Freundschaftsfähigkeit - Ein Literaturüberblick zum Zusammenhang von Freundschaft und Persönlichkeit


Magisterarbeit, 2001

83 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1 EINLEITUNG
1.1 ZIEL DER VORLIEGENDEN ARBEIT

2 DER ZUSAMMENHANG VON FREUNDSCHAFT UND PERSÖNLICHKEIT
2.1 ZUM BEGRIFF „FREUNDSCHAFTSFÄHIGKEIT“
2.2 VERSUCH EINER DEFINITION VON FREUNDSCHAFT

3 PERSÖNLICHKEIT IN DER FREUNDSCHAFTSFORSCHUNG
3.1 THEORETISCHE ERKLÄRUNGSANSÄTZE
3.1.1 Eysenck’s Persönlichkeitstheorie
3.1.2 Die Theorie der persönlichen Konstrukte
3.1.3 Die Austauschtheorie im Freundschaftskonzept
3.1.4 Die Freundschaftstheorie von Wright
3.2 DIFFERENTIALPSYCHOLOGISCHE ASPEKTE VON FREUNDSCHAFT
3.2.1 Eigenschaften und Attribution in der Freundschaft

4 PERSÖNLICHKEITSMERKMALE IM FREUNDSCHAFTSPROZEß
4.1 VORBEDINGUNGEN FÜR DIE ENTSTEHUNG VON FREUNDSCHAFT
4.1.2 Das Selbstkonzept
4.1.3 Ähnlichkeit als Attraktionsbedingung
4.1.3.1 Die Filtertheorie von Duck
4.1.3.2 Die Locus-of-control-Variable
4.2 FREUNDSCHAFTSRELEVANTE VARIABLEN
4.2.1 Alter
4.2.2 Geschlecht
4.2.3 Soziale Motive
4.3 DIE ENTWICKLUNG VON FREUNDSCHAFT
4.3.1 Hilfsbereitschaft und soziale Unterstützung
4.3.2 Soziale Fertigkeiten
4.3.2.1 Widerstandsfähigkeit
4.3.2.2 Kommunikationsfähigkeit
4.3.3 Das Konzept des Self-Monitoring
4.4 DIE AUFRECHTERHALTUNG VON FREUNDSCHAFT
4.4.1 Intimität und die Fähigkeit zur Selbstenthüllung
4.4.2 Vertrauen als Persönlichkeitsvariable
4.5 ISOLIERUNG UND EINSAMKEIT
4.6 STREIT IN DER FREUNDSCHAFT
4.6.1 Das Ende einer Freundschaft

5 VORSTELLUNGEN VOM IDEALEN FREUND

6 ZUSAMMENFASSENDE BEWERTUNG DER LITERATUR
6.1 DIE SCHWIERIGKEIT EINER DEFINITION VON FREUNDSCHAFT
6.2 FREUNDSCHAFT UND PERSÖNLICHKEIT IN DER FORSCHUNGSLITERATUR
6.3 PERSÖNLICHKEITSVARIABLEN IM FREUNDSCHAFTSPROZEß
6.4 ABSCHLIEßENDE BETRACHTUNG
6.5 TABELLARISCHER ÜBERBLICK IN CHRONOLOGISCHER REIHENFOLGE

7 KURZZUSAMMENFASSUNG

8 LITERATUR

1 Einleitung

Der Mensch ist als „soziales Wesen“ (Lersch, 1964) darauf angewiesen, mit anderen Menschen zu interagieren. Diese Beziehungen zu anderen Individuen bilden für die meisten von uns einen wichtigen, wenn nicht sogar den wichtigsten Bestandteil unseres Lebens, wobei nicht nur die Beziehungen zur eigenen Familie eine Rolle spielen, sondern auch der Kontakt zu Freunden, Nachbarn oder Kollegen einen entscheidenden Einfluß auf das psychische Wohlbefinden des Menschen hat.

Lersch (1964) spricht in diesem Zusammenhang vom Gesellungsdrang, der jedem Menschen innewohnt, allerdings nicht in jedem mit der gleichen Stärke wirksam ist. Es gibt Individuen, die nicht nur ein stärkeres Bedürfnis haben, im dauernden Dialog mit anderen zu leben, sondern auch leichter mit anderen in Kontakt kommen können. Andere wiederum leben isoliert von ihren Mitmenschen, teilweise, weil sie das Mit- einanderleben auf ein Minimum beschränken wollen und nur mit Auswahl gesellig sind (Lersch, 1964), teilweise aber auch, weil sie aufgrund ihres Wesens Schwierig- keiten haben, mit anderen Individuen Freundschaften zu schließen. Aber, wie Kon (1979, S.176) feststellte: „Alle Menschen brauchen Freunde“ .

Freundschaften nehmen im sozialen Miteinander der Menschen also einen besonderen Stellenwert ein, vor allem, wenn man bedenkt, wieviel Zeit man im Laufe seines Le- bens mit Freunden verbringt. Kon (1979, S.8) bezeichnet Freundschaft zum Unter- schied von den funktionellen oder geschäftlichen Beziehungen als ein „ganz und gar persönliches Verhältnis“ , in dem Freunde einander uneigennützig und von Herzen helfen.

1.1 Ziel der vorliegenden Arbeit

Freundschaft ist ein Begriff, der nicht mit einfachen Worten zu erklären ist. Jeder Mensch hat seine eigene Auffassung von den Bedingungen, die jemanden als Freund qualifizieren und von dem, was Freundschaft für ihn bedeutet. Doch trotz seiner be- grifflichen Schwer-Erfaßbarkeit ist Freundschaft ein Thema, das in den vergangenen Jahren zum Gegenstand der sozialpsychologischen Forschung geworden ist. Diese relativ „junge Forschungsrichtung“ (Auhagen & Mikula 1988) hat erst in den letzten zehn Jahren, im Anschluß an die Kleingruppenforschung, die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern verschiedener Gebiete erregt. Insbesondere über die Entstehung zwischenmenschlicher Beziehungen, Attraktionsbedingungen und Funktionen von Freundschaft gibt es zahlreiche Veröffentlichungen und Versuche, das Phänomen „Freundschaft“ theoretisch zu strukturieren.

Da aber jeder Mensch eine eigene Persönlichkeit besitzt und infolgedessen auch individuelle Vorstellungen von Freundschaft entwickelt, erweist es sich dagegen hinsichtlich der Differenziertheit verschiedener Freundschaftsformen und -typen als schwierig, eine allgemeine Aussage zu diesem Thema zu machen. Angesichts der Tatsache, daß manche Menschen aufgrund ihres Wesens gesellig sind, andere wiederum, gewollt oder ungewollt, in Einsamkeit leben, stellt sich die Frage, inwieweit Persönlichkeitsmerkmale einen Einfluß auf die Gestaltung von Freundschaft haben bzw. welche Eigenschaften einen Menschen „freundschaftsfähig“ machen.

Anfang der siebziger Jahre kamen allerdings Zweifel auf, ob und wie man Persönlich- keitsvariablen zur Vorhersage sozialen Verhaltens nutzen kann. (Köhler, 1991) So stellen McAdams, Healy & Krause (1984) fest, daß die Freundschaftsliteratur im all- gemeinen wenig zu sagen hat über die Beziehung zwischen individuellen Differenzen in Persönlichkeit und Freundschaft. Auch Auhagen (1991) betont, daß in den letzten zehn Jahren die Schwerpunkte der Forschung eher auf Unterschieden von Persönlich- keitsvariablen und ihrem Zusammenhang mit Erleben und Verhalten in Freundschaf- ten lagen, wobei Geschlechtsunterschiede das Hauptthema bildeten.

Die vorliegende Arbeit soll einen Überblick über Literatur geben, die in den letzten Jahren zum Zusammenhang von Freundschaft und Persönlichkeit erschienen ist. Zu- nächst einmal möchte ich versuchen, den Begriff „Freundschaftsfähigkeit“ verständ- lich zu machen und Freundschaft trotz seiner vielfältigen Erscheinungsformen zu definieren. Anhand von theoretischen Ansätzen und differentialpsychologischen Aspekten soll die Rolle der Persönlichkeit in der Freundschaftsforschung dargestellt werden. Den Einfluß verschiedener Persönlichkeitsvariablen auf die Entstehung, Ent- wicklung und Aufrechterhaltung von Freundschaft möchte ich mit Hilfe verschiedener Befunde und Konzepte verdeutlichen, so daß am Ende ein Überblick über die ver- schiedenen Veröffentlichungen zu den differenzierten Aspekten der Freundschaftsfä- higkeit entsteht.

2 Der Zusammenhang von Freundschaft und Persön- lichkeit

Jeder Mensch ist einzigartig in seinem Wesen und in seinem Verhalten in zwischen- menschlichen Beziehungen. Diese Individualität macht es für die Forschung schwie- rig, eine einheitliche Definition für Freundschaft zu finden und eine allgemeine Aussage über den Zusammenhang von Freundschaft und Persönlichkeit zu machen. Die Psychologie der Persönlichkeit befaßt sich in erster Linie mit dem Einfluß der individuellen Eigenschaften der Freundeswahl und versucht zu erklären, wie diese Wahl vor sich geht und wodurch sie bevorzugt wird, während sich die Sozialpsychologie mit selektiven und Anpassungsprozessen im Zuge der Entstehung, Entwicklung und Fortdauer der Freundschaft beschäftigt (Kon 1979).

Der Begriff „Persönlichkeit“ wird in der Persönlichkeitspsychologie nicht bewertend sondern beschreibend verwendet. Sader & Weber (1996, S.10) bezeichnen Persön- lichkeit als

„den engen Bereich dessen (...), was bei uns früher „Charakter“ hieß und sich damit gewissermaßen auf den inneren personalen Kern des Individuums be- schränkt.“

Bei der Beschreibung eines anderen Menschen werden in erster Linie dessen Eigen- schaften genannt. Diese Eigenschaften sind ideal geeignet, Menschen zu beschreiben und voneinander zu unterscheiden, und werden daher bevorzugt in der Differentiellen Psychologie eingesetzt, um interindividuelle Unterschiede zu verdeutlichen. (Sader & Weber 1996)

Welche Eigenschaften nun einen Menschen „freundschaftsfähig“ machen, ist unter Berücksichtigung der Differenziertheit von Freundschaft und unterschiedlicher situativer Bedingungen in verschiedenen Publikationen wiedergegeben.

2.1 Zum Begriff „Freundschaftsfähigkeit“

Was soll unter „Freundschaftsfähigkeit“ verstanden werden? Dieser Begriff ist zwar kein wissenschaftlicher Fachausdruck und ist als solches noch nicht in der psychologischen Literatur definiert worden, aber er drückt doch eine gewisse Richtung aus. Eine aussagekräftige Beschreibung findet sich aber bei Kon (1979, S.174):

„Freundschaftsfähigkeit schließt zum einen ein bestimmtes Niveau an Gesellig- keit und psychischer Aufgeschlossenheit ein (im Gegensatz zur Zurückgezogen- heit und Isolierung von der Außenwelt) zum anderen eine gewisse Stabilität der Beziehungen (im Gegensatz zu ihrer Fluktuation und Veränderlichkeit, zum dritten einen bestimmten Grad der Innigkeit, Intimität (im Gegensatz zu Ober- flächlichkeit und psychischer Entfremdung).“ (Hervorhebungen im Original)

Aus diesem Zitat geht hervor, daß Freundschaftsfähigkeit eng mit den Charaktereigen- schaften bzw. der Persönlichkeit eines Individuums verbunden ist. Dies betrifft aller- dings nicht nur die Entstehung einer Freundschaft, sondern auch die Entwicklung und Aufrechterhaltung einer Beziehung, die ein gewisses Maß an Vertrautheit und Inti- mität erfordert. Nicht alle Menschen sind in der Lage, eine Freundschaft auf lange Sicht aufrechtzuerhalten, andere wiederum haben keine Probleme damit, und manchen stellt sich die Frage nach den Gründen dafür. Die Ursachen können im Verhalten dem Freund gegenüber und in den Persönlichkeitsmerkmalen der betreffenden Person gesucht werden sowie in der Auffassung des Einzelnen von Freundschaft.

Eine weitere Frage schließt sich aus der entwicklungspsychologischen Perspektive an, und zwar danach, wann ein Mensch „freundschaftsfähig“ wird. Viele Untersuchungen beziehen sich auf Freundschaftsbeziehungen im Kindesalter, aber „bislang besteht wenig Einigkeit darüber, in welchem Alter Kinder „freund- schaftsfähig“ sind, aus regelmäßigen oder auch sporadischen Spielkontakten mit Gleichaltrigen „echte“ Freundschaften erwachsen“ (Heidbrink 1993a, S.108)

Welche Persönlichkeitsmerkmale sind es also, die einen Menschen befähigen, Freundschaften zu schließen und auch Freundschaften zu erhalten?

Eigenschaften, die dem populären Verständnis von „Freundschaftsfähigkeit“ entspre- chen, stellt Krumpholz-Reichel (1999, S.26f) in einem kurzen Überblick zusammen, wobei sie folgende Faktoren, die allerdings auf keiner empirischen Grundlage basie- ren, zugrundelegt:

1. Akzeptanz: Zum Freund werden kann, wer seine Mitmenschen respek- tiert und akzeptiert.
2. Interesse: Eine Freundschaft antragen sollte man nur einer Person, die nicht in erster Linie an sich selbst interessiert ist.
3. Hilfsbereitschaft: Ein freundschaftsfähiger Mensch hilft anderen nicht nur, wenn es ihm gerade in seinen Zeitplan paßt oder wenn es ihm per- sönlich von Nutzen sein kann.
4. Objektivität: Ein Freund kann nur werden, wer nicht auf Klatsch und Tratsch hört und sich auch nicht daran beteiligt.
5. Aufmerksamkeit: Gleichgültigkeit und Unaufmerksamkeit sind Merk- male von Menschen, denen an anderen nicht viel gelegen ist.
6. Verläßlichkeit: Ein Mensch kann ein guter Freund werden, wenn er sein Wort hält.
7. Selbstironie: Was einen Menschen anziehend macht, ist die Fähigkeit, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen.
8. Emotionalität: ein guter Freund ist einfühlsam.
9. Loyalität: Ein loyaler Mensch schenkt seine Sympathien nicht heute dem und morgen dem- je nachdem woher der Wind weht.
10. Autonomie: Der gute Freund ist ein Realist: Er weiß, was er kann und was er nicht kann, er kennt seine Stärken und seine Grenzen.

Auch soziale Fähigkeiten (engl.: social skills) hält die Autorin für notwendig, um eine Freundschaft aktiv aufrechtzuerhalten. Hierzu gehören zum Beispiel, „daß man sein Interesse am anderen zeigt, zuhören kann oder Geheimnisse für sich behält“ (Krumpholz-Reichel 1999, S.27) aber auch der Umgang mit Konflikten und Streit kann dazugerechnet werden.

2.2 Versuch einer Definition von Freundschaft

Freundschaften bilden eine Form der zwischenmenschlichen Beziehungen und erfüllen verschiedene Funktionen, die individuell sehr differenziert sein können. Es gibt jedoch eine Reihe gemeinsamer Charakteristika, die Freundschaften von anderen interpersonellen Beziehungen abgrenzen.

Der Begriff „Freund“ wird im allgemeinen relativ locker gebraucht, um diverse Arten von Beziehungen zu beschreiben. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlich ausgeformter freundschaftsähnlicher Verhaltensformen, die jeweils an eine spezifische soziale Um- gebung gebunden sind. So gibt es zum Beispiel Freundschaft unter Arbeitskollegen, Schulkameraden, Nachbarn sowie ortsunabhängige Freundschaften aus frühen Ju- gendtagen. Auch in der Intensität und Belastbarkeit gibt es vielfältige Unterschiede, ebenso wie in der Auffassung der einzelnen Individuen vom Freundschaftsbegriff. Für den einen ist ein Freund jemand, mit dem er gemeinsame Aktivitäten durchführt, für den anderen ist ein Freund wiederum jemand, der eine gewisse „Seelenverwand- schaft“ mit ihm aufweist.

Aufgrund dieser Vielfältigkeit und Differenziertheit von Freundschaft reicht eine einfache Definition kaum aus, so daß in der Forschungsliteratur verschiedene Versuche unternommen wurden, Freundschaft zu definieren.

Kon (1979, S.9) erklärt Freundschaft als ein „tiefes und intimes Gefühl, ein geistiges Verhältnis, das nicht nur auf gegenseitiger Hilfe, sondern auch auf geistiger Verwandtschaft, Offenheit Vertrauen und Lieben aufgebaut ist.“

Auch Hays (1988) beschreibt die Differenziertheit des Begriffes „Freund“. Er sagt, daß ein Freund zum Beispiel ein zufälliger Kamerad sein kann, mit dem wir einmal pro Woche „racketball“ spielen, oder ein intimer Vertrauter, mit dem wir unsere pri- vatesten Gedanken und Gefühle teilen, jemand mit dem wir täglich interagieren oder jemand, der am anderen Ende des Landes lebt. Die Natur und Struktur von Freundbe- ziehungen, so Hays (1988) weiter, variiert stark an verschiedenen Punkten der indivi- duellen Lebenszyklen, ist von verschiedenen soziokulturellen Hintergründen sowie vom Geschlecht beeinflußt, und ebenso von verschiedenen Entwicklungsstufen der Freundschaft abhängig. Die Basis von Freundschaft sieht Hays, so wie alle zwischenmenschlichen Beziehungen, in einer wechselseitigen Abhängigkeit (Interdependenz) zwischen Individuen. Außerdem betont er, daß im Gegensatz zu Verwandtschaft oder Arbeitsbeziehungen die Interdependenz zwischen Freunden freiwillig ist. Hierbei bezieht er sich auf die Definition von Wright (1974), der die freiwillige Interdependenz („voluntary interdependence“) als Schlüssel zum behavioralen Kriterium von Freundschaft vorschlägt. So definiert Hays also Freundschaft als „voluntary interdependence between two persons over time, that is intended to facilitate social-emotional goals of the participants, and may involve varying types and degrees of companionship, intimacy, affection, and mutual assistance.“ (Hays 1988, S.395)

Aber, so stellt der Autor zusammenfassend fest, es gibt keinen universell „richtigen“ Typ von Freundschaft oder idealen Endpunkt, der zu Freundschaft führen könnte.

Eine aktuelle Definition von Freundschaft findet sich bei Auhagen (1991, 1993). Au- hagen beschreibt als Ziel jeder Freundschaft, ein Gegenüber zu finden, das mit der eigenen Persönlichkeit verträglich ist, also daß individuelle Eigenschaften von Perso- nen mit der Funktion der angestrebten Freundschaft, aber auch mit eigenen unbefrie- digten Bedürfnissen korrespondieren. Da ein Freund alleine die hohen Erwartungen an Freundschaft nicht erfüllen kann, decken wir, so Auhagen (1991) weiter, durch ver- schiedene Freundschaften unsere Bedürfnisse ab. Aus diesem Grund suchen wir uns meistens Menschen aus, von denen wir Positives erwarten. Außerdem sollten Freund- schaften unser Selbst bestätigen, uns das Gefühl geben, liebenswert zu sein. Freund- schaften sind also, wie Auhagen betont, freiwillig und individuell.

Die gleiche Autorin spricht in einer späteren Veröffentlichung (1993) vom sogenann- ten „Freundschaftsparadox“ (Auhagen 1993, S.215). Hiermit meint sie, daß diese Sozialbeziehung nur wenige ausdrückliche Vorgaben an ihre Beteiligten macht, ob- wohl Freundschaften trotzdem unverwechselbare Charakteristika innewohnen. Ein Merkmal der Freundschaft ist also, daß sie nur wenige wirklich eindeutige Merkmale besitzt.

„Das Paradox der Freundschaft besagt: Eines der wichtigsten Merkmale dieser Beziehung ist, daß sie so wenige eindeutige inhaltliche Vorgaben an ihre Beteiligten macht.“ (Auhagen 1993, S.216)

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte kommt Auhagen schließlich zu folgender Definition von Freundschaft:

„Freundschaft ist eine dyadische, persönliche, informelle Sozialbeziehung. Die beiden daran beteiligten Menschen werden als Freundinnen oder Freunde be- zeichnet. Die Existenz der Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit. Die Freundschaft besitzt für jede/n der Freundinnen/Freunde einen Wert, welcher unterschiedliches Gewicht haben und aus verschiedenen inhaltlichen Elementen zusammengesetzt werden kann. Freundschaft wird zudem durch folgende weite- re essentielle Kriterien charakterisiert: Freiwilligkeit - bezüglich der Wahl, der Gestaltung, des Fortbestandes der Beziehung; zeitliche Ausdehnung - Freund- schaft beinhaltet einen Vergangenheits- und einen Zukunftsaspekt; positiver Charakter - unabdingbarer Bestandteil von Freundschaft ist das subjektive Element des Positiven; keine offene Sexualität.“ (Auhagen 1993 S.217)

3 Persönlichkeit in der Freundschaftsforschung

Erst in den letzten zehn Jahren hat die empirisch-sozialwissenschaftliche Psychologie, insbesondere die Sozialpsychologie, ein größeres Interesse an zwischenmenschlichen Beziehungen entwickelt. Auf diesem Gebiet bezieht sich die Forschung nicht überwiegend auf Beziehungen sondern auf Interaktionen (Hinde, 1993). In bezug auf die Persönlichkeitsvariablen, die in Zusammenhang mit Erleben und Verhalten in Freundschaften eine Rolle spielen, lag der Schwerpunkt der Forschung in erster Linie auf Geschlechtsunterschieden (Auhagen 1991).

Schon Duck (1977) stellte fest, daß dieses Gebiet experimentell schwer faßbar ist und „daß die Schwierigkeiten, die beim Nachweis dieser Beziehungen aufgetreten sind, nicht nur auf methodischen Schwächen beruhen, sondern viel grundlegender auf einer unzulänglichen Verwirklichung dieser beiden Phänomene durch die Forscher.“ (Duck, 1977, S.140)

Ein Forscher, der den Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und zwischenmensch- licher Anziehung untersuchen möchte, so Duck weiter, muß zum einen entscheiden, welche Art der zwischenmenschlichen Beziehungen untersucht werden soll, und zum anderen, wie Persönlichkeit begrifflich bestimmt und erfaßt werden kann, da es bisher weder eine eindeutige Übereinkunft darüber gibt, was Persönlichkeit ist, noch was die richtigen Meßmethoden sind.

Einen aktuellen Überblick über die Forschung auf diesem Gebiet findet sich bei Köh- ler (1991), der in seinem Beitrag die Differenzierung von Freundschaft mit Hilfe von Persönlichkeitsmerkmalen exemplarisch vorzustellen versucht. In diesem Zusammen- hang stellt der Autor fest, daß man sich bei der empirischen Differenzierung wie auch bei der Erfassung von Persönlichkeitsunterschieden auf die Sprache verläßt. So fragt er sich beispielsweise, ob unterschiedliche Persönlichkeiten über und in ihren Bezie- hungen gleich oder unterschiedlich sprechen und ob „Kommunikation für alle oder nur einige eine primäre Rolle bei der Entstehung, Aufrechterhaltung und Beendigung von Freundschaften spielen.“ (Köhler 1991, S.262). Weiterhin nimmt der Autor an, daß Persönlichkeit und Beziehung, wenn man Eigenschaften und Beziehung in einen Entwicklungszusammenhang stellt, sich wechselseitig beeinflussen. Doch da sich die Beziehung bzw. Freundschaft und die Persönlichkeiten der beteiligten Individuen selber ändern, wird ein empirisches Verständnis dieser wechselseitigen Modifikation erschwert. So kommt er zu der abschließenden differentialpsychologischen Frage der Freundschaftsforschung:

„Wie unterscheiden sich Freundschaftspersönlichkeiten?“ (Köhler 1991, S.262)

3.1 Theoretische Erklärungsansätze

Um den Zusammenhang von Freundschaft und Persönlichkeit zu verstehen, ist es zunächst einmal sinnvoll verschiedene Theorien zu betrachten, die Aufschluß darüber geben, inwieweit Persönlichkeitseigenschaften für eine freundschaftliche Beziehung relevant sind. Obwohl eine Vielzahl von Theorien für das Verständnis von Freund- schaft interessant sind, sollen hier nur die wichtigsten kurz dargestellt werden.

Die größte Beachtung verdient hier laut Kon (1979) das Studium der Intro- und Extraversion, abgeleitet aus der traditionellen Persönlichkeitstheorie von Eysenck (1968), da eine derartige Typologie vor allem gerade kommunikative Eigenschaften der Persönlichkeit registriert und dabei doch relativ allgemein bleibt.

Daneben bezeichnen Sader & Weber (1996) die Persönlichkeit eines Individuums als sein Konstruktsystem. Besonders aufschlußreich ist in Hinblick darauf die Theorie der persönlichen Konstrukte (Kelly 1955), die zu den kognitiven Theorien gerechnet wird. Für Kelly erhöhen persönliche Beziehungen die Fähigkeiten des Individuums, Ereig- nisse in seiner oder ihrer Welt vorherzusagen und zu kontrollieren. (McAdams 1988). Eine der klassischen Theorien, die in der Sozialpsychologie zur Erklärung von Freundschaft zu Rate gezogen wird, ist die Austauschtheorie (Thibeaut & Kelley 1959), die Freundschaft als Austauschprozeß von Kosten und Belohnungen verstehen läßt.

Als Theorie der Freundschaft dient das Modell von Wright (1984), ein auf sich selbst bezogenes Freundschaftsmodell, das laut Auhagen (1991) die einzige echte Freundschaftstheorie darstellt.

3.1.1 Eysenck’s Persönlichkeitstheorie

„Persönlichkeit ist die relativ stabile Organisation motivationaler Disposition einer Person, die durch die Interaktion zwischen biologischen Trieben und der sozialen und physischen Umwelt entstehen.“ (Arnold, Eysenck, Meili 1996, S.1577)

Bezugnehmend auf diese Definition bezieht sich der Begriff „Persönlichkeit“ in erster Linie auf die affektiv-konativen Eigenschaften, Gefühle, Einstellungen, Komplexe und unbewußte Mechanismen sowie die Interessen und Ideale, die das charakteristische oder das deutliche Verhalten und Denken des Menschen bestimmen.

Eysenck (1968) nimmt beispielsweise an, daß eine Reihe stabiler persönlicher Eigen- schaften existieren, die verschiedene Grade von Allgemeingültigkeit aufweisen, aber nicht direkt beobachtet werden können. Persönlichkeit wird demzufolge aufgefaßt als „die Meßwerte einer Person in bezug auf alle meßbaren Faktoren oder allgemeinen Eigenschaften“ (Arnold et al., S.1996). Als Hauptdimensionen der Persönlichkeit werden emotionale Labilität oder Angst (Neurotizismus) und Extraversion - Introver- sion allgemein anerkannt. Eysenck stellt die Dimensionen emotionale Stabilität vs. emotionale Labilität sowie Extraversion vs. Introversion in Form eines Koordinaten- systems dar, auf dem jedes Individuum an einem bestimmten Punkt eingeordnet wer- den kann, da die beiden Dimensionen, nach Angaben des Autors voneinander unab- hängig sind. Unter Extraversion werden hierbei Persönlichkeitseigenschaften wie Ge- selligkeit, Kontaktfreudigkeit, Aufgeschlossenheit zusammengefasst, während Intro- version in diesem Sinne, angelehnt an die Jung’sche Persönlichkeitstypologie, Zu- rückgezogenheit und Verschlossenheit bedeutet. Eysenck geht darüber hinaus davon aus, daß an der Entwicklung der Persönlichkeit sowohl die Erbanlagen wie auch die Einflüsse der Umwelt beteiligt sind.

3.1.2 Die Theorie der persönlichen Konstrukte

Kelly (1955) legt in seiner Theorie zugrunde, daß jedes Individuum seine Umwelt, insbesondere die der zwischenmenschlichen Beziehungen, vorhersagen und erklären möchte. Die dazu notwendigen Determinanten werden von Kelly als persönliche Konstrukte bezeichnet, womit die Überzeugung einer Person darüber gemeint ist, wie zwei Dinge einander gleichen und wie sie sich von anderen Dingen unterscheiden (Zimbardo 1995). Nach Kelly sind persönliche Konstrukte nicht nur Etiketten, die verwendet werden, nachdem eine Person gesehen hat, was eine andere tut, sondern sie beeinflussen, was ein Individuum sieht, wenn es die Welt betrachtet, und wirken sich dementsprechend auf sein Verhalten aus. Konstrukte sind also Mittel, die Welt zu konstruieren, indem sie dem Individuum ermöglichen, die Richtung seines Verhaltens festzulegen. Dieses „Glaubens- und Überzeugungssystem“ (Zimbardo 1995) einer Person bestimmt also, wie sie denkt, fühlt und handelt, und vor allem, wie sie mit neuen Situationen umgeht. Für Kelly ist die Persönlichkeit eines Menschen demnach die Gesamtheit seiner persönlichen Konstrukte. In bezug auf die Freundschaft muß ein Individuum also versuchen, die Welt mit den Augen des anderen zu sehen, um dessen persönliches Konstruktsystem zu verstehen und seine Sichtweise zu begreifen.

Sader & Weber (1996) stellen heraus, daß der Begriff „Persönlichkeit“ für Kelly die Abstraktion der Aktivitäten einer Person bedeutet sowie die daran anschließende Ver- allgemeinerung zu allen Problemen und ihrer Beziehung zu anderen Menschen, be- kannten wie unbekannten, oder auch zu anderen Dingen, die ihr wertvoll erscheinen.

Kon (1979) bewertet die Theorie der persönlichen Konstrukte dahingehend, daß die die Dynamik der freundschaftlichen Beziehungen und des subjektiven Freundschafts- bedürfnisses des Individuums mit dem Entwicklungsniveau und den Eigenschaften seines Bewußtseins in Zusammenhang bringt. Aus dem Problem der Ähnlichkeit und der Unterschiede von Freunden, so Kon weiter, ist in der heutigen Zeit ein Problem der Ähnlichkeit ihrer persönlichen Konstrukte geworden, also der Begriffe, mit deren Hilfe Individuen ihre eigenen psychischen Eigenschaften, Rollenbeziehungen und Wechselbeziehungen mit anderen Personen besser erfassen können. In der Entwick- lung einer Freundschaft ist laut Kon das Bedürfnis nach einer solchen Ähnlichkeit allerdings qualitativ unterschiedlich.

3.1.3 Die Austauschtheorie im Freundschaftskonzept

In der aktuellen Attraktions- und Freundschaftsforschung wird als theoretischer Rah- men häufig die Theorie von Thibeaut & Kelley (1959) zitiert. Diese Autoren glau- ben, daß das Wesen einer Beziehung in der Interaktion liegt. Wenn Menschen intera- gieren, so hat ihr Verhalten Konsequenzen für jeden von ihnen, das bedeutet, daß die Handlungen der einen Person das Verhalten und die Reaktionen der anderen Person beeinflussen. Diese sogenannte Austauschtheorie geht also davon aus, daß das Ver- halten eines Individuums in erster Linie von den antizipierten Kosten und Belohnun- gen bestimmt ist. Mit anderen Worten, sie versuchen, Freundschaften auf der Grund- lage von „Aufwand und Ertrag für die interagierenden Mitglieder“ (Mann 1994, S.72) zu erklären. Als Ertrag gilt, laut Mann, hierbei die Bedürfnisreduzierung oder auch Befriedigung, die aus der Beziehung entstehen. Die Kosten dagegen beinhalten Unan- nehmlichkeiten, wie beispielsweise Übermüdung, Langeweile etc.

In bezug auf die Attraktivität von Interaktionen und Beziehungen betonen Thibeaut & Kelley (1959), daß dafür nicht die absolute Güte des erwarteten oder tatsächlichen Nettoergebnisses maßgeblich ist, sondern dessen Verhältnis zu einem dem An- spruchsniveau ähnlichen Vergleichsstandard oder -niveau. (vgl. Mikula & Stroebe 1991) Dieses Vergleichsniveau bestimmt die Ergebnisqualität, auf die ein Individuum Anspruch zu haben glaubt. Je höher dieses Ergebnis, tatsächlich oder antizipiert, über diesem Niveau liegt desto „belohnender“ und attraktiver wird diese Beziehung be- wertet.

3.1.4 Die Freundschaftstheorie von Wright

Laut Auhagen (1991) geht der wohl interessanteste und konsequenteste Ansatz der Freundschaftsforschung auf Paul H. Wright (1969, 1984) zurück, der sich seit über zwanzig Jahren mit diesem Thema beschäftigt. Eine seiner grundlegenden theoreti- schen Ausführungen ist ein auf sich selbst bezogenes Freundschaftsmodell: „a self- referent model of friendship“ (Wright 1984). Diese Ausführungen werden von Auha- gen (1991, S.28) als die „einzig echte Freundschaftstheorie“ beschrieben.

Der Mittelpunkt dieses Modells ist der Begriff „Selbst“, den Wright als einen allgegenwärtigen Referenzpunkt der Persönlichkeit beschreibt, da dieses Selbst einzigartig und permanent präsent ist und sich nicht ändert:

„The self is a conception made up of the individual’s sense of distinctiveness, unity, continuity, causal power and uniqueness. As such, the self is omnipresent and does not change. (Wright 1984, S.117)

Doch die meisten Individuen haben eigene Vorstellungen über ihr eigenes Selbst und schreiben ihm Attribute zu.

„Da das Selbst als ein Bezugspunkt außerordentlich wichtig ist, entwickeln Per- sonen Verhaltenstendenzen, die Motiven in bezug auf das Selbst entsprechen: Wahrung der Individualität, Bestätigung hoch eingeschätzter Attribute des Selbst, positive Selbstbewertung, Entwicklung des Selbst in positiver Richtung, Vermeidung von Situationen, die der positiven Selbstbewertung schaden.“ (Au- hagen 1991, S.7)

Wright bezieht sich in seinem Modell auf die Austauschtheorie von Thibeaut & Kelley (1959) wobei er davon ausgeht, „daß Freundschaften nur geschlossen und erhalten werden, weil sie belohnend sind, und sie sind belohnend, weil sie mithelfen, die Ziele und Motive des Selbstkonzeptes zu erreichen.“ (Auhagen 1991, S.8).

„The central point to be made is that friendships are, indeed, formed and maintained because they are rewarding, but the rewardingness need not imply selfishness, self-centredness or exploitation on the part of the persons involved. Rather, the rewardingness follows from the facilitated expression of behavioral tendencies related to the self and its attributes. (Wright 1984, S.117)

Die von Wright genannten Kriterien der Freundschaft sind „voluntary interdepen- dence“, also eine freiwillige Interdependenz sowie der „person-qua-person“-Faktor, der ein Betonen der gegenseitigen Individualität bedeutet. Je stärker die Ausprägungs- grade dieser Charakteristika sind , so Wright (1984), desto enger ist die Freundschaft.

In Wrights Modell sehen Menschen sich in Freundschaften als individuelle Persön- lichkeiten und ihr Verhalten gegenüber dem anderen ist stark auf diese individuellen Anteile konzentriert, weniger auf rollenspezifische. Das bedeutet also, daß Freund- schaft einen selbstreferentiellen Charakter hat und somit Erfüllung oder Ausdruck des individuellen Bedürfnisses darstellt, die eigene Einzigartigkeit und Bedeutung zu verstärken, sich zu entfalten oder Bedrohungen abzuwenden. (Hinde 1993). Jeder Mensch ist demzufolge bemüht, ein möglichst positives Bild von seinem/ihrem Selbst zu haben und daß es seinem Selbst als wichtigstem Bezugspunkt der Persönlichkeit gutgeht. Freundschaften werden also geschlossen um mitzuhelfen, die Ziele und Wün- sche bezüglich des eigenen Selbstbildes zu verwirklichen. (Auhagen 1993)

Weiterhin werden in Wrights Modell Beeinträchtigungen von Freundschaft, zum Bei- spiel Konflikte oder Streit, unter dem Begriff „maintenance difficulty“ , also Schwie- rigkeiten des Erhaltens, zusammengefasst, die Wright als potentielles Nebenprodukt von Interdependenz bezeichnet. Mit dem Wachsen der Freundschaft, so Wright, steigt auch der Grad von freiwilliger Interdependenz. Für die auf sich selbst bezogene Ten- denz von Freundschaft sind in diesem Modell unterschiedliche Werte bzw. Belohnun- gen bedeutsam: Zum einen der sogenannte „ego support value“, womit gemeint ist, daß ein Freund dem anderen vermittelt, eine kompetente und wichtige Person zu sein. Zum anderen spricht Wright vom „self affirmation value“, also eine verstärkte Wahr- nehmung der als positiv empfundenen Anteile des eigenen Selbst durch den Freund/die Freundin. Daneben gibt es den sogenannten „stimulation value“, in dem der Freund/die Freundin neue Ideen in die Freundschaft einbringt und somit das eige- ne Wissen erhöht, sowie den „security value“, in dem der Freund/die Freundin bereit ist, konkrete Ressourcen bereitzustellen.

Das Ende einer Freundschaft begründet Wright mit verminderter Interdependenz so- wie nachlassender Belohnung der Beziehung. Allerdings, so Wright, werden einige Freundschaften selbst- unterstützend, das bedeutet, sie halten sich selbst aufrecht, auch wenn identifizierbare Belohnungen, die zu ihrer Entwicklung geführt haben, nicht länger verfügbar sind. Denn Freunde, vermutet der Autor, zählen nicht nur die Kosten ihrer Beiträge zur Beziehung und erwarten auch nicht eine gleiche oder vergleichbare Erwiderung ihrer aufgewendeten Bemühungen oder Gefälligkeiten.

Zur Rolle der Persönlichkeitsvariablen in der Attraktion behauptete Wright schon in einem früheren Bericht (1969), daß man mit Menschen, die keine extremen Persön- lichkeitsdimensionen aufweisen, leichter auskommen kann und eher als Freunde aus- gewählt werden. Diese Position ist allerdings dahingehend schwierig, daß es scheint, als hätten Personen, die extreme Persönlichkeitszüge zeigen, keine Freunde. Dies sei aber, so Wright, nicht der Fall, sondern er nimmt eher an, daß mit solche Individuen schwer auszukommen ist. Bezogen auf sein Modell hieße das also, daß Personen mit extremen Persönlichkeitseigenschaften zur „maintenance difficulty“ in gewisser Wei- se beitragen.

3.2 Differentialpsychologische Aspekte von Freundschaft

Innerhalb der Freundschaftsforschung taucht häufig die Frage danach auf, inwieweit Persönlichkeitsmerkmale einen Einfluß auf die Gestaltung von Freundschaften haben. Bereits in der Attraktionsforschung entstand ein Interesse an den Gemeinsamkeiten zwischen Personen. (Auhagen, 1991). Eine ähnliche Einstellung zu grundlegenden Werten gilt zumindest für den Beginn von Beziehungen als fördernd. (vgl. Mikula 1977).

Bereits Kon (1979) stellte fest, daß es hierbei aber nicht mehr um die „äußeren“ Vor- aussetzungen geht, die die Herausbildung freundschaftlicher Beziehungen begünstigen oder beeinträchtigen, sondern um den Inhalt der Werte, die ihre Grundlage bilden, vor allem aber auch, daß zwischenmenschliche Beziehungen, insbesondere Freundschaft und Liebe, aber nicht nur durch persönliche Eigenschaften eines der Teilnehmer er- klärt werden kann.

„Das Studium dieser Eigenschaften und der ihnen zugrundeliegenden psychologischen Gesetzmäßigkeiten fängt erst an und bildet eine der Hauptaufgaben der modernen Psychologie“ (Kon 1979, S.181)

Auch Köhler (1991, S.262) stellt die Frage nach den „Freundschaftspersönlichkeiten“ und betont, daß die persönlichen Charakteristika der Individuen, im Vergleich mit anderen Faktoren, grundsätzlich als Einflußgröße berücksichtigt werden sollten. Er weist aber darauf hin, daß ein solcher Versuch mit Schwierigkeiten verbunden ist, da der Stellenwert des Eigenschaftsansatzes in der Sozialpsychologie in den letzten zwanzig Jahren heftigen Einschätzungsschwankungen unterworfen war. Der Autor bezieht sich dabei auf Marlowe & Gergen (1969), die feststellten, daß die meist unter- suchten situativen Variablen der Sozialpsychologie in Hinblick auf die relevante Per- sönlichkeitsdimension durchgeführt wurden, und demzufolge zu dem Schluß kamen, daß eine Betrachtung situativer Variablen ohne Rücksicht auf die Interaktion zwischen Situation und Persönlichkeit recht erfolglos bleiben müsse. Mehrere kritische Über- sichten, so Köhler weiter, stellten heraus, daß nur wenige, teilweise fragwürdige Hin- weise dafür sprächen, daß Persönlichkeitsfaktoren für die Vorhersage sozialen Ver- haltens benutzt werden könnten und daß diese Eigenschaften nicht das Verhalten aller Individuen zu allen Zeitpunkten vorhersagen können.

„Statt dessen machte sich zunehmend die Überzeugung breit, daß nur für einige Menschen in einigen Situationen mittels einiger Eigenschaften einige Verhaltensweisen vorhersagbar seien“ (Köhler 1991, S.255)

Aus diesem Grunde bedient sich die psychologische Forschung sogenannter moderie- render Variablen, durch die festgestellt werden soll, welche Persönlichkeitseigen- schaften zur Vorhersage sozialen Verhaltens fähig sind und welche nicht. Diese Mo- deratorvariablen sollen feststellen, welche Eigenschaften Verhalten vorhersagen, wel- che Verhaltensweisen vorhergesagt werden und für welche Individuen und welche Situation eine bestimmte Eigenschaft die entsprechende Verhaltensweise vorhersagt.

3.2.1 Eigenschaften und Attribution in der Freundschaft

Als Eigenschaften (engl.: traits) werden Qualitäten oder Attribute der Persönlichkeit bezeichnet, die das Verhalten beeinflussen. Allport (1958) beispielsweise stellt Eigen- schaften als Bausteine der Persönlichkeit dar, die eine Konsistenz des Verhaltens zur Folge haben, und als überdauernde und allgemeine Attribute der Person fungieren.

Jede Person hat psychische Bedürfnisse, die am besten durch die Interaktion mit ei- nem anderen Menschen erfüllt werden können, der sichere Persönlichkeitseigen- schaften vorweist. (Gergen & Marlowe 1970) . Diese Eigenschaften spielen innerhalb zwischenmenschlicher Beziehungen eine entscheidende Rolle, denn sie werden dazu benutzt, um andere Menschen zu beschreiben und zu identifizieren. Eigenschaften wie arrogant, hilfsbereit, intrigant, schüchtern, freundlich, sportbegeistert oder verbis- sen charakterisieren ein Individuum, so daß hinter diesen Zuschreibungen die impli- zite oder manchmal auch explizite Annahme steckt, eine Eigenschaft sei ein festes Merkmal, das einem Menschen fest anhaftet, ein Bestandteil seines Wesen (Sader & Weber 1996). Da diese Eigenschaften hervorragend dazu geeignet sind, Menschen zu beschreiben und auch voneinander zu unterscheiden, dienen sie als bevorzugte Analy- seeinheit der Differentiellen Psychologie, die als Teil der Persönlichkeitspsychologie die interindividuellen Unterschiede beinhaltet. Sader & Weber nennen als das ent- scheidende Merkmal, das aus persönlichkeitstheoretischer Sicht eine Eigenschaft ausmacht, die Beständigkeit, das bedeutet, daß Eigenschaften eine Klasse von Ver- haltensweisen beschreiben, die ein Mensch über die Zeit und verschiedene Situationen relativ beständig zeigt. Das erstere wird hierbei Stabilität genannt, letzteres als Konsi- stenz bezeichnet.

Als typische Eigenschaften werden in diesem Zusammenhang fünf Faktoren herausge- stellt, bei der verschiedene Ansätze zur Eigenschaftsmessung berücksichtigt wurden:

1. Neurotizismus: ängstlich, empfindlich, zu Schuldgefühlen neigend
2. Extraversion: gesprächig, gesellig, in Gesellschaft sicher auftretend
3. Offenheit für Erfahrungen: schätzt intellektuelle Angelegenheiten, rebel- lisch, nonkonformistisch, ungewöhnliche Denkprozesse
4. Liebenswürdigkeit: einfühlsam, warm, wirkt sympathisch
5. Gewissenhaftigkeit: verhält sich ethisch, zuverlässig, produktiv (McCrae & Costa 1987; zitiert nach Zimbardo 1995, S.480)

Vieles von dem, was wir an Aussagen über und unser Verhalten sowie über das Ver- halten anderer machen, können wir als Ursachenzuschreibung, Attribution, auffassen, denn wenn wir das Verhalten eines Menschen aufgrund einzelner oder weniger Beob- achtungen erklären, tun wir das mit Eigenschaften. Sader & Weber (1996) erklären diese Eigenschaftszuschreibung anhand zweier Annahmen. Erstens, daß die Eigen- schaft des betreffenden Menschen die Ursache des von uns beobachteten Verhaltens ist und zweitens, daß das Verhalten, auch wenn es nur einmal oder wenige Male beob- achtet ist, konsistent und damit für den betreffenden Menschen charakteristisch ist. Wir neigen aber grundsätzlich dazu, so Sader & Weber weiter, die Bedeutung von Persönlichkeitsmerkmalen zu überschätzen und die Rolle der situativen Einflüsse zu unterschätzen.

4 Persönlichkeitsmerkmale im Freundschaftsprozeß

Freundschaft ist ein Prozeß, der zwischen zwei Menschen stattfindet. Diese freiwilli- gen Beziehungen sind ständig in Bewegung und verändern sich fortlaufend, von ihrem Beginn bis zu ihrem Ende. Sie können verschiedene Formen annehmen, intensiver oder lockerer werden, und das Vertrauen sowie die gegenseitige Abhängigkeit der Partner kann variieren.(Mikula 1977). Fremde Menschen lernen einander kennen, aus diesen Bekannten können dann irgendwann Freunde werden. Doch dieser Prozeß funktioniert nicht von allein, es gehört von beiden Seiten ein gewisses Engagement und Interesse dazu. Aber nicht jeder Mensch ist in der Lage, Freundschaften zu schließen, oder auf Dauer eine feste Bindung einzugehen. Kon (1979) sagt in diesem Zusammenhang, daß das „Begreifen“ der subjektiven Welt der Persönlichkeit die Fä- higkeit voraussetzt, ihre Verhaltensmotive „von innen“ zu erschließen und sich mit ihrem Standpunkt zu identifizieren. Er bezieht sich damit auf den sozialen Prozeß, „der in der Sprache der Sozialpsychologen ‚Annahme der Rolle des anderen‘ heißt“ (Kon 1979, S.97) Damit ist gemeint, sich in die Lage des anderen versetzen zu können sowie eine Situation vom Standpunkt des anderen aus beurteilen zu können.

„Die moderne Psychologie unterscheidet zwischen der Fähigkeit zur unmittel- baren emotionalen Reaktion auf die Erlebnisse des anderen (Einfühlung, Em- pathie) und der kognitiven Fähigkeit zur Erkenntnis emotionaler Zustände, Ziele und Beweggründe des anderen aus dessen Sicht. Einen Menschen verste- hen heißt, sich in seine Lage versetzen zu können, die Welt mit seinen Augen se- hen, sich sozusagen in sein System der Ziele und Beweggründe verpflanzen. Die Bedeutung dieser Fähigkeit für die Freundschaft ist außerordentlich groß.“ (Kon 1979, S.99)

Um den Prozeßcharaker der Freundschaft verständlich zu machen, ist es in der einschlägigen Literatur verbreitet, den Verlauf von Freundschaften in drei große Phasen einzuteilen: 1. Entstehung und Entwicklung, 2. Erhaltung und 3. Auflösung und Ende der Freundschaft. (Auhagen 1993; Hays 1988)

4.1 Vorbedingungen für die Entstehung von Freundschaft

Die Menschen haben unterschiedliche Gründe und Motive, um Freundschaften zu schließen, die oft von situativen Faktoren abhängen. Zum Beispiel zeigen Singles mehr Energie, um Freundschaften zu pflegen, als verheiratete Personen. Außerdem beeinflussen persönliche Charaktereigenschaften wie soziale Fertigkeiten, Freundschaftsschemata oder Schüchternheit die Fähigkeit des Individuums, Freundschaften erfolgreich zu initiieren (Hays 1988).

Ein vielfach bestätigter Befund der Attraktionsforschung lautet, daß Menschen sich sympathisch finden, wenn sie in ihren Einstellungen, Werthaltungen und Ansichten übereinstimmen. Diese Übereinstimmung führt zu gegenseitiger Sympathie und später zu vermehrten Kontakten. So besagte beispielsweise schon die „Homans’sche Sym- pathieregel“:

„Wenn die Häufigkeit der Interaktion zwischen zwei oder mehreren Personen ansteigt, wird der Grad ihrer gegenseitigen Sympathie ebenfalls ansteigen.“ (Homans 1950, S.112; zitiert nach Lück 1987, S.91)

Homans betont mit dieser Regel in erster Linie die belohnende Wirkung von Interak- tionen. Zu diesen können sowohl Verhaltensweisen gerechnet werden, die zum Bei- spiel das Selbstwertgefühl bzw. Selbstbild eines Individuums erhöht oder aufrechter- hält, als auch solche, die zur Erreichung bestimmter Ziele wie Geltung, Anerkennung oder Macht führen.

Das bedeutet also, daß die Entwicklung einer zwischenmenschlichen Beziehung in erster Linie Interaktion zwischen den Partnern voraussetzt (Mikula & Stroebe 1977). Hierbei, so Mikula (1977), sind die Merkmale und Verhaltensweisen des Partners maßgeblich, also die Charakteristika, durch die man sich zu dieser Person in irgendeiner Weise hingezogen fühlt. Teilweise sind es freundliche, unterstützende und belohnende Verhaltensweisen des anderen, andererseits können es auch Merkmale und Eigenschaften sein, die aus dem Grund positiv bewertetet werden, weil sie entweder direkt belohnend wirken oder mit den Werthaltungen und Standards der Gesellschaft übereinstimmen. Mikula betont aber, daß in bezug auf den Einfluß verschiedener Persönlichkeitseigenschaften des anderen auf die zwischenmenschliche Anziehung ihm gegenüber sehr unterschiedliche Ergebnisse vorliegen.

„Abgesehen von einigen konsistenten Befunden bezüglich einzelner Merkmale, die allgemein bevorzugt werden, brachten viele Untersuchungen zum korrelati- ven Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und soziometrischem Status nur wenig übereinstimmende Ergebnisse.“ (Mikula 1977, S.23)

In diesem Zusammenhang weist Mikula darauf hin, daß die Wirkung einer bestimmten Eigenschaft von verschiedenen Faktoren abhängt, und betont zunächst ihren „funktionalen Zusammenhang mit der konkreten Zielsetzung“ der zwischen den Partnern bestehenden Beziehung. In dem Maße wie ein Merkmal für die Erreichung dieser angestrebten Ziele förderlich, hemmend oder irrelevant ist, wird es mit der interpersonellen Anziehung entweder positiv, negativ oder gar nicht korrelieren.

Als einen weiteren Faktor benennt Mikula den „Bekanntheitsgrad des Partners“, der zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem die Attraktionsreaktion gemessen wird, da für die Feststellung mancher Eigenschaften eine wesentlich bessere Kenntnis des Partners erforderlich ist als für die Feststellung anderer Eigenschaften. Zusammenfassend gelangt Mikula zu dem Schluß, daß „alle jene Faktoren die Attraktion fördern, die für ein Individuum direkten Be- lohnungswert besitzen oder bei ihm die Erwartungen hervorrufen, daß der So- zialkontakt mit einer bestimmten Person belohnend oder angenehm sein wird.“ (Mikula 1977, S.27)

Als zu diesen Faktoren gehörend bezeichnet er alle jene Verhaltensweisen, die zur Aufrechterhaltung und Erhöhung des Selbstwertes und des Selbstbildes eines Men- schen beitragen sowie auch Eigenschaften und Verhaltensweisen, die zur Erreichung angestrebter Ziele und zur Befriedigung individueller Bedürfnisse beitragen.

Bezüglich der Attraktivität eines Individuums stellt Köhler (1984) fest, daß nicht nur in den Bereichen der Eindrucksbildung, Einstellungen und Attributierungen die phy- sisch attraktiven Individuen gegenüber weniger Attraktiven Vorteile haben. Aller- dings, wie Köhler einräumt, liegen noch nicht viele einschlägige Befunde zu diesem Thema vor, aber er nimmt an, daß ein Zusammenhang zwischen körperlicher Attrakti- vität und Persönlichkeitsvariablen vorläufig berechtigt ist. Aufgrund einiger Studien kommt Köhler zu dem Ergebnis, daß sich bei Merkmalen wie „Gelassenheit“, „Extra- version“, „Angst in sozialen Situationen“, Nervosität“, „Aggressivität“, „Depressivi- tät“, „Labilität“ oder „Gehemmtheit“ keine Zusammenhänge mit dem von neutralen Beurteilen bewertetem Aussehen fanden, und folgerte daraus, daß es „im großen und ganzen keine Persönlichkeitsdifferenzen zwischen ‚besser‘ und ‚schlechter‘ aussehen- den Menschen“ gibt (1984, S.145) Folgende genannten einschränkenden Persönlich- keitsvariablen waren in diesen Untersuchungen für die Vorhersage der physischen Attraktivität (p.A) von Bedeutung. Für Frauen standen „Nervosität“, „Depressivität“, „Erregbarkeit“ und „Dominanz“, wogegen für Männer „Sexuelle Erfahrungen“ und „Depressivität“ relevant waren. Ein gemeinsamer Befund dieser Untersuchungen war laut Köhler, daß das fremdeingeschätzte Aussehen bei Jugendlichen und Studenten keine bedeutsame Relation zu Persönlichkeitsvariablen aufwies. Infolgedessen kam Vagt (1979; vgl. Köhler 1984) zu der Annahme, daß die Persönlichkeit weniger von der durchschnittlichen Fremdeinschätzung sondern eher von der Selbsteinschätzung des Aussehens beeinflußt sein könnte. Wer sich selbst als gutaussehend empfindet, so erklärt Köhler diese Annahme, wird aufgrund eines gesteigerten Selbstwertgefühls und größerer Selbstsicherheit von seinen Mitmenschen ein positives Feedback erhal- ten, das ihn als Persönlichkeit bestätigt und ihn noch selbstsicherer macht. Köhler (1984, S.147) faßt zusammen, „daß negative Bewertungen des eigenen Aussehens tendenziell mit emotionaler Labilität sowie Problemen im sozialen Bereich einhergehen.“

Weiterhin nimmt Köhler an, daß die Selbsteinschätzung möglicherweise von Persön- lichkeitsvariablen abhängt. Wer also keine Probleme im Umgang mit anderen Men- schen hat und gesellig ist, hat infolgedessen auch ein günstigeres Selbstbild, was wie- derum einen Einfluß auf die Beurteilung des eigenen Aussehens hat. Es scheint dem- zufolge also für die Persönlichkeitsstruktur günstig zu sein, schließt Köhler daraus, wenn man sich selbst, unabhängig von der Einschätzung der Umwelt, für gutausse- hend hält.

„Es zeichnet sich nach der vorgenommenen Gruppierung eine Merkmalskombi- nation ab, bei der mit steigender p.A. mangelnde Offenheit, mangelndes Selbst- bewußtsein und mangelnde Selbstkritik sich mit einer gewissen Selbstgefällig- keit bis hin zur Egozentrik verbinden und eine mißtrauische Einstellung ande- ren gegenüber, gekennzeichnet durch Argwohn und reaktive Aggressionsbereit- schaft bei gleichzeitiger autoritärkonformistischer Abhängigkeit vorherrscht.“ (Köhler, 1984, S.149)

Trotzdem, so Köhlers Fazit dieser Untersuchungen, zeigt die Befundlage bisher keine konsistenten Beziehungen zwischen physischer Attraktivität und Persönlichkeitsvaria- blen.

4.1.2 Das Selbstkonzept

Wir brauchen die anderen als Spiegel, behaupten Sader & Weber (1996), damit wir uns ein Selbstkonzept bzw. eine Identität aufbauen können, da das Selbst erst aus der Interaktion mit anderen entsteht, nicht aus uns selbst heraus.

Schon Gergen & Marlowe (1970) bemerken, daß ein niedriger Selbstwert mit einem hohen Bedürfnis nach Wertschätzung von anderen verbunden ist. Einer Person, die in ihrer Selbsteinschätzung ein Defizit erfährt, fehlt demnach die positive Betrachtung von anderen und ist empfänglicher für positive Zuwendung durch eine andere Person.

Von den Eigenschaften des Selbstbewußtseins ist laut Kon (1979) die Selbstachtung wahrscheinlich der wichtigste Faktor, der den größten Einfluß auf den Charakter der zwischenmenschlichen Beziehungen und der Interaktion hat. So haben Menschen mit niedriger Selbstachtung eher unbeständige Selbstvorstellungen und -einschätzungen , wodurch sie sich oft vor anderen verschließen und sich ihnen gegenüber hinter einer Maske verstecken. Infolgedessen verursacht diese Notwendigkeit, eine bestimmte Rolle zu spielen und das wahre Ich zu verstecken eine verstärkte innere Spannung, Angstzustände oder auch psychische Isolierung, die das Individuum veranlaßt, sich aus der Realität zurückzuziehen und in einer Traumwelt zu leben. Je niedriger dieses Niveau der Selbstachtung ist, so Kon weiter, desto wahrscheinlicher ist die Tatsache, daß der Betreffende einsam ist. Dies hat wiederum einen Einfluß auf die Tiefe der Intimität der Kommunikation mit anderen Menschen und führt demzufolge dazu, daß Beziehungen instabil werden. Ein Mensch mit hohem Selbstwertgefühl und stabilem Selbstbild dagegen ist eher fähig, eine tiefe und beständige Freundschaft einzugehen. Kon sieht also einen wesentlichen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Indi- viduums zu sich selbst und zu anderen Personen.

Auch Duck (1977) stellt fest, daß die Entscheidung, wen wir zum Freund wählen von unserer Persönlichkeit, insbesondere vom Selbstwertgefühl abhängt. Der Grad der Ich- Beteiligung eines Individuums in einer Freundschaft hängt also davon ab, inwieweit es sich selbst zu einer Beteiligung in einer entsprechenden Beziehung ermutigt.

„Ein wesentlicher Aspekt der Persönlichkeit steht zum Selbst in Beziehung“ (Duck 1977, S. 148)

Man kann demnach sein Selbstwertgefühl steigern, indem man in einer Beziehung die Achtung des Partners erwirbt oder man sich mit einem gutaussehenden gegenge- schlechtlichen Partner verbindet. Doch das Selbstwertgefühl eines Individuums kann vorher seine Bereitschaft beeinflussen, die Interaktion mit einer anderen Person über- haupt aufzunehmen. Hierbei spielen die Ansichten, die man über sich selbst hat, eine entscheidende Rolle, ebenso wie die Bedeutung, die eine bestimmte Beziehung für die eigene Selbsteinschätzung hat.

Darüber hinaus unterscheidet Duck zwischen dem „tatsächlichen Selbst“, also dem Bild, daß jemand von sich selbst macht, und seinem „idealen Selbst“, die Vorstellung davon, wie man sein möchte. Außerdem können sich demnach die Ausprägung des Selbstwertgefühls wie auch der Grad der Selbstakzeptierung auf die Partnerwahl auswirken, und zwar, wie Duck feststellt, über die Toleranz von Unähnlichkeit.

„Jemand mit niedrigem Selbstwertgefühl wird möglicherweise ähnliche Andere sympathisch finden, weil sie ihn möglicherweise zur Überzeugung gelangen lassen, daß sein Selbstwertgefühl zu niedrig ist; schließlich ist der andere ja auch nicht besser als er selbst.

Jemand mit niedriger Selbstakzeptierung hingegen, der ja schon entschieden hat, daß seine Eigenschaften und Fähigkeiten „objektiv“ unakzeptabel sind, wird ähnliche andere abwerten und ablehnen, da sie je dieselben unakzeptablen Eigenschaften besitzen.“ (Duck, 1977, S.149, Hervorhebungen im Original)

Ähnlicher Meinung sind Argyle & Henderson (1986), die ebenfalls betonen, daß Per- sonen mit geringem Selbstwertgefühl empfänglicher sind für gegenseitige Rückmel- dungen, und daß Menschen mit vermindertem Selbstvertrauen sich stärker Menschen zuwenden, die sie positiver beurteilen als zu solchen, die sie ablehnen oder kritisieren.

In bezug auf das Selbstwertgefühl kamen Perlman & Peplau (1981) zu dem Ergebnis, daß niedriger Selbstwert und Einsamkeit Hand in Hand gehen. Die Autoren bezeich- neten die Verbindung zwischen diesen beiden Faktoren als reziprok, in dem Sinne, daß niedriger Selbstwert in Verbindung mit korrelierten Faktoren wie Schüchternheit oder die Abneigung, soziale Risiken auf sich zu nehmen, den Grad der Einsamkeit verstärkt. Außerdem fühlen sich Menschen mit niedrigem Selbstwert eher blamiert durch „soziale Fehler“ oder durch geringe soziale Kontakte, was wiederum ihre eigene niedrige Selbstmeinung bestätigt.

Die Tatsache, daß Menschen Wesen sind, die sich selbst zum Gegenstand der Reflexion machen können, sehen Sader & Weber (1996) als Ursache dafür, daß wir unser Verhalten kontinuierlich kontrollieren und bewerten, so daß wir ständig mit Vermutungen operieren, wie wir aus der Sicht der anderen dastehen.

Valtin & Fatke (1997) behaupten zu diesem Thema, daß die Chance zum Erwerb von Selbstvertrauen in unserer Gesellschaft geschlechtsspezifisch verteilt ist. Verhaltens- weisen und Eigenschaften, die als typisch „männlich“ eingestuft werden, sowohl bei Männern als auch bei Frauen eine höhere Wertschätzung erfahren als die weiblichen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 83 Seiten

Details

Titel
Freundschaftsfähigkeit - Ein Literaturüberblick zum Zusammenhang von Freundschaft und Persönlichkeit
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Institut für Psychologie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
83
Katalognummer
V6315
ISBN (eBook)
9783638139168
ISBN (Buch)
9783638697033
Dateigröße
644 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Freundschaftsfähigkeit, Literaturüberblick, Zusammenhang, Freundschaft, Persönlichkeit
Arbeit zitieren
Petra Schima (Autor:in), 2001, Freundschaftsfähigkeit - Ein Literaturüberblick zum Zusammenhang von Freundschaft und Persönlichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6315

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