Spezielle Probleme der Psychotherapie Älterer: Übertragung und Gegenübertragung


Referat (Ausarbeitung), 1995

12 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Das Phänomen der Übertragung
1.1. Begriffs- und Funktionsbestimmung
1.2. Allgemeine Kennzeichen des Übertragungsphänomens nach Greenson
1.3. Zeitpunkt zum Analysieren von Übertragungen

2. Das Phänomen der Gegenübertragung
2.1. Umgang mit der Gegenübertragung

3. Spezielle Probleme der Psychotherapie mit Älteren
3.1. Die Untersuchung von Kemper (1992)
3.2. Radebold (1992): Psychodynamik und Psychotherapie Älterer
3.2.1. Umgekehrte unbewußte und regelhafte Übertragungskonstellation
3.2.2. Gegenübertragung
3.3. Hirsch (1992): Balintarbeit in der Altenarbeit
3.3.1. Allgemeines
3.3.2. Gerontologische Balintgruppe

4. Ausblick

Literatur

Einleitung

"Analytiker sind nicht weiser und abgeklärter als andere Leute. Sie sind überhaupt nicht an-ders als andere Leute (...) Sobald der Analytiker aus seinem Sprechzimmer tritt, verringert sich sein Vorsprung, und er wird zum Jedermann und benimmt sich wie andere Leute auch (...). Ich selber habe mich weniger verändert als einige von mir analysierte Patienten. "

(Aaron Green, in Malcolm, 1983, S. 130f).

Devereux (1967) interpretiert die Trennung von Forscher und Forschungsobjekt in der zeitgenössischen Psycho­logie als Angst des Forschers vor der Gegenübertragung. Um der mögli­chen Zuneigung der Versuchspersonen zu entgehen, reagiere der Forscher mit Gegenabwehr in Form strenger Me­thoden.

Mit der Berücksichtigung von Übertragungs- und Gegenübertragungsprozessen kommt die Beziehung zwischen Analytiker und Analysand ins Blickfeld. In der heutigen Psychoanalyse (PA) geht es nicht mehr nur um eine Einsicht in frühkindliche Konfliktzusammenhänge, son-dern immer stärker auch um die Analyse des gegenwärtigen Beziehungsgeschehens in der analyti­schen Situation.

1. Das Phänomen der Übertragung

Freud beschreibt 1905 anhand eines eigenen therapeutischen Mißerfolgs, dem Fall "Dora", wie ihm im Nachhinein die große Bedeutung der Übertragung für die PA be­wußt wurde. Bei Dora hatte er während der Behandlung 1900 nicht erkannt, daß sich eine bestimmte Übertra­gungsre­aktion auf ihren Geliebten, nicht auf ihren Vater bezog. Sie agierte, indem sie anstelle ihres Geliebten Freud verließ, d.h. nach drei Monaten die Behandlung vor­zeitig abbrach. Seitdem bezeichnet Freud die Übertragung sowohl als einen der wich­tigsten Bundesgenossen für den Erfolg der Behandlung als auch als einen der häufig­sten Gründe für das Mißlingen der Therapie.

1.1. Begriffs- und Funktionsbestimmung

Übertragung ist nicht immer nur Widerstand, obwohl sie Freud zum ersten Mal in diesem Zu­sammenhang auffiel. Beide, Widerstand und Übertragung, enthalten we­sentliche Informatio­nen über die frühere, verdrängte Lebensgeschichte des Patienten:

"Übertragung ist das Erleben von Gefühlen, Trieben, Einstellungen, Phanta­sien und Abwehr gegenüber einer Person in der Gegenwart, die zu dieser Person nicht passen, sondern die eine Wiederholung von Reaktionen sind, welche ihren Ursprung in der Beziehung zu wichti­gen Figuren der frühen Kindheit haben und unbewußt auf Figuren der Gegenwart verscho­ben werden. " (Greenson, 1986, S.167).

Wir unterscheiden positive Übertragungen (sexuelles Begehren, Sympathie, Liebe, Respekt) und negative Übertragungen (Zorn, Abneigung, Haß, Verachtung) gegenüber dem Analytiker.

Statt sich zu erinnern, neigen Patienten dazu, zu wiederholen. Die Wiederholung ist ein Wi­derstand gegen die Erinnerung. Wird aber die Übertragungsanalyse richtig ein­gesetzt, führt sie zu Erinnerungen, über diese zu Rekonstruktionen und im günsti­gen Fall zur Einsicht und zur Beendigung der Wiederholungen.

Thomä (1984) warnt vor der Gefahr des Mißbrauchs von Übertragungsdeutungen. Würden realitätsgerechte Wahrnehmungen ständig als Übertragungen aus der Vergangenheit gedeutet, könne es zu "chaotischen Übertragungsneurosen oder gar Übertragungspsychosen" kommen (S.54-56).

1.2. Allgemeine Kennzeichen des Übertragungsphänomens nach Greenson

- Unangemessenheit
- Intensität
- Ambivalenz ("keine Liebe ohne Haß" usw.)
- Launenhaftigkeit (besonders zu Beginn der Analyse)
- Zähigkeit (vor allem in späteren Phasen)

Übertragungsreaktionen kommen bei allen Menschen vor, sie entwickeln sich auch in jeder Analyse. Allerdings ist PA riskant, wenn der Patient nicht die Fähigkeit partieller und rever­sibler Regression besitzt. Freud verwendete den Begriff "Übertragungsneurose" zur Kenn­zeichnung von Patien­ten, die diese Fähigkeit haben (im Unterschied zu den narzißtischen Neurosen, die er nicht psychoanalytisch behandeln wollte).

1.3. Zeitpunkt zum Analysieren von Übertragungen

- wenn sie Widerstandsfunktion annimmt, wobei der Rapport zwischen Analytiker und Patien-
ten bereits entwickelt sein muß
- wenn ein optimales Intensitätsniveau erreicht ist, d.h. wenn das Übertragungserlebnis für den

Patienten emotional bedeutsam ist, ihn aber nicht überwältigt.

Um die Übertragungsneurose maximal zu fördern, wahrt der klassische Psychoanalytiker eine relative Anonymität, hält die Abstinenzregel ein und zeigt ein "Spiegelverhalten". Da die Übertragungsneurose ein Artefakt der analytischen Situation ist und als Übergang von der Krankheit zur Gesundheit dient, indem sie an die Stelle der allgemeinen Neurose des Patien­ten tritt, kann und darf sie nur durch die analytische Arbeit aufgelöst werden. In Kurzverfah­ren der PA - so wird befürchtet - geschieht die erforderliche Arbeit nur selektiv und partiell oder gar nicht. Oft würden Übertra­gungsreaktionen befriedigt und manipuliert, was nur kurz­fristige "Übertragungsheilungen" zur Folge habe.

2. Das Phänomen der Gegenübertragung

Dem Begriff der Übertragung auf der Seite des Patienten entspricht das Konzept der Gegen-übertragung des Analytikers.

Freud spricht zum ersten Mal 1912 in seiner Abhandlung "Ratschläge für den Arzt bei der psy­choanalytischen Behandlung" über die Gegenübertragung. Hier weist er dem Analytiker die Rolle der "undurchsichtigen Spiegelplatte" zu, die dabei helfen soll, die Übertragung auch wie­der zu lösen.

Die Gefühle und Gedanken des Analytikers über seine Patienten enthalten natürlich genau wie die des Patienten über ihn unbewußte infantile Komponenten. Die Konflikte mancher Patien­ten liegen nun näher bei denen des Analytikers als die anderer Patienten. Wenn ein Analytiker (u.a. dank seiner eigenen Analyse) nicht beunruhigt wird, an eigene Konflikte erinnert zu wer­den, kann er die Konflikte seiner Patienten auch verstehen und deuten, wenn sie seinen eige­nen nahekommen. Seine Gegenübertragung wird kein Hindernis für den Analysefortschritt des Patienten sein.

Wie die Übertragung kann aber die Gegenübertragung die Analyse stützen oder behin­dern (s.1.). Wir müssen zwischen normaler und pathologischer Gegenübertragung unterscheiden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Spezielle Probleme der Psychotherapie Älterer: Übertragung und Gegenübertragung
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,5
Autor
Jahr
1995
Seiten
12
Katalognummer
V63986
ISBN (eBook)
9783638569088
ISBN (Buch)
9783640171477
Dateigröße
476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spezielle, Probleme, Psychotherapie, Gegenübertragung
Arbeit zitieren
Dipl.-Psych. Renate Schallehn (Autor:in), 1995, Spezielle Probleme der Psychotherapie Älterer: Übertragung und Gegenübertragung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63986

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