Das Gewaltverständnis des Rudi Dutschke


Seminararbeit, 2005

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Gewaltverständnis des Rudi Dutschke5-
2.1. „Ohne Provokation werden wir überhaupt nicht wahrgenommen!“
2.2. Das Konzept Stadtguerilla
2.3. Guter Terrorismus – böser Terrorismus?
2.4. „Die denken nicht an eine Befreiung des Volkes. Sie wollen töten“
Dutschkes Absage an die RAF.

3. Waren Dutschkes Theorien geistige Basis für die Gründung der RAF?

4. Resümée

5. Quellenverzeichnis

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Rudi Dutschke – bis heute ist der Name untrennbar mit der Studentenbe­wegung der 60er und 70er Jahre verbunden. Anhänger sahen und sehen in ihm den charismatischsten Intellektuellen dieser Zeit, der mit seinen pa­thetischen Reden und seinem unerschöpflichen moralischen Impetus den Großteil einer Studentengeneration zu begeistern wusste. Kritiker nann­ten ihn einen verirrten Rebellen und sogar linksfaschistischen Krawallma­cher, der den Großteil einer Jugendgeneration gegen die Politik der Re­gierung der BRD aufhetzte. Rudi Dutschke polarisierte.

Der in dieser Hausarbeit betrachtete Zeitraum Mitte der sechziger bis etwa Anfang der achtziger Jahre war ein sehr bewegter und bewegender Abschnitt der deutschen Geschichte. Den Auftakt zu den hier relevanten Ereignissen bildeten unter anderem die Anti-Schahdemonstrationen, in deren Verlauf 1967 der Student Benno Ohnesorg erschossen wurde. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Stu­denten es­kalierten und bald herrschte in Berlin der Ausnahmezustand. Ein lauwar­mer Krieg im Kalten Krieg, noch dazu in einer Stadt, die seit Been­digung des Zweiten Weltkrieges Spielball im Machtgerangel der Alliierten war.

Von einem Attentäter lebensgefährlich verletzt, verschwand Rudi Dutschke 1968 für mehrere Jahre von der politischen Bildfläche. Wut und Ver­zweiflung über den Anschlag auf Dutschke trieb viele Mitglieder des SDS und der APO in zunehmende Radikalisierung und Gewaltbereitschaft. In diesem Dunstkreis bewegte sich auch Andreas Baader, der 1970 zusam­men mit Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin die Rote Armee Fraktion grün­dete. Die 70er Jahre waren geprägt vom Terror der RAF, der selbst mit der In­haftierung ihrer Anführer 1972 nicht endete. 1977 war das Jahr bru­taler Anschläge, Entführungen und Morde; es ging als „Deutscher Herbst“ in die deutsche Geschichte ein und war der erfolglose Versuch der zwei­ten RAF-Ge­neration, ihre mittlerweile zu lebenslanger Haft verurteilte Füh­rung „frei­zupressen“. Die RAF-„Prominenz“ beging daraufhin in der Nacht zum 18. Oktober 1977 in der JVA Stuttgart-Stammheim kollektiv Selbst­mord. Einzig Irmgard Möller überlebte. Noch heute hält sich unter unver­besserlich Ver­blendeten die Theorie, dass Baader, Raspe und Ensslin durch Vollzugsbe­amte ermordet wurden.

Betrachtet man nun die Entwicklung vom Studentenprotest hin zur Grün­dung einer terroristischen Organisation, stellt sich die Frage, wie es dazu kommen konnte. Auf welcher ideologischen Grundlage hat sich die RAF konstituiert? Womit hat sie ihr kriminelles Handeln begründet und welche Ziele verfolgte sie? Und lässt sich überhaupt eine Verbindung zur Studen­tenbewegung herstellen? Diese Fragen werden unter anderem in dieser Hausarbeit, wenn auch in begrenztem Umfang, zu untersuchen sein. Me­thodisch sollen zunächst die poli­tisch-theoretischen Ansätze Dutschkes näher beleuchtet werden. Welches Verhältnis hatte Dutschke zur Gewalt bzw. zum bewaffneten Kampf? War dies für ihn vielleicht sogar ein proba­tes Mittel zur Durchführung der von ihm angestrebten „Revolution“? Im zweiten Schritt wird überprüft, ob Dutschkes Überlegungen Legitimations­grundlage für die terroristischen Handlungen der RAF gewesen sein könn­ten.

Für die Auseinandersetzung mit den hier aufgeworfenen Fragen möchte ich nicht nur auf Literatur, sondern auch auf Klaus Sterns TV-Dokumenta­tion „Andreas Baader – Der Staatsfeind“ zurückgreifen. Diese liefert viele persönliche Informationen über den Gründer der RAF sowie historische Hintergründe der Studentenrevolte von Zeitgenos­sen, die in sehr unter­schiedliche Lager einzuordnen sind: Ehema­lige BKA-Beamte, Anwälte Baa­ders, Alt-„68er“ wie Rainer Langhans oder Daniel Cohn-Bendit, Baaders ehemalige Lebensgefährtin Ellinor Michel so­wie Anneliese Baader, seine Mutter. Das lässt einen synoptischen Blick auf Baader zu und hat gleich­zeitig chronistischen Wert. An Literatur liegt etwa zugrunde „1968 als My­thos, Chiffre und Zäsur“ von Wolfgang Kraushaar, das recht aktuell ist und einen relativ neuen Forschungsstand vermittelt. Schriften aus den 60er Jahren sollen hier ebenfalls berücksichtigt werden, weil sie durch die Nähe zum Ge­schehen den Zeitgeist besser wiedergeben und oftmals von den Aktivisten selbst verfasst wurden, so zum Beispiel „Protestbewegung und Hochschul­reform“ von Jürgen Habermas, der Dutschke persönlich ge­kannt und sich einige verbale Schlagabtausche mit ihm geliefert hatte. Stefan Austs „Baader-Meinhof-Komplex“ ist bei der Bearbeitung des The­mas obligatorisch.

Das 2005 erschienene Werk „Rudi Dutschke, Andreas Baader und die RAF“ (Kraushaar, Wieland, Reemtsma) soll ebenfalls in die Ausarbeitung ein­fließen, weil es sich explizit mit der hier zu erörternden Fragestellung be­schäftigt.

2. Das Gewaltverständnis des Rudi Dutschke

2.1. „Ohne Provokation werden wir überhaupt nicht wahrgenommen!“

Diese Aussage machte Dutschke am 3. November 1967 in der Fernseh­sendung „Monitor“. Er erklärte, dass erst über die Provokation die Studentenbewegung ein öffentliches Forum für ihre Proteste erhielte. Für Dutschke war die Provokation Protestmethode, das wichtigste Element in ihr die Aktion.

Es stellt sich nun die Frage, welche Form von Provokation Dutschke forcierte. Zu einer konkreten Antwort auf diese Frage gedrängt, hieß es in einem „Spiegel“-Gespräch:

Natürlich nennt er ziemlich zivile Formen von Widerstand: Unterstüt­zung von streikenden Arbeitern in den Betrieben; passive Verhinderung der Auslieferungsprozedur von Springer-Zeitungen, ver­bunden mit einer Enteignungskampagne, von der er, fern der politi­schen Empirie, hofft, sie werde von größeren Teilen der Bevölkerung unterstützt (...)[1].

Er konstatierte weiter, dass etwa das Werfen von „Tomaten und Rauchbomben ohnmächtige Mittel zum Zeichen des Protestes [sind]. Niemand kann sich einbilden, dies sei ein Moment des wirksamen Pro­testes...“[2]. Da er aber um den provokatorischen Wert dieser Aktions­möglichkeiten wusste, lehnte er sie nicht von vornherein ab.

Auch die maßgeblich von Dutschke mitorganisierte (illegale) Plakat-Ak­tion „Amis raus aus Vietnam!“, die in der Nacht zum 4. Februar 1966 stattfand, provozierte. Es kam zu Verhaftungen, der SDS, dem man die Aktion zuschrieb, erntete Kritik und Ablehnung. Aber: Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit waren hergestellt. Die Studenten wurden wahrge­nommen.

Dutschke versuchte sich noch auf andere Weise Gehör zu verschaffen. Er setzte beispielsweise auf Aufklärung – Aufklärung besonders der Ar­beiterschicht über die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der Welt, aber auch in West-Berlin und der übrigen Bundesrepublik. Dutschke war sich bewusst, dass es für ihn ein Privileg war, studieren zu können. Er fühlte sich denen gegenüber, die dieses Privileg nicht genießen durften, dazu verpflichtet, sie mit seinen an der Universität gewonnenen Erkenntnissen aufzuklären: Über Vietnam, Lateinamerika, den Schah von Persien oder die von Alt-Nazis unterminierte Regierung der BRD. Dutschkes Aufklärungsarbeit sollte wachrütteln, und er war erfolgreich damit – jedoch meistenteils bei seinesgleichen. Die Studen­ten entwickelten eine enorme Aktions- und Demonstrationsbereit­schaft. Zu Tausenden gin­gen sie auf die Straßen, protestierten, übten zivilen Ungehorsam. Doch rüttelte Dutschke nicht nur die Jugend wach, sondern schreckte auch die Elterngeneration auf. Das saturierte Kleinbürgertum der sechziger Jahre, das sich über die Studenten und „Gammler“ leiden­schaftlich echauffierte, war die Mitläufergenera­tion, die dreißig Jahre zuvor schweigend das Unrecht Hitlers gebilligt hatte. Die Älteren emp­fanden es als Provokation, an die Feigheit und Fehlbarkeiten vergan­gener Jahre erinnert und trotz aller Entbehrun­gen von den eigenen Kindern nun respektlos behandelt zu werden. Dutschke legte hier seinen Finger in eine Wunde, in der noch immer ein Stachel steckte und schmerzte. Es war beinahe abzusehen, dass dieser Generationenkon­flikt nicht lange gewaltfrei bleiben konnte. Über mangelnde Wahr­nehmung konnte sich Dutschke jedoch nicht be­klagen.

[...]


[1] Jürgen Miermeister: Rudi Dutschke, Hamburg 1986, S. 82.

[2] „Spiegel“-Gespräch vom 10. Juli 1967, hier zitiert nach: Rudi Dutschke: Mein langer Marsch. Reden, Schriften und Tagebücher aus zwanzig Jahren, Hamburg 1980, S. 79.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Das Gewaltverständnis des Rudi Dutschke
Hochschule
Universität Paderborn  (Fakultät für Kulturwissenschaften, Historisches Institut)
Veranstaltung
Grundseminar 'Studenten und Politik im 20. Jahrhundert'
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
22
Katalognummer
V63807
ISBN (eBook)
9783638567619
ISBN (Buch)
9783656815822
Dateigröße
505 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gewaltverständnis, Rudi, Dutschke, Grundseminar, Politik, Jahrhundert“
Arbeit zitieren
Katharina Krause (Autor:in), 2005, Das Gewaltverständnis des Rudi Dutschke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63807

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