Vergleich der Staatspräsidenten der Tschechischen und Slowakischen Republik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

34 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen

1. Die historische Tradition des Präsidentenamtes

2. Staatsrechtliche Stellung
2.1 Staatsrechtliche Stellung des tschechischen Präsidenten
2.2 Staatsrechtliche Stellung des slowakischen Präsidenten
2.3 Staatsrechtliche Stellung im Vergleich

3. Faktische Stellung
3.1 Einflussnahme auf die personelle Zusammensetzung der Regierung in Tschechien
3.2 Einflussnahme auf die personelle Zusammensetzung der Regierung in der Slowakei
3.3 Politische Einflussnahme des Präsidenten in Tschechien
3.4 Politische Einflussnahme des Präsidenten der Slowakei
3.5 Faktische Stellung im Vergleich

Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Vorbemerkungen

Die Trennung der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik markiert den Endpunkt einer weitgehend gemeinsamen Entwicklung von slowakischen und tschechischen Gebieten im 20. Jahrhundert[1]. Die weitere Entwicklung beider Staaten verlief von nun unabhängig voneinander. Gemäß der unterschiedlichen Verfasstheit der Staaten und der unterschiedlichen politischen Kultur entwickelten beide Länder einen eigenen Weg der demokratischen Transformation. Dabei konnte die tschechische Republik relativ schnell als stabil angesehen werden, während die Slowakei in der Regierungszeit von Vladimir Meciar starke innenpolitische Kämpfe auszustehen hatte.

Die folgende Arbeit befasst sich mit dem Vergleich der Staatsoberhäupter beider Staaten nach dem Prozess der Trennung. Vor dem angesprochenen Hintergrund ist dabei besonders die Frage nach der Stellung der Präsidenten im jeweiligen politischen System zu stellen. Die vergleichende Forschungsfrage lautet für diese Arbeit: „Welcher Präsident verfügt im Vergleich über eine stärkere Stellung im politischen System ?“.

Die Antwort auf die Forschungsfrage soll durch einen Dreischritt bearbeitet werden. Im ersten Kapitel der Hausarbeit wird die Frage nach der historischen Tradition des Präsidentenamtes stehen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die gemeinsame Zeit der Ersten Tschechoslowakischen Republik. Nur in dieser Zeit gibt es für Tschechien und die Slowakei ein eigenes demokratisches Vorbild. Die Rolle des Staatspräsidenten und Staatsgründers Masaryk in der Ersten Republik war stark und bietet damit einen guten Anknüpfungspunkt für die Staatsoberhäupter. Trotzdem muss die unterschiedliche Rezeption Masaryks in Tschechien und der Slowakei zur Kenntnis genommen werden. Daraus sind die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Im zweiten Kapitel wird die staatsrechtliche Stellung beider Präsidenten gegenüber gestellt und vergleichend untersucht. Wichtig ist hier vor allem die Frage nach den verfassungsrechtlichen Kompetenzen, welche den Staatsoberhäuptern zugeschrieben werden. Zu klären sind die Punkte Wahl, Reserverechte, eigenständige exekutive Verantwortlichkeiten und geteilte Kompetenzen. Zum Abschluss des zweiten Kapitels wird die staatsrechtliche Stellung beider Präsidenten verglichen und die Schlussfolgerung für den Vergleich der verfassungsrechtlichen Stellung gezogen. Der dritte Teil der Arbeit befasst sich mit der faktischen Stellung der Staatspräsidenten im politischen System. Hier sollen, vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Stellung, die wahren Möglichkeiten der Einflussnahme anhand konkreter Fälle beispielhaft untersucht werden. Dabei wird in einem ersten Schritt der Einfluss der Staatspräsidenten auf die Regierungsbildung näher betrachtet. Hier geht es nicht um die Formalitäten, sondern um die aktive Rolle, welche das Staatsoberhaupt bei der Regierungsbildung spielt. Im zweiten Schritt werden dann andere Möglichkeiten und Formen der politischen Einflussnahme untersucht. Im Groben sollen hier vor allem Konflikte mit der Regierung(smehrheit) aufgezeigt und ebenfalls beispielhaft die Möglichkeiten der Beeinflussung politischer Prozesse oder Inhalte durch den Präsidenten aufgezeigt werden. Auch Ende des dritten Kapitels folgt ein Vergleich zwischen der faktischen Stellung des tschechischen und des slowakischen Präsidenten. Den Abschluss der Arbeit bildet die Schlussbetrachtung, in der eine Antwort auf die gestellte Forschungsfrage erfolgt.

Zur Forschungsdiskussion gilt auch im Falle der Staatsoberhäupter von Tschechien und der Slowakei die Feststellung von Lehmbruch, dass die internationale vergleichende Politikwissenschaft die Figur des Staatsoberhauptes in parlamentarischen Demokratien vernachlässigt hat[2]. Lehmbruch sieht den Grund dafür in der Fokussierung der Politikwissenschaft auf Staatstätigkeit und ihre institutionellen Bedingungen. Der wichtigste Forschungsdiskurs, welcher die Staatspräsidenten der osteuropäischen Staaten betrifft, ist die Frage nach der Einordnung der Regierungssysteme in parlamentarische oder semipräsidentielle. Da es in allen osteuropäischen Staaten eine geteilte Exekutive gibt und die Präsidenten unterschiedlichste Kompetenzen haben, ist die Einordnung vieler Staaten strittig. Dies trifft allerdings nicht auf Tschechien und die Slowakei zu. Obwohl Rüb[3] die Meinung vertritt, die Slowakei hätte sich im Jahr 1999 von der parlamentarischen zur parlamentarisch-präsidentiellen Demokratie entwickelt, wird diese Auffassung überwiegend abgelehnt[4]. Diese Frage soll deswegen in der folgenden Arbeit nicht weiter betrachtet werden. Der tschechische und der slowakische Präsident sind Staatsoberhäupter in parlamentarischen Demokratien, und unter dieser Prämisse wird die Forschungsfrage dieser Arbeit behandelt.

Was bereits bei der Forschungsdiskussion anklang, bestätigt sich auch für den Bereich der Literatur. Gesonderte Monographien über die jeweiligen Staatsoberhäupter liegen bis jetzt noch nicht vor. In den Überblicksdarstellungen werden vor allem die verfassungsrechtlichen Kompetenzen der Staatsoberhäupter in den Mittelpunkt gestellt, eine Analyse der faktischen Macht der Präsidenten an konkreten Beispielen wird eher vernachlässigt. Die grundlegende Literatur zum Systemvergleich Tschechien – Slowakei wird in deutscher Sprache vor allem von Rüdiger Kipke und Karel Vodicka publiziert. Kipke untersucht in seiner Monographie[5] beide politischen Systeme nach den gleichen Kriterien, was eine vergleichende Gegenüberstellung erleichtert. Vodicka beschreibt in seiner Ausarbeitung[6] zum politischen System Tschechiens die Entwicklung vom kommunistischen System zum demokratischen Verfassungsstaat, eine aktuellere Darstellung des politischen Systems Tschechiens gibt Vodicka im Band II von Wolfgang Ismayr[7].

Für das erste Kapitel der Arbeit ist vor allem die Aufsatzsammlung von Karl Bosl[8] bedeutsam. In diesem Werk untersuchen verschiedene Autoren den Einfluss der „Burg“ auf die politischen Prozesse in der Ersten Tschechoslowakischen Republik. Aufschlussreich ist vor allem der Aufsatz von Slapnicka[9], welcher die verfassungsrechtliche und die faktische Stellung des Präsidenten behandelt. Zum Verfassungsvergleich zwischen Tschechien und der Slowakei ist Werk „Revolution und Recht“ herauszustellen[10]. Dort untersuchen die Autoren die Verfassungen und Regierungssysteme beider Staaten, wobei der Schwerpunkt aber auf dem Verfassungsvergleich liegt. Darüber hinaus dienen hier vor allem die Verfassungstexte[11] als Grundlage für die Gegenüberstellung der beiden Staatsoberhäupter. Für den dritten Teil sind vor allem Aufsätze interessant, welche sich mit aktuellen politischen Entwicklungen in der Slowakei und in Tschechien befassen. Fündig wird man in der Zeitschrift ‚Osteuropa – Zeitschrift für die Gegenwartsfragen des Ostens’. Unverzichtbar für die Analyse der faktischen Stellung der Präsidenten ist die journalistische Berichterstattung über politische Ereignisse. Für diese Arbeit werden vor allem die Onlineressourcen von „Radio Prag“ auf tschechischer, sowie die Internetseite der englischsprachigen Zeitung „Slovak Spectator“ auf slowakischer Seite genutzt[12]. Beide besitzen eine chronologische Sammlung aller erschienenen Berichte und Beiträge bis in das Jahr 1998, so dass sich politische Prozesse bis in diese Zeit problemlos rekonstruieren lassen.

1. Historische Tradition des Präsidentenamtes

Tschechien und die Slowakei mussten bei der Gestaltung ihrer neuen politischen Systeme weit mehr als zwölf Jahre in die Geschichte zurückschauen, um ein eigenes demokratisches Vorbild zu finden, welches es zweifelsohne in der Ersten Tschechoslowakischen Republik gibt. Der gemeinsame Staat von Tschechen und Slowaken in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ist dabei auch gleichzeitig der einzige demokratische Staat, auf den sich sowohl die Tschechen als auch die Slowaken beziehen können. Dass es beim Rückgriff auf diese historische Tradition durchaus Unterschiede zwischen beiden Ländern gibt, wird im Folgenden noch ausgeführt und erklärt werden.

An dieser Stelle soll uns vor allem die Ausgestaltung des Präsidentenamtes in der Ersten Tschechoslowakischen Republik interessieren. Für ein Verständnis der Rolle des Präsidenten reicht eine rein institutionelle Betrachtung seiner verfassungsmäßigen Kompetenzen aber nicht aus. Wichtig ist in einem zweiten Schritt ein Blick auf die Personen, welche dieses Amt ausfüllten. Bedeutsam zeigt sich dabei vor allem deren Rolle bei der Staatsgründung. Aus dieser schöpften die Staatspräsidenten der Ersten Republik jene „Auctoritas[13] “, welche ihre wahre Stellung im Verfassungsgefüge der Ersten Republik begründeten.

Die Verfassung[14] der tschechoslowakischen Republik befasste sich im Dritten Hauptstück mit der exekutiven Gewalt. Im ersten Abschnitt wurden die Kompetenzen des Staatsoberhauptes festgelegt. Erst nach im zweiten Abschnitt wurde die Regierung behandelt. Aus dieser Ortsbestimmung im Verfassungsgefüge konnte man eine nominell höhere Stellung des Präsidenten ablesen. Der Präsident war Teil der Exekutive und gleichzeitig Staatsoberhaupt, was durch die Vertretung des Staates nach Außen und durch die Ausfertigung der Gesetze unterstrichen wurde. Der Präsident wurde von der Nationalversammlung (bikameral: Abgeordnetenhaus und Senat) mit einer Dreifünftelmehrheit für sieben Jahre gewählt. Zulässig waren laut Verfassung nur zwei Amtsperioden hintereinander, wobei der erste Präsident der tschechoslowakischen Republik per Verfassungsartikel von dieser Bestimmung ausgenommen war.

Die in der Verfassung festgeschriebenen formalen Kompetenzen des Präsidenten waren weitreichend. Paragraph 64 listete die unter anderem die folgenden Kompetenzen auf: Vertretung des Staates nach Außen, Abschluss und ratifizieren von Verträgen, Ernennung und Entlassung der Regierung[15], Suspensivveto gegen Gesetze sowie der Oberbefehl über die Armee waren die wichtigsten dieser Rechte. Diese umfangreichen Kompetenzen wurden aber durch den Paragraphen 68 der Verfassung relativiert. Er schrieb die Gegenzeichnung aller exekutiven Akte des Präsidenten durch Mitglieder der Regierung vor. Damit gingen die formellen Kompetenzen des Präsidenten in der Verfassungswirklichkeit auf die Regierung über[16]. Über seine exekutiven Rechte hinaus konnte der Präsident an den Sitzungen der Regierung teilnehmen und darin den Vorsitz führen, Berichte der Regierungsmitglieder anfordern und diese zu Beratungen einladen. Mittels dieser verfassungsmäßigen Rechte eröffneten sich dem Präsidenten Möglichkeiten der informellen Einflussnahme auf das Regierungshandeln.

Dieser kurz gehaltene Abriss soll grundlegend zeigen, dass sich das Amt des Staatspräsidenten in der tschechoslowakischen Republik in die Norm eines parlamentarischen Regierungssystems einreiht. Besonders die Gegenzeichnungspflicht verdeutlicht die parlamentarische Verantwortlichkeit der Handlungen des Präsidenten, wenn auch über den Umweg der Regierungsverantwortlichkeit[17]. Im Falle der Ersten Republik gilt die Feststellung von Brunner:

(...) Trotz dieser allgemeinen Feststellung über die politisch schwache Stellung eines parlamentarischen Staatsoberhauptes ist im einzelnen Vorsicht geboten. Die parlamentarischen Staatsoberhäupter üben in den einzelnen Ländern und zu verschiedenen Zeiten einen unterschiedlichen Einfluss auf den politischen Entscheidungsprozess aus“[18].

Brunners Feststellung verweist auf die „weichen“ Faktoren, welche bei der Stellung der Präsidenten in der Verfassungswirklichkeit zu beachten sind. Und tatsächlich spielten die Präsidenten der Ersten Republik eine politisch weit größere Rolle, wie sie das Verfassungsgefüge vorgesehen hatte.

[...]


[1] Eine kurze überblicksartige Darstellung der gemeinsamen Geschichte findet sich bei Kipke; 2002: Die politischen Systeme Tschechiens und der Slowakei. Wiesbaden.: S. 11ff. ; als eine ausführliche Darstellung der Geschichte der Tschechoslowakei soll hier stellvertretend das Werk von Hoensch (Hoensch; 1992: Geschichte der Tschechoslowakei. Stuttgart.) angeführt werden.

[2] Lehmbruch; 1999: S. 1.

[3] Rüb; 2001: S. 222.

[4] Dazu Ismayr; 2002: S. 21.

[5] Kipke;2002: Die politischen Systeme Tschechiens und der Slowakei. Wiesbaden.

[6] Vodicka; 1996: Politisches System Tschechiens. Münster.

[7] Vodicka; 2002: Das politische System Tschechiens. In: Ismayr (Hg); 2002: Die politischen Systeme Osteuropas. Opladen.

[8] Bosl (Hg); 1974: Die „Burg“ – Einflußreiche politische Kräfte um Masaryk und Benes. München.

[9] Slapnicka, 1974: Die Rechtsstellung des Präsidenten der Republik nach der Verfassungsurkunde und in der politischen Wirklichkeit. In: Bosl; 1974: S. 9-31.

[10] Marko u.a. (Hg); 2000: Revolution und Recht. Systemtransformation und Verfassungsentwicklung in der Tschechischen und Slowakischen Republik. Frankfurt/Main.

[11] Die Verfassungstexte sind der Onlineressource www.verfassungen.de entnommen. Dort finden sich die Verfassungen mit den Einarbeitungen der Verfassungsänderungen bis in die Gegenwart. Die Verfassungssammlung von Roggemann (Roggemann; 1999: Die Verfassungen Mittel- und Osteuropas. Berlin) ist bereits veraltet.

[12] www.radio.cz/de und www.slovakspectator.com.

[13] in: Hartmann; Kempf; 1989: S. 22.

[14] Verfassung der tschechoslowakischen Republik vom 29. Februar 1920. Quelle: www.verfassungen.de

[15] relativiert durch die Möglichkeit des Misstrauensvotums im Abgeordnetenhaus.

[16] Vgl Brunner, 1979: S: 265.

[17] Vgl. dazu Slapnicka; 1974: S: 16.

[18] Brunner; 1979: S. 265.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Vergleich der Staatspräsidenten der Tschechischen und Slowakischen Republik
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Parlamentarische Regierungssysteme im Vergleich
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
34
Katalognummer
V63248
ISBN (eBook)
9783638563376
ISBN (Buch)
9783656809999
Dateigröße
596 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vergleich, Staatspräsidenten, Tschechischen, Slowakischen, Republik, Parlamentarische, Regierungssysteme, Vergleich
Arbeit zitieren
M.A. Robert Fuchs (Autor:in), 2005, Vergleich der Staatspräsidenten der Tschechischen und Slowakischen Republik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63248

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