Totalitarismus und Islamismus


Hausarbeit, 2006

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Der Totalitarismus
2.1. Entwicklung des Begriffs
2.2. Das Totalitarismuskonzept von Carl J. Friedrich
2.3. Der Totalitarismus bei Hannah Arendt

3. Islamismus und Dschihad
3.1. Der radikale Islamismus
3.2. Der Dschihad

4. Islamismus und Totalitarismus
4.1. Totalitäre Elemente in der islamistischen Ideologie
4.2. Islamismus und das Totalitarismuskonzept von Carl J. Friedrichs
4.3. Islamismus und das Totalitarismuskonzept von Hannah Arendt

5. Schlussbetrachtung

Literaturliste

1. Einleitung

Der 11. September 2001 ist das einschneidende Datum in der jüngsten Geschichte. Am Morgen dieses Tages entführten Selbstmordattentäter vier Verkehrsflugzeuge und funktionierten diese zu tödlichen Waffen um. Zwei schlugen in die Zwillingstürme des World Trade Centers in New York ein. Als diese einstürzten, begruben sie fast 3000 Menschen unter sich. Ein weiteres Flugzeug wurde in das Pentagon, dem Sitz des US-Verteidigungsministeriums, gelenkt. Die vierte Maschine wurde von mutigen Passagieren über Pennsylvania zum Absturz gebracht. Der Terrorismus hatte eine neue Dimension erreicht. Der Anschlag stellte einen traurigen Rekord an Opfern auf und traf die letzte verbliebene Weltmacht auf ihrem eigenen Territorium. Die Hintermänner der Attentate waren schnell gefunden. Osama bin Laden der Führer des islamistischen Terrornetzwerkes al-Qaida bekannte sich zu den Verbrechen. Doch dies war nur der Auftakt für eine ganze Reihe weiterer Anschläge. Djerba und Bali (beide 2002), Istanbul (2003), Madrid (2004) und London (2005) sind die Stationen eines blutigen Krieges gegen die Werte der westlichen Welt. Angezettelt wird er von radikalen Islamisten, die für einen weltweiten Gottesstaat kämpfen. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Im Rahmen des „Krieges gegen den Terrorismus“ wurden bis jetzt zwei Militärschläge durchgeführt: der erste stürzte Ende 2001 die Talibanherrschaft in Afghanistan, der zweite beendete im März 2003 die Diktatur Saddam Husseins im Irak. Beiden Regimes wurde die Unterstützung von Terroristen vorgeworfen und Hussein sollte zudem noch im Besitz von Massenvernichtungswaffen sein. Doch weder konnten diese Kriege den Terror stoppen, noch wurde der meist gesuchte Terrorist bin Laden gefunden. Im Irak gelang es den Koalitionstruppen nicht schnell genug, das nach dem Krieg herrschende Chaos zu beenden. So konnte sich der Terror dort erst richtig entfalten. Fast täglich explodieren im Irak Bomben oder sprengen sich Selbstmordattentäter in die Luft.

Hinter den Anschlägen stecken meist islamistische Gruppierungen. Sie befinden sich im „heiligen Krieg“, dem Dschihad gegen den Westen und wollen einen islamistischen Gottesstaat errichten. Die Bewegungen basieren auf einer Ideologie, die ihre religiöse Legitimität aus einer radikalen Interpretation des Korans zieht. Der Professor Bassam Tibi zieht als einer der ersten eine Verbindung zwischen dem Islamismus und den Ideologien der Nationalsozialisten in Deutschland bzw. den Kommunisten in der Sowjetunion. Er stellt fest, dass sie sich sehr ähnlich sind und wendet das Konzept des Totalitarismus auf den politischen Islam an (Tibi 2004). Seine Argumentationsweise und der Begriff fanden Eingang in die Debatte um den Konflikt zwischen islamischer und westlicher Welt und werden in dieser häufig verwendet. Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer setzt sich in seinem Buch „Die Rückkehr der Geschichte“ gleich im ersten Kapitel mit dem neuen Totalitarismus auseinander (Fischer 2005). Die Fachzeitschrift Internationale Politik widmet dem Thema „Terror: Der neue Totalitarismus“ eine ganze Ausgabe (Internationale Politik 2005). In dieser äußert der amerikanische Professor Jeffrey Herf seine Enttäuschung darüber, dass die Deutschen die von einem neuen Totalitarismus ausgehenden Gefahren nicht erkennen würden und fordert mehr Engagement Deutschlands im „Krieg der Ideen gegen den radikalen Islam“ (Herf 2005: 6)

Die Bezeichnung des Islamismus als Totalitarismus stellt diesen auf eine Stufe mit dem Naziregime in Deutschland und der kommunistischen Diktatur unter Stalin. Schwere Vorwürfe, die mit dem Begriff erhoben werden und sollten sie zu treffen, könnte das weitreichende Folgen haben. Ohne Frage müsste man sich der Herausforderung stellen und die totalitäre Bewegung bekämpfen. Dies würde eine noch härtere Gangart im Krieg gegen den Terror rechtfertigen. Umso sensibler muss mit dem Totalitarismusbegriff umgegangen werden und umso genauer müssen die Vorwürfe geprüft werden.

Genau dieser Frage möchte ich im Rahmen meiner Hausarbeit nachgehen. Dazu werde ich zunächst den Terminus „Totalitarismus“ näher erläutern. Neben der historischen Entwicklung des Begriffs werden die Definitionen von Carl J. Friedrichs und Hanna Arendt im Vordergrund stehen. Ihre Konzeptionen sind sehr genau und schränken den Begriff gut ein. In weniger eng gefassten Totalitarismustheorien verschwimmen die Grenzen zu anderen Herrschaftsformen wie z.B. der Diktatur oder der Tyrannis. Deshalb beschränke ich mich auf diese beiden Hauptvertreter der Totalitarismusforschung. Allerdings kann im Rahmen dieser Hausarbeit keine umfassende Darstellung der Konzepte erfolgen. Sie müssen auf die zentralen Bestandteile reduziert werden.

Im dritten Kapitel gehe ich auf den Islamismus ein. Auch hier skizziere ich zunächst die Entwicklungsgeschichte und befasse mich dann mit dem Konzept des Dschihad. Anschließend erläutere ich die totalitären Elemente in der Ideologie des Islamismus, um dann die im zweiten Kapitel herausgearbeiteten Merkmale totalitärer Diktaturen bzw. Bewegungen mit den Merkmalen des radikalen Islamismus abzugleichen. In meiner Schlussbetrachtung ziehe ich ein kurzes Resümee und weise auf die Gefahren einer unangebrachten Verwendung des Begriffs Totalitarismus hin.

2. Der Totalitarismus

2.1. Entwicklung des Begriffs

In Europa entwickelten sich nach dem 1. Weltkrieg neue Regime, die mit den herkömmlichen Begriffen der Politikwissenschaft nicht mehr zu charakterisieren waren. Der Kommunismus in der Sowjetunion, der Faschismus in Italien und später der Nationalsozialismus in Deutschland waren in ihrem Herrschaftsanspruch so umfassend, dass sie nicht mehr in klassische Kategorien wie Tyrannis, Autokratie oder Diktatur passten. Kennzeichnend für das Neuartige war eine politische Gewalt, „die aus den administrativen und parlamentarischen Gehegen ausgebrochen ist und sich der Gesamtgesellschaft bemächtigt hat“ (Maier 1996: 120). In Italien umschrieb der Liberale Giovanni Amendola in einem Zeitungsartikel die Mussolini-Herrschaft mit den Worten „sistema totalitario“ (Maier 1996: 121). Diese Begrifflichkeit setzte sich zunächst innerhalb der italienischen Opposition gegen den Faschismus durch und wurde später von anderen übernommen. Vergleiche mit dem Bolschewismus führten in der Folgezeit zur Übertragung des Begriffs auch auf dieses System. Als 1933 das NS-Regime in Deutschland die Macht übernahm und somit eine weitere totalitäre Ideologie sich durchzusetzen drohte, gewann der Terminus „Totalitarismus“ weiteren Auftrieb.

Im Jahre 1939 fand das erste wissenschaftliche Symposium über den totalitären Staat statt. Der amerikanische Sozialwissenschaftler Carlton J. H. Haynes formulierte in diesem Zusammenhang folgende Merkmale für den Totalitarismus: Monopolisierung aller Gewalt, auf die Massen gestützt, Verwendung neuer Propagandamittel, übt große Faszinationskraft durch Missionsglauben aus, Entwicklung eines neuartigen Systems von Methoden und Techniken, benutzt Macht nicht nur als Mittel zum Zweck, Revolte gegen die historische Kultur des Westens (vgl. Jesse 1996: 13). Nach dem Überfall Hitlers auf die Sowjetunion beschränkte sich die Totalitarismusforschung auf den Nationalsozialismus. Aus Rücksichtnahme auf den Partner in der Anti-Hitler-Koalition wurden Parallelen zwischen Deutschland und der Sowjetunion nicht thematisiert. Das änderte sich zu Beginn des Kalten Krieges und dem Bruch dieses Zweckbündnisses nach dem 2. Weltkrieg wieder. Einen großen Anteil am folgenden Aufschwung der Totalitarismusansätze hatten deutscher Emigranten. Besonders erwähnenswert sind hier die Arbeiten von Carl J. Friedrichs und Hannah Arendt, die später noch näher erläutert werden.

Ende der 60er trat eine Phase der Entspannung im Ost-West-Konflikt ein und die Totalitarismuskonzeption rückte wieder in den Hintergrund. Als in den 80ern Dissidenten aus dem Ostblock wie z.B. der Schriftsteller Alexander Solschenizyn über die Untaten des Regimes berichteten, bekam die Totalitarismusdebatte wieder neue Nahrung. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989 wurden immer mehr Verbrechen bekannt und der Begriff erlebte eine regelrechte Renaissance.

In den letzten Jahren wurde der Begriff Totalitarismus häufig auf den radikalen Islamismus angewandt. Wissenschaftler, Politiker und Journalisten befürchten auf Grund der Gemeinsamkeiten des politischen Islam mit traditionellen totalitären Regimes nach dem roten und dem braunen Totalitarismus nun die Entstehung eines grünen.

2.2. Das Totalitarismuskonzept von Carl J. Friedrich

Wenn man sich mit Totalitarismusansätzen auseinandersetzt, kommt man an einem Namen nicht vorbei: Carl Joachim Friedrich. Teilweise in Zusammenarbeit mit seinem damaligen Mitarbeiter Zbigniew Brzezinski entwickelte er eine Konzeption der totalitären Diktatur, die noch heute, wenn auch nicht unumstritten zu den bekanntesten und gebräuchlichsten Totalitarismuskonzepten zählt. Friedrich erkannte, dass die totalitären Diktaturen eine völlig neuartige Erscheinung sui generis sind und dass faschistische und kommunistische Varianten sich ähneln. Zwar weisen sie Unterschiede in ihren historischen Vorraussetzungen, sowie in ihren Absichten und Zielen auf, sind aber in Struktur, Institutionen und Herrschaftsprozessen „im Grunde gleichartig“ (Friedrich/Brzezinski 1996: 228).

Auf Basis dieser Gemeinsamkeiten entwickelte er sechs Wesensmerkmale totalitärer Diktaturen. Charakteristisch sind 1. eine sämtliche Lebensbereiche umfassende, chiliastische Ideologie, an die sich zumindest passiv alle zu halten haben. In den meisten Fällen lehnt diese die bestehende Ordnung ab und ist auf einen idealen Endzustand der Menschheit ausgerichtet. 2. eine Massenpartei, die allein herrscht, hierarchisch, oligarchisch organisiert und eng bzw. völlig mit der Staatsbürokratie verflochten ist. Das 3. Merkmal ist ein Terrorsystem durch Polizei- und/oder Geheimdienstkontrolle verwirklicht, das nicht nur Feinde und Gegner der Ideologie bzw. des Regimes bekämpft, sondern sich auch gegen willkürlich ausgewählte Teile der Bevölkerung richtet. Zudem verfügen totalitäre Diktaturen 4. über ein nahezu vollständiges Monopol über die Massenkommunikationsmittel, 5. über das Gewalt- und Waffenmonopol sowie 6. über eine zentral gelenkte Wirtschaft (vgl. Friedrich/Brzezinski 1996: 231). Friedrich weist darauf hin, dass die sechs Merkmale eng miteinander verflochten sind, in wechselseitiger Beziehung stehen und sich gegenseitig stützen, vergleichbar mit einem organischen System. Deshalb dürften einzelne Merkmale „nicht isoliert betrachtet oder zum Brennpunkt von Vergleichen gemacht werden“ (Friedrich/Brzezinski 1996: 230). Dabei erhebt er für sein Sechspunktesyndrom keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr gibt er zu bedenken, dass es auch noch andere, bisher nicht erkannte Merkmale oder Merkmalsgruppen geben kann. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass es sich um etwas historisch völlig Neues handelt.

Auch zu den Ursprüngen totalitärer Regime äußert sich Friedrich. Sie entstehen, weil es totalitären Bewegungen gelingt, die Macht über eine bestehende Gesellschaft zu übernehmen. Wie es zur Entwicklung dieser Bewegung kommt bzw. ihr Aufstieg zu einer totalitären Diktatur möglich ist, lässt sich jedoch nicht gänzlich erklären. Man könne lediglich einige vorangehende und begleitende Umstände ausmachen und so die Entstehung teilweise begründen.

Wie schon erwähnt, war Friedrichs Konzeption sehr umstritten. Seine Kritiker warfen ihm vor, den Unterschieden zwischen kommunistischen und faschistischen Regimes nicht genug Beachtung zu schenken. Friedrich bestritt nicht, dass es diese Unterschiede gab, doch fanden sie keinen Eingang in seine Theorie. Einige Gegner seines Totalitarismusansatzes vermuteten dahinter einen ideologisch motivierten Angriff auf den Kommunismus. Andere bemängelten, dass die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit seiner Theorie darunter leide, da sie mehr Wertlehre als wissenschaftliches Aussagensystem sei. Die Kritik nahm zu, als er in den 60ern seine Konzeption modifizierte. Nach dem Tode Stalins reduzierte sich in vielen kommunistischen Regimes Umfang und Intensität des Terrors. Damit schien Friedrichs frühere Prognose, dass „die totalitäre Diktatur im Verlauf ihrer weiteren Entwicklung trotz eines wiederholten Auf und Ab in der Intensität totaler Herrschaftsverwirklichung diese in zunehmenden Maß durchbildet.“ (zit. nach: Siegel 1998: 279) widerlegt. Statt nun an seinem Konzept festzuhalten und zu konstatieren, dass es sich nur bei dem kommunistischen Regime unter Stalins Führung um eine totalitäre Diktatur handelte, reduzierte er den Inhalt seiner Definition. Er ersetzte u. a. im 3. Wesensmerkmal (siehe oben) die terroristische Polizeikontrolle durch eine voll entwickelte Geheimpolizei. Nach dieser Anpassung konnten auch andere osteuropäische Regimes als totalitäre Diktaturen klassifiziert werden. Die Modifikation brachte Friedrichs den Vorwurf ein, er hätte sie nur vorgenommen, um die kommunistischen Regime aus ideologischen Beweggründen mit dem Nationalsozialismus gleich setzen zu können.

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Totalitarismus und Islamismus
Hochschule
Universität Hamburg  (Fachbereich Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Grundlagen der Politikwissenschaft
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V64144
ISBN (eBook)
9783638570305
ISBN (Buch)
9783656794332
Dateigröße
527 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Totalitarismus, Islamismus, Grundlagen, Politikwissenschaft
Arbeit zitieren
Sirko Stenz (Autor:in), 2006, Totalitarismus und Islamismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64144

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