Elitenförderung und Elitenrekrutierung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALT

1. Einleitung

2. Die Auserlesenen - Verständnis vom Begriff Elite

3. Elitenförderung und Elitenrekrutierung
3.1. Frankreich
3.2. USA
3.3. Deutschland

4. Schlussbetrachtungen

5. Literaturverzeichnis

1. EINLEITUNG

Dass es in modernen Industriestaaten Eliten gibt, ist nicht umstritten1. Welche Personen oder Gruppen als Eliten bezeichnet werden sollten dafür umso mehr. Genauso strittig ist es, ob und wie die Bildung und Rekrutierung2 von Eliten durch institutionelle Regelungen gefördert werden sollte. Im Bereich des Sports zum Beispiel, ist diese Frage nicht weiter problema- tisch. Die außerordentliche Förderung von ausgewählten Spitzensportlern oder ganzen Sportmannschaften erfreut sich zumeist allgemeingesellschaftli- cher Akzeptanz und wird nur selten ernsthaft kritisch hinterfragt. Ganz anders hingegen in gesellschaftlichen Bereichen wie Politik, Verwaltung oder Wirtschaft. Hier werden Begriffe wie Elitenförderung oder Elitenrekrutie- rung äußerst kritisch betrachtet. Einwände werden oftmals mit einhergehender sozialer Ungerechtigkeit und fehlender Chancengleichheit begründet (Wiesen- dahl 2004: 124).

Zumindest aus staatlicher Perspektive ist die Elitenförderung und -rekrutierung für moderne Industriestaaten aber durchaus interessant und bedeutsam. Be- sonders hochkomplexe und arbeitsteilige Gesellschaften haben einen gewis- sen Bedarf an überdurchschnittlich qualifizierten und leistungsfähigen Men- schen, die in bestimmten Positionen verantwortungsvoll zentrale Entschei- dungen treffen (Urban 2004: 34; Görlitz/Sigrist 2004: 238). Die Frage, die sich daraus ergibt, ist, welche institutionellen Möglichkeiten sich für den Staat bie- ten, damit diese Positionen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft leistungsge- recht besetzt werden können.

In der vorliegenden Arbeit wird dieser Frage nachgegangen. Dafür ist es zunächst notwendig, den Begriff Elite, der ideengeschichtlich stark belastet ist (Krais 2001: 11), in seiner Bedeutung für diese Arbeit abzugrenzen und einzuschränken (Kapitel 2). Ausgehend vom Begriff der Leistungseliten und einer näheren Bestimmung des Begriffs Leistung wird anschließend die Elitenförderung und -rekrutierung an den Fallbeispielen Frankreich, USA, und Deutschland dargestellt (Kapitel 3). Dabei wird herausgearbeitet ob und wie Eliten institutionell gefördert werden und inwieweit die individuelle Leistung als Auswahlkriterium für die jeweiligen Spitzenpositionen dient.

Die Auswahl der Staaten erfolgte auf Grund der unterschiedlichen Methoden zur Elitenförderung und -rekrutierung in den Bereichen Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Während in Frankreich dafür staatliche Schulen eine herausragen- de Rolle spielen, sind in den USA überwiegend private Schulen von Bedeu- tung. In Deutschland hingegen sind solche speziellen Institutionen - ganz gleich ob privat und staatlich - dahingehend noch völlig unbedeutend. Diese Untersuchung der unterschiedlichen Systeme zeigt, dass formale Quali- fikationen als Leistungskriterien durchaus unterschiedliche Bedeutungen für die Elitenförderung und -rekrutierung haben können. Als Leistungen werden zudem oftmals auch soziale Kompetenzen und bestimmte Persönlichkeits- merkmale bestimmt, die nur schwer zu objektiv messbar sind, aber trotzdem der Auswahl von Personen dienen.

2. DIE AUSERLESENEN - VERSTÄNDNIS VOM BEGRIF E LITE

In der politikwissenschaftlichen und soziologischen Fachliteratur finden sich zahlreiche und zum Teil auch deutlich unterschiedliche Definitionen und Vor- stellungen vom Begriff Elite. Auch in die Alltagssprache hat dieser Begriff Ein- gang gefunden und in der Verwendung dabei nicht selten eine negative Kon- notation. Der Begriff Elite ist daher recht diffus und sollte für eine eindeutige Verwendung zumindest genauer eingeschränkt oder abgegrenzt werden. Da- für ist es sinnvoll den Begriff zuerst etymologisch zu betrachten und danach den für diese Arbeit zentralen Elitenbegriff abzuleiten und einzugrenzen.

Der Terminus Elite ist erst etwa 200 Jahre alt und stammt von dem lateini- schen Wort eligere ab, was soviel bedeutet wie auslesen oder sorgfältig aus- wählen (Schäfers 2004: 3 / Wasner 2004: 16). Ursprünglich ist Elite ein demo- kratischer Begriff (Bude 1997: 11). Er wurde im 18. Jahrhundert vom französi- schen Bürgertum als demokratischer Kampfbegriff gegen Adel und Klerus verwendet (Hartmann 2004: 9). Anstatt der familiären Abstammung sollte im zukünftigen Frankreich die individuelle Leistung eines jeden Bürgers das ent- scheidende Auswahlkriterium für die Besetzung gesellschaftlicher Spitzenpo- sitionen sein (Hartmann 2004: 9).

In der ursprünglichen Wortbedeutung wurde also das Prinzip der gerechten und chancengleichen Auswahl mit dem Kriterium der Leistung verknüpft. Einer allgemeinen Definition entspricht dies nicht3.

Grundlegend ergeben sich beim Begriff Elite zwei Ebenen. Auf der quantitati- ven Ebene ist festzustellen, wer ausgewählt wurde und damit auch wie viele Personen die Auswahl insgesamt umfasst. Auf der qualitativen Ebene ist die entscheidende Frage, warum diejenigen Personen ausgewählt wurden. Hier ist die individuelle Leistung nur eines von vielen möglichen Auswahlkriterien4. Für moderne, industriestaatliche Demokratien hingegen ist sie gleichwohl das zentralste. Denn Spitzenleistungen sind für technische, wirtschaftliche, politi- sche und gesellschaftliche Entwicklungen nahezu unentbehrlich. Und in Zeiten weltweit verfügbaren Wissens und ständigen Fortschritts sowie global agie- render Unternehmen, Organisationen und Institutionen sind genau diese Ent- wicklungen für die Gesellschaft von großer Bedeutung. Leistung im weitesten Sinne ist aber auch das einzige Kriterium, das in heutigen Demokratien eine größtmöglichste Akzeptanz für die Rechtfertigung von Elitenförderung und Privilegierung ermöglicht5.

Hans P. Dreitzel entwickelte daher Anfang der 1960er Jahre für moderne, demokratische Gesellschaften den Begriff Leistungselite 6 . Als Leistungselite definiert er die „Inhaber von Spitzenpositionen in der Gesellschaft, die auf Grund einer sich wesentlich an der (persönlichen) Leistung orientierenden Auslese in diese Positionen gelangt sind.“ (Dreitzel 1962: 67). Im Folgenden ist diese Definition die normative Grundlage und der Maßstab für die Elitenför- derung und Elitenrekrutierung. Personen sollen danach also ausschließlich auf Grund ihrer individuellen und herausragenden Leistungen in gesellschaftliche Spitzenpositionen gelangen können.

Mit dem Kriterium der Leistung ergibt sich allerdings das Problem, dass vorab zu bestimmen ist, was als Leistung angesehen werden soll. In verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen sind durchaus unterschiedliche Leistungen erfor- derlich oder erwünscht. Außerdem ist es auch möglich, dass fiktive oder ideo- logisch behauptete Leistungen als Auswahlkriterium festgelegt werden, um so bestimmte Rekrutierungen durch das Leistungskriterium zu rechtfertigen.

Um das möglichst zu unterbinden und das entscheidende Auswahlkriterium Leistung näher zu spezifizieren, muss es daher an zwei Bedingungen ge- knüpft werden: 1.) die Leistung muss öffentlich als Erfolg anerkannt werden und 2.) die Leistung muss für bestimmte gesellschaftliche Bereiche als be- deutsam erachtet werden (Krais 2001: 20). Die gesellschaftliche Anerkennung für die erbrachte Leistung darf aber nicht als Messinstrument für die Höhe der Leistung genutzt werden, sondern sollte nur ein mögliches Resultat einer ob- jektiven Leistungsmessung sein. Wird in diesem Fall dann die anerkannte Leistung auch noch in bestimmten Bereichen als gesellschaftlich bedeutend empfunden, kann sie dort als Auswahlkriterium für Spitzenpositionen dienen.

3. ELITENFÖRDERUNG UND ELITENREKRUTIERUNG

Bevor im Folgenden die Elitenförderung und -rekrutierung in Frankreich, den USA und Deutschland in den gesellschaftlichen Bereichen Politik, Verwaltung und Wirtschaft betrachtet werden kann, muss zunächst noch grundsätzlich geklärt werden a) was in dieser Arbeit unter Elitenförderung und Elitenrekrutie- rung verstanden wird, b) was unter Spitzenpositionen zu verstehen ist und c) welche faktischen Leistungen in den Bereichen Politik, Verwaltung und Wirt- schaft als Auswahlkriterien für die Besetzung von Spitzenpositionen herange- zogen werden können.

Im Sinne von Leistungseliten bedeutet Elitenförderung, dass eine gewisse Anzahl potentieller Eliten auf verschiedene Art und Weise von bestimmten Teilen oder der gesamten Gesellschaft zielgerichtet unterstützt, gefördert und begünstigt wird, um ein Höchstmaß an Leistung erbringen zu können. Die Eli- tenrekrutierung ist dann die letztendliche Auswahl von Personen für gesell- schaftliche Spitzenpositionen beziehungsweise die Bildung dieser Positionen.

Ausgehend vom Begriff der Leistungseliten muss diese Rekrutierung auf Grund der beschriebenen, individuellen Leistung erfolgen. Die rekrutierten Personen stammen daher höchstwahrscheinlich - aber nicht zwingend - aus dem Kreis der bereits geförderten Personen.

Die Positionen, in die die Leistungselite rekrutiert werden müssen, sollten Spitzenpositionen sein, aus denen heraus die Positionsinhaber gesellschaftli- che Macht beziehungsweise bedeutenden Einfluss auf gesellschaftliche Ent- scheidungen ausüben können7 (Hoffmann-Lange 1992: 19). Die relevanten Positionen in dieser Arbeit beschränken sich dabei auf die Bereiche Politik, Verwaltung und Wirtschaft.

Die Definition der erforderlichen Leistungen ist diesen Bereichen allerdings nicht unproblematisch. Besonders im politischen Bereich ist es strittig, welche Leistungen von Eliten in modernen Demokratien zu erbringen sind. Die objektive Messung eventuell geforderter Leistungen8 wie zum Beispiel Sachlichkeit, Ehrlichkeit, Charisma, Durchsetzungsvermögen oder Verantwortungsbewusstsein ist dann ein weiteres Problem.

Eine grundlegende Leistung, die für Eliten in den Bereichen Politik, Verwal- tung und Wirtschaft in modernen, hochkomplexen Gesellschaften sicherlich erforderlich ist, ist die erfolgreiche Aneignung von formalen Qualifikationen und Kompetenzen. Darunter subsumieren sich insbesondere der Erwerb von Sachkompetenzen (sachliche Kenntnisse und Einsichten) und Methodenkom- petenzen (generelle Aneignungs-, Erkenntnis- und Arbeitsmethoden) (Solzba- cher 2004: 369-370). Das erreichte formale Bildungsniveau kann als Leistung zum Beispiel in Form von erbrachten Schulabschlüssen relativ gut gemessen werden, wird in der Gesellschaft als Leistung anerkannt und für viele gesell- schaftliche Bereiche - gerade auch in Politik, Wirtschaft und Verwaltung - als sehr bedeutsam empfunden.

Da die Erbringung dieser Leistung maßgeblich durch die nationalen Bildungs- systeme ermöglicht und gefördert wird, liegt das Hauptaugenmerk der Arbeit in den folgenden Abschnitten daher bei den unterschiedlichen Bildungssyste- men in Frankreich, USA und Deutschland. Es gilt dabei zu untersuchen, in- wieweit die Bildungssysteme einer Elitenförderung und anschließenden Eliten- rekrutierung dienen und inwieweit das beschriebene Leistungskriterium dabei eine entscheidende Rolle spielt.

[...]


1 Klaus K. Urban geht sogar davon aus, dass es „kein gesellschaftliches System - gleich welcher ideologischer Coleur - ohne Eliten“ gibt (Urban 2004: 35).

2 Die Begriffe Elitenförderung und Elitenrekrutierung werden im 3. Kapitel näher erläutert und differenziert.

3 Der Elitenbegriff bekam im Laufe der Zeit eine andere Bedeutung zugeschrieben. Elitentheorien zu Beginn des 20. Jahrhunderts sahen Eliten als Notwendigkeit, um die Volksmassen zu führen und beeinflussten auch die sich entwickelnden faschistischen Bewegungen (Schäfers 2004: 3). Auch hier waren zwar spezifische Leistungen zur Eli- tenrekrutierung nicht unerheblich, zentraler Punkt dieser Theorien war jedoch die Macht. Die so genannte Machtelite verdankt „ihren Einfluss weder ihren überlegenen moralischen Qualitäten noch ihrer herausragenden Erfahrung und Sachkompetenz, sondern dem Vermögen, ihre Interessen und Ziele auch gegen den Widerstand ande- rer zu realisieren, kurz: ihrer überlegenen Durchsetzungsfähigkeit“ (Waldmann 2003: 74). Nach dem zweiten Weltkrieg erfolgte dann - besonders in Deutschland - eine erneute Bestimmung des Elite-Begriffes (Hartmann 2004: 9). Es setzte sich zunächst der Begriff Wertelite durch. Die Wertelite rekrutiert sich aus Personen, die bestimmte ge- samtgesellschaftliche Werte vorbildhaft vertreten und vorleben (Wasner 2004: 20).

4 Vorstellbare Auswahlkriterien sind u.a. diverse soziodemographische (Einkommen, Bildung, Beruf, Alter, Geschlecht etc.) oder psychographische Merkmale (Meinungen, Einstellungen, Charaktermerkmale etc.).

5 Das Verhältnis Elite / Demokratie wird oftmals als Spannungsverhältnis beschrieben. Sebastian Braun fast dieses Verhältnis in drei Kategorien zusammen. Demnach sind Elite und Demokratien entweder: unvereinbar, vereinbar oder unverzichtbar (Braun 1999: 25). Unverzichtbar sind Eliten dabei für repräsentative Demokratien (Braun 1999: 25).

6 Beim Begriff Leistungselite handelt es sich dabei nicht um Pleonasmus, auch wenn das nach der ursprünglichen Wortbedeutung denkbar wäre. Es ist nur eine notwendig gewordene Spezifizierung zur Abgrenzung von anderen historisch gewachsenen Begriffsverständnissen von Elite (z.B. Machtelite oder Wertelite).

7 Diese Positionen können mit der Positionsmethode ermittelt werden Zur Positions- methode siehe z.B. Hoffmann-Lange 1992: 86-90.

8 Die politische Forschung steht bei der Herleitung und Identifikationen von Anfor- derungen und Schlüsselqualifikationen erst am Anfang (Wiesendahl 2004: 127).

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Elitenförderung und Elitenrekrutierung
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Eliten in der BRD
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V63694
ISBN (eBook)
9783638566797
ISBN (Buch)
9783656599272
Dateigröße
399 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit betrachtet und vergleicht auf Basis des Begriffs der Leistungselite die Elitenförderung und Elitenbildung (speziell durch das jeweilige Hochschulssystem) in den Bereichen Politik, Verwaltung und Wirtschaft in Frankreich, USA und Deutschland. Stichworte: Elite, Elitenförderung, Elitenbildung, Elitenrekrutierung, Leistungselite, Frankreich, USA, Deutschland, Hochschulsystem, Grand Écoles, ENA, HEC, Harvard, Princeton, Yale, Ivy League, Studiengebühren, Stipendien, Politik, Wirtschaft
Schlagworte
Elitenförderung, Elitenrekrutierung, Eliten
Arbeit zitieren
Tilo Siewert (Autor:in), 2006, Elitenförderung und Elitenrekrutierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63694

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