Essen, Heißhungerattacken und Gewissenbissen enden können.

Eine weitere Befragung von Hurrelmann et al. beschreibt das subjektive Körperempfinden Jugendlicher. In einer tabellarischen Aufführung der Ergebnisse werden diesmal nur die 13-Jährigen Mädchen und Jungen aufgeführt.

Einschätzung des eigenen Körpergewichts bei Jungen und Mädchen im Alter von 13 Jahren

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: HBSC 2002 Germany (N=5650), Hurrelmann et al. 2003, S. 177

Fast die Hälfte der 13-Jährigen Mädchen und immerhin 33,1 Prozent der Jungen empfinden sich als zu dick. Erschreckend ist der Anteil derjenigen, die nach objektiven Kriterien untergewichtig sind, sich aber dennoch für zu dick halten. Hierunter fallen 11,6 Prozent der Jungen und 18 Prozent der Mädchen. Von den 18 Prozent der befragten Mädchen machen 8,5 Prozent eine Diät, um noch mehr abzunehmen (vgl. Tabelle 2). Hurrelmann et al. betonen, dass gerade diese Gruppe ein hohes Risiko für die Entwicklung einer Essstörung aufweisen (ebd. 2003, S.177).

Aus den Ergebnissen der Studie wird deutlich, dass der Anteil der Mädchen fast immer doppelt so hoch ist, wie Anteil der Jungen - ein deutlicher Hinweis auf die Geschlechtsspezifität von Diätverhalten und Essstörungen (womit ich den nicht unerheblichen Anteil der Jungen nicht verdrängen möchte). Andere Autoren kamen zu ähnlichen Ergebnissen (vgl. Pudel und Westenhöfer 1998, Berger et al. 2005). Bei einer Befragung von 800 Münchner Schülerinnen und Schülern der 5. Jahrgangsstufe (Durchschnittsalter: 10,8) an Gymnasien kamen Gerlinghoff und Backmund zu folgenden Ergebnissen: 49 Prozent der Mädchen und 36 Prozent der Jungen wollten dünner sein, als sie sind. 34 Prozent der Mädchen und 30 Prozent der Jungen hatten bereits Diäterfahrungen gemacht (ebd. 2000a, S. 14).

Übergewichtige Kinder und Jugendliche werden von Gleichaltrigen oft schikaniert, gemobbt und ausgegrenzt. Es ist nicht verwunderlich, wenn Betroffene deshalb unter einem geringen Selbstwertgefühl leiden: Die Abweichung vom genormten und idealisierten Körperbild stellt für die meisten Jugendlichen ein ernstes Problem dar, gerade weil im Verlauf der Pubertät die Attraktivität eine große Rolle spielt. Hurrelmann et al. schließen aus weiteren Untersuchungen: „In der Gruppe der Mädchen sind sowohl psychosomatische Beschwerden als auch ein geringes Selbstwertgefühl linear mit ihrem Gewichtsstatus verbunden. Das heißt, je niedriger ihr Gewicht ist, desto höher ist ihr Selbstwertgefühl und desto weniger berichten sie über psychosomatische Beschwerden“ (ebd. 2003, S.310f.).

2.1.3 Normales Essverhalten, gestörtes Essverhalten und Essstörungen

Leider gibt es hier keine eindeutigen Definitionen. Man kann keine klare Grenze zwischen „normalem“ und gestörtem Essverhalten ziehen. Ein normales Essverhalten würde unserer Gesellschaft eine Norm unterstellen, nämlich wer wann wie viel essen muss. Aber „das individuelle Eßverhalten ist wie Gestik und Mimik ein Teil der Persönlichkeit. „Von einem durch biologische Notwendigkeiten gelenkten Eßverhalten sind wir alle mehr oder weniger weit entfernt“ (Mader 1987, S.9).

Jeder Mensch isst zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich viel. Auch „normale Esser“ haben hin und wieder Heißhungerattacken oder Phasen, in denen sie kaum etwas essen. Ihnen würde niemand eine Krankheit unterstellen. An den Essgewohnheiten, der Menge und Art der Nahrung kann man Normalität und Abweichung also nicht feststellen.

Ein gestörtes Essverhalten liegt eindeutig vor, wenn ein Mensch verschiedenste Methoden mit dem einzigen Ziel der Gewichtsregulierung einsetzt: Diäten, Null-Diät, Abführmittel, entwässernde Medikamente, willentliches Erbrechen nach einer Diätsünde oder exzessive sportliche Aktivitäten (vgl. Gerlinghoff und Backmund 2000a, S. 12). Viele Menschen essen oft jahrelang gezügelt[6], ohne dass sie dadurch Schaden nehmen. „Essgestörtes Verhalten ist, für sich genommen, keine Krankheit. Es ist nicht bekannt, wie viele junge Menschen so leben, ohne an einer Essstörung zu leiden“ (Gerlinghoff und Backmund 2000a, S.13). Es besteht jedoch die Gefahr, dass ein solches Verhalten in eine manifeste Essstörung übergehen kann. Für Betroffene wird das Essen oder Nicht-Essen zu einem Zwang, der beginnt, ihr Leben zu beherrschen, so dass sie sich tagtäglich oder zumindest phasenweise mit Nahrung, Kalorientabellen und dem eigenen Körpergewicht beschäftigen. Mader beschreibt den Übergang sehr treffend: „Nicht die hastig verschlungene Frust-Schokolade oder die Scheibe Braten zuviel kennzeichnen die Eßsucht, sondern die damit verbundenen Gefühle von Angst, Schuld und Scham“ (Mader 1987, S.4). In der Regel verheimlichen Betroffene ihr Essproblem, da letzteres mit Selbstabwertung und massiven Schuldgefühlen verbunden ist.

In unserer Gesellschaft gibt es Maßstäbe, welche die Kriterien für verschiedene Essstörungen festlegen. Diese sind notwendig, um Ärzten und anderen Fachleuten eine Diagnose von Art und Ausmaß der Essstörung zu ermöglichen (vgl. Kap. 2.2.2). Genauso wie die Ernährung selbst, werden auch diese Maßstäbe von sozialen, technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geprägt: Was normal ist, verändert sich im Laufe der Geschichte. Abweichungen werden von Menschen erst zu Abweichungen gemacht, wenn die als solche definiert werden. Der Body-Maß-Index (BMI) ist hierfür ein Beispiel: Anhand einer Formel[7] kann man seinen BMI errechnen, eine Maßzahl, die in der Regel zwischen 15 und 40 liegt. Mit Hilfe einer Tabelle, die übrigens 1951 auf Drängen von US-Lebensversicherungen entwickelt wurde, um von Amerikanern höhere Prämien für Lebensversicherungen zu kassieren (die Werte für Normalgewicht wurden im Laufe der Jahre immer weiter gesenkt um somit den Profit der Lebensversicherung und auch der Pharmaindustrie, der Ärzte und Ernährungswissenschaftler zu erhöhen), kann man feststellen, ob man der Gruppe der Untergewichtigen, Normalgewichtigen, Idealgewichtigen oder Übergewichtigen angehört (Anhang A). Zwar ist dies kein Indikator für eine Essstörung, aber in einer Gesellschaft, in der Schlankheit mit dem höchsten Glück, Erfolg und Anerkennung assoziiert wird, und der Erfolg einer Manipulation des Körpergewichts durch Ernährungsumstellung und/oder Medikamenteneinnahme von verschiedensten Wirtschaftszweigen propagiert wird, orientieren sich viele Menschen an solchen Gewichtstabellen, indem sie dieses von Wirtschaftsmächten vorgegebene Idealgewicht anstreben.

2.2 Bulimie

Dieses Kapitel beinhaltet verschiedene notwendige Informationen zum Thema Bulimie. Neben einem historischen Überblick wird die Erkrankung detailliert erklärt. Einen besonderen Stellenwert erhalten die Risikofaktoren einer Bulimie, da sie für die Prävention von dieser Erkrankung eine entscheidende Rolle spielen.

2.2.1 Geschichtlicher Überblick

Das Wort Bulimie stammt aus dem Griechischen (boulimos bzw. boulimia) und setzt sich aus „limos“ (dt. der Hunger) und „bous“ (dt. Stier, Ochse, Rind) zusammen, heißt also übersetzt „Ochsenhunger“ (vgl. Pudel und Westenhöfer 1998, S. 232).

Schon griechische Autoren beschrieben „Anfälle unwiderstehlich erlebten Heißhungers und unersättlichen Hungers“ (Habermas 1990, S. 72), führten diese allerdings auf verschiedenste Krankheiten zurück. „Unter dem Namen „Kynorexie“ war (...) ein Krankheitsbild bekannt, das von abnorm starkem Nahrungsverlangen und folgendem Erbrechen gekennzeichnet war“ (von Essen und Gutmann 1989, S. 69). Daneben wurden vergleichbare Symptome auch damals schon als Bulimie diagnostiziert (vgl. Habermas 1990, S. 72). Meist handelte es sich hier um Männer. Erst seit etwa 120 Jahren wird das Symptom hauptsächlich bei Frauen beschrieben, oft auch in Verbindung mit der Magersucht oder Anorexie, die schon seit 1873 als Krankheit anerkannt ist.

Habermas beschreibt den Unterschied zum heutigen Verständnis von Bulimie wie folgt: „Bei den historischen Formen der Bulimie als Symptom ist die Differenz zum heute typischen Bulimie-Syndrom noch deutlicher, da es in den historischen Fallbeschreibungen keinen Bezug auf die subjektive Bedeutung des Körperumfangs oder -gewichts gibt und entsprechende Maßnahmen zur Gewichtskontrolle fehlen“ (ebd. 1997, S.1). Ob diese Aussage die Realität widerspiegelt, bleibt fraglich: Ärzte suchen nach den Symptomen, die sie kennen. Aufgrund der Tatsache, dass Betroffene ihre Erkrankung und die Sucht nach Schlankheit meist verschweigen und andere Gründe für ihre Nahrungsverweigerung angeben, wäre es den früheren Ärzten nicht zu verdenken, wenn sie diesen Aspekt nicht entdeckt und somit auch nicht in ihren Aufzeichnungen vermerkt haben.

Erste Ähnlichkeiten mit dem heutigen Bulimie-Syndrom[8] tauchten 1932 auf: Wulff beschrieb 1932 in der Internationalen Zeitschrift für Psychoanalyse einen von ihm entdeckten „oralen Symptomenkomplex“ folgendermaßen: „zwanghaftes, gieriges Essen, Schlafsucht, stumpfe Depression, Ekel vor der eigenen Körperlichkeit“ (ebd. 1932, zit. n. Habermas 1990, S. 79). Erstmals tauchten hier Patienten auf, welche die nach Habermas entscheidenden Gemeinsamkeiten mit dem heutigen Bulimie-Syndrom aufwiesen: Ihre Absicht war es, schlank zu bleiben bzw. abzunehmen. Die Heißhungerattacken wechselten regelmäßig mit Phasen des Fastens, und Hauptbestandteil der Nahrung bei einem bulimischen Anfall waren Süßigkeiten und Mehlspeisen, in den Diätphasen Obst und Milch.

In der zweiten Hälfte der 70er Jahre wurde das Syndrom immer öfter beschrieben. Von Essen und Gutmann vermuten, „daß das Erbrechen – eine zugleich hocheffiziente, jederzeit verfügbare und keine Abstinenz erfordernde Methode – auch als Antwort auf die erhöhten Idealforderungen anzusehen ist und somit die jüngere Entwicklung des Syndroms kennzeichnet“ (ebd. 1989, S.69).

1980 wurde das Syndrom offiziell als Erkrankung anerkannt, indem es unter dem Namen „Bulimia nervosa“ in weltweit gültige Klassifikationssysteme aufgenommen wurde.

2.2.2 Klassifikationskriterien der Bulimie

Die Klassifikation einer Erkrankung dient dem Zweck, die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Klinik zu erleichtern und Diagnoseverfahren zu vereinfachen. Daneben ermöglicht sie es, empirische Studien vergleichbar zu machen.

Im medizinischen Sinn müssen also bei der Patientin bestimmte Diagnosekriterien vorliegen, die besagen, dass sie an Bulimie erkrankt ist.

Diese Klassifikationskriterien findet man einerseits im „Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen“ DSM-IV (Saß et al. 1996), dessen amerikanische Originalfassung 1994 herausgegeben wurde. Hier wird Bulimie unter dem Namen „Bulimia Nervosa“ den psychischen Störungen zugeordnet.

Ein weiteres Klassifikationssystem ist das „International Classification of Diseases (ICD)“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Gebräuchlich ist momentan die zehnte Fassung, das ICD-10. Hier wird die Bulimia Nervosa als eine Verhaltensauffälligkeit mit körperlichen Störungen und Faktoren betrachtet (vgl. DIMDI 2004).

Die beiden Ausgaben sind die jeweils die aktuelle Version. Ziel der Fassungen war es, eine Klassifikation der Erkrankungen zu erreichen, die weder von Theorien abhängt, noch Ursachen beurteilt.

Um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Systeme im Hinblick auf die Bulimie zu verdeutlichen, stelle ich sie im Folgenden tabellarisch gegenüber.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die hier aufgeführten Symptome sind für Ärzte und andere Fachleute die wichtigsten Merkmale der Erkrankung. Viele Autoren kritisieren diese starre Beschreibung (vgl. Meermann und Vandereycken 1987, Beumont et al. 1994, De Zwaan 2000), die aber wohl aufgrund der schwierigen Operationalisierung der Erkrankungen nicht vermeidbar ist.

Bulimie muss nicht immer Bulimie im oben beschriebenen Sinn bleiben. Oft geht der Erkrankung eine Magersucht voraus und nicht selten wechseln sich bulimische Phasen mit Phasen der Magersucht, der Esssucht oder auch eines normalen Essverhaltens ab. Manche Magersüchtige haben, wenn auch heimlich, Essanfälle oder erbrechen ihr Essen, manche Bulimiker sind untergewichtig. Essstörungen sind, entgegen den oben genannten Klassifikationsschemata, nicht eindeutig voneinander abgrenzbar. „Viele Patienten leiden unter klinisch relevanten Essstörungen, ohne jemals die Diagnosekriterien für AN und BN [Anorexia nervosa und Bulimia nervosa; Anm. d. Verf.] zu erfüllen (Zipfel und Groß 2005, S. 56). In Fachkreisen wird daher über eine Neustrukturierung der Klassifikation der Essstörungen diskutiert, in der die Unterteilung in Anorexia Nervosa und Bulimia Nervosa aufgehoben werden soll. Andere Aspekte, wie beispielsweise beobachtbares Verhalten (Einteilung nach Körpergewicht, Auftreten kompensatorischer Maßnahmen, Auftreten von Essanfällen) könnten als Leitkriterien übernommen werden (vgl. De Zwaan 2000, S. 81). Da dies nicht Thema meiner Arbeit ist, möchte ich mich auf diesen Hinweis beschränken und darauf nicht näher eingehen.

Ein weiteres Manko an den Klassifikationskriterien sind unklare Beschreibungen einzelner Symptome. Sowohl im oben genannten ICD-10 als auch im DSM-IV wird der Essanfall als Verzehr einer großen Nahrungsmenge in einer kurzen Zeit definiert. Es bleibt daher dem Arzt und der Patientin überlassen, was sie unter einer ‚großen Menge’ verstehen. De Zwaan betont die Möglichkeit, dass Patientinnen, „die bereits kleine Nahrungsmittelmengen als Eßanfall bezeichnen, in einem höheren Ausmaß psychologisch auffällig sind“ (ebd. 2000, S.79).

Kritisch ist auch die geforderte Häufigkeit der Essanfälle, da sie keine Aussage über Psychopathologie der Essgestörten macht. Sind Menschen, die nur einmal pro Woche einen solchen Essattacke erleben und ansonsten alle Symptome einer Bulimie aufweisen, nicht essgestört?

Solche und andere Defizite sind jedoch auch bei Definitionen anderer psychischer Erkrankungen zu finden. Solche Erkrankungen sind individuell verschieden. Hier einen Konsens zu finden, der alle Betroffenen mit einbezieht, erweist sich immer als schwierig.

Die Klassifikationskriterien einer Krankheit sind trotz dieser Kritikpunkte sehr wichtig, da sie die Krankheit auf Grundlage verschiedener Symptome eindeutig definieren. Um diese Zustandsbeschreibung der Erkrankung zu vervollständigen, möchte ich im Folgenden genauer auf mögliche Verlaufsformen der Bulimie eingehen.

2.2.3 Verlaufsformen der Bulimie

Das zentrale Merkmal der Bulimie sind Heißhungeranfälle mit nachfolgendem selbstinduziertem Erbrechen. Neben solchen episodischen Essanfällen ist das Essverhalten der Betroffenen meist stark gezügelt. Die daraus entstehende relative Unterernährung führt wiederum schnell zu Heißhungerattacken. Ein Teufelskreis, aus dem sie nicht heraustreten können.

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Quelle: Pudel und Westenhöfer 1998, S.241

Nach einem Essanfall, aber auch nach normalen Mahlzeiten, fühlen sich die Betroffenen vollgestopft und dick. Durch Erbrechen oder mit Hilfe von harntreibenden (Diuretika) und abführenden (Laxantien) Medikamenten versuchen sie, der (in ihren Augen) drohenden Gewichtzunahme vorzubeugen. In der Regel haben die Betroffenen ein verzerrtes Bild von ihrem Körper, was sie mittels Spiegel und Waage feststellen: „In Bezug auf die Wahrnehmung ihrer äußeren Körperdimensionen (Körperschema) gibt es ausreichende empirische Daten, daß essgestörte Patientinnen eine stärkere Überschätzungstendenz der eigenen Körperdimensionen zeigen bzw. eine größere Vulnerabilität (d.h. größere Unsicherheit) ihrer subjektiven Schätzung gegenüber den objektiven Körpermaßen“ (Meermann 2000, S. 26) In den wenigsten Fällen entstehen die Sorgen Betroffener beim Sport oder durch das Urteil anderer. Sie fühlen sich zu dick, unförmig und nicht akzeptabel, obwohl sie von Außenstehenden meist als normal- oder sogar untergewichtig bezeichnet werden. Sie schämen sich ihres Körpers und finden sich meist weniger hübsch und anziehend als Nicht-Essgestörte. Menschen mit gestörtem Essverhalten machen ihr Selbstwertgefühl und ihre Selbstsicherheit von Gewicht und Aussehen abhängig. Ihre Stimmung ist mit dem Ergebnis des täglichen Wiegens eng verknüpft.

Oft wissen Betroffene gar nicht, wie und wann sie erkrankt sind. Zu Beginn haben sie das Bedürfnis, viel und unkontrolliert essen zu können, verspüren aber gleichzeitig die Angst vor einer Gewichtszunahme. Das Erbrechen wird durch Zufall, Ratschläge von Freunden, Reportagen im Fernsehen oder in Zeitschriften oder auch durch Hinweise in Büchern entdeckt. Es erfüllt seinen Zweck und wird zur Gewohnheit.

Wie oft solche Essanfälle mit anschließenden Kompensationsmaßnahmen (Erbrechen oder die Einnahme gewichtsreduzierender Medikamente) dann auftreten, ist verschieden. Oben beschriebene Diagnosekriterien setzen zwei Heißhungeranfälle pro Woche voraus, um das Verhalten als Erkrankung zu klassifizieren. Das kann sich jedoch auf bis zu zehn bis fünfzehn Essanfälle mit Kompensationsmaßnahmen pro Tag steigern.

Viele Betroffene bereiten ihre Essanfälle vor. Sie haben die Nahrungsmittel entweder vorrätig oder kaufen nach Plan ein. Ausgelöst werden die Anfälle durch bestimmte Gefühlzustände, wie beispielsweise Angst, Einsamkeit, Stress, Enttäuschung, Langeweile oder innere Anspannung. „Das Entscheidende am bulimischen Anfall ist, dass er Beruhigung für kurze Zeit schafft, Halt bietet. Bei diesen Patienten ist der so notwendige psychische Reizschutz, dessen Funktion es ist, Spannung auf eine gesunde Art zu regulieren, durchlöchert, defizitär“ (Thaler 2001, S. 166). Die Anfälle können dann schnell zum Zentrum der Lebensgestaltung werden, dem soziale Kontakte, Schule, Ausbildung oder Hobbies untergeordnet werden.

Wie der Essanfall dann im Einzelnen abläuft, ist verschieden: die Einen bereiten den Platz und das Essen wie eine Art Zeremonie vor, um die Atmosphäre so angenehm wie möglich zu gestalten, die anderen stopfen alles an Ort und Stelle ohne Tischsitten und ohne jeglichen Genuss in sich hinein.

Die verzehrten Nahrungsmengen können im Laufe der Zeit unvorstellbare Ausmaße annehmen. „Bei den in der Regel heimlich stattfindenden Attacken können so mehr als 10.000 Kilokalorien vertilgt werden und buchstäblich der Kühlschrank ausgeräumt werden“ (Cuntz und Hillert 2000, S. 66). Herpertz und Senf sprechen sogar von bis zu 20.000 Kilokalorien pro Attacke (ebd. 1997, S. 10). Bevorzugt werden vor allem hochkalorische, leicht kau- und schluckbare, vor allem süße und fettige Nahrungsmittel, auch weil sie leichter zu erbrechen sind. Fehlt den Betroffenen aber das nötige Geld hierfür, erfüllen auch ungenießbare Lebensmittel den Zweck: Gerlinghoff und Backmund machten die Erfahrung, dass ihre Patienten sogar auf Gefrorenes, Obstschalen, Nahrungsreste anderer oder sogar Hundefutter zurückgreifen, um ihr Bedürfnis zu befriedigen (ebd. 1998, S.21). Andere stürzen sich dafür in finanzielle Schwierigkeiten oder begehen Diebstahl. Der soziale Abstieg ist hier vorprogrammiert.

Schon während dem Essanfall und vor allem danach bekommen die Betroffenen Schuldgefühle, schämen sich und sind wütend auf sich, da sie sich in dem Moment besonders ihrem gestörten Verhalten bewusst sind. Das ist auch der Grund dafür, dass sie versuchen, ihre Essstörung vor der Umwelt zu verbergen. Mögliche Folgen sind steigender Selbsthass, Depressionen, Apathie oder sogar Selbstmordabsichten. Sozialer Rückzug verstärkt diese Symptome. Manche lernen in dieser Phase Alkohol, Drogen und/oder erhöhte Promiskuität als Mittel zur Verdrängung und zur Stärkung des Selbstwertgefühls kennen. „Bei Personen mit Erstdiagnose aus dem Bereich der Essstörungen soll bei etwa 10 bis 30 Prozent Missbrauch oder Abhängigkeit von Suchtmitteln vorliegen“ (Wissenschaftliches der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. 2004, S. 41). Häufig trinken Bulimiker Alkohol oder nehmen Drogen, um gegen ihr ständiges Hungergefühl anzukämpfen oder um depressive Symptome zu verdrängen. Medikamente wie Abführ- oder Entwässerungsmittel, Appetitzügler, aber auch Kokain, sollen zu einer schnelleren Gewichtsreduktion führen. Nicht selten kommt es so zu einer Suchtverlagerung, beispielsweise von einer Essstörung zu einer Substanzmittelabhängigkeit.

Im Gegensatz zu anderen Krankheiten wird die Essstörung zu Beginn von Betroffenen nicht negativ erlebt. Sie gibt ihrem Leben oftmals erst einen Sinn. Viele „empfinden ihr verändertes Verhalten vielmehr als Stärke, als Zuwachs an Leistung. Es bringt ihnen das Gefühl, etwas Elitäres zu sein, über Kräfte zu verfügen, die anderen z.B. ihre Eltern oder Geschwister, nicht haben“ (Gerlinghoff und Backmund 2000a, S.53). Bulimiker erleben den Spannungsabbau, den das Erbrechen bewirkt, und die Erfahrung, Unmengen essen zu können, ohne dabei dementsprechend zuzunehmen, durchaus positiv. Die Essstörung wird zu einer Lebensstrategie, mit deren Hilfe vieles ausgelebt, befriedigt, bewältigt und bezwungen werden kann. Übertreffen negative Symptome, wie zum Beispiel körperliche Folgeschäden (vgl. Kap.2.2.6) nicht diese positiven Aspekte, wehren Betroffene sich entschieden dagegen, gesund zu werden.

2.2.4 Prävalenz

Unter der Prävalenz versteht man die Anzahl der Fälle einer bestimmten Erkrankung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Über die Prävalenz von Bulimie gibt es nur wenige Daten. Außerdem kann man aufgrund der mit der Krankheit verbundenen Heimlichkeit davon ausgehen, dass statistische Werte nur eine Annäherung an die tatsächlichen Zahlen sind. Die Dunkelziffer wird oft als hoch eingeschätzt.

Dazu können noch weitere Aspekte Statistiken verfälschen:

(1) Die Anwendung unterschiedlicher Verfahren, z.B. Selbsteinschätzungsskalen oder psychologische Fragebögen
(2) Methodologische Schwachpunkte einzelner Untersuchungsverfahren
(3) Unterschiedliche Diagnosekriterien als Grundlage, vor allem, wenn ältere Studien hinzugezogen werden: Es ist nämlich so, dass die Klassifikationskriterien immer wieder verbessert, also verändert wurden, indem sie aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst wurden.
(4) Unterschiede in der Stichprobenauswahl

Trotz der genannten Einschränkungen möchte ich hier auf der Grundlage mehrerer Untersuchungen einen groben Überblick vermitteln, wie viele Menschen in unserer Gesellschaft von Bulimie betroffen sind - auch, um damit deutlich zu machen, dass präventive Maßnahmen notwendig sind.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) stellte – wie auch viele Autoren (vgl. Habermas 1990, Herpertz und Senf 1997, Franke 2001, Richter 2005) - anhand von Untersuchungen fest, dass etwa 2 bis 4 Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland an Bulimie leiden, 95 Prozent der Erkrankten sind weiblich (vgl. Wietersheim 2002, Wissenschaftliches Kuratorium der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. 2004). Diese Studien basieren auf den diagnostische Kriterien des DSM-IV (vgl. Kap.2.2.2). Anhand großer Stichprobenuntersuchungen wurde nachgewiesen, dass Statistiken, die diese Werte übersteigen, durch die oben genannten Einschränkungen verfälscht sind. Rathner kommt in seinen Untersuchungen zu dem Ergebnis, „daß die bisher genannten Zahlen eindeutig zu hoch sind und bei den 20- bis 30jährigen Frauen maximal eine gegenüber der Anorexie verdoppelte Prävalenz (also maximal 2 %) vorhanden sein dürfte“ (ebd.1989, S.51).

Die Anzahl der Menschen, die Merkmale gestörten Essverhaltens aufweisen, ohne das Vollbild des klinischen Störungsbildes einer Bulimie aufzuweisen, ist erheblich höher. In einer Untersuchung von Buddeberg-Fischer an mehr als 1900 Schülern in der Schweiz zeigten 22,4 Prozent der Mädchen und 7 Prozent der Jungen ein auffälliges Essverhalten (ebd. 2000). In einer aktuellen Untersuchung der Universität Jena wurde sogar bei über einem Drittel der befragten Schülerinnen und bei mehr als 10 Prozent der Schüler zwischen 12 und 20 Jahren ein gestörtes Essverhalten festgestellt[14] (vgl. Aschenbrenner et al. 2004).

Seitdem die Bulimie als eigenständige Erkrankung anerkannt ist, wird uns von den Medien vermittelt, dass die Anzahl derer, die daran erkranken, immer weiter steigt - zwar scheint „eine Häufigkeitszunahme unbestritten zu sein“ (Remschmidt et al. 2000, S. 195, vgl. auch Meermann und Vandereycken 1987, Steinhausen 2000), dennoch sind die gestiegenen Zahlen nicht nur darauf zurückzuführen: Die Anerkennung der Bulimie als Krankheit bewirkte auch, dass mehr Erkrankte Hilfe aufsuchten, als in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Grund hierfür ist ein veränderte Problembewusstsein in der Bevölkerung. Kleiber hat weitere mögliche Ursachen und Auswirkungen für scheinbare und reale Häufigkeitsveränderungen psychischer Störungen tabellarisch aufgeführt (Kleiber 1986, S.17 f.; Anhang B), ein interessanter Überblick, der die Glaubwürdigkeit solcher Aussagen in Frage stellt. Viele Autoren widersprechen einem Anstieg der Prävalenzraten (vgl. Garfinkel et al. 1995; Rathner 1989; Franke 2001).

Die Erkrankung beginnt im Durchschnitt zwischen 17 und 21 Jahren (vgl. Herpertz-Dahlmann 1993, Richter 2005), 3-5 Jahre später als der durchschnittliche Krankheitsbeginn einer Magersucht. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen 20 und 30 Jahren (vgl. Herpertz-Dahlmann 1993, Stein-Hilbers und Becker, 1996, Franke 2001).

Oft wird behauptet, dass Bulimie gehäuft in der Oberschicht auftritt (vgl. Steinhausen 2000). Hierzu gibt es jedoch keine eindeutigen Ergebnisse. Franke kommt zu dem Ergebnis, dass die Mittelschicht ein häufigeres Vorkommen aufweist (ebd. 2001). Gerlinghoff und Backmund betonen, dass die Schichtzugehörigkeit keinen Einfluss auf das Vorkommen einer Bulimie hat (ebd. 2000a). Man kann daher nicht davon ausgehen, dass Bulimie mit der Schichtzugehörigkeit zusammenhängt.

„Risikogruppen wie Ballettschülerinnen oder Models, die unter einem hohen „Schlankheitsdruck“ stehen, weisen eine Prävalenz von 7 Prozent auf“ (Herpertz und Senf 1997, S. 10). Zu den Berufsgruppen mit einem erhöhtem Risiko für Essstörungen gehören auch Sportler, wie beispielsweise Boxer, Skifahrer oder Eiskunstläufer. In all diesen Berufen hängen Leistung und Erfolg eng mit Ernährung und Gewichtskontrolle zusammenhängt.

2.2.5 Risikofaktoren der Bulimie

Die im Laufe der Zeit entstandenen Erklärungsansätze, wie beispielsweise der lerntheoretische Ansatz, der psychoanalytische Ansatz, feministische Theorien oder soziokulturelle Ursachenmodelle habe ich im Folgenden auf das Wesentliche, nämlich auf die für die Prävention von Bulimie relevanten Risikofaktoren beschränkt.

Bisherige Untersuchungen zu Ursachen und Risikofaktoren der Bulimie sind überwiegend Querschnittstudien. Aus solchen Studien geht nicht hervor, ob die mit der Essstörung korrelierenden Faktoren der Essstörung vorausgegangen sind, ob sie gemeinsam damit auftraten oder ob sie vielleicht sogar die Folge davon waren. Daneben existieren aber auch einige wenige Längsschnittstudien, in denen ein signifikanter Zusammenhang zwischen spezifischen Risikofaktoren und Entstehung einer Bulimie gefunden werden konnte.

Essstörungen haben multifaktorielle Ursachen. Keiner dieser Faktoren kann, wie auch die verschiedenen Erklärungsansätze, für sich allein zur Begründung von Bulimie herangezogen werden. Die Konstellation der Ursachen ist individuell verschieden.

Auf genetische Risikofaktoren möchte ich in dieser Arbeit nicht eingehen, da ihnen bei dem momentanen Stand der Forschung nicht präventiv begegnet werden kann. Falls dies irgendwann der Fall sein sollte, wäre die Prävention nicht Hauptaufgabe der Sozialpädagogik sondern der Medizin.

2.2.5.1 Geschlecht, Alter und die körperliche und sexuelle Entwicklung in der Pubertät

Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass ca. 95 Prozent aller Bulimiker weiblich sind und die Erkrankung am Häufigsten im Alter zwischen 17 und 21 Jahren beginnt (vgl. Kap. 2.2.4). Die Alters- und Geschlechtsspezifität der Bulimie lassen vermuten, dass der Übergang vom Kind zur Frau eine wichtige Rolle für die Entwicklung einer Bulimie spielt. Während der Körper des Mädchens von Geburt an zunächst eher dem eines Jungen gleicht, beginnt er nun, weibliche Formen zu entwickeln: die Brüste wachsen, die Hüfte und der Po werden runder und die Menstruation setzt ein. Und dabei beginnt das Mädchen genau in dieser Zeitspanne, ihrem Körper mehr Bedeutung zu schenken: Es konzentriert sich auf Schönheit, Attraktivität und Schlankheit. Die Fremd- und Eigenbewertung der jetzigen und zukünftigen Attraktivität für Männer und der Vergleich mit Gleichaltrigen spielen eine große Rolle. Und nicht selten hängen Aussehen und Ansehen unter Pubertierenden eng zusammen.

Konflikte entstehen auch hinsichtlich der sexuellen Entwicklung. Einerseits werden die Jugendlichen neugierig auf Sexualität, andererseits aber haben sie auch Angst davor. Oftmals unterliegen sie dem sozialen Druck, einen ersten Freund zu haben, den ersten Kuss zu bekommen oder den ersten Sex zu erleben. „Mädchen, die noch Angst oder wenig Interesse verspüren, sich auf Jungen einzulassen, werden häufig in eine Außenseiterrolle gedrängt“ (Wardetzki 2003, S. 162 f).

Feministische Theoretiker sehen die Ursache einer Essstörung in der Abwehr der sexuellen Attraktivität (vgl. Boskind-Lodahl 1976, Wardetzki 2003). Sie gehen davon aus, dass essgestörte Mädchen unbewusst versuchen, ihre sexuelle Entwicklung durch Hungern, Essen oder Erbrechen zu verhindern oder sich dadurch für Männer unattraktiv zu machen. Diese Annahmen konnten jedoch nicht wissenschaftlich bestätigt werden.

2.2.5.2 Streben nach dem Schönheitsideal

„Die geschichtliche Entwicklung sowie Alter, Geschlecht und soziale Klasse der Patienten legen den Schluß nahe, daß spezifische Aspekte psychosozialen Milieus bei prädisponierten heranwachsenden Frauen einen begünstigenden Einfluß auf diese Störung haben“ (Garner 1991, S. 12). Hierzu gehört vor allem das vorherrschende Schlankheitsideal - ein Trend, der seit etwa 40 Jahren seinen Lauf nimmt. Längsschnittuntersuchungen belegen, dass dieser Faktor und die daraus resultierende erhöhte Bedeutung von Figur und Gewicht zu den am besten bestätigten und bedeutungsvollsten einer Essstörung gehören (vgl. Killen et al. 1996, Kraemer et al. 1997, Jacobi et al. 2005).

Das Schönheitsideal in seiner heutigen Ausprägung gab es nicht schon immer. Bis ins 20. Jahrhundert hinein und nach dem Zweiten Weltkrieg waren weibliche Rundungen in vielen Epochen (vor allem in Gotik, Renaissance, Barock und Romantik) ein Muss. In den 20er Jahren des 20.Jahrhunderts veränderte sich der Maßstab: Erstmals wurde Schlankheit ein Zeichen von Schönheit, Gesundheit, Intelligenz und Glück. Dicke Menschen galten zunehmend als hässlich und dumm. Dieser Trend setzte sich in den 60er Jahren fort und dauert bis heute an. Die Puppe „Barbie“, die in dieser Zeit auf den Markt kam, zeigt das Ideal am Deutlichsten. Für Kinder repräsentiert sie die Norm einer erwachsenen Frau. Das Gegenstück „Ken“ hat einen durchtrainierten, schlanken Athletenkörper. Er repräsentiert das Idealbild vieler junger Männer, die versuchen, mit Fitnesswahn und Körperpflege einen muskulösen, glatten und gebräunten Körper zu bekommen. So werden schon die kleinsten Kinder mit diesem Ideal konfrontiert. Heute ist es nicht mehr nur die Frau, die für ihr Aussehen sorgen muss und dies zu einem wichtigen Aspekt ihres Lebens macht. „Das äußere Erscheinungsbild des Mannes rückt immer mehr in den Mittelpunkt, sein Erfolg bei Frauen und im Beruf sind von seinem Äußeren abhängig“ (Osterloh-Schäfer und Vogelbach-Woerner 1997, S. 34).

Die Idealbilder wurden im Laufe der Zeit schlanker, was man bis heute an Models am Besten beobachten kann: Man bekommt den Eindruck, dass Erfolg und Begehrtsein eng mit dem Aussehen verbunden ist. Medizinisch gesehen sind diese jungen Frauen untergewichtig.

Mädchen lassen sich noch stärker als Jungen von diesem Figurdiktat beeinflussen. Straffe Oberschenkel, schmale Taille, flacher Bauch, dünne Arme, ausgeprägte Brust und ewige Jugendlichkeit gelten als erstrebenswert. Jede Erinnerung an die weibliche Fruchtbarkeit (die sogenannten Problemzonen, Dehnungsstreifen, Cellulitis etc.) gilt als peinlich und hässlich. „Ironischerweise gelten heutzutage Frauen als sexuell attraktiv, wenn sie eine Figur haben, die mit dem Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit und des sexuellen Verlangens einhergeht“ (Garner 1991, S. 15).

Wir nutzen unseren Körper und unser Aussehen, um uns in der Gesellschaft zu präsentieren und zu vergleichen. Bei Kindern und Jugendlichen kann man dieses Phänomen gut beobachten. „Im Kindergarten und in der Schule werde sie [dicke Kinder, Anm. d. Verf.] verspottet und abgelehnt. Sie werden als weniger niedlich wahrgenommen und erfahren sich im Vergleich zu anderen als wenig liebenswert“ (Soltau 1994, zit. n. Stein-Hilbers und Becker 1996, S. 15).

Nur ein schlanker Körper wird mit Erfolg, Gesundheit und Selbstbewusstsein assoziiert. „So lautet denn der Auftrag an die Frauen, diesen Auserwählten mit der Traumfigur nachzueifern. Als Preis winkt nicht nur die Attraktivität des eigenen Körpers – den Models wird nämlich unterstellt, dass sie mit ihren idealen Körpermaßen auch den Zustand des Glückes, der vollkommenen Zufriedenheit und der Coolness erreicht haben“ (Gerlinghoff und Backmund 2000b, S.11)

Vor allem in der Adoleszenz wird von der Gesellschaft und den Jugendlichen selbst viel Wert auf Attraktivität und Aussehen gelegt. Entspricht ein Jugendlicher nicht den Vorstellungen der Gleichaltrigen oder der Familie hinsichtlich Gewicht und Aussehen, ist es oftmals der Fall, dass er gehänselt, diskriminiert oder ausgegrenzt wird. Ein negatives Selbstwertgefühl und wenig Selbstbewusstsein ist häufig die Folge.

Schönheitschirurgie, Kosmetikindustrie, Nahrungsmittelindustrie, Pharmazieunternehmen und Bekleidungsindustrie fördern den Trend des Schlankheitsideals durch Werbung für ihre Produkte. Sie alle sorgen dafür, dass das Schönheitsideal unerreichbar bleibt. Wenn wir Frauenzeitschriften aufschlagen, sehen wir auf den ersten Seiten dünne Models und erst weiter hinten „Mode für Mollige“ oder Tipps, wie man die Pfunde am Besten verstecken kann. Die dort abgebildeten Frauen sind allerdings selten dick, sondern sehen eher so aus wie die Durchschnittsfrauen. Auf den folgenden Seiten findet man dann die neuesten Diätvorschläge und Fitnesstipps für eine schlanke und schöne Figur. Und auch immer mehr Männerzeitschriften werben mit derartigen Versprechungen. Dennoch erscheinen hier „Artikel, die Diäten betreffen, etwa 10 mal seltener als in Frauenzeitschriften“ (Wissenschaftliches Kuratorium der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. 2004, S. 41).

Die biologische Entwicklung des weiblichen Körpers geht dagegen eindeutig in die rundere „unmoderne“ Richtung. Frauen, die dem Schönheitsideal nacheifern, sind also in ständigem Kampf gegen ihren Körper. Viele unterwerfen sich Hungerkuren und treiben Sport, auch auf Kosten ihrer Gesundheit und ihres Wohlbefindens. Es herrscht die Ansicht, dass Schönheit machbar ist, was zur Folge hat, dass das Nichterreichen mit persönlichem Versagen gleichgesetzt wird. „Auf der anderen Seite belegen die (...) statistischen Tabellen der Versicherungsgesellschaften, daß das Durchschnittsgewicht für erwachsene Frauen unter 30 Jahren tatsächlich zugenommen hat, (...). Das bedeutet, dass die Kluft zwischen Ideal und Realität größer geworden ist“ (Garner 1991, S.14).

2.2.5.3 Essverhalten und Körpergewicht

Diäten und gezügeltes Essverhalten werden seit langem als Risikofaktor, wenn nicht sogar als Ursache von Essstörungen angesehen. Neuere Längsschnittuntersuchungen bestätigen, dass in vielen Fällen der Bulimie eine Phase des Diäthaltens vorausging (Pudel und Westenhöfer 1998, S. 209 ff., Jacobi et al. 2004).

Personen mit gezügeltem Essverhalten sind meist aufgrund verschiedener gescheiterter Diäten dazu übergegangen, ihre Nahrungsaufnahme durch kognitive Kontrolle einzuschränken. „Menschen mit gezügeltem Essverhalten versuchen, möglichst wenig zu essen, sich von niedrigkalorischen Dingen mit hohem Füllgehalt zu ernähren, süße und fette Nahrungsmittel zu vermeiden und den Zeitpunkt des Essens möglichst weit hinaus zu schieben“ (Franke 2001, S. 377).

Beide Formen, Diäten und gezügeltes Essverhalten, führen immer wieder zu Mangelzuständen, die sich nicht nur auf körperlicher Ebene äußern, sondern auch auf psychischer Ebene. Ein Experiment von Keys et al. aus dem Jahr 1950, die sogenannte Minnesota-Studie, beweist diese Theorie: Hier mussten normalgewichtige Männer ihre tägliche Kalorienaufnahme sechs Monate lang um etwa die Hälfte reduzieren. Nach diesen sechs Monaten hatten die Probanden durchschnittlich 25 Prozent ihres Körpergewichts verloren. Im Laufe der Zeit traten nun gehäuft Heißhungeranfälle auf. Die Testpersonen begannen, sich gehäuft mit Essen und Kochrezepten zu beschäftigen, und man konnte zahlreiche psychische, physische, kognitive und soziale Veränderungen feststellen, die auch bei Bulimikern auftreten, zum Beispiel Depressionen, Angst, Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, sozialer Rückzug, Verlust sexueller Interessen und Störungen in der Sättigungsregulation (vgl. Jacobi et al. 1996, S. 35, Pudel und Westenhöfer 1998, S. 91f).

Menschen, die sich bestimmte Nahrungsmittel oder auch das Essen insgesamt verbieten, empfinden oft gleichzeitig eine große Gier danach. Sie versuchen diese zu kontrollieren und sind so im ständigen Kampf mit sich selbst. Oft kommt es zu Heißhungeranfällen, die wiederum zu weiteren Kontrollanstrengungen führen. Wardle und Beales kamen 1988 bei einem Experiment mit Probanden mit gezügeltem und mit normalem Essverhalten zu dem Ergebnis, dass Menschen mit gezügeltem Essverhalten versuchen, ihre Nahrungsaufnahme kognitiv zu steuern. „Manchmal fällt es ihnen schwer, sich an diese Regeln zu halten. Wenn ihre Entschlossenheit nachläßt oder die Versuchung durch die Umwelt zu groß wird, kann die Kontrolle ihres Eßverhaltens zusammenbrechen“ (Wardle 1991, S. 90).

Hier wird eine neue Theorie bedeutsam: Die Setpoint-Theorie. Die Probanden der Minnesota-Studie verloren nur dann 25 Prozent ihres Körpergewichts, als sie ihre Nahrungsaufnahme um 50 Prozent einschränkten. Setpoint-Theoretiker gehen davon aus, dass im menschlichen Körper Regulationsmechanismen wirken, die das Körpergewicht weitgehend konstant halten, um die Funktionsfähigkeit der Organe zu erhalten, ähnlich wie Temperatur oder Blutdruck reguliert werden. Damit kann der Misserfolg von Diätversuchen und den sogenannten Jojo-Effekt erklärt werden. Pudel und Westenhöfer widerlegen die Theorie zwar nicht entgültig, kommen aber durch zahlreiche Untersuchungen zu folgendem Ergebnis: „Zusammenfassend kann geschlußfolgert werden, daß der Energieverbrauch in einem bestimmten Umfang an die Energiezufuhr angepaßt wird, daß diese Anpassungen aber insgesamt moderat sind, und eine Gewichtszunahme aus physiologischer Sicht nicht unmöglich machen (ebd.1998, S. 110).

Menschen, die Diät halten, greifen oft zu Abführ- und Entwässerungsmitteln oder Appetitzüglern, die einer Gewichtszunahme gegensteuern sollen. Das willentliche Erbrechen ist eine weitere Methode. Im Laufe der Zeit verändert sich der Stoffwechsel des Körpers, der sich an den Nahrungsmangel anpasst, indem der benötigte Grundumsatz gesenkt wird. In der Minnesota-Studie konnte nachgewiesen werden, dass sich der Ruheumsatz der Probanden um 40 Prozent gesenkt hat (vgl. Pudel und Westenhöfer 1998). Dadurch erhöht sich das Risiko einer Gewichtszunahme bei normaler Nahrungsaufnahme. Die Betroffenen stecken also in einem Teufelskreis, der in eine manifeste Essstörung führen kann.

Hinsichtlich des Körpergewichtes als Risikofaktor für eine Essstörung existieren widersprüchliche Studien (vgl. Jacobi und Neubert 2005, S. 78). Jacobi et al. stellten bei Bulimikern ein im Vorfeld überdurchschnittlich höheres Gewicht fest (vgl. ebd. 2005), allerdings nur in Querschnittstudien. Längsschnittuntersuchungen konnten diese Theorie bisher nicht belegen.

Ein wichtigerer Faktor ist die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, die oft mit der Internalisierung des vorherrschenden Schlankheitsideals zusammenhängt. Bei einem Literaturvergleich stellt Buddeberg-Fischer fest, „dass Körperunzufriedenheit besonders bei weiblich Adoleszenten ein weit verbreitetes Phänomen ist, in dessen Folge verstärktes Diätieren praktiziert wird“ (Buddeberg-Fischer 2000, S.11).

2.2.5.4 Individuelle Risikofaktoren

Persönliche Probleme und Konflikte können zum Auslöser oder Risikofaktor einer Essstörung werden, wenn sie das psychische Gleichgewicht einer Person erheblich belasten. Dabei kann es sich um Schulprobleme, um familiäre Probleme oder auch Probleme mit der ersten Liebe handeln. Bei einigen Patienten lösten traumatische Erlebnisse eine Essstörung aus, wie beispielsweise der Verlust einer engen Bezugsperson, die Scheidung der Eltern oder eine negative sexuelle Erfahrung. Solche Erfahrungen kommen aber immer nur dann als Auslöser infrage, wenn verschiedene prädisponierende Faktoren bereits vorliegen.

Neben solchen von außen auf die Person einwirkenden Ereignissen können auch innere psychische Symptome oder Erkrankungen ein Risikofaktor für eine Essstörung sein. Untersuchungen bestätigen, dass ein geringes Selbstwertgefühl, eine starke Außenorientierung an den Erwartungen anderer sowie Verlust- und Trennungsängste häufig mit einer Essstörung korrelieren (vgl. Gerlinghoff und Backmund 2000a, Franke 2001, Jacobi und Neubert 2005). Auch verschiedene Längsschnittuntersuchungen bestätigen dieses Ergebnis (vgl. Jacobi et al. 2004).

Oft ist die Rede von einer gestörte Identitäts- und Autonomieentwicklung, die ich später im Zusammenhang mit Familienstrukturen genauer ansprechen werde.

In der heutigen Zeit gilt Unabhängigkeit als zentraler Wert. Hierbei bleibt die von Mead[15] definierte soziale Identität allerdings unberücksichtigt: Das Individuum hat neben dem von ihm erwarteten Unabhängigkeitsstreben auch das Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit und sozialer Verbundenheit. Auch Isolation, Einsamkeit oder Ausgrenzung können eine psychische Erkrankung auslösen – Faktoren, die bei Essgestörten gehäuft auftreten.

Bei Bulimikern treten im Zusammenhang mit der Erkrankung häufig depressive Symptome auf. Sie verspüren ein Gefühl der inneren Leere, Hilflosigkeit und Scham.

Beginnt die Erkrankung in der Pubertät und verfestigt sich im Laufe der Zeit, ist das häufig ein Zeichen dafür, dass es den Betroffenen nicht gelungen ist, eine reife Geschlechtsidentität auszubilden.

Essgestörte Menschen können ihre eigenen Bedürfnisse und Emotionen nicht oder nur unzureichend wahrnehmen. Diese werden meist unbewusst mit Nahrung befriedigt, aber auch mit Alkohol oder Drogen. Von einigen Autoren wird das Erbrechen in einem bulimischen Anfall als Mittel zur Spannungsreduktion beschrieben (vgl. Steinhausen 2000, Pudel und Westenhöfer 1998). Andere Techniken zur Stress- und Problembewältigung sind offenbar von Anfang an nicht erlernt worden oder die Betroffenen haben sie im Laufe der Erkrankung verlernt.

Verschiedene Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass die Persönlichkeitsstruktur Essgestörter der von Borderline-Patienten weitgehend gleicht (Tarr-Krüger 1990, Sipos und Schweiger 2005). Symptome, wie Affektlabilität, Impulsivität, instabile aber intensive zwischenmenschliche Beziehungen, Trennungsängste, chronisches Gefühl von Leere und Sinnlosigkeit, Identitätsstörungen, dissoziative Störungen. „Bei der Bulimia Nervosa besteht bei 25% das Vollbild einer BPS [Borderline-Persönlichkeitsstörung, Anm. d. Verf.] weitere 35% erfüllen einzelne Symptome der BPS “ (Braun et al. 1994 zit. n. Sipos und Schweiger 2005, S. 64).

Wardetzki vertritt die These, dass Bulimie eng mit einer narzisstischen Selbstwertproblematik zusammen hängt (ebd. 1990, 2003). Narzisstische Menschen streben ihr ganzes Leben einem Ideal nach, dass durch Leistung, Erfolg, Ansehen und Reichtum gekennzeichnet ist. Nur, wenn sie diese Werte erreichen und andere darin übertreffen, sehen sie in ihrem Leben einen Sinn. Narzisstische Menschen erreichen ihr angestrebtes Ideal nie oder nur selten. Daraus resultieren Minderwertigkeitsgefühle, Versagensängste und eine ständige Unzufriedenheit mit sich selbst – Eigenschaften, mit denen auch Bulimikerinnen beschrieben werden können. „Das mangelnde Selbstwertgefühl der Bulimikerin soll durch einen makellosen Körper und ein attraktives Äußeres ausgeglichen werden“ (Wardetzki 2003, S. 188). Dieses endlose Streben nach immer mehr findet man auch in unserer Gesellschaft wieder: Wachstum, Reichtum und Ansehen sind die Ideale der Industriegesellschaften. Hier bestimmen beruflicher Erfolg, Reichtum und die Position den Wert des Menschen.

All diese zuletzt genannten psychischen Auffälligkeiten von Bulimikern subsumieren Jacobi et al. (2005) unter „allgemeiner psychischer Morbidität und negativer Affektivität“, die, wie sie bestätigen, in verschiedenen Längsschnittstudien als ein bedeutender Risikofaktor der Bulimie gefunden wurden.

Psychoanalytiker suchen die Ursachen einer Essstörung in der frühen Entwicklung und Sozialisation des Kindes. Sie bringen die Bulimie in Verbindung mit innerpsychischen Konflikten in der oralen Phase. Sie ordnen Entwicklungsphasen mögliche negative Einflüsse oder Erfahrungen zu, die sich in späteren Jahren in einer Essstörung äußern können. Beispielsweise beschreibt Wardetzki bei Essgestörten eine orale Grundstörung, die durch „frühe Erfahrung großer Distanz [von der Mutter, Anm. d. Verf.] in einer Zeit, in der das Kind auf symbiotische Verschmelzung angewiesen ist“ (ebd. 1990, S. 59) entstanden ist. Die Mutter ist gerade in den ersten Jahren die einzige Quelle der Bedürfnisbefriedigung.

Vernachlässigung oder übertriebene Fürsorge in der Phase, in der das Kind beginnt, sich erstmals von der Mutter abzulösen, führen beide dazu, dass die Entfaltung eines selbständigen Ichs behindert wird. „Die ambivalente, konfliktbeladene Beziehung zur Mutter, die Abwehr der Weiblichkeit, die Angst vor der eigenen Sexualität werden als so konfliktträchtig angesehen, dass eine Regression, ein Rückzug in die Oralität stattfindet, um die Spannungen abzubauen, die diese Konflikte hervorruft“ (Stein-Hilbers und Becker 1996, S.31). Bach dieser Theorie assoziieren Bulimiker Nahrung, sobald sie diese aufgenommen haben, mit der „bösen, rachsüchtigen Mutter“ (Wardetzki 1990, S.59) und möchten sich durch Erbrechen wieder von ihr befreien.

Lerntheoretiker, wie beispielsweise Bandura (1979), sehen die fehlerhafte Entwicklung darin, dass es der Mutter nicht gelang, die Bedürfnisse des Säuglings zu erkennen. Essgestörte bekamen als Säugling oft Nahrung, sobald sie anfingen zu schreien, auch wenn sie beispielsweise Nähe suchten. Dadurch kommt es möglicherweise zu einer unzureichenden Gefühlswahrnehmung und –differenzierung. Reagiert die Mutter hingegen mit Ärger auf das aus Hunger schreiende Kind, oder reagiert sie gar nicht, wird es seine Bedürfnisse als schlecht oder unwichtig ansehen, und sie künftig eher verdrängen.

Solchen Lernerfahrungen wird auch die Imitation des Essverhaltens von Bezugspersonen zugeordnet, auf die ich unter Kapitel 2.2.5.6 genauer eingehen werde.

So trägt jede Theorie zum Verständnis des außerordentlich komplexen Phänomens „Essstörungen“ bei.

2.2.5.5 Sexueller und körperlicher Missbrauch

Ein Teil der Menschen, die in ihrer Kindheit sexuell oder körperlich missbraucht wurden, bilden in der Pubertät eine Essstörung aus. „Die Häufigkeitsangaben der Literatur hierzu bewegen sich zwischen 25 und 50% der untersuchten Patientinnen (Oppenheimer et al. 1985, Hall et al. 1989, de Groot et al. 1992, zit.n. Jacobi et al. 1996, S. 17). Dieser Faktor wurde auch durch Längsschnittuntersuchungen bestätigt (vgl. Jacobi et al. 2004, 2005).

„Die Formen des [sexuellen; d.V.] Mißbrauchs reichten von anzüglichen Reden und einem sexualisierten Familienklima über Onanieren vor den Augen oder zwischen den Beinen des Säuglings oder größeren Mädchens, gegenseitigem Berühren der Sexualorgane bis hin zum oralen oder vaginalen Verkehr“ (Wardetzki 2003, S. 164 f.). In den meisten Fällen sind Väter, Großväter, Onkel oder Freunde der Familie die Täter. Seltener sind es Mütter oder Fremde. Bei Betroffenen ist die körperliche und vor allem die sexuelle Entwicklung auffällig gestört. Sie lernen nie, körperliche Grenzen aufzubauen, schämen sich ihres Körpers und ihres Selbst und nur schwer können sie eine intime Beziehung zu anderen Personen aufbauen. „Als Erwachsene wird sie sich später entweder total verschließen oder dazu neigen, sich von anderen ausnutzen zu lassen und erneut mißbrauchen zu lassen“ (Wardetzki 2003, S. 165).

Auch körperliche Züchtigung, Schlagen mit dem Stock, den Händen oder Fäusten, Schubsen und Treten und andere Arten von körperlicher Gewalt prägen sich im Menschen als tiefe Wunden und Verunsicherung der gesamten Persönlichkeit ein und können die spätere Erkrankung an einer Essstörung begünstigen.

Sexueller und körperlicher Missbrauch gilt als ein möglicher Auslöser einer Essstörung, besonders einer Bulimie, ist allerdings hierfür nicht spezifisch. „Traumata dieser Art müssen zwar als erhebliche Risikofaktoren gelten, sind jedoch weit verbreitet, weshalb sie bei sorgfältiger Exploration in nahezu allen klinischen und nicht-klinischen Stichproben gefunden werden“ (Jacobi et al. 1996, S.16).

2.2.5.6 Dysfunktionale Familienstrukturen

In fast allen Erklärungsmodellen werden dysfunktionale Familienstrukturen als Ursache von Essstörungen angesprochen. Die folgenden Thesen stammen aus Querschnittuntersuchungen und persönlichen Erfahrungen verschiedener Autoren. Längsschnittuntersuchungen wurden meines Wissen hierzu noch nicht durchgeführt.

Hauptvertreter sind die systemischen Theoretiker. Minuchin (1987) und Satir () beispielsweise betrachten die Familie als ein System, dessen Bestandteile untrennbar miteinander zusammenhängen. Die Bestandteile sind die einzelnen Familienmitglieder, die alle dabei mitwirken, dass das System als Ganzes funktioniert. Daraus kann man schlussfolgern: „Ein Symptom, das eine Person entwickelt, wie eine Magersucht oder Bulimie, ist untrennbar mit familiären/partnerschaftlichen Regeln und Mustern verbunden und somit immer ein Teil des ganzen Familien- oder Partnersystems“ (Wardetzki 2003, S.88). Dysfunktionale familiale Beziehungsmuster verhindern die Entwicklung einer stabilen Identität und eines positiven Selbstwertgefühl.

Eltern mit gestörtem Essverhalten beeinflussen das Essverhalten der Kinder negativ. Wenn Essen in der Familie einen großen Stellenwert hat oder ein Elternteil weniger isst als die anderen, Diät macht oder Aussehen und Figur große Bedeutung beimisst, kann es dazu kommen, dass die Kinder, wenn auch ungewollt, unter Druck gesetzt werden. „Steht die Mutter ihrem eigenen Körper ambivalent oder feindlich gegenüber, so überträgt sich diese Spannung auch auf die Tochter in Form von Unsicherheit, Angst und verstärkter Abhängigkeit“ (Tarr-Krüger 1990, S. 77).

Untersuchungen ergeben, dass Familien von Bulimikern bestimmte Ähnlichkeiten aufweisen (vgl. Selvini-Palazzoli 1982, Jacobi et al. 1996, Gerlinghoff und Backmund 2000a). In solchen Familie hat Harmonie einen hohen Stellenwert. Die Beziehungen untereinander sind eher locker und unbestimmt. In Familien Essgestörter fehlt es zudem häufig an klaren Grenzen zwischen den einzelnen Mitgliedern und den Subsystemen der Eltern und Kinder. Fehlende Distanz beeinträchtigt die Autonomieentwicklung und die Eigenverantwortung des Einzelnen. „Die Familien empfinden Außenkontakte und eine beginnende Loslösung der heranwachsenden Kinder oft als bedrohlich. Sie entwickeln einen hochgradig engen Zusammenhalt“ (Jacobi et al. 1996, S.16). Die Selbstentfaltung der Jugendlichen wird durch solche Grenzverwischungen erschwert. Oft können sie nicht mehr zwischen Eigen- und Fremdansprüchen differenzieren. Essstörungen können ein Versuch sein, diese Orientierungslosigkeit zu lösen.

Gefühle und Bedürfnisse werden nicht offen ausgesprochen und Konflikte nicht offen ausgetragen. Im Gegensatz hierzu herrscht allerdings ein hohes unterschwelliges Konfliktpotential, was im Endeffekt dazu führt, dass das Individuum nicht konfliktfähig wird. Kommunikation findet häufiger über dritte Personen als direkt miteinander statt.

Liebe und Zuwendung werden in vielen Familien Essgestörter nur in Maßen vergeben. Meist dienen sie als Sanktionsmittel, die gesetzten Erwartungen einzufordern. Fehlende emotionale Zuwendung führt zu einer Störung des subjektiven Körperbewusstseins, so dass eigene Gefühle nicht mehr differenziert wahrgenommen werden können.

Nach Außen soll die Familie perfekt aussehen. Werte, wie Pflichterfüllung, Leistung, Ordnung und Bildung stehen im Vordergrund. Bis in die Pubertät bezieht sich der Leistungsdruck hauptsächlich auf die Schule. In der Pubertät müssen sich die Jugendlichen darüber hinaus für ihr eigentliches Lebensziel entscheiden. Fehlende Berufsperspektiven und hohe Anforderungen lösen bei ihnen häufig Orientierungslosigkeit aus. Wenn die Lebensplanung von Anfang an ungewiss ist, der Druck der Familie allerdings hoch, so wirkt sich dies auf das Selbstvertrauen aus und kann letztendlich auch eine Essstörung bedingen, vor allem dann, wenn die Jugendlichen mit ihren Problemen allein gelassen werden (vgl. Stahr et al. 1995). Die Leistungsideologie existiert aber nicht nur in der Familie, sie ist eine gesellschaftlich erzeugte und vermittelte Werthaltung, der gerade in der heutigen Zeit eine enorme Bedeutung zukommt.

Vor allem bei Kindern und Jugendlichen, deren einzige Bezugspersonen ihre Familien-mitglieder sind, wirkt sich ein solches Familienklima negativ aus. Wenn sie mit ihren Problemen und Bedürfnissen und den vielen Veränderungen in der Pubertät allein zurecht kommen müssen, sind sie schnell überfordert, was sich in einer psychosomatischen, psychischen oder somatischen Erkrankung ausdrücken kann. „An der Spitze der Erkrankungen stehen psychosomatische Störungen, insbesondere des Magen- und Darmtraktes sowie Migräne, zunehmend aber auch Eßstörungen“ (Gerlinghoff und Backmund 1998, S. 37).

Auch die Unzufriedenheit in der Ehe (der Eltern oder Großeltern) wirkt sich auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes aus. Es bilden sich kurz- oder langfristige Koalitionen zwischen einem Elternteil und einem Kind und zwischen den Geschwistern herrscht häufig Rivalität, Konkurrenz und Neid (vgl. Gerlinghoff und Backmund 1998).

Solche Familienkonstellationen können neben vielen anderen Erkrankungen auch Essstörungen auslösen. Auffallend ist: „Die Mehrzahl der Querschnittsuntersuchungen bulimischer Patientinnen belegt erhöhte Raten psychiatrischen Störungen in der Verwandtschaft ersten Grades: Essstörungen, Angststörungen, Substanzstörungen und Persönlichkeitsstörungen (...) wurden häufiger unter den Verwandten von bulimischen Patienten gefunden als in Kontrollgruppen“ (Jacobi und Neubert 2005, S. 78).

2.2.5.7 Geschlechtsspezifische Rollenerwartungen

In unserer modernen Gesellschaft werden Frauen mit verschiedensten Erwartungen an sie konfrontiert. Die Rollen der Frau ist nicht mehr eindeutig definiert: Obwohl Frauen heute eine höheres Bildungsniveau haben als früher, ihnen die Berufswelt offen steht und sie dadurch materiell unabhängiger sind, wird von ihnen auch noch gefordert, die traditionelle Rolle der Hausfrau und Mutter zu übernehmen. Demnach ist sie für die sozialen Belange der Familie zuständig: Sie soll sich um die Familie kümmern, die Kinder und den Haushalt versorgen, ihren Mann unterstützen und soziale Kontakte pflegen.

Das führt zu Unsicherheit: Gerade in der Pubertät stehen viele weibliche Jugendliche vor einem Rollenkonflikt. Wollen sie Mutter sein, sich für eine Familie entscheiden und darin aufgehen, wollen sie unabhängig sein, eigenes Geld verdienen und „nebenbei“ eine Familie aufbauen, oder wollen sie Karriere machen und die Familiengründung außen vorlassen? Viele Frauen entscheiden sich für den mittleren Weg: Sie versuchen, Arbeit und Familie zu kombinieren.

Außerdem erlegt sich die Frau der Moderne den Zwang auf, ihr Aussehen und Gewicht zu kontrollieren und dies zu einem wichtigen Thema ihres Lebens zu machen, um den gesellschaftlichen Ansprüchen nach Schönheit und Schlankheit gerecht zu werden (vgl. auch Kap. 2.2.4.1 und Kap. 2.2.4.7).

[...]


[1] ‚Die Welt’ vom 11.Februar 2006

[2] ‚Die Welt’ vom 23.April 2005

[3] „Diese Daten gehen aus dem Bundes-Gesundheitssurvey 1998 hervor und werden durch weitere repräsentative Daten aus dem telefonischen Gesundheitssurvey und dem Mikrozensus 2003 gestützt“ (...). Sie basieren auf der Definition der Weltgesundheitsordung, die Erwachsene ab einem Body-Maß-Index (vgl. Kap. 2.1.3) über 25 als übergewichtig einstuft.

[4] Als Playmates (engl. „Spielkameradin) werden die weiblichen Models bezeichnet, deren Bilder monatlich im Männermagazin „Playboy“ erscheinen

[5] Fränkischer Tag vom 10.06.2005, Pressemitteilung: „ Unterausschuss ‚Ess-Störungen’ gründet sich. Fachbereich Soziale Arbeit der Universität begleitet das Projekt“

[6] „’Gezügeltes Essverhalten’ ist ein zeitlich überdauerndes Verhaltensmuster, das Nahrungsaufnahme durch kognitive Kontrolle über physiologische Hunger- und psychologische Appetitsignale stellt, mit dem Ziel abzunehmen oder das Gewicht zu halten“ (Pudel und Westenhöfer 1998, S.18)

[7] Body-Mass-Index (BMI) = Körpergewicht (in kg) geteilt durch (Körpergröße (in m))²

[8] Ein Syndrom (gr.; “das Zusammenlaufen“) bezeichnet ein „Krankheitsbild, das sich aus dem Zusammentreffen verschiedener charakteristischer Symptome ergibt (Med.)“ (DUDEN – Das Fremdwörterbuch 1997, S. 790)

[9] Laxantien, Laxanzien (Plural, Singular das Laxans; lateinisch): Abführmittel (http://www.wissen.de/wde/ generator/wissen/ressorts/gesundheit/medizin/index/´,page=1176448.html)

[10] Diuretikum (gr.-lat.) das; -s; ...ka: harntreibendes Mittel (DUDEN – Das Fremdwörterbuch 1997, S. 200). Es dient dazu, den Körper zu entwässern und damit das Gewicht zu reduzieren.

[11] Klistiere (das; griechisch): Einlauf; Einführung von Flüssigkeiten in den Mastdarm zu Reinigungs- und Behandlungszwecken mit und ohne Arzneizusatz ((http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ressorts/ gesundheit/medizin/index,page=1090016.html)

[12] Amenorrhöe: (gr.-lat.) die; -, -n: Ausbleiben bzw. Fehlen der Menstruation (DUDEN – Das Fremdwörterbuch 1997, S. 55)

[13] „Das englische Wort „Purging“ als Oberbegriff für künstliches Erbrechen und Abführen lässt anklingen, worum es den Patientinnen – bewusst und unbewusst motiviert – noch geht: die schmerzhafte Reinigung und manchmal lustvolle Bestrafung des verachteten Selbst durch die gewaltsame Wiederausstoßung der bösen Speisen“ (Essen und Gutmann 1989, S.71)

[14] In der Studie von Aschenbrenner et al. (2004) wurden unter anderem 369 Schüler an ost- und westdeutschen Gymnasien befragt. Einschätzungen nach hohem, mittlerem und niedrigen Risiko für Essstörungen können durch den standardisierten Eating-Attitudes-Test (EAT) festgestellt werden, ein Test, in dem Probanten Fragen zu ihrem Essverhalten beantworten müssen.

[15] Mead, Georg Herbert (1863-1931) war amerikanischer Philosoph und Sozialpsychologe. Er beschäftigte sich unter anderem mit Gesellschaft und Identität. Er unterteilte die menschliche Identität in eine personale und soziale Identität, womit er verdeutlichen wollte, dass die Entwicklung einer Identität nicht nur von dem Menschen allein, sondern auch von seinem sozialen Umfeld abhängt.

Ende der Leseprobe aus 170 Seiten

Details

Titel
Prävention von Bulimie (am Beispiel sozialpägogischer Präventionsmaßnahmen in Bamberg)
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
170
Katalognummer
V64451
ISBN (eBook)
9783638572699
ISBN (Buch)
9783656801436
Dateigröße
1240 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Prävention, Bulimie, Beispiel, Präventionsmaßnahmen, Bamberg)
Arbeit zitieren
Anne-Sofie Held (Autor:in), 2006, Prävention von Bulimie (am Beispiel sozialpägogischer Präventionsmaßnahmen in Bamberg), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64451

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