Die Gegenwärtigkeit der NS-Vergangenheit - Erinnerungskultur in Form von Gedenkstätten


Hausarbeit, 2005

19 Seiten


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Die Gegenwärtigkeit der NS-Vergangenheit

3. Gedenkstätten als Form von Erinnerungskultur
3.1 Auschwitz
3.2 Buchenwald
3.3 Bergen-Belsen

4. Die Würde der Opfer
4.1 Wer sind die Opfer?
4.2 Wodurch wird die Würde der Opfer wiederhergestellt?

5. Schlussbemerkungen

Literatur

1.Einleitung

Auch wenn am 8.Mai 1945 die Waffen schwiegen, in Reims und Berlin die bedingungslose Kapitulation unterschrieben und das „Dritte Reich“ liquidiert wurde, - die Geschichte der Hitler-Diktatur war damit nicht zu Ende. Die Zweite Geschichte des Nationalsozialismus hatte schon begonnen: Es ist die bis heute andauernde, konfliktreiche Geschichte der Schuldbewältigung und Schuldverdrängung, des politischen Wandels, des trauernden Gedenkens, des öffentlichen Erinnerns und Vergessens, der historiographischen Deutung und Umdeutung, des Erfindens und Erzählens. (Vgl. Reichel 2001, S.9)

In dieser Hausarbeit werde ich mich mit der Erinnerungskultur in Deutschland beschäftigen. Die ehemaligen Konzentrationslager sind Symbol der Nazi-Verbrechen, die Frage danach, was heute mit den ehemaligen Konzentrationslagern geschieht, wie mit diesen Orten des „Verbrechens“ heute umgegangen wird, finde ich sehr interessant und möchte ihr in der folgenden Hausarbeit nachgehen. Wichtig hierbei ist mir die Frage danach, warum wir überhaupt eine Erinnerungskultur brauchen und komme darüber zur Frage der Würde der Opfer.

Zunächst werde ich mich damit befassen, warum die NS-Vergangenheit noch immer so präsent ist und was sie so einzigartig in der Geschichte macht.

2.Die Gegenwärtigkeit der NS-Vergangenheit

Es ist nicht unbedingt üblich, das eine Vergangenheit nach vielen Jahrzehnten immer noch eine Gegenwart in ihrem Bann hält. Üblich ist es auch nicht, dass alles Vergangene einfach vergeht, vieles was geschehen ist behält seine Nachwirkungen über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte. Jedoch erreichen die meisten Ereignisse irgendwann die Schwelle der „Historisierung“. (Vgl. Meier 1987, S.21) Aber „eben diesen Weg hinter die Schwelle zum „bloß noch Historischen“ scheinen die zwölf Jahre von 1933-1945 nicht antreten zu wollen. Statt schattenhaft scheint diese Vergangenheit sogar immer größer und globaler zu werden, und sie ragt in unverminderter Lebendigkeit in unser Leben hinein.“ (Meier 1987, S.21)

Nun stellt sich natürlich die Frage, warum die NS-Vergangenheit auch heute noch präsent ist. Schon vor Auschwitz geschahen die vielen Millionen Morde der stalinistischen Sowjetunion. Auch nach 1945 hat die Weltgeschichte Völkermorde erlebt. Dennoch ist die Erinnerung an die Untaten anderer viel schwächer oder, was etwa die breite Erregung über die Kriegsführung der USA in Vietnam angeht, kurzfristiger gewesen. (Vgl. Meier 1987, S.22f) Meier versucht in seinem Buch „40 Jahre nach Auschwitz. Deutsche Geschichtserinnerung heute.“ eine Erklärung dafür zu finden und findet diese in der Einzigartigkeit des Holocausts. Zum einen einzigartig weil kein anderer Massenmord so viel erforscht wurde und es zu keinem vergleichbar viele Quellen gibt und zum anderen „weil noch nie zuvor ein Staat ... beschlossen ... hatte, eine bestimmte Menschengruppe einschließlich der Alten, der Frauen, der Kinder und der Säuglinge möglichst restlos zu töten, und diesen Beschluß mit allen nur möglichen staatlichen Machtmitteln in die Tat umsetzte.“ (Meier 1987, S.25f)

Es handelt sich nicht nur um eine Welle des Mordens, sondern eben um den Versuch der systematischen Ausrottung eines ganzen Volkes.

Wie geht ein Volk mit dieser Vergangenheit um? Klar ist, was immer die Deutschen schon während des Krieges über die Judenvernichtung durch Einsatzkommandos und Vernichtungslager wussten, die erste offene und massive Kundgebung davon erreichte sie erst durch die Besatzer (Vgl. Meier1987, S.33). Insgesamt gesehen reagierte das deutsche Volk auf diese Nachrichten wohl eher mit Skepsis, Abwehr und Leugnung als mit Offenheit. Dies ist nicht verwunderlich, man hatte auf den Staat vertraut, man hatte unsagbar viel geopfert. Das konnte nicht so leicht falsch sein. Außerdem waren die meisten eher niedergeschlagen und betäubt und zu elementar mit der Sicherung des eigenen Lebens beschäftigt als dass sie schon Distanz zu dem Geschehenen hätten gewinnen können. (Vgl. Meier 1987, S.33f) Hinzu kamen zahlreiche Solidarisierungen, etwa angesichts der Entnazifizierung. Natürlich soll man auch nicht verkennen, dass es auch viel Umdenken, Leiden und Trauer um das Geschehene gab. Viel mehr jedenfalls als öffentlich artikuliert wurde.

Die Deutschen hatten nicht nur unendlich viel geopfert, unendlich viel verloren und gelitten, sondern man musste sich aufs Übelste betrogen fühlen. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass man das NS-Regime nicht einfach von sich abspalten konnte. Mindestens musste man sich einen Irrtum eingestehen in welchem man sich engagiert hatte. „Es gab das Sich-Sträuben gegen die Einsicht, dass alles, was man selbst und die gefallenen Angehörigen und Kameraden getan und gelitten hatten, nicht nur sinnlos gewesen war, sondern sogar im Dienste eines ganz ungeheuerlichen Verbrechens gestanden hatte. (...) Und es gab das Bedürfnis, gerade angesichts der Niederlage, der außerordentlichen Not und mancher Würdelosigkeit, sich nicht auch noch die eigene Selbstachtung zuschanden gehen zu lassen.“ (Meier 1987, S.57)

Im Laufe der Zeit hat sich die Geschichtserinnerung verändert. Zunächst hat sich das Erscheinungsbild der NS-Vergangenheit verändert, was sich nicht zuletzt aus der Entfernung zur NS-Geschichte ergibt. Auch der Wandel unserer Gesellschaft trägt seinen großen Teil dazu bei. Wie damals gehandelt und gedacht, befohlen und gehorcht wurde, unter welchem Druck, in welcher Bedrängnis, wie viel im Geheimen geschehen konnte, was alles staatliche Instanzen noch an selbstverständlichem Respekt erfuhren, all das liegt schon länger hinter uns. So sehr die Menschen damals große Schwierigkeiten hatten, zu glauben, dass die ungeheuren Verbrechen möglich waren. Vieles, was dabei an Einzelnem zusammenkam, an Handlungen von Polizisten, Lokomotivführern, Denunzianten, Soldaten, Beamten und vielen anderen, das war verständlich weil man all das so oder so oft selbst mitgemacht hatte. „Man kam aus einer Wirklichkeit, in der sehr viel geschossen und en gros gestorben, gepeinigt und gelitten wurde. Insofern konnte man dem fürchterlichen Geschehen, so unverständlich es im Ganzen war, aus der harten, notvollen, strengen Wirklichkeit der damaligen Zeit heraus geistig anders begegnen als heute.“ (Meier 1987, S.65) Aus heutiger Sicht hingegen erscheint das damalige Geschehen viel größer und unverständlicher. Je weiter wir uns also vom NS entfernen, umso mehr tut sich eine Schere auf. Mit jedem tag wächst die Zahl der Deutschen, welche mit den Untaten der damaligen Zeit nichts mehr zu tun haben. Eine Folge davon könnte sein, dass einerseits der Drang, sich davon abzuwenden, größer wird, andererseits von Seiten der Juden, unter welchen ja ebenfalls jüngere Generationen heranwachsen, welchen das Schicksal ihrer Eltern und Großeltern um so riesiger erscheint. „Man sollte da nicht einfach mit Interessen rechnen, sondern mit psychologischen Gesetzmäßigkeiten der Geschichtserinnerung.“ (Meier 1987, S.66)

In Deutschland wurde viel getan zur Wiedergutmachung, vor allem wird bis heute versucht, das Geschehene nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Es ist dabei offensichtlich, dass all das, was an materieller, geistiger und seelischer Wiedergutmachung geleistet wurde gegen das Geschehene gehalten minimal ist, jedoch waren die Wiedergutmachungsleistungen nicht gering und „dass die Bundesrepublik dazu bereit war, und zwar ohne dazu politisch angehalten worden zu sein, war gewiß ein in den „Annalen der internationalen Beziehungen einzigartiger Akt der Sühne“ (New York Times 12.9.52) Doch konnte er ja nicht aufwiegen, was wir angerichtet hatten.“ (Meier 1987, S.53) Für alle geistige und seelische Reue gilt das gleiche.

3. Gedenkstätten als Form von Erinnerungskultur

Wie bereits erwähnt gibt es eine ganze Reihe von Versuchen der Wiedergutmachung und verschiedene Bereiche in welchen mit der Vergangenheit umgegangen wird. Man kann vier verschiedene Handlungsfelder voneinander abgrenzen:

- Die politisch-justitielle Auseinandersetzung mit den Folgen der Hitler Diktatur und ihrer Verbrechen, also das, was seit Jahrzehnten im Kern mit „Vergangenheitsbewältigung“ gemeint ist
- Die Geschichte der ästhetischen Kultur, also subjektive Vergegenwärtigung der NS-Vergangenheit in den künstlerischen Medien
- Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus, also die objektivierende Darstellung und Deutung der Vergangenheit
- Die Geschichte der öffentlichen Erinnerungs- oder Memorialkultur, also die emotionale Hinwendung zur Vergangenheit und ihren Toten in rituellen Erinnerungsfeiern und Gedenktagen, Gedenkstätten und Denkmälern.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Gegenwärtigkeit der NS-Vergangenheit - Erinnerungskultur in Form von Gedenkstätten
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Soziologisches Institut)
Veranstaltung
Soziologische Gegenwartsdiagnose
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V64435
ISBN (eBook)
9783638572552
ISBN (Buch)
9783656789383
Dateigröße
654 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gegenwärtigkeit, NS-Vergangenheit, Erinnerungskultur, Form, Gedenkstätten, Soziologische, Gegenwartsdiagnose
Arbeit zitieren
Heinrike Pfohl-Horster (Autor:in), 2005, Die Gegenwärtigkeit der NS-Vergangenheit - Erinnerungskultur in Form von Gedenkstätten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64435

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