Das Ende eines Unternehmens durch Wirtschaftskriminalität der Unternehmer


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2006

18 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung
Unternehmer-Kriminalität ein besonderes Delikt

II. Unternehmer-Motivation zur Kriminalität
Bereicherung oder Puschen zum Wachstum? Beispiele für Manager- Kriminalität, der Löbbert-Prozess

III. Unternehmergeschichte Löbbert

IV. Organisation und Struktur Löbbert-Unternehmen
Erhebliche Lücken und fehlende Überwachung sind Merkmale einer übergroßen Wachstumsrate, kein organische Kontinuität

V. Strafprozess und Ermittlungsergebnisse
Komplexe Verhältnisse der Strafbarkeit und Unternehmereigenschaft, Täterschaft und Manipulations-Urheberschaft identisch?

VI. Geld- und Kapital-Ströme
Verwickelte Verhältnisse von Quelle und Senke in den Kredit- und Darlehensflüssen, Stabsstelle Finanzen als Akteur

VII. Zerschlagung des Löbbert-Unternehmens
Der Generalbevollmächtigte als Treuhänder ist als Bankier kein Vorwärtstreiber eines technologisch orientierten Firmengebildes

VIII. Zusammenfassung
Der Strafprozess ein Lehrstück für Fehler beim Management bei Fällen mehrstelligen Jahreswachstumsraten an Umsätzen. Die Wirtschaftsprüfer dürfen sich nicht mit Erledigung ihrer engeren Aufgaben begnügen, sondern müssen kritisch die Struktur und die Unternehmer-Charaktere durchleuchten

IX. Zum Autor – zum laufenden Prozess

I. Einleitung.

Mit dem Anwachsen der Wirtschaft einerseits und dem Sinken des Vertrauens in ein ethisch hochwertiges menschliches Handeln steigt die Bedeutung kriminellen Handelns. Der Staat reduziert durch den Grundsatz „sine lege nulla poena“ die Beurteilung auf eindeutiges Rechtsverletzen. Umso mehr rücken spektakuläre Gerichts-Prozesse die Wirtschaftskriminalität in das Blickfeld von Unternehmensführungen und Wirtschaftsprüfern. Große Strafprozesse weisen Schadenssummen in mehrstelliger Millionen-Größe auf. Bei den Hauptverhandlungen vor großen Wirtschaftsstrafkammern der Landgerichte liegt den Fällen meist hohe Intransparenz sich verändernder Sachverhalte, Schnittstellen, Personen und Zusammenhänge zugrunde. Die Ermittlung durch die Staatsanwaltschaften mit Schwerpunkt Wirtschaftskriminalität laufen daher oft mehrjährig und die Schwächen des Ergebnisses haben erhebliche prozessuale Auseinandersetzungen zur Folge. Manchmal kann für die Feststellung des Unrechtsgehalts „eine adäquate Bestrafung allein deswegen nicht erfolgen, weil für die gebotene Aufklärung derart komplexer Sachverhalte keine ausreichenden justiziellen Ressourcen zur Verfügung stehen. Dem Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts kann im Bereich des überwiegend tatsächlich und rechtlich schwierigen Wirtschafts- und Steuerstrafrechts nur durch eine spürbare Stärkung der Justiz in diesem Bereich Rechnung getragen werden.“[1]

Mit der steigenden Verwickeltheit der Abhängigkeitsfunktionen in einem Unternehmen mit mehreren vertikalen und horizontalen Unternehmensteilen und Betrieben nehmen auch die Anforderungen an die Sachkunde der Beteiligten des Prozesses zu, wobei „Schöffinnen und Schöffen im Strafprozess nicht über strafrechtliche oder kriminologische Vorkenntnisse verfügen. Sie sollen vielmehr allein ihre Lebenserfahrung und die sozialen Dimensionen aus ihrem beruflichen und sozialen Umfeld vermitteln und so zur Bürgernähe der Rechtsprechung beitragen.“[2] Ein Prozessbeobachter kann den Inhalt und Wahrheitsgehalt nicht erfassen, wenn die mündlichen Aussagen, die relevanten Akten und Anträge der Verteidigung nicht nachlesbar sind, im Gerichtssaal ein dem Stand der heutigen Präsentationstechnik unüblicher Zustand[3] herrscht. Dabei sind Zeugenaussagen bei weiten Zeitabständen zum Ereignis von über 10 Jahren erinnerungsgetrübt und der Beweiskraft des wissenschaftlichen Analyse der Vorgänge und der Zusammenhänge ohnehin unterlegen.

II. Die Unternehmer-Motivation zur Kriminalität.

1. Beispiele für Kriminalität von Managern.

Nach Auffassung der kriminologischen Forschung werden Straftaten infolge des wirtschaftlichen Interesses und Nutzens begangen[4]. Sowohl die Unternehmer bzw. Eigentümer als auch Manager können die jeweiligen Verursacher von Kriminalität sein. Bei den Motiven steht jedoch nicht immer der Eigennutz der jeweilig kriminell handelnden Person im Mittelpunkt, sondern auch das Interesse dieses Managers an einem Vorteil für das Unternehmen selbst.

Die meisten Betrachter der Wirtschaftszene blicken zunächst auf Handlungen wie die der Bestechung bestimmter Personen in einem Auftrag gebenden Unternehmen, wofür der Unternehmer Hellmut Trienekens[5] ein Beispiel sein kann. Es geht hier um die in einer bestimmten Wirtschaftsstruktur notwendigen Schmiergelder in einer Gesamt-Höhe von 29 Millionen DM[6] für das Erreichen der Beauftragung der Errichtung einer Kölner Müllverbrennungsanlage, in der auch weitere Mitbeteiligte als Helfer für die Zurechtrückung der Angebotsunterlagen und der Aufsichtsratsvorsitzender verwickelt sind. Der Geschäftsführer des Sub-Unternehmens RWE-Steinmüller bezeichnet die Höhe von 3 % als nützliche Aufwendung. Der Staatsanwalt ermittelte seit 2001 eine Summe für die Steuerhinterziehung von 5,3 Mill. € für die Zeit 1995 bis 2000. Das Strafurteil vom 17. September 2004 des Landgerichts Köln lautet auf 2 Jahre mit Bewährung und 10 Mill. DM Geldleistung. Am 27.09.2004 legt die Verteidigung Revision beim Bundesgerichtshof ein.

Beispielhaft sei weiter der zielgerichtete Erwerb eines Unternehmens aus der planwirtschaftlichen DDR seitens eines Unternehmens aus der Bundesrepublik DDR angeführt: der Verkauf des Metallurgiehandels der DDR durch die Treuhandanstalt (THA) Juli 1990 an die Firma Thyssen, die 25 % des jährlichen Gewinns als Honorar erhalten sollte. Die Liquidation ermöglichte ein Auflösen der Rückstellungen und damit einen außerordentlich Bilanzgewinn. Nach einem außergerichtlichen Schiedsverfahren zahlte Thyssen 1995 an die THA 240 Mill. DM. Jedoch klagte dann die Staatsanwaltschaft mehrere Thyssen-Manager wegen Untreue gemäß § 266 StGB an. Das Landgericht Berlin beendete nach drei Jahren das Ermittlungsverfahren gemäß § 153a Abs.2 StPO gegen eine Geldauflage von 10 Mill. DM, die Thyssen bezahlte. Die Spitzenmanager waren nicht mehr verwendbar.

Zu ihrem eigenen Vorteil machten in der Flow-Tex-Affäre die geschäftsführenden Gesellschafter zahlreiche Luftgeschäfte mit Horizontalbohrsystemen über ein Leasing-System. Die Banken überwiesen nach bloßer Vorlage von Rechnungen oder Besitzdokumenten den Kaufpreis indirekt an die Täter. Die Wirtschaftsprüfgesellschaft KPMG testierte 1997/1998, zahlte aber nach Aufdeckung von sich aus 100 Mill. DM an die Flow-Tex-Gläubiger. Diese jedoch fordern vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe Schadensersatz für 1,1 Mrd. €, weil ein höherer Finanzbeamter über die Aktion Bescheid wusste. Als Schaden wird – meist bei Banken – ein Betrag von über 1,44 Mrd. DM verzeichnet. Der Betrug 1993/94, in dem der Vorstandsvorsitzende der Balsam AG mit seinem Finanzvorstand weltweit Luftgeschäfte mit Sporthallen-Böden tätigte, indem er über eine Factoring-Gesellschaft Forderungseinzüge geltend machte ist ähnlich motiviert. Der Vertreter der Deutschen Bank im Aufsichtsrat musste 5 Mill. DM Schadensersatz leisten.

Im 2004 begonnenen, gegenwärtig noch laufenden Löbbert-Prozess vor dem Landgericht Münster[7] klagt die Staatsanwaltschaft Bielefeld Mitte 2001 die beiden Mehrheitsaktionäre bzw. Eigentümer Gebrüder Löbbert[8] und den Finanzmanager der Löbbert-Firmen-Gruppe wegen unrichtiger Darstellung gemäß § 331 Abs.1 Nr. 3 HGB, Kreditbetruges gemäß § 265b Abs.1 Nr.1 a) StGB und Kapitalanlagebetruges gemäß § 264 a Abs.1 Nr.1 StGB im Tatzeitraum 1993 bis 1998 an. Nach der Verdachtsbegründung sind 1066 Luftrechnungen [9] von insgesamt 235 Mill. DM zum Schaden von Banken die Beweismittel. Weiter geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die GL[10] faktische Vorstände waren, dass sie die Konzern-Buchhaltung steuerten und Verhandlungen mit Kreditgebern führten. Der eine der GL „wies die gesondert verfolgten (Konzernbuchhalterinen) an, Rechnungen ohne wirtschaftlichen Hintergrund schreiben und einbuchen zu lassen.“

Zu berücksichtigen ist generell, dass es sich hier bei den Rechnungen in der Mehrheit um solche von Gesellschaften aus dem Gebiet der Planwirtschaft DDR handelt, wo die Kontrolle von einer Zentralen Kommission für Staatliche Kontrolle (ZKK) ausgeübt wurde und die im Rechnungswesen Tätigen nur sehr begrenzt Einfluss auf die Erfüllung der Planauflagen nehmen konnten. Man war gewohnt, dass sowohl die Planvorgaben wie auch die Erfüllungsergebnisse angepasst wurden[11]. Die Firma SERO AG, die die Gebrüder Löbbert 1991 aus einem Teil der SERO-DDR übernommen hatten, wurde im Rechnungswesen der Gesellschaften und der Zentrale wesentlich von ehemaligen DDR-Einwohnern bzw. –Ökonomen[12] geführt.

In der Hauptverhandlung werden die von der Staatsanwaltschaft ermittelten Sachstände[13] durch die Große Strafkammer über Zeugenaussagen zu verifizieren gesucht. Die Anwälte der Verteidigung halten den Nachweis einer Bilanzmanipulation für nicht erbracht und weisen die unmittelbare Täterschaft der GL zurück, weil sie keine weisungsbefugte Organschaft ausübten, sondern lediglich als Mehrheitsaktionäre im Aufsichtsrat saßen. DL bestreitet vehement das Motiv „eigene Bereicherung“, allerdings nicht, dass die GL sich als Eigentümer der vielen GmbH. ´s und AGs betrachteten und von daher das Unternehmensgeschehen und die Weiterentwicklung in Richtung auf einen marktbeherrschenden Groß-Konzern beeinflussten. Zeitnah liegt 1998 der Wechsel des ehemaligen Ministers von NRW Mathießen zum Vorstands-Vorsitzenden der Konkurrenz Interseroh in Köln und dessen Verkündung zu einem solchen Konzern. Interseroh erwirbt später die vom Generalbevollmächtigen (Gb) verkaufte Löbbert-Firma HANSA und erreicht damit 2004 78 % seines Umsatzes.

[...]


[1] BGH Urteil v. 02.12.2005 5 StR 119/05. Siehe auch: Schüler, Johannes. StA, DRB NRW am 03.03.2006. Vgl. Landgericht Hamburg, Prozess Ision AG (Alexander Falk), wo der Geschädigte (Britische Telekom) es unterließ, eine Strafanzeige zu erstatten. Geschätzter Schaden 812 Mill. DM.

[2] Niedersächsische Justizministerium, Grußwort anlässlich des Schöffentages am 5.10.2005, 6. Absatz.

[3] Rabich, Adalbert. Der Kriminalitätsprozess als Quelle für den Wirtschaftshistoriker. www.grin.com, Preview 51486. 2006.

[4] Boers, Klaus. Wirtschaftskriminalität und Strafrecht. Vortrag am 11. Mai 2006 in Recklinghausen,, 8. Große Juristenwoche Justizministerium Land NRW.

[5] Begann in den 50iger Jahren mit Müllabfuhr und erzielte 2002 einen Umsatz von 0,9 Mrd. DM bei einem Mitarbeiterstab von 4700.

[6] Über den Geschäftsführer von Anlagenbauer Steinmüller, z.T. an den Geschäftsführer der Kölner Abfallbeseitigung AVG, die 1992 gegründet war und wo 2000 Trienekens 49 % hielt. In dem Prozess wegen Steuerhinterziehung etc. sind auch weitere Personen verwickelt, s. Rügemer, Werner. Freitag 15 v. 02.03.2004, www.freitag.de/2004/15/04150301.php und wdr.de/themen/politik/nrw/muellaffaere_spd/inhalt.

[7] Rabich, Adalbert. Das Löbbert-Imperium und sein Ende. BIG Business Crime 2006, 2 S.8-11

[8] Gebrüder Löbbert = GL, Dieter Löbbert = DL, Johannes Löbbert = JL

[9] Im Verlaufe des Prozesses werden unterschiedliche Zahlen genannt, vermutlich wegen der unterschiedlichen Einstufung als „nicht leistungsunterlegt“.

[10] Die Gebrüder Löbbert wechselten in der fraglichen Zeit ihre Stellungen aus der unmittelbaren zur mittelbaren Tätereigenschaft über die Funktion des Mehrheitsaktionärs bzw. der beherrschenden Gesellschafter.

[11] S. Hartte, Horst. Die wirtschaftliche Rechnungsführung der Betriebe in der Zentralverwaltungs-Wirtschaft der DDR und der Übergang von der Schlussbilanz in Mark der DDR zum 30.06.1990 auf die DM-Eröffnungsbilanz 1.7.1990. Dissertation Typoskript in Fußnote 56: //elib.uni-bamberg.de/volltexte/2002/11/T2Einf.pdf.

[12] 1989 stellv. Generaldirektorin, eingesetzt durch die Gebrüder Löbbert 1993 als Direktorin, 1994 Vorstand.

[13] Bereits 1999/2000 durch Vernehmungen vorbereitet und vorgeklärt. Tatsächlich mussten sehr viele beschlagnahmte Unterlagen gesichtet, klassifiziert und ausgewertet werden. Allerdings liegt kein wissenschaftliches Exzerpt in Computer-Fassung vor, in der die Buchungsvorgänge der Lösch AG und SERO AG, Berlin in ihrer kausalen Verknüpfung detailliert offen gelegt wurden.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Ende eines Unternehmens durch Wirtschaftskriminalität der Unternehmer
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V63861
ISBN (eBook)
9783638568074
ISBN (Buch)
9783640328055
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ende, Unternehmens, Wirtschaftskriminalität, Unternehmer
Arbeit zitieren
Dr.-Ing. Adalbert Rabich (Autor:in), 2006, Das Ende eines Unternehmens durch Wirtschaftskriminalität der Unternehmer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63861

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