Die Diktaturdurchsetzung in der Slowakischen Autonomen Republik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Die Durchsetzung der politischen Führungsrolle der SVP

2. Durchsetzung der Einparteiherrschaft in der autonomen Slowakei

3. Terror und Repression als politisches Mittel

Literaturverzeichnis

Vorwort

Der Sieg des Selbstbestimmungsrechtes bedeutet für das slowakische Volk das Ende eines langjährigen Kampfes. Es lebe das freie slowakische Volk! Es lebe die slowakische Regierung![1]

Mit diesem Worten endet das „Silleiner Manifest“ der Slowakischen Volkspartei (SVP) am 6. Oktober 1938. Dieses Manifest stellt eine Zäsur in der slowakischen Geschichte dar. Es ist der Anfang der tatsächlichen Auflösung des gemeinsamen Staatswesens mit den Tschechen, sowie der Beginn des Aufbaus eines eigenständigen Staates unter diktatorischen Vorzeichen. Insofern ist das Manifest der Start in eine slowakische Diktatur, deren Grundgerüst bereits in kurzer Zeit während der Autonomie geschaffen wird - noch ehe Nazideutschland eine slowakische Staatsgründung erzwingt.

Die folgende Arbeit wird sich mit der Umgestaltung des politischen Systems bis zur Landtagswahl am 18. Dezember 1938 befassen. Durch diese Landtagswahl erfolgt die Festschreibung des politischen Monopols der SVP mittels einer Einheitslistenwahl. Doch wie sahen die politischen Prozesse aus, welche zur Diktatur führten? Die leitende Forschungsfrage der Arbeit lautet: „Wie setzte die SVP ihren Machtanspruch in der autonomen Slowakei durch?

Die Forschungsfrage ist von Interesse, weil die SVP bei den vorangegangenen Wahlen nie eine eigene Mehrheit im slowakischen Volk bekommen hatte. Innerhalb von zwei Monaten gelangt es der SVP nun, die politische Macht in ihren Händen zu konzentrieren und einen irreversiblen Weg in die Diktatur zu gehen. Dabei ist auch zu beachten, dass in dieser Zeit die grundlegenden Strukturen für den ersten slowakische Nationalstaat gelegt werden, welcher unter dem Druck von Hitler bereits im März 1939 gegründet wurde.

In drei Kapiteln soll die Durchsetzung des Führungsanspruches, die Errichtung der Einparteienherrschaft und die Repressionen gegen Juden und Tschechen aufgezeigt und beleuchtet werden. Den Abschluss der Arbeit bildet dann eine Schlussbetrachtung, in der die Ergebnisse noch einmal analysiert werden sollen.

Die Literaturlage für den betreffenden Zeitraum der ersten beiden Monate der Autonomie ist ambivalent. Neben verschiedenen Überblickswerken[2] über die slowakische Geschichte existiert eine Vielzahl an Literatur zu Spezialproblemen im relevanten Zeitraum. Jörg Hoensch beschäftigt sich vor allem mit Politik, Programm und Personen der SVP in der Zeit der Tschechoslowakischen Republik. Ebenso untersucht er die Zeit der Slowakischen Republik[3]. Tatjana Tönsmeyer widmet sich dem außenpolitischen Verhältnis von Drittem Reich und Slowakischer Republik[4]. Eduard Niznansky vergleicht in einem sehr nützlichen Aufsatz die Machtübernahme von Hlinkas Slowakischer Volkspartei mit der nationalsozialistischen Machtergreifung[5]. In einem weiteren Aufsatz beschäftigt er sich mit der Deportation der Juden in die Ungarn zugesprochenen Gebiete im Jahre 1938[6]. Eine generelle Abhandlung über die Judenpolitik in der Slowakei bietet Ladislav Lipscher in seinem Werk „Die Juden im Slowakischen Staat 1939-1945“[7]. Lipscher bezieht in diese Abhandlung auch die Zeit des Autonomie mit ein. Eine Abhandlung über das politische System der Slowakei in den Jahren 1939 bis 1945 findet sich bei Lubomir Liptak[8]. Dieser untersucht die Diktatur in der Slowakischen Republik und geht dabei auch auf deren Aufbau und Durchsetzung ein. Trotz des reichhaltigen Angebotes an deutschsprachiger Literatur muss darauf hingewiesen werden, dass vor allem die in slowakischer Sprache publizierte Forschungsliteratur aufgrund sprachlicher Unzugänglichkeit nicht zur Arbeit herangezogen werden konnte[9]. Dies ist insofern bedauerlich, da mit zunehmend neuen Impulsen in der Forschung zu diesem Zeitraum gerechnet wird[10].

Als wichtige historische Quellen lassen sich für diese Arbeit die Akten zur Auswärtigen Deutschen Politik von 1918 bis 1945 anführen. Dabei ist besonders Band IV der Serie D (Die Nachwirkungen von München)[11] für unseren Zeitraum von Bedeutung. Anhand der Dokumente kann man die deutsche Positionsfindung in der „Slowakischen Frage“ nachvollziehen, ebenso sind diese Akten für die Betrachtung des Wiener Schiedsspruches von großer Bedeutung. Eine andere wichtige Quellensammlung stammt von Jörg hoensch, welcher Dokumente zur Autonomiepolitik der Slowakischen Volkspartei Hlinkas herausgegeben hat[12]. Dort findet sich beispielsweise auch in deutscher Übersetzung u.a. das ‚Silleiner Manifest’, die Ankündigung der Verschmelzung der slowakischen Parteien und das Autonomiegesetz.

1. Die Durchsetzung der politischen Führungsrolle der SVP

Die Autonomieerklärung[13] in Zilina (dt. Sillein) war eine direkte Reaktion der Slowakischen Volkspartei (SVP) auf die Ergebnisse des Münchner Abkommens 1938. Die einstigen Garanten des Tschechoslowakischen Staates England und Frankreich kamen ihrer Schutzfunktion nicht mehr nach. Die Tschechoslowakei musste die Sudentengebiete an Deutschland abgeben, gleichzeitig sollten weitere Verhandlung mit Polen und Ungarn über strittige Territorialfragen folgen. Die außenpolitische Konzeption der regierenden tschechoslowakischen Parteien und Personen hatte sich als falsch erwiesen. Dies führte zu einer nachhaltigen Erschütterung des Staates. liptak charakterisiert die Situation nach dem Münchner Abkommen wie folgt: „die Ideen der parlamentarischen Demokratie schienen hoffnungslos kompromittiert – der militante Nationalismus, die Tatkraft und Entschlossenheit der Diktaturen triumphierten[14]“. In dieser Situation, in der sich die tschechoslowakische Elite in einer Orientierungslosigkeit befand, triumphierte in der Slowakei die Tatkraft der Nationalisten. Die Slowakische Volkspartei nutzte die Gunst der Stunde und versuchte, ihr Ziel von der Souveränität der Slowakei zu verwirklichen. Unter diesem Vorzeichen trafen sich am 5. und 6. Oktober 1938 die Vertreter slowakischer Parteien in Zilina, um über die Autonomie für die Slowakei zu verhandeln[15]. Der Geist der beginnenden neuen Zeit zeigt sich auch in der Zusammensetzung der Verhandlungsrunde: Kommunisten, Sozialdemokraten und die jüdischen Parteien nahmen nicht am Treffen teil.

Das Ergebnis der Verhandlungen war das Abkommen von Zilina, welches am 6. Oktober beschlossen wurde. In zwei Paragraphen machten die Unterzeichner deutlich, welche Forderungen an die tschechoslowakische Zentralregierung gestellt werden sollten. Erstens unterstützten die unterzeichnenden Parteien ein Autonomiegesetz der SVP vom August 1938 und zum Zweiten forderten die Parteien eine sofortige Übergabe der Regierungs- und Vollzugsgewalt in der Slowakei auf eine slowakische Regierung, welche von Tiso, als designierten Ministerpräsidenten zu berufen war.

Der Erfolg der SVP in diesen Verhandlungen erklärt sich aus den oben angedeuteten Bedingungen in der politischen Landschaft. Außer der SNP (Slowakischen Nationalpartei) hatten die übrigen Parteien, vor allem die starken Agrarier, vor dem Münchner Abkommen die Initiativen der SVP für eine Autonomie der Slowakei nicht unterstützt. In der neuen außen- und innenpolitischen Situation änderte sich dies.

Über den Gang der Verhandlungen kann mit Hilfe der Literatur nicht ausreichend viel in Erfahrung gebracht werden. Laut einer Äußerung von Jan Ursiny[16] unterzeichnete die Agrarpartei das Silleiner Abkommen nur, weil es die Klausel enthielt, dass mit der Autonomie die „staatsrechtliche Stellung der Slowakei definitiv geregelt sei“[17]

Ein zentraler Diskussionspunkt bei den Verhandlungen war demnach die Reichweite und das endgültige Ziel der slowakischen Autonomie. Ergebnis der Verhandlungen war, dass weiter an einem gemeinsamen Staat mit den Tschechen festgehalten werden sollte. Demgegenüber betrachteten maßgebende Mitglieder der SVP die Autonomie als eine Vorstufe zu einer vollständigen Souveränität des slowakischen Volkes. Aber es bestanden Differenzen über den Weg, wie dieses endgültige Ziel erreicht werden sollte. Während die radikale Gruppe der SVP um Tuka, Durcansky und Mach eine schnelle Eigenstaatlichkeit der Slowakei wollten[18], befürwortete der starke Mann der SVP Dr. Joseph Tiso - und mit ihm die Mehrheit der Partei - einen evolutionären, langsamen Weg in die Souveränität[19].

Eines zeigen die unterschiedlichen Konzeptionen zur Souveränitätsfrage innerhalb der SVP aber deutlich: von einer abschließenden Regelung der staatsrechtlichen Stellung im Verhältnis von Tschechen und Slowaken – wie im Abkommen von Zilina dargelegt - war nicht zu sprechen. Nur eine Woche später distanzierte Minister Durcansky (SVP) im Gespräch mit Generalfeldmarschall Göring von dieser Position.

Dieses Verhalten offenbart, dass der Wert des Abkommens für die SVP nicht im inhaltlichen Detail lag. Wichtig war den Vertretern der SVP die Außenwirkung dieses Abkommens. Es zeigte sowohl den Slowaken, als auch den Tschechen, dass sich die tonangebenden Kräfte der politischen Landschaft hinter das Programm der SVP und somit auch hinter deren Führungsfiguren stellten. Das war der notwendige Druck, welcher die tschechoslowakische Regierung veranlasste, nur einen Tag später die Forderungen aus Zilina anzunehmen.

[...]


[1] Zitiert aus: Hoensch, 1984: S. 249.

[2] Zum Beispiel: Schönfeld; 2000: Slowakei. Regensburg.

[3] Eine Sammlung dieser wichtigen Arbeiten findet sich in der Festschrift zu seinem 65. Geburtstag, welche von Lemberg et al im Jahre 2000 herausgegeben wurde: Lemberg et al (Hg); 2000: Studia Slovaca. Studien zur Geschichte des Slowakischen Volkes. Von Jörg K. Hoensch. München.

[4] Tönsmeyer 1996: Die Bedeutung der Slowakei für das deutsche Reich in den Jahren 1939-1945. In: Bohemia, Band 37, Jg. 1996.

[5] Niznanski; 2004: Die Machtübernahme von Hlinkas Slowakischer Volkspartei in der Slowakei im Jahre 1938/39 mit einem Vergleich zur nationalsozialistischen Machtergreifung 1933/34 in Deutschland. In: Glettler et al (Hg); 2004: Geteilt. Besetzt. Beherrscht Die Tschechoslowakei 1938 – 1945. Essen.

[6] Niznanski; 1998: Die Deportation der Juden in der Zeit des autonomen Landes Slowakei im November 1938. In: Jahrbuch fűr Antisemitismusforschung, Band 7, Jg 1998, S.20-45.

[7] Lipscher; 1980: Die Juden im Slowakischen Staat 1939-1945. München.

[8] Liptak; 2001: Das politische System der slowakischen Republik 1939-1945. In: Oberländer (Hg); 2001: Autoritäre Regime in Ostmittel- und Südosteuropa 1919-1944. Paderborn.

[9] Als Beispiel soll hier der sicher höchst aufschlussreiche Aufsatz von Liptak ( Liptak; 1966: [Die Autonomie der Slowakei zwischen dem Münchner Abkommen und dem 14. März]. In: Odboj a revoluce. Band 4, Jg 1966. S. 73 – 101. ) angeführt werden.

[10] Vgl. Niznanski, 2004: S. 250.

[11] Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik; Serie D, Band IV. [weiter ADAP].

[12] Hoensch; 1984: Dokumente zur Autonomiepolitik der Slowakischen Volkspartei Hlinkas. München.

[13] In Zilina wurden am 6. Oktober 1938 neben den Verhandlungsergebnissen zwischen den Parteien, dem Abkommen von Zilina, auch das Manifest von Zilina durch den Exekutivausschuss der SVP verabschiedet.

[14] Liptak; 2001: S.300.

[15] Interessant wären Erkenntnisse darüber, welche Anstrengungen notwenig waren, diese Versammlung einzuberufen und die Parteien an einen Tisch zu bekommen. Leider konnte in der Literatur dazu nichts gefunden werden.

[16] vgl bei Niznanski; 2004: S. 263.

[17] Zitiert nach Hoensch; 1984: S. 248.

[18] Der Beschluss im Silleiner Abkommen über die „definitive Regelung der staatsrechtlichen Stellung“ war zumindest für die Radikalen in der SVP nur ein Lippenbekenntnis. Dies zeigt sich bereits kurze Zeit später in einer Aufzeichnung über die Unterredung zwischen dem slowakischen Minister Durcansky mit Hermann Göring am 16. oder 17. Oktober:

„... Die Slowaken wollen die volle Selbstständigkeit unter stärkster ,..., Anlehnung an Deutschland. Preßburg als Hauptstadt. Durchführung des Planes erst möglich, wenn Heer und Polizei slowakisch. Beim Zusammentreten des ersten slowakischen Landtages Ausrufen der selbstständigen Slowakei...“ zitiert aus ADAP; D; IV S. 76

[19] so zum Beispiel in den Aufzeichnungen über eine Unterredung von Tiso und Ribbentrop am 19 Oktober 1938 in München: „Tiso meinte, daß er die Entwicklung langsam und organisch führen müsste.“ Zitiert aus ADAP; D; IV S.84.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Diktaturdurchsetzung in der Slowakischen Autonomen Republik
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Hannah Arendt Institut für Totalitarismusforschung)
Veranstaltung
Europäische Diktaturen im 20. Jahrhundert
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V63247
ISBN (eBook)
9783638563369
ISBN (Buch)
9783656809418
Dateigröße
524 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Diktaturdurchsetzung, Slowakischen, Autonomen, Republik, Europäische, Diktaturen, Jahrhundert
Arbeit zitieren
M.A. Robert Fuchs (Autor:in), 2005, Die Diktaturdurchsetzung in der Slowakischen Autonomen Republik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63247

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