History Wars: The Battle of Truth


Hausarbeit, 2004

42 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALT

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Eine mögliche Geschichte der tasmanischen Aborigines
2.1.1 Europäische Entdeckung
2.1.2 Britische Sträflingskolonie
2.1.3 „Black War“, „Black Line“ und Robinson
2.1.4 „King Billy“ und „Queen Truganini“
2.2. Ethnologie, Geschichte und konstruierte „Wahrheiten“
2.2.1 Australiens Aborigines im Fokus der Humanwissenschaften
2.2.2 Der Streit australischer Historiker um die Geschichte der tasmanischen Aborigines
2.2.3 Tasmanische Aborigines heute: Kampf um Anerkennung und Kompensation
2.2.4 Geschichtsskonstruktion als Mittel politischer Macht

3. Schlussbetrachtung

4. Literaturverzeichnis

5. Anhang

1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit entstand im weiteren Rahmen des Seminars „Australien in der Formierung der ethnologischen Disziplin“ in dem wir die ethnologische Wissenschaftsgeschichte in Beziehung zu den verschiedenen Untersuchungen über die australischen Aborigines gestellt haben .

Das im Laufe der australischen Geschichte vor allem von Ethnologen, Historikern und Politikern konstruierte Bild der Aborigines hat bis heute einen großen Einfluss auf die meist schwierigen Beziehungen zwischen indigenen und nicht-indigenen Australiern. Beschäftigt man sich mit der australischen Kolonialgeschichte und liest die fast ausschließlich von „weißen“ Australiern stammenden Dokumente, so sollte man die verschiedenen Rahmenbedingungen und Umstände unter denen sie entstanden sind nicht außer acht lassen, denn: „History is written by the victor“ (Morgan 1992: 153).

Im ersten Teil meiner Arbeit gebe ich einen kurzen Überblick über die Geschichte Tasmaniens von der europäischen Besiedlung bis zur fast vollständigen Vernichtung der tasmanischen Aborigines im Jahre 1876. Aufgrund der schwierigen Literaturbeschaffung war die Auswahl der entsprechenden Sekundärliteratur sehr eingeschränkt. Demzufolge ist meine zusammenfassende Darstellung der historischen Ereignisse sehr geprägt von Travers Perspektive. Inwieweit es sich dabei um historische „Wahrheiten“ handelt kann ich im Rahmen dieser Arbeit nicht nachprüfen. Doch dient mir dieses Dilemma als gute Überleitung zum zweiten Teil meines Aufsatzes. Hier möchte ich die aktuelle Debatte um das im Jahre 2002 erschienene Buch The Fabrication of Aboriginal History von Keith Windschuttle als Anlass nehmen, um mich mit der Problematik der Konstruktion von Geschichte auseinanderzusetzen. Fabrication benutze ich hierbei als roten Faden und anhand ausgewählter Beispiele versuche ich an dem von Michel Foucault geführten Diskurs von „Macht und Wissen“ anzuknüpfen. Foucaults postmoderne Betrachtungen spielen bis heute eine wesentliche Rolle bei der Analyse und Dekonstruktion von „Aboriginality“. Mit Perspektivwechseln und der ständigen Infragestellung der aktuellen Machtbeziehungen zwischen Aborigines und Nicht-Aborigines versuchen Historiker die australische Geschichte permanent neu zu schreiben.

Die tasmanische Kolonisationsgeschichte steht dabei ganz besonders im Fokus und ist Anlass für hitzige Auseinandersetzungen in den verschiedenen Akademikerkreisen. Tasmanien gilt allgemein als der blutigste und tragischste Ort britischer Kolonisation. Die Politik der britischen Kolonialherren wird gar verglichen mit der der Spanier in Mexiko, der Belgier im Kongo und der Nazis in Deutschland. Lyndall Ryan bezeichnet diese Phase als "a conscious policy of genocide". Die Brisanz dieser von mir gewählten Thematik wird durch eine solche Aussage nur allzu deutlich. Doch kann man ausgehend von der aktuellen Debatte in Australien schon von einem „History war“1 sprechen der Vergleiche mit der Holocaust-Lüge und dem Historikerstreit in Deutschland zulässt? Welche Auswirkungen hat eine solche öffentlich geführte Diskussion für die gemeinsame Zukunft von Aborigines und Nicht-Aborigines, vor allem angesichts der kurz bevorstehenden Wahlen in Australien? Diese sehr komplexen und nicht einfachen Fragen möchte ich am Ende meiner Ausführungen wenigstens teilweise beantwortet haben.

2.1 „Eine“ mögliche Geschichte der tasmanischen Aborigines

2.1.1 Europäische Entdeckung

„Both men and women were of ordinary stature. In colour black, the hair woolly and all were naked. Some of the women carried their children on their backs, fastened with bands made of rushes. All the men were armed with pointed sticks and some stones which appeared to have edges like the blades of axes“ (zitiert in Travers 1968: 15).

So beschrieb der französische Seefahrer Crozet im Jahre 1772 als erster die tasmanischen Aborigines. Deutlich lässt sich hier die zur damaligen Zeit noch vorherrschende romantische Vorstellung der „noble savages“ herauslesen. Rousseau prägte mit seinem Ideal der unbeschwert und unschuldig lebenden „Primitiven“ eine ganze Generation von vorwiegend französischen Philosophen und Intellektuellen.

Die ersten Besucher auf Tasmanien waren Wissenschaftler und Abenteurer wie Marion du Fresne. Die Eroberung von Land war nicht in ihrem Interesse und folglich blieben Auseinandersetzungen um die Vormacht aus (Travers 1968: 37). Erst später kam es zu den folgenreichen blutigen Kämpfen zwischen Kolonisten und tasmanischen Aborigines. Vorurteile und der Entwicklungsgedanke lösten die romantischen Ideale ab und ließen die freundlichen „Wilden“ zum kriegerischen Feind der Europäer werden.

Schon im 16. Jahrhundert wusste man von der Existenz des Pazifischen Ozeans. Die wichtigen Entdeckungsreisen folgten aber erst Ende des 18. Jahrhunderts. Bis dato war die Handelsnation Portugal die führende Seemacht und ließ anderen europäischen Nationen kaum die Möglichkeit die südlichen Meere zu befahren. Erst mit der Erfindung größerer und sicherer Schiffe, sowie aufgrund des Verlusts der portugiesischen Vormachtsstellung, konnte die Erforschung der südlichen Hemisphäre beginnen. Der Weg Richtung Orient war nun frei und Holland entsandte seine Schiffe auf Handels- und Entdeckungsreisen.

Während die australische Westküste bereits 1616 gesichtet wurde und anschließend den Namen Neu-Holland bekam, blieb Tasmanien weiterhin ein weißer Fleck auf der Landkarte. Erst am ersten Dezember 1642 entdeckte der holländische Seereisende Abel Tasman die Insel südlich der australischen Landmasse. Abel Janszoon Tasman war von Anthony van Diemen, General-Gouverneur der „East India Company“, beauftragt worden den Mythos des „Great South Land“ aufzulösen und mögliche Gold- oder Silberminen ausfindig zu machen. Beim ersten Landgang sichteten die Entdecker Rauchschwaden und in Bäume geritzte Zeichen, deutliche Hinweise auf die Existenz menschlicher Bewohner. Zu einer ersten Begegnung kam es damals aber noch nicht. Im Namen seiner Company erhob Tasman den Besitzanspruch für die Insel und benannte sie seinem Chef zu Ehren Anthony van Diemen’s Land. Bis zum Jahr 1856 behielt sie diesen Namen und wurde dann in Tasmanien umbenannt (ebd.: 41ff). Doch die tasmanische Erde beherbergte nicht die ersehnten Reichtümer und schnell verging das Interesse an dem neuen Territorium. Erst ein Jahrhundert später rückte das bis dahin vergessene Tasmanien wieder in den Mittelpunkt des Interesses. Wie zuvor Portugal und Spanien hatte auch Holland seine Seemacht verloren. England war zur neuen Supermacht aufgestiegen und beherrschte nun die Ozeane. Es gab jedoch die Möglichkeit von Frankreich aus ungehindert in die immer noch wenig bekannten südlichen Meere zu gelangen. Captain Marion du Fresne war einer der wenigen Abenteurer, dem dieses Unternehmen gelang. Am dritten März 1772 ankerte er, wie vor ihm schon Abel Tasman, an der Ostküste der Insel. Was die Holländer damals nur erahnten, nämlich menschliche Bewohner, bekamen die Franzosen diesmal wahrhaftig zu sehen. Eine Gruppe von ungefähr 30 Tasmaniern war am Strand versammelt und betrachtete mit wahrscheinlich der gleichen Mischung aus Neugier und Angst die weißen Eindringlinge. Diese erste Begegnung war jedoch nur von kurzer Dauer (ebd.: 48ff).

Fünf Jahre vergingen bis es zu einem erneuten Kontakt zwischen Europäern und Tasmaniern kam. Im Januar 1777 strandete James Cook in der Adventure Bay an der Ostküste Tasmaniens. Doch nach nur wenigen Tagen, am 30. Januar 1777, verließ Cook Van Diemen’s Land wieder und setzte seine Reise Richtung Hawaii fort (ebd.: 52ff). Der Pazifische Ozean war vor allem aufgrund der drei großen Seereisen Cooks kein unbeschriebenes Blatt mehr. Dank der von ihm in die Seefahrt eingeführten wissenschaftlichen Methoden und neuen Navigationsinstrumente hatten die Entdeckungsreisen ins Ungewisse ein Ende gefunden. Seine von ihm genau kartierten Seerouten konnten von da an von allen vertrauensvoll befahren werden (ebd.: 57). Cooks Name steht allerdings für mehr als „nur“ für Innovation, gilt er doch unter indigenen wie nicht-indigenen Australiern als die bedeutendste historische Figur kolonialer Vergangenheit. Das „weiße“ Australien bezeichnet James Cook als seinen Gründervater. Erst durch seine Entdeckung erfährt der ozeanische Kontinent seine offizielle Initiation in die europäische Welt. Mit Cook beginnt für sie die eigentliche Geschichte Australiens. Den schon lange vor ihnen dort lebenden Aborigines erlaubt man mit dieser Auffassung allenfalls ihre Mythen, nicht jedoch eine eigene (vorkoloniale) Geschichte. Trotzdem sie in dieser offiziellen Geschichte Cookscher Entdeckung keinen Platz finden, spielt sein Name auch bei den Aborigines eine zentrale Rolle. Kapitän Cook steht hier für kulturellen Wandel und dient als Metapher für „ethical dilemmas“. Cook ist mit der Zeit zu einem eigenständigen Begriff geworden, der bis heute im Mittelpunkt der Diskussionen um die „wahre“ Geschichte australischer Kolonialisierung steht. Wie so oft liegt auch hier der Fokus auf den Differenzen beider Kulturen. Gleichzeitig jedoch bietet wohl kein anderer mehr Möglichkeiten einen Dialog und somit eine Annährung zwischen indigener und nicht-indigener Geschichtsbetrachtung zu ermöglichen (Healy 2000: 92f).

2.1.2 Britische Sträflingskolonie

Nach den Entdeckungsreisen, Forschungen und Abenteuern weckten nun politische Motivationen erneutes Interesse an der Insel. Die britische Regierung hatte Ende des 18. Jahrhunderts die meisten ihrer amerikanischen Kolonien verloren und erkor Neu-Holland als mögliche Alternative. Auf Anraten von Sir Joseph Banks entschied sich Großbritannien dafür seine überfüllten Gefängnisse zu leeren und die Sträflinge nach Australien zu verschiffen. Port Jackson, das heutige Sydney, wurde unter Leitung von Kapitän Arthur Phillip die erste australische Sträflingskolonie.

Währenddessen bekämpften sich in Europa französische und britische Streitkräfte. Immer wieder verschlug es französische Schiffe auch in den pazifischen Raum, nah der britischen Siedlungsgebiete. Das machte die Briten nervös und der damalige Gouverneur Sydney’s Philip Gidley King entsandte 1802 eine Sträflingsgruppe in den Süden von Tasmanien. Die erste tasmanische Kolonie war geboren (ebd.: 57ff).

Die tasmanischen Aborigines und die neuen Siedler lebten anfangs ungestört nebeneinander her. Doch dann, aufgrund eines Missverständnisses, bei dem die Jagd einer Gruppe Tasmanier auf Kängurus als ein kriegerischer Angriff gedeutet wurde, kam es 1804 zum tragischen „Risdon Massaker“ (ebd.: 87ff). Im Allgemeinen war der Kampf um die ursprünglich indigenen Nahrungsquellen, wie Kängeruhs, der Grund für die anfänglichen Konflikte zwischen Europäern und Tasmaniern (Morgan 1992: 154)2. Von da an verschlechterten sich die Beziehungen zunehmend, doch die weitere Besiedlung Van Diemen’s Land sollte durch dieses Unglück nicht behindert werden. Die rauen, natürlichen Bedingungen, Einsamkeit, Nahrungsmangel und eine permanente Angst vor den tasmanischen Aborigines machte das Leben in Van Diemen’s Land zu einer harten Bewährungsprobe für die Neuankömmlinge. Die ersten Jahrzehnte der Besiedlung waren entsprechend geprägt von Mord und Diebstahl. Dabei unterschieden sich die Sträflinge, Wal- und Robbenfänger, sowie die gefürchteten „bushranger“ nicht wesentlich in ihren Grausamkeiten. Fokus der europäischen Gewalttaten waren die immer mehr ins Landesinnere verdrängten tasmanischen Aborigines (Travers 1968: 94ff).

[...]


1 Der Ausdruck „History wars“ wurde 1994 in den USA geprägt. Er beschreibt die Debatte zwischen denjenigen, die eine positiven, triumphalistische Sichtweise US-amerikanischer Errungenschaften im Krieg vertreten und denjenigen mit eine kritischen und ablehnenden Haltung (Bolton 2003).

2 Der Konflikt um Nahrungsressourcen blieb bis zum Schluss ein wesentliches Problem. Im Januar 1828 berichtete Oberst Arthur der Kolonialverwaltung folgendes:

„They already complain that the white people have taken possession of their country, encroached upon their hunting grounds, and destroyed their natural food, the kangaroo; and they doubtless would exasperated to the last degree to be banished altogether from their favourite haunts; and as they would be ill-disposed to receive instruction from their oppressors, any attempt to civilise them, under such circumstances, must consequently fail“ (Zitat in Ryan 1981 : 93).

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
History Wars: The Battle of Truth
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Ethnologie)
Veranstaltung
Regionalkurs Australien
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
42
Katalognummer
V63466
ISBN (eBook)
9783638565196
ISBN (Buch)
9783656805380
Dateigröße
604 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
History, Wars, Battle, Truth, Regionalkurs, Australien
Arbeit zitieren
Laura Gerber (Autor:in), 2004, History Wars: The Battle of Truth, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63466

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