Die Bemühungen Deutschlands, Japans, Brasiliens und Indiens um eine Reform des UN-Sicherheitsrates und die Haltung anderer Akteure


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

2 Einleitung und Gegenstand der Arbeit

3 Sicherheitsrat: Aufbau, Funktion und Status quo

4 Notwendigkeit einer Reform des Sicherheitsrates

5 Das Erweiterungsmodell der „G4“-Staaten
5.1 Inhalt
5.2 Ambitionen und Begründungen der G4-Staaten
5.2.1 Bundesrepublik Deutschland
5.2.2 Indien
5.2.3 Brasilien
5.2.4 Japan
5.3 Die Haltung anderer Akteure
5.3.1 USA
5.3.2 China
5.3.3 Russland, Großbritannien und Frankreich
5.3.4 Die Afrikanische Union (AU)
5.3.5 „Coffee-Club“ und Konsensgruppe

6 Bewertung, Fazit und Ausblick

7 Literaturverzeichnis

2 Einleitung und Gegenstand der Arbeit

“Der Sicherheitsrat spiegelt nicht mehr die Verhältnisse des internationalen Systems des 21. Jahrhunderts wider.” Unter dieser Prämisse lassen sich die Reformdebatte und Reform-Notwendigkeit der Vereinten Nationen[1] und insbesondere deren zentralen Organs, des Sicherheitsrates, zusammenfassen. Über die Richtigkeit dieser Aussage besteht deshalb auch bei nahezu allen Mitgliedern der UNO kaum Dissens – das ist verständlich bei dem geschichtlichen Blick auf die Entstehung der UNO als Nachfolger des Völkerbundes und Antwort auf die Folgen des Zweiten Weltkrieges im Vergleich zu den heutigen (insbesondere seit dem Jahre 1990 und dem Ende des Ost-West-Konfliktes) hoch komplex gewordenen Aufgaben. Umso mehr klaffen jedoch die einzelnen Reformvorschläge auseinander, Einigung scheint kaum in Sicht. Wie zu zeigen sein wird, handelt es sich im Diskurs vor allem um folgende Streitpunkte:

1. ständige vs. nicht-ständige Mitgliedschaft
2. Vetorechte
3. geographische Verteilungen

Die unterschiedlichen Vorschläge und Forderungen basieren auf dem nach wie vor verbreiteten Vorrang von nationalen Interessen im internationalen System.

„Die Reform des Sicherheitsrats gehört zu den schwierigsten und machtpolitisch sensibelsten Reformvorhaben. Unabhängig von der Zielvorstellung formulieren sämtliche Reformvorschläge deutliche Kritik an der Zusammensetzung […].“[2]

Ist vor diesem Hintergrund der nationalen und regionalen Interessen überhaupt eine umfassende, optimale Reform denkbar, die auf die global notwendige Arbeit der UNO und des Sicherheitsrates effizienzsteigernd wirkt, oder kann es sich – wie so oft – lediglich um einen politischen Minimalkonsens handeln?

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Darstellung und Analyse eines der jüngsten Vorschläge einer Sicherheitsratreform, der jedoch insofern schon fast wieder veraltet scheint, als dass er im September 2005 beim UNO-Gipfel in New York keine Mehrheiten eingebracht hätte und daher erst gar nicht zur Abstimmung gestellt wurde: Es handelt sich um den so genannten „G4-Vorschlag“ der ambitionierten ständigen Mitglieder Deutschland, Brasilien, Japan und Indien.

Nach einer kurzen überblickartigen Beschreibung des Status quo des Sicherheitsrates (Aufbau, Funktion) und dem Versuch einer allgemeinen Begründung und Notwendigkeit einer Sicherheitsrats-Reform sollen die Bemühungen der vier Staaten auf der einen und die Haltungen anderer Akteure zu dem Reformvorschlag auf der anderen Seite dargestellt und bewertet werden. Dabei sind besonders die USA, die afrikanischen Staaten und der so genannte „Coffee-Club“ zu erwähnen. Es soll ferner dargestellt werden, worauf die Ambitionen der vier genannten Staaten auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat gestützt sind. Da das Thema der Arbeit einen hohen Aktualitätsgrad besitzt, erstreckt sich die Sekundärliteratur im Wesentlichen auf Recherchen im Internet sowie in Zeitungs- und Fachzeitschriftsarchiven.

3 Sicherheitsrat: Aufbau, Funktion und Status quo

“Der Sicherheitsrat ist das mit Abstand mächtigste der sechs Hauptorgane der Vereinten Nationen und auch im gesamten Bereich der internationalen Politik ein einzigartiges Instrument.“[3]

Die Begriffe Macht und Einzigartigkeit prägen dieses Zitat. Seine Macht erhält der Sicherheitsrat durch seine Entscheidungshoheit. Beschlüsse des Sicherheitsrates sind völkerrechtlich bindend. Hierin besteht gleichzeitig die Einzigartigkeit als Instrument der internationalen Politik. Zur Durchsetzung von Beschlüssen bleibt dem Sicherheitsrat ein Sanktionsrecht vorbehalten („Maßnahmen zur zwangsweisen Durchsetzung seiner Beschlüsse“[4] ). Dies impliziert ebenso nicht-militärische (z.B. Wirtschaftsanktionen) wie auch militärische Maßnahmen, die jedoch hintereinander geschaltet sind (Waffengewalt als ultima ratio). Die Charta der UNO schreibt dem Sicherheitsrat vor allem zwei Hauptaufgaben zu:

die Sicherung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit . Zur Verfolgung dieser Ziele übertragen die UNO-Mitglieder die Verantwortung auf den Sicherheitsrat und anerkennen damit dessen Handeln in ihrem Interesse.[5] Diese Übertragung hat somit supranationale Eigenschaften. Zudem betrifft sie auch die punktuelle Einschränkung der Souveränitätshoheit von Staaten, da etwaige Maßnahmen des Sicherheitsrates jene betreffen können.

Bei der Gründung der UNO gehörten dem Sicherheitsrat 11 Mitglieder an. Die fünf ständigen Mitglieder mit Vetorecht – USA, Frankreich, England, die Republik China/Taiwan (seit 1971 Volksrepublik China als Nachfolger) und die Sowjetunion (seit 1991 Russland) – spiegelten die machtpolitische Weltordnung aus den Folgen des Zweiten Weltkrieges wider und sorgten ein Stück weit für Balance. Im Jahr 1966 wurde die Anzahl der nicht-ständigen Mitglieder von sechs auf zehn erhöht. Die nicht-ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates werden von der Generalversammlung in einer geheimen Wahl mit notwendiger Zwei-Drittel-Mehrheit für jeweils zwei Jahre gewählt. Eine direkte Wiederwahl ist nicht möglich. Die Hälfte der zehn nicht-ständigen Mitglieder wechselt jährlich. Die Zusammensetzung ergibt sich im Wesentlichen aus einem kontinentalen Regionalschlüssel. Oft unerwähnt bleibt jedoch die Tatsache, dass Artikel 23 der Charta bei der Wahl „[…] in erster Linie [die Berücksichtigung] der Beiträge von Mitgliedern der Vereinten Nationen zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit und zur Verwirklichung der sonstigen Ziele der Organisation […]“ fordert. Welche Bewertungskriterien für diese Beiträge anzulegen sind, bleibt indes offen, was politische Spielräume aber auch Kritikpunkte schafft.

Folgende zehn Staaten haben im laufenden Jahr 2006 einen nicht-ständigen Sitz inne[6] : Argentinien, Dänemark, Griechenland, Japan und Tansania (alle bis Ende 2006) sowie Ghana, Kartar, Republik Kongo, Peru und Slowakei (alle bis Ende 2007). In Artikel 27 der UN-Charta sind die Abstimmungsverfahren für das Zustandekommen von Beschlüssen geregelt. Unterschieden wird zwischen Verfahrensfragen und „allen sonstigen Fragen“, das sind alle inhaltlichen Fragen. Bei erstgenannten bedarf es einer Mehrheit von neun Stimmen. Im anderen Komplex kommt das Vetorecht der ständigen fünf Mitglieder zum Tragen, deren Zustimmung erforderlich ist. Eine Enthaltung blockiert einen Beschluss dabei jedoch nicht. Durch das Vetorecht sind die ständigen Mitglieder quasi „doppelt privilegiert“[7] Bis zum Ende des Ost-Westkonfliktes wurde die Veto-Möglichkeit überwiegend zu Blockade-Gründen missbraucht, was zu einer „faktischen Lähmung“[8] des Sicherheitsrates führte.

4 Notwendigkeit einer Reform des Sicherheitsrates

Vor dem in Kapitel 3 beschriebenen Hintergrund der Abstimmungs- und Verfahrensregeln verstärkt sich die Komplexität, die sich bereits aus der Zusammensetzung des Sicherheitsrates ergibt, noch weiter und führt zu einem paradoxen Ist-Zustand mit der Notwendigkeit einer Reform auf der einen und der großen Schwierigkeit einer solchen aufgrund der jetzigen Komplexität auf der anderen Seite. Zugespitzt heißt das: Der Sicherheitsrat, wie er heute existiert, stellt einer institutionellen Reform sehr hohe Hürden. Denn eine Reform bedarf der Zustimmung aller fünf ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat.[9] Hier sind es vor allem die Vetomächte, die vor dem inneren Konflikt stehen, ihre starke Position durch eine Reform gegebenenfalls zu schwächen. Doch warum wäre eine Reform derart bedeutend? Die Anforderungen an den Sicherheitsrat haben sich seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes gewandelt. Zwar hat sich dieser von dem Joch eines reinen Blockadeinstrumentes internationaler Politik gelöst, doch besteht derzeit sowohl ein Effizienz- als auch ein Autoritäts- bzw. Legitimationsproblem. Der Sicherheitsrat muss heute sehr schnell entscheidungsfähig, d.h. resolutionsfähig, sein, was zum Beispiel mit dem Wandel von zwischenstaatlichen Kriegen und Konflikten hin zu innerstaatlichen Krisen einhergeht. So besteht unter anderem der Vorwurf, beim Völkermord in Ruanda 1994 beim Eingreifen in den Konflikt, weil zu spät gehandelt, versagt zu haben.

Gareis und Varwick sprechen zudem von einer „Autoritätskrise“ zum Ende der 1990er Jahre, in der der Sicherheitsrat (zum Beispiel im ehemaligen Jugoslawien) „[…] Gefahr lief, sein Monopol auf die Legitimation von Gewaltanwendung zu verlieren.“[10] Regionale Institutionen wie die NATO rückten in den Vordergrund. Da alle Reformvorschläge – auch der in dieser Arbeit behandelte „G4-Vorschlag“ – in jedem Fall eine Erweiterung der Mitgliederzahl des Sicherheitsrat vorsehen, ist es fraglich, ob mehr Mitglieder die Effizienz verbessern würden. Varwick sieht die Gefahr einer „potentiellen Schwächung der Effizienz und Effektivität“ bei einer Erweiterung.[11] Eine wirksame Reform muss daher die Behandlung der Vetofrage in den Vordergrund stellen. Im politischen und wissenschaftlichen Diskurs und insbesondere auch bei der Mehrheit der UNO-Staaten besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass der Reformbedarf des Sicherheitsrates auf seiner nicht mehr anachronistischen Zusammensetzung bezüglich der „weltpolitischen Realitäten“ basiert.[12]

[...]


[1] Im Folgenden der Arbeit mit UNO abgekürzt.

[2] Varwick 2004, 38.

[3] Gareis; Varwick 2002, 49.

[4] Gareis; Varwick 2002, 50.

[5] Vgl. Artikel 24 der UN-Charta. Abgedruckt in: Gareis; Varwick 2002, 301-302.

[6] Daten nach: www.wikipedia.de (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen).

[7] Vgl. Gareis; Varwick 2002, 50.

[8] Gareis; Varwick 2002, 50.

[9] Des Weiteren bedarf es bei einer veränderten Zusammensetzung des Sicherheitsrates einer 2/3-Mehrheit in der Generalversammlung.

[10] Gareis; Varwick 2002, 51.

[11] Varwick 2004, 39.

[12] Vgl.Varwick 2004, 38.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Bemühungen Deutschlands, Japans, Brasiliens und Indiens um eine Reform des UN-Sicherheitsrates und die Haltung anderer Akteure
Hochschule
Philipps-Universität Marburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V63628
ISBN (eBook)
9783638566322
ISBN (Buch)
9783638669436
Dateigröße
584 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Forderung nach Reformen der UN zieht sich durch die vergangenen Jahre - bisher ohne nennenswerten Erfolg. Zentraler Punkt ist immer wieder eine Anpassung des Sicherheitsrates an die weltpolitische Realität des 21. Jahrhunderts. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem "G4-Vorschlag" Deutschlands, Brasiliens, Japans und Indiens in der (gescheiterten) Reformdiskussion 2005 und die Vorschläge und Haltungen anderer wichtiger Akteure (ständige Mitglieder, "Coffee-Club", Afrikanische Union)
Schlagworte
Bemühungen, Deutschlands, Japans, Brasiliens, Indiens, Reform, UN-Sicherheitsrates, Haltung, Akteure
Arbeit zitieren
Till-Bastian Fehringer (Autor:in), 2006, Die Bemühungen Deutschlands, Japans, Brasiliens und Indiens um eine Reform des UN-Sicherheitsrates und die Haltung anderer Akteure, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63628

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