Archäometallurgische Untersuchungen zur frühen Eisenverhüttung und -gewinnung in der Hallstatt- und Latènezeit

Am Beispiel von Eisenfunden der Hunsrück-Eifel-Kultur


Diplomarbeit, 2006

136 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung & Zielsetzung

2 Überblick zur Hunsrück-Eifel-Kultur (HEK)
2.1. Forschungsgeschichte und Chronologie
2.2. HEK - ein archäologischer Überblick.
2.2.1. Voreisenzeitliche Besiedlung und Verbreitung
2.2.2. Siedlungswesen
2.2.3. Gräberfelder und die Interpretation des Fundgutes
2.2.4. Sozialstruktur
2.3. Kritische Zusammenfassung und die Frage nach dem „Kulturbegriff“

3 Grundlagen der Eisengewinnung .
3.1. Geschichtliches.
3.2. Keltische Eisengewinnung und -verarbeitung
3.2.1. Der Rennofen
3.2.2. Roheisen und „Stahlherstellung“ (Rennfeuerverfahren)
3.2.3. Schlacken als „Abfallprodukte“ und die Rolle der Ofenwand
3.3. Eisenverhüttung im Untersuchungsgebiet sowie die Arbeit von J. Driehaus

4 Analytik
4.1. Probenaufbereitung und Analysenmethoden
4.2. Beschreibung der analytischen Verfahren
4.2.1. Elektronenstrahlmikroanalyse (ESMA)
4.2.1.1. Aufbau und Funktionsweise
4.2.1.2. Korrektur der quantitativen Röntgenanalyse
4.2.2. Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA)
4.2.2.1. Theoretische Grundlagen
4.2.2.2. Apparativer Aufbau
4.2.2.3. Korrektur
4.3. Fehlerbetrachtung

5 Geochemische und Mineralogische Betrachtung des Eisens
5.1. Allgemeines
5.2. Die Eisenerze und ihre Vorkommen im Bereich der Eifel
5.3. Die Eisenerzlagerstätten des Hunsrücks

6 Metallografische Untersuchungen
6.1. Grundlagen von Eisen-Kohlenstoff-Legierungen (EKL)
6.1.1. Das System Eisen-Kohlenstoff.
6.1.2. Die Bestimmung des Kohlenstoffgehalts durch die „Punktzählmethode“
6.1.3. Härteprüfung.
6.2. Auswertung der Metallografischen Untersuchung
6.2.1. Gesamtüberblick
6.2.2. Waffen.
6.2.3. Gebrauchsgegenstände
6.2.4. Zusammenfassung

7 Auswertung der Chemischen Analyse der Schlackeneinschlüsse
7.1. Überblick
7.1.1. Methodik
7.2.1. Chemismus der Schlacken
7.2. Beschreibung der Schlackeneinschlüsse nach optischen Eigenschaften
7.3. Hauptelemente.
7.4. Nebenelemente.
7.5. Spurenelemente.
7.6. Auffälligkeiten und Möglichkeiten der Rekonstruktion zur Erzbasis

8 Diskussion der Ergebnisse
8.1. Die Reduktion der Erze
8.1.1. Der Verhalten von SiO2
8.1.2. Der Verhalten von MnO
8.1.3. Der Verhalten von CaO
8.1.4. Der Verhalten von P2O5
8.2. Vermutungen zur Herkunft der verwendeten Erze der Proben des Hunsrücks
8.2.1. Überblick zur Erzgrundlage. .
8.2.2. Die Sonderstellung von Pr. TR_6 - die Rolle des MgO
8.3. Vergleich der Eisenverhüttung: Hunsrück und (Ost-) Eifel
8.4. Überlegungen zu den Proben des RLMB („Eifelproben“)

9 Zusammenfassung & Ausblick .

10 Literaturverzeichnis

Anhang A - Fundkatalog und Ortsverzeichnis

Anhang B - Metallografie

Anhang C - Geochemische Analysen und Tabellen

Danksagung

Für die Vergabe meines Themas und die Unterstützung möchte ich Herrn Prof. Dr. Ernst Pernicka recht herzlich danken. Für die weitere Betreuung ist Herrn Dr. Roland Schwab ebenfalls Dank zu schenken.

Die Bereitstellung der Proben erfolgte durch freundliche Unterstützung von Herrn Dr. Hans Nortmann vom Rheinischen Landesmuseum Trier sowie Herrn Dr. Michael Schmauder vom Rheinischen Landesmuseum Bonn. Für die Diskussion diverser geologischer Fragestellungen danke ich Herrn Dr. Martin Koziol vom Maarmuseum Manderscheid sowie den Herren Dr. Thomas Schindler und Dr. Michael Wuttke vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz in Mainz.

Für die Hilfe bei analytischen Messungen danke ich Herrn PD Dr. Thomas Wenzel und Herrn Dr. Heinrich Taubald vom Institut für Geowissenschaften der Universität Tübingen. Außerdem möchte ich Frau Gudrun Heinzel vom Institut für Werkstoffwissenschaft der TU Bergakademie Freiberg für die Unterstützung und die vielen fachlichen Auseinandersetzungen bei der metallografischen Auswertung danken. Gleiches gilt für Frau Oelschlegel von der Werkstofftechnologie.

Letztendlich möchte ich mich noch bei Herrn Dr. Andreas Kronz (Universität Göttingen) sowie Herrn Erwin Holzer (Eisenmuseum Jünkerath) und Herrn HansGeorg Brunemann für ihre Unterstützung und die „geheimen Hinweise“ und Denkanstöße bedanken.

Abstract

A sufficiently large body of knowledge has been gained from archaeological investigations over the last 100 years in the Eifel and Hunsrück low mountain ranges in Germany for the attribution of a specific culture to the area. This “Hunsrück-Eifel” culture, first declared by K. Schumacher, has been dated as extending from the late Hallstatt to middle La Tène period. Research has also revealed very early metallurgical knowledge of iron smelting in the region.

This thesis aims to answer questions about the culture’s iron technology (origin and type of ores, metallurgical processes, etc). Metallographic and chemical analyses with a microscope and an electron beam microprobe were carried out for this purpose. Sampling series maintained a clear distinction between the regions of Hunsrück and Eifel, in order to identify any regional differences.

Both the metallographic analyses and a range of binary and ternary diagrams reveal marked differences between the two regions.

Zusammenfassung

Archäologische Untersuchungen der vergangenen 100 Jahre im Bereich der Eifel und des Hunsrücks in Deutschland erbrachten Erkenntnisse, die aufgrund ihrer Menge dazu führten, dass ein „Kulturbild“ für diese Region entstand. Die von K. Schumacher als solche deklarierte „Hunsrück-Eifel-Kultur“ konnte zeitlich in die Späthallstattzeit bis in die mittlere Latènezeit eingeordnet werden. Forschungen zeigten, dass in diesem Gebiet sehr früh metallurgische Kenntnisse über die Verhüttung von Eisen vorhanden waren. Diese Arbeit setzt sich zum Ziel Fragen zur Eisentechnologie (Herkunft und Art der Eisenerze, Metallurgische Prozesse etc.) klären zu können. Dazu fanden metallograf- ische und chemische Analysen mittels Auflichtmikroskop und Elektronenstrahl- mikrosonde statt.

Bei den Probenahmen wurde bewusst auf eine Differenzierung nach Regionen, Hunsrück und Eifel, geachtet, um mögliche Unterschiede aufzuzeigen. Die metallografische Untersuchung sowie die Auswertung der Analysen der Schlackeneinschlüsse durch binäre und ternäre Diagramme zeigten eine eindeutige Dissonanz zwischen beiden Regionen.

1 Einleitung & Zielsetzung

„Über die reißende Nahe schon war ich […] Einsamen Weg betrat ich nunmehr durch düstere Forsten,

Nicht die mindeste Spur menschlichen Anbaus gewährend, […]“

(Ausonius 386 v. Chr. auf seiner Wanderung durch den Hunsrück)

Seit der zweiten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrtausends belegen zahlreiche Funde und Befunde die bewusste Herstellung von schmiedbarem Eisen im Bereich zweier westdeutscher Mittelgebirgsregionen - dem Hunsrück und der Eifel. Geologisch betrachtet, bilden die vorgestellten Regionen den Großteil des Rheinischen Schiefergebirges (RSG). Das RSG wird vom Rhein in zwei Teile getrennt - dem Linksrheinischen und dem Rechtsrheinischen. Seine mittlere Höhe beträgt etwa 500 Meter. Der Ostflügel wird von der Lahn durchschnitten, südlich von ihr liegt der Taunus, nördlich das Bergische Land, das Sauerland und das Siegerland mit dem Rothaargebirge sowie der Westerwald. Der Westflügel wird von der Mosel geteilt, südlich von ihr liegt der Hunsrück, nördlich die Eifel und die Ardennen mit dem Hohen Venn (Abb. 1.1).

Außer den Untersuchungen von A. KRONZ & T. EGGERS (2001) fanden im Laufe der letzten Jahre leider keine nennenswerten archäometallurgischen Forschungen statt. Obwohl zahlreichen Autoren wie z.B. J. Driehaus oder R. Schindler vermuten, dass es sich bei dem Gebiet der so genannten Hunsrück-Eifel-Kultur (HEK) um eines der ältesten bekannten Zentren für die Gewinnung und Verarbeitung von Eisen in Mitteleuropa handelt, so erfolgten bisher allerdings keine großräumig angelegten und planmäßigen Untersuchungen zu diesem Thema.

Bis in die 1980er Jahre wurden mehrere kleinere Grabungen durchgeführt, wobei neben Eisenartefakten auch Reste eines vermutlichen Rennofens (Hillesheim) geborgen werden konnte.

Für die Durchführung der Untersuchung dieser Arbeit wurden Eisenartefakte der Rheinischen Landesmuseen Trier und Bonn beprobt und untersucht. Neben diesen, konnten einige für die Verhüttung in Frage kommende Eisenerze (Sammelfunde) analysiert werden.

Reines Eisen ist selbst in der heutigen Zeit nur sehr schwer herstellbar. Selbst technisch hochwertiges Eisen, welches heute als „Reineisen“ bezeichnet wird, enthält noch Spuren anderer Elemente (SCHUMANN 1990).

Als Stahl wird eine große Gruppe von Eisenlegierungen bis zu 1,8 % Kohlenstoff bezeichnet (nach EN 10020), deren Eigenschaften (Festigkeit, Zähigkeit, chem. Beständigkeit) sich durch Änderung der Legierungszusammensetzung und durch Wärmebehandlung in weitem Maße verändern lassen.

Auch schon kleinste Mengen anderer Elemente (Cr, V, Ni, W, Mo u.a.) können zu gewollten oder ungewollten Veränderungen führen. Viele dieser Elemente finden sich anschließend in den Schlacken, wie auch den Schlackeneinschlüssen des produzierten Eisens, wieder.

Durch die Analyse der Elemente der Schlackeneinschlüsse ist es möglich, Informationen über den Prozessablauf, die verwendeten Temperaturen während der Verhüttung sowie die Art des zu verhüttenden Erzes zu bekommen.

Die Untersuchung im Rahmen der vorliegenden Arbeit nimmt sich zum Ziel, das Wissen um die Belange der frühen Eisendarstellung am Beispiel des vorgestellten Raumes aufzuzeigen und dem ein hohes Maß an technischem Können voraussetzenden Handwerk ein Augenmerk zu widmen.

Es soll versucht werden, auf Besonderheiten im Herstellungsprozess näher einzugehen (Erzgrundlage, Verhüttung, Schmiedekunst), um kritisch mögliche metallurgische Dissonanzen in den jeweiligen Bereichen der Regionen Hunsrück und Eifel zu diskutieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1.1: Geografische Übersicht des Arbeitsgebietes (M. 1:1 Mio.), Microsoft ® Encarta ® 2006 ©

2 Überblick zur Hunsrück-Eifel-Kultur (HEK)

2.1. Forschungsgeschichte und Chronologie

Die ersten Grabungen im Bereich von Eifel (1887/88) und Hunsrück (1892/93) wurden durch H. Lehner geleitet und zusammengefasst (LEHNER 1894). Er definierte eine hallstattzeitliche Mehrener Gruppe (Abb. 2.1) sowie eine frühlatènezeitliche Hermeskeiler Gruppe und erkannte, dass das Verbreitungsgebiet „[…] auf Eifel und Hunsrück einschließlich des rechten Nahegebietes und des Glangebiets zu beschränken ist“ (LEHNER 1894, 12). Dies stellte den ersten Versuch dar, die mittelrheinischen Kulturgruppen zeitlich und lokal abzugrenzen.

Zwei Jahrzehnte später veröffentlichte K. Schumacher mehrere Arbeiten zur Hallstattzeit (Ha) im Mittelrheingebiet und unterschied - in Weiterführung der Vorstellungen Lehners - zwischen einem Koberstadter und Mehrener Typus. Er ordnete die Koberstadter Gruppe1 mit Hilfe der Kegelhalsurne als Leitform in das Gebiet des Westerwaldes bis hin zum Rhein und Main ein. Den Mehrener Typ (Abb. 2.2), den er erstmals auch als „Hunsrück-Eifel-Kultur“ bezeichnete, datiert nach seiner Auffassung in die Stufen Ha C bis Ha D. Er beschrieb Grabritus und Fundmaterial und führte als besonders spezifische Kennzeichen Wendelringe („Totenkränze“), gestrichelte Armbänder sowie gekerbte Armringe an (SCHUMACHER 1918).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1: Funde der Mehrener Kultur nach

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Abb. 2.2 Funde des Mehrener Typus/HEK LEHNER (1894, Taf. 1) nach SCHUMACHER (1918, Abb.3)

Ziel Schumachers war es, die Entstehung der HEK „[…] unter der Einwirkung starker ostfranzösischer Späthallstattgruppen“ aus dem Westen nachzuweisen, deren „Volksstamm als Träger dieser Kultur […] sich allmählich nach dem Rheine verschob“ (SCHUMACHER 1918, 100). G. BEHRENS (1927) und H. BEHAGEL (1942/49) sollten später dies bestreiten und von einer autochthonen Entstehung ausgehen.

In einer Übersicht fasste W. DEHN (1935) die vorrömische Entwicklung zusammen, die sich auf die Vorarbeiten der von J. STEINHAUSEN 1936 erschienenden „Archäologischen Siedlungskunde des Trierer Landes“ unter Mitberücksichtigung des Hunsrücks und der Eifel bezieht. Dehn unterschied zwischen Laufelder Gruppe (Ha C) und HEK (Ha D), sowie den beiden zeitlich parallel verlaufenden Gruppen Rhein- Mosel und Birkenfeld-Hochwald für die Frühlatènezeit (FLt). In seiner Dissertation über die „Urgeschichte des Kreises Kreuznach“ (DEHN 1941) sowie seiner Arbeit über „Vorgeschichtliche Denkmäler und Funde um Hermeskeil“ (1951) korrigierte er diese Einschätzung und schuf eine erste ernsthafte Chronologie und Chorologie (DOTZAUER 2001). Er unterteilte die HEK in einen älteren (Ha D) und einen jüngeren Abschnitt (Lt A-C). Dies bedeutete nach absoluten Zahlen einen Zeitraum von 600 bis 100 v. Chr., wobei der Übergang von älterer zu jüngerer HEK um 450 v. Chr. anzusetzen sei. Regional grenzte er die HEK folgendermaßen ab: vom Mittelrhein und dem Neuwieder Becken im Osten bis an die Saar-Sauerlinie im Westen und vom Nahe-Glangebiet im Süden bis 1941/1942).

Einen Meilenstein der Erforsch- ung des Gebietes der HEK er- brachten die Arbeiten von H. E. JOACHIM (1968) und A.

HAFFNER (1976). Joachim widmete sich vorwiegend der östlichen HEK und bestätigte die zeitliche Abfolge, beginn- end mit der Laufelder Gruppe, bis hin zur älteren sowie der jüngeren HEK nach den Vor- stellungen von Dehn.

Haffner begann 1965 mit einer Arbeit zur Späthallstattzeit im Saarland. Räumlich ordnete er in den Norden des Saarlands die HEK und im Süden die „saarländisch-pfälzisch lothringische Gruppe“ ein. Diese in die Hocheifel im Norden (vgl. W. JORNS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.3.: Chronologieschemata nach NAKOINZ (2004)

Grenzziehung, die mit der Südgrenze der HEK gleichzusetzen ist, wurde später unter anderem von A. SEHNERT (1991) bestätigt. 1976 weitete Haffner sein Untersuchungsgebiet auf die westliche HEK aus und stellte eine Horizontalstratigrafie auf. Basis war die Verteilung von Importgütern aus dem Mittelmeerraum in Gräbern und Siedlungen sowie der Vergleich von gleichartigen bis ähnlichen Fundgütern in nördlicheren und südlicheren Gebieten. Der Beginn der HEK wurde gleichgesetzt mit dem Ende von Ha C, bzw. dem Beginn von Ha D. Aufgrund der vorangegangenen Arbeiten von G. KOSSACK (1959) und der weitgehenden Übernahme der Datierung durch W. DEHN & O. W. FREY (1962) lag auch für Haffner das Ende von Ha C2 um 600 v. Chr. und damit sei dies als Zeitpunkt für den Beginn der HEK anzusehen. Das Ende der HEK, bzw. von La B, sollte größere Schwierigkeiten bereiten. Als Zeitpunkt des Abbrechens der Gräberfelder von Waldalgesheim und Münsingen wurde die Mitte des 3. Jh. v. Chr. für den Abbruch der Hügelgräberfelder der HEK angesehen.

Haffner schlägt daraufhin folgende Chronologie vor, die bis heute allgemein gilt (Abb. 2.3/2.4):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.4: Chronologie der HEK (in Anlehnung an HAFFNER 1976)

H. PARZINGER (1988) machte es sich zur Aufgabe, auf Grundlage der Grabungen von Bassenheim und Briedel (vgl. JOACHIM 1990), das Chronologieschema zu verfeinern und neue Zwischenstufen für die ältere HEK zu definieren, die er als „Rhein-Mosel-Lahn - Gruppe“ [RML] bezeichnete. Er schlug unter anderem vor, den Abschnitt zwischen der späten Laufelder Stufe (RML IA1) und dem frühen Latène (RML IIA1) in drei weitere Abschnitte zu gliedern. Parzinger versuchte mit Hilfe regionaler Kombinationstabellen überregionale Vergleiche zu ziehen.

H. NORTMANN (1991) kritisiert dieses Vorgehen scharf. Er warf Parzinger vor, dass bei ihm „Kleinfunde gegenüber der bisher stark dominierenden Keramik in den Vordergrund [treten]“, weswegen „eine Prüfung […] offensichtlicher Irrtümer und Fehler Parzingers provoziert wird.“ (NORTMANN 1991, 65). Auf der internationalen Arbeitstagung „Die ältere Eisenzeit im Mittelgebirgsraum“ (1992) versuchte er den Nachweis zu erbringen, dass eine präzisere Gliederung der HEK aufgrund der vorhandenen Fundtypen nicht möglich sei, indem er eine Tabelle von Grabfunden aus

dem RML-Gebiet mit einer groben Typengliederung aufstellte. Für Parzinger war dieses Ergebnis wiederum unakzeptabel. Er wies auf bedeutsame trachtgeschichtliche Veränderungen hin, wodurch die von Nortmann verwendete grobe Formengliederung unzureichend wäre. Daher hält Parzinger eine feine Formengliederung für unumgänglich (PARZINGER 1992). Er wirft Nortmann vor, die Augen zu verschließen, vor dem „[…] was sich in Bassenheim und Briedel abzeichnet“, denn „[…] ginge es nur um die Trennung klar umrissener Stufen, so hätte man es bei den Ergebnissen P. Reineckes belassen können“ (PARZINGER 1992,10).

Ein „schwarzes Loch“ bleibt allerdings das Gebiet zwischen den Arbeitsfeldern von Joachim und Haffner. Eine laufende Dissertation von S. HORNUNG (Mainz) mit dem Arbeitstitel „Die südöstliche Hunsrück-Eifel-Kultur - Studien zur Späthallstatt- und Früh-latènezeit in der deutschen Mittelgebirgsregion“3 wird hoffentlich mehr Aufschluss darüber bringen.

2.2. HEK - Ein archäologischer Überblick

2.2.1. Voreisenzeitliche Besiedlung und Verbreitung

Folgt man der älteren Literatur (SCHUMACHER 1918, DEHN 1941, KIMMIG 1964), so muss daraus geschlussfolgert werden, dass das Gebiet der HEK im vorurnenfelderzeitlichen Abschnitt mit Ausnahme einiger kleiner fruchtbarer Lößinseln dünn- bis gänzlich unbesiedelt war (W. KIMMIG 1964). Einzelne Streufunde, „die sich hierher verirrten […] konnten nur als letzte Ausstrahlung vom Mittelrhein und unteren Main her gelten“ (DEHN 1941, 84).

Im Laufe der archäologischen und geschichtlichen Entwicklung des Hunsrück-Eifel- Gebietes fällt eine durchweg geringe Besiedelungsdichte gegenüber anderen vergleichbaren Gebieten, wie der Schwäbischen Alb oder des Donauraumes, auf. Trotz allem kann eine fast durchgehende Besiedlung seit dem Paläolithikum (vor ca. 100.000-10.000 Jahren) nach heutiger Sicht angenommen werden. Rohe Faustwerkzeuge aus Quarzit der älteren Steinzeit finden sich auf einem Rastplatz paläolithischer Jäger in Weiler bei Bingen. Im Mesolithikum (10.000-4.000 v. Chr.) erweist sich diese Region allerdings als fast fundleer (K.H. KOCH & R. SCHINDLER 1994). Im Neolithikum bezeugen Knochenfunde die Existenz von Haustieren. Handmühlen aus Porphyr und Sandstein weisen auf die Anfänge des Getreideanbaus hin. Ausläufer der Bandkeramik, der mitteldeutschen Rössener Kultur und der für Rheinhessen und die Pfalz nach den typischen monolithischen Steindenkmalen benannte Hinkelsteingruppe sowie der Michelsberger Tulpenbechergruppe konnten

belegt werden. Die Besiedlungsplätze lagen an sonnigen geschützten Orten und auf den unteren Flussterrassen entlang der Mosel und der Nahe. So genannte „Schuhleistenkeile“ - häufig als Pflugscharen gedeutete Steingeräte - aus Schwarzenbach und der Umgebung von Birkenfeld lassen auf eine Pflugkultur im frühesten Abschnitt der jüngeren Steinzeit schließen (HAFFNER 1991). Aufgrund der doch spärlichen Besiedlung reichte das Neolithikum hier bis tief in die mitteleuropäische Bronzezeit (ca. 1800 v. Chr.).

In der beginnenden Bronzezeit werden nun, wenn auch nur selten, erstmals das bewaldete Bergland besetzt und gleichzeitig die Lößgebiete an den Flussniederungen teilweise gemieden. Die Zusammensetzung und Verteilung der Grabfunde deutet auf eine Bevorzugung von Jagd und Viehhaltung hin (DOTZAUER 2001). Gegen Ende der Bronzezeit wurde - wohl unter dem Einfluss kultureller und ethnischer Bewegungen aus Südeuropa - die Region in die Urnenfelderkultur (1200-600 v. Chr.) einbezogen. In der neueren Literatur wird häufig dieser Zeitraum mit den frühesten Wurzeln der Kelten („Urkelten“) gleich gesetzt.

In der ausgehenden Urnenfelderzeit (Ha B) wurden erste Höfe und dorfähnliche Siedlungen angelegt. Diese plötzliche Aktivität ab etwa 800 v. Chr. sowie der eigentliche Beginn der Besiedelung des Hunsrücker Berglandes (vgl. Grabfunde von Bell und Pleizenhausen) kann nicht nur an der Erschließung von neuen Weide- und Jagdgebieten gelegen haben, wie es SCHUMACHER (1918) vermutet hat. Mögliche Ursache für den „Marsch ins Gebirge“ (KIMMIG 1964, 104) könnte auch das an zahlreichen Stellen vorkommende Rot- und Brauneisenerz gewesen sein, welches zur Produktion von metallischem Eisen benötigt wird. Der mögliche Eisenerz-Röstofen in der Nähe von Hillesheim, der auf den Übergang von Ha C auf Ha D datiert, könnte darauf hindeuten (vgl. Kap. 3.3).

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Abb. 2.5: Knotenarmring, Dm. 6 cm (HAFFNER 1976, Taf.52,7)

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Abb. 2.6.: Rekonstruktion der 1993, 119)

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Abb. 2.7.: Wendelring, Haartracht Dm. 22 cm (SCHINDLER (CORDIE-HACKENBERG 1971, 37)

Um 600 v. Chr. entwickelte sich schließlich im Gebiet von Südeifel und Hunsrück eine regionale Ausprägung der südwestdeutschen Hallstattkultur, die ältere HEK. Sie lässt, was Tracht- und Beigabensitten sowie Gefäß- und Schmuckformen betrifft, sehr deutliche, was Bestattungsformen betrifft, nur geringe Unterschiede zur „eigentlichen“ Späthallstattkultur erkennen (F. TISCHLER 1951). Aufgrund einer Reihe von archäologischen Erscheinungsformen wie Trachtelemente - im Besonderen (Schläfen-) Wendelringe, Hals- und Knotenarmringe (Abb. 2.5-2.7) -, Gefäßkeramik sowie Bestattungs- und Beigabensitte, wird die HEK von W. SÖLTNER (1976) in ihrem Formenschatz als Anfangs- und Endpunkt weitreichender Verbindungen angesehen, für die ein lebhafter Handel charakteristisch ist („Rennweg“, „Ausoniusstrasse“).

Erstmals lässt sich eine kulturelle Einheit erkennen, der ein halbes Jahrtausend später von Caesar als Siedlungsbereich der Treverer beschrieben wird4. Die Grabform - Körperbestattung unter einem Grabhügel - kann entweder als Anregung aus dem süddeutschen Hallstattkreis gedeutet werden, oder für ein Wiederaufleben vorurnenfelderzeitlicher Bräuche stehen. Es scheint, als ob von allen Seiten fremde Kulturelemente eingeflossen wären. Von Süden erreichte das Gebiet der von den Etruskern gesteuerte mediterrane Exportstrom, der unter anderem auch zu sozialen Differenzierungserscheinungen, nämlich der Ausbildung einer „Fürstenschicht“, führte. Im Westen wurde die HEK stark von der von Dehn beschriebene Marnekultur beeinflusst (DEHN 1951) und aus dem Norden wurden einzelne frühgermanische Kulturgüter abgewandelt(HAFFNER 1991).

Die Verbreitung der HEK ist zeitlich sehr differenziert. Die Talbecken an Saar und Mosel, der fruchtbare Saar-Mosel-Gau und die Kalkmulden der Nord- eifel scheinen für die Anfänge der HEK bevorzugte Besied- lungsgebiete gewesen zu sein. Dies wird durch die Konzen- trationen von Laufelder-, HEK IA1- sowie vereinzelten Ha C- Körpergräbern deutlich. Die Konzentration der Besied- lung scheint sich nach J. DRIE (z.B. Wendelringe) übernommen und lokal HAUS (1965) bis hin zum Ende der HEK in Gebiete, die

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Abb. 2.8: Verbreitung der HEK (NAKOINZ 2004)

sehr reiche Eisenerzlager aufweisen, zu verschieben (vgl. Kap. 3.3). Es ist von einer kontinuierlichen Bestattung in allen Gräberfeldern von HEK IA2-II A3 auszugehen. Eine Ausnahme stellt allerdings der Bereich am Ufer der Nahe dar (Abb. 2.8). In diesem Gebiet ist eine starke Zunahme von Nekropolen ab der Stufe HEK IIA auffallend. Eine Bevölkerungsvermehrung während der jüngeren HEK oder eine Neuanlage von Gräbern bzw. Siedlungen wäre daher möglich (O. NAKOINZ 1994).

Eine zwar weiterhin gleichmäßige Verteilung, allerdings starke Reduzierung der Anzahl der Hügelgräber, ist kennzeichnend für die Stufe HEK IIB. Als mögliche Ursachen sieht HAFFNER (1971) in der Änderung des Totenbrauchtums oder der Bevölkerungsstruktur (Teilabwanderungen). Letzteres scheint nach Annahme des Verfassers wahrscheinlicher.

2.2.2. Siedlungswesen

Die Zahl der erforschten Nekropolen liegt weit über denen der Siedlungen, daher ist es nur möglich durch die Belegungsdauer und dem Inventar der Grabanlagen Rückschlüsse auf die Siedlungen zu ziehen, d.h. die jeweilig bestattete Personenzahl kann gleichzeitig als Indikator für die Größe der Siedlung gelten. Als problematisch stellt sich heraus, dass bisher nur Hügelbestattungen auffindbar sind und daher nur eine „privilegierte Schicht“ fassbar ist. Trotz dieser Einschränkung sind zwei Siedlungsgrößen zu erschließen: Zum einen kann ein relativ kleiner Siedlungstyp festgestellt werden. Dazu gehört beispielsweise Oberzerf/Irsch, Losheim, Rückweiler, Peffingen, Beilingen, Theley und Hermeskeil (KOCH & SCHINDLER 1994). In Oberzerf fanden sich 40 Gräber, für die eine maximale Belegungszeit von 300 Jahren angenommen werden kann. Daraus folgt, dass die Siedlung nur aus drei bis vier Personen bzw. einer Großfamilie bewohnt worden sein konnte.

Anders sieht es bei den größeren Siedlungen aus. Im „Königsfeld“ bei Rascheid fanden sich weit über 100 Grabhügel, die auf etwa 300-400 Bestattungen hinweisen (HAFFNER 1977/78). Dies bedeutet, dass über einen Zeitraum von 300 Jahren pro Generation etwa 30-40 Personen im „Königsfeld“ lebten. Ähnliche Vermutungen gelten für Horath, Wederath, Steineberg, Olk, Osburg und Sien. Bis heute sind 29 Siedlungsplätze innerhalb des Gebietes der HEK bekannt. Davon sind 18 unbefestigt und elf befestigt (HAFFNER 1991). Nicht eine einzige unbefestigte Siedlung wurde vollständig untersucht. Daher ist es schwer, allgemeine Aussagen darüber zu treffen. Die Analyse der Gräberfelder lässt jedoch erkennen, dass die Menschen der Jüngeren HEK in Einzelhöfen oder weilerartigen Hofgruppen lebten (HAFFNER 1977). Die Mehrzahl befinden sich in Hanglage; selten sind Spuren auf Höhenzügen, wie bei Ingendorf, anzutreffen, was allerdings auch daran liegen kann, dass hier aufgrund von Anschwemmungen die Siedlungen durch Erdschichten überlagert wurden (P.T. NICHOLSON 1991). Teilweise konnten kleine Schutzbefestigungen aus Palisaden, wie in Steinborn und Kastel, aufgedeckt werden (SCHINDLER 1977). Trotz ungenügender Kenntnisse der unbefestigten Siedlungen fällt auf, dass Keramik der HEK nie gemeinsam mit Keramik der Jüngeren Latènekultur vorkommt (NICHOLSON 1991).

Die befestigten Siedlungen sind weitaus besser untersucht worden. Es handelt sich um Burganlagen, die oft auf Bergkuppen angelegt wurden. Der Beginn des Anlegens von Höhenbefestigungen liegt nach Th. KNOPF (2002) in der Zeitstufe HEK IB. Der teilweise vorgelagerte Graben, sowie eine Pfostenschlitzmauer (Haffner spricht in diesem Zusammenhang mehrfach von einer „Ring- oder Abschnittsmauer“) aus einem

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Abb. 2.9: Rekonstruktion einer Toranlage Gerüst von Sand- und Quarzitsteinen, bei Gronig (SCHINDLER 1968, 105)

dienten als Schutz. Die Funktion der Toranlagen wie in Allenbach und dem Mommerich bei Gronig konnten noch nicht vollständig rekonstruiert werden (Abb. 2.9). Eine zweite Generation von Höhensiedlungen (z. B. Altburg bei Bundenbach) entwickelte sich gegen Ende der HEK im Gebiet der Westlichen HEK.

Im Innern der Anlage sind wiederum Unterschiede in der Belegungsdauer feststellbar. Es scheint aufgrund von Keramiktypen sowie -mengen so zu sein, dass zum einen von einer ständigen (Kordel, Preist) und zum anderen nur von einer teilweisen Besiedelung (Allenbach, Montclair) ausgegangen werden kann (SCHINDLER 1965). Es wird angenommen, dass speziell befestigte Siedlungen wie der Montclair bei Mettlach aufgrund des Fehlens von Kulturschichten „[…] in den für Besiedlung günstig erscheinenden

Zonen“ (SCHINDLER 1968, 138) als Fluchtburgen oder dauerhafte Siedlungen genutzt wurden. Es ist vorstellbar dass diese im Zusammenhang mit dynastischen Auseinandersetzungen oder im Kampf um wichtige Rohstoffgebiete entstanden sind und gegen Ende der Frühlatènezeit erstmalig abbrechen. Die Häuser besaßen eine Grundfläche von etwa 10 mal 15 Metern mit Feuer- und Herdstellen (Abb. 2.10).

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Abb. 2.10: Burganlage Aalburg mit Hausgrundrissen (HAFFNER 1971, 151)

Da innerhalb der Siedlungen vorwiegend Gebrauchskeramik gefunden wurde, sind Aussagen über den Beginn und das Ende der jeweiligen Siedlungen nicht über das Fundgut allein möglich. Feinkeramik, die zur Datierung besser herangezogen werden kann, fehlt im Gegensatz zu den Gräbern fast vollständig. Ebenso sind keine Trachtund Schmuckteile auffindbar.

2.2.3. Gräberfelder und die Interpretation des Fundgutes

Von den 34 bisher bearbeiteten Bestattungsplätzen konnte für 27 eine Belegung von 150-300 Jahren festgestellt werden (H.P. WOTZKA 2005).

Ähnlich den Siedlungen ist eine dichte bis lockere Streuung von Hügelgruppen auffällig. Für die frühe Eisenzeit ist es üblich geworden, reiche Hügelgräber in Bezug zu nahe gelegenen Burganlagen zu setzen, wie es beispielsweise im süddeutschen Raum mit der Heuneburg und dem dazugehörigen Hohmichele oder dem Mont Lassois und dem Grab von Vix in Ostfrankreich geschehen ist. Dies ist auch im Bereich von Siedlungszentren der HEK wie Besseringen-Mettlach, Siesbach Allenbach oder Berschweiler- Fischbach ersichtlich (DEHN 1951). Abb. 2.11 zeigt den Montclair (Mettlach) als thronender Stütz-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.11: Blick auf den Montclair bei Mettlach (www.hunsrueck-info.de; Stand: 10.04.06)

punkt über der Saarschleife. Dieser dürfte einen engen Zusammenhang mit dem „Fürstengrab von Besseringen“, wie auch der Mommerich (Gronig) mit dem „Fürstengrab von Theley“, haben (SCHINDLER 1968). Der Wechsel von Brand- zu Körperbestattungen vollzieht sich überwiegend in der Zeitstufe HEK IB.

Ein weitgehend kontinuierlicher Übergang scheint sich von der HEK auf die jüngere Latènezeit (frühes Lt C) vollzogen zu haben (Fundgut, Siedlungszentren, ähnlicher Bestattungsbrauch). Die Gefäßbeigaben sind größtenteils mit denen der vorangegangenen Stufe (HEK IIB) äquivalent.

Gleichfalls ist eine Neuorientierung aufgrund des Wechsels von Bestattungsplätzen, der Gründung neuer Siedlungen, sowie der Entstehung neuer Siedlungstypen sichtbar. Vereinzelte Brandgräberfelder wie in Rückweiler (Grab 1) und Horath (Grab 15) sind aus der jüngeren Latènekultur bekannt. Sie entsprechen in etwa der älteren Phase von Lt C (HAFFNER 1969). Es ist davon auszugehen, dass die Hügelgrabsitte im Bereich der beiden Zeitstufen HEK IIA2 bzw. IIB aufgegeben wurde. Die Nekropolen der jüngeren Lt-Kultur sind in den meisten Fällen räumlich entfernt von denen der HEK. Die Grabbeigaben innerhalb des Zeitraumes der HEK weisen auf verschiedene Handwerksbranchen hin. Eisenschmelzer, Bronzegießer, Töpfer sowie im Besonderen Waffenschmiede, Buntmetallhandwerker und Wagner. Der schwierig zu produ- zierende HEK I Bronzeschmuck konnte nur von Spezialisten verarbeitet werden. Die reiche Ornamentik im frühen Kunststil nach Jacobsthal (gepunzte Kreisaugen,

plastische Wellenbänder, geometrisch gravierte Ornamente) zeigt die Erfahrung, über die der Handwerker verfügt haben muss. Bei der Betrachtung des Fundmaterials fällt auf, dass es außer der Hügelgrabsitte wenige bis gar keine Anzeichen für Verbindungen zwischen der HEK und den nordwestalpinen Ha-Kulturen gab. Diese Sonderrolle ist durch das Fehlen sämtlicher späthallstattzeitlicher Typen, wie Fibeln, Gürtelschmuck, Dolchen und Fußringen ersichtlich (NAKOINZ 2004). Erst zu Beginn der jüngeren HEK finden sich vereinzelt Fibeln (HAFFNER 1977).

In der jüngeren HEK geht die kulturelle Sonderstellung des Hunsrück-Eifel-Raumes zwar nicht völlig verloren, sie ist jedoch weit weniger deutlich ausgeprägt als zur Zeit der älteren HEK. Diese gehört nun zu einem von der Seine bis zum Mittelrhein reichenden Zentrum frühkeltischer Kultur. Der Frühlatène Kunststil im Gebiet der HEK entwickelte sich aus importiertem etrus- kischem Bronzegeschirr. Die Verfügbarkeit dieses Geschirrs ausschließlich am Hofe des Auftraggebers weist darauf hin, dass wahrscheinlich nur dort die Kopien angefertigt wurden. Daher ist es vorstellbar, dass der Handwerker von Ort zu Ort je nach Auftrag ging5. Bemerkenswert ist die Perfektion der Goldverarbeit- ung (G. JACOBI 1969). Beispielsweise sind die gelöteten Nähte am hohlen Goldarmring von Theley nur unter einem Mikroskop sichtbar (Abb. 2.12). Auch scheint durch die Spezialisierung der Metall-

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Abb. 2.12: geschlossener und hohler Goldarmring von Theley. Naht innen. Dm.8,1 cm. (HAFFNER 1976, Taf.10)

verarbeitung die Zusammenarbeit verschiedener Handwerksgruppen notwendig gewesen zu sein. Wie sonst sollte ein reich verziertes Schwert ohne Hilfe des Waffenschmiedes (Herstellung der eisernen Klinge und Scheide) und des Buntmetallhandwerkers (Bronzebeschlag) hergestellt werden? Oder wie sollte ein Prunkwagen ohne die Zusammenarbeit eines Wagners und Buntmetallhandwerkers gebaut werden?

2.2.4. Sozialstruktur

Als Kriterium zur Verdeutlichung der Sozialstruktur schlägt HAFFNER (1976) die Betrachtung der Siedlungsbilder sowie den Aufwand der Bestattungen vor. Er errechnet insgesamt 2000-3000 Menschen, die gleichzeitig im betrachteten Gebiet lebten.

Nach heutiger Sicht scheint allerdings die Siedlungsdichte weitaus höher gewesen zu sein, als Haffner es vermutete. Kennzeichen dafür sind die großen Burganlagen mit 500-800 Metern langen und 3-4 Metern breiten Befestigungsmauern. Die geringe Anzahl der berechneten Bevölkerung würde niemals ausreichen, solche Bauwerke zu errichten. Daher ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl von Gräbern bisher nicht aufgedeckt ist.

Zwei vermutlich „höher privilegierte“ Schichten sind im Gegensatz dazu durch das Fundgut nachweisbar. Zum einen eine Gruppe, die gesellschaftlich unterhalb der „Adelsschicht“ anzusiedeln wäre. Es fällt auf, dass eine starke Differenzierung der Männergräber, kaum aber der Frauengräber, auftritt. Bei den männlichen Gräbern kann zwischen einer Gruppe von Schwertträgern und einer weiteren Gruppe von mit Lanzen und Hiebmesser bestatteten 1977). Zu erstgenannter Gruppe gehören aufwändige und geräumige Grabanlagen; große Hügel, Steinkisten oder Holzsärge und reiche Gefäß- ausstattung. Eine wechselseit- ige Beeinflussung mit der „Adelsschicht“ oder der Ver such der „Nachahm- ung“ könnten Gründe dafür sein. Die zweite Gruppe weist auf Männer hin, die nicht den Status des Schwerträgers erlangten. Ob ein Geburtsstatus oder das Alter der Grund dafür war und inwieweit die Möglichkeit zum „Schwert- träger“ aufzusteigen bestand, Kriegern unterschieden werden (SCHINDLER konnte bisher nicht geklärt werden. Die Frauengräber sind weniger aufwändig und, wie

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Abb. 2.13: Verbreitung der eisenzeitlichen Grabhügelfelder ”, der einfachen Gräber, der „Adelsgräber“ x und der befestigten Siedlungen o der HEK (nach HAFFNER 1977, 39)

bereits erwähnt, kaum differenziert. Einige wenige Grabanlagen weisen goldene Halsringe auf. DRIEHAUS (1965) vermutete, dass der Halsring dem Schwert des Mannes entsprechen könnte.

Die Stufe der höchsten politischen und wirtschaftlichen Macht hatte der „Adel“ inne. Die ca. 50 „Fürstengräber“, die Burganlagen zugeordnet werden, sind eindeutig in der Minderheit (Abb. 2.13). Große Hügel und Grabkammern (Holz oder Stein) sowie

Bestattungen mit zweirädrigen Streitwagen und vereinzelt mit Pferden (Grab von Oppertshausen) scheinen auf diese „aristokratische Schicht“ hinzuweisen (KOCH & SCHINDLER 1994). Aber auch innerhalb dieser „Aristokratie“ gibt es Anzeichen für Differenzierungen. Einige Adelsgräber, wie die von Hundheim-Bell, können aufgrund ihrer vergleichsweise bescheidenen Ausstattung kaum die Bedeutung von reichen Bestattungen wie von Theley-Rodenbach gehabt haben, die unter anderem durch unterschiedliche Mengen südlicher Importware gekennzeichnet sind.

Die betrachtete Sozialgruppierung gilt vornehmlich für die längste Zeitdauer der HEK, der Stufe HEK IIA. Für die ältere HEK sieht dies etwas anders aus. Es gibt keine archäologisch sichtbaren Hinweise auf eine „Adelsschicht“ und demzufolge auf Burganlagen und reich ausgestattete Grabanlagen. Die Männergräber ähneln sich sehr stark, während sich die Frauengräber unterscheiden. Teils sind sie ohne Schmuck, teils mit unvollständiger Schmuckgarnitur (nur Armringe), teils finden sich auch reiche vollständige Garnituren (Kopf-, Hals-, Armschmuck).

In HEK IB tauchen erste größere Grabkammern und Hügel sowie vier- und zweirädrige Wagen in der Bestattung auf. Eine erste Abgrenzung von der Masse der Gräber ist ersichtlich. Vereinzelt treten bereits Burganlagen wie in Kordel oder die Aalburg bei Befort auf. Erste soziale Differenzierungen sind bereits anzunehmen (KOCH & SCHINDLER 1994).

Auffällig für die gesamte HEK ist, dass im östlichen Bereich das Späthallstattzeitliche Wagengrab mit dem frühlatènezeitlichen Fürstengrab nebeneinander auftritt, allerdings in der westlichen HEK die ältere Gruppe (ausgenommen in Wallerfangen) komplett fehlt. HAFFNER (1977) vermutet, dass die Adelsfamilien aus dem östlichen Bereich in den westlichen abgewandert sind. Grund könnte dafür die bereits mehrfach angedeutete Ausbeutung besonders wertvoller Eisenerzvorkommen sein. Das Fürstengrab von Waldalgesheim (330-280 v. Chr.), das auf Grund seiner Goldbeigaben als eines der reichsten Frauengräber des gesamten keltischen Gebietes angesehen wird und einer ganzen Epoche frühkeltischer Kunst die Bezeichnung „Waldalgesheimer Stil“ gegeben hat, liegt in unmittelbarer Nähe von bekannten Rot- und Brauneisensteinvorkommen, die mit Sicherheit in vorgeschichtlicher Zeit abgebaut wurden (HELD & GÜNTHER 1993). Haffner untermauert seine Theorie weiter mit der Betrachtung der Keramikfunde in den Gräbern. Die „Adelsgräber“ im westlichen Bereich der jüngeren HEK beinhalten hauptsächlich bauchige Flaschen als Grabbeigaben. Diese treten in den „einfachen“ Gräbern nicht auf. Im östlichen Bereich allerdings sehr häufig (HAFFNER 1976).

Dies würde die Mobilität verdeutlichen, die während der älteren HEK vom Mittelrheingebiet und in jüngerer HEK vom Hochwald-Nahe-Gebiet ausging.

2.3. Kritische Betrachtung und die Frage nach dem „Kulturbegriff“

In den vorangehenden Abschnitten wurden Fund- und Befundgattungen sowie deren Interpretationen der meist älteren Literatur vorgestellt, ohne diese bewusst kritisch zu hinterfragen.

In der Fachliteratur wird seit Jahrzehnten die Auffassung der Identität von Kultur, Bevölkerung und Ethnos vertreten. Autoren wie Driehaus, Schindler, Haffner etc. deuteten den Westlichen und Östlichen Hunsrück-Eifel-Raum als „Einheit“ oder „Kultur“, die ihre Wurzeln in der voran gegangenen „Laufelder-Zeit“ hatte und bis in die Mittel- und Spätlatènezeit verlief. Alle Veränderungen im Handwerk, im Handel, im Siedlungswesen und in der Bestattungssitte wurden auf die Ausbildung und zunehmende Differenzierung einer „Adelsschicht“ zurückgeführt.

Trotz dieser Differenzierungen wird der gesamte eisenzeitliche Hunsrück-Eifel-Raum einer einzigen Kultur zugeschrieben. Th. Knopf sieht den Begriff „Kultur“ in „starkem Maße mit ethnischer Einheit bzw. konkret dem Stamm der Treverer gleichgesetzt“ (KNOPF 2002, 120).

Neuere Grabungen, Forschungen und Auswertungen von keramikführenden Gräbern zu diesem Thema (WOTZKA 2005) zeigen in allen Bereichen der „Ethnie“ gleiche, doch auch überwiegend verschiedenartige Entwicklungen. Es verbietet sich für die

HEK von einer jahrhundertlangen Konstanz der Töpfereierzeugnisse zu sprechen, wenn „Techniken der Keramik irgendwann nichts mehr mit älterer Tonware gemeinsam hatte“ (KNOPF 2002, 103). Eine regionale Diskontinuität zeigt sich im Falle der zweiten Generation von Höhensiedlungen (Altburg bei Bundenbach) zum Ende der HEK im Westen und dem gleichzeitigen Abbrechen aller Siedlungen im Osten. Dies ist ebenso kennzeichnend wie die Unterschiede in der Feinkeramik und stärkere Veränderungen im Westen gegenüber dem Osten (NICHOLSON 1991).

Die Sichtweise einer einheitlichen „Kulturgruppe“ wird von Knopf abgelehnt, da „zweifellos vorhandene Gemeinsamkeiten […] meist wesentlich mehr räumliche und zeitliche Unterschiede bzw. Veränderungen (entgegenstehen)“ (KNOPF 2002, 123).

Spezifische Besonderheiten wie im Metallschmuck sind nicht von der Hand zu weisen, doch ihre räumliche und zeitliche Entwicklung erscheint nicht homogen und konstant. Eine Begriffsdefinition von E. B. TYLOR von 1871 bestimmte Kultur als eine

komplexe Einheit von religiöser Vorstellung, moralischen Regeln, Bräuchen und Sitten sowie Fertigkeiten und Haltungen. In Anbetracht der vorliegenden Situation sollte eher nicht von der Hunsrück-Eifel-Kultur gesprochen werden, sondern, wie Knopf es bereits vorschlägt, von einer Hunsrück-Eifel-Gruppe oder -Gemeinschaft, was im Sinne einer räumlich mehr oder weniger abgegrenzten Traditionsgemein- schaft zu verstehen wäre.

3 Grundlagen der Eisengewinnung

„Das Eisen selbst, das stärkste von allen Metallen, Wenn es in Bergesschluchten vom lodernden Feuer bezwungen, Schmilzt in der göttlichen Erde, von der Hand des Hephaistos gemeistert.“ (Hesiod: „Theogonie“, 864)

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Abb. 3.1: Illustration des „Eisenschmelzens“. Metallarbeiter aus dem Grabe des Ibj (Ägypten). (NEUMANN 1954, 90)

3.1. Geschichtliches

Erst nachdem Metalle wie Kupfer, Gold, Silber, Blei und Zinn Verwendung gefunden hatten, gelang der Menschheit die Nutzbarmachung des Eisens. Die Ablösung hin zum Eisen vollzog sich jedoch nur allmählich und regional zu unterschiedlichen Zeiten (B.G. SCOTT 1990).

Die Problematik der Herstellung von Eisen liegt trotz eines hohen Schmelzpunktes (Abb. 3.2) weniger in der Verhüttung des jeweiligen Erzes, sondern eher in der Verarbeitung, d.h. im Schmiedeprozess (A. KRONZ & I. KEESMANN 2003).

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Abb. 3.2

Der Beginn der Metallverarbeitung fand bereits während der ersten großen gesellschaftlichen Transformation der Menschheit statt, als sich die Wirtschaftsform von einer aneignenden zu einer produzierenden wandelte.

Die gezielte Verarbeitung von Eisen geht auf diese Zeit zurück. Gediegenes Eisen wurde durch eine Art Kaltschmieden bearbeitet, ähnlich wie es damals für Kupfer, Blei oder Gold bereits üblich war (R. PLEINER 1981). Der Beginn einer Metallzeit wird jedoch zu Recht erst für den Zeitpunkt angesetzt, als die Menschen begannen, das Metall aus den geeigneten Erzen zu gewinnen.

Hinweise auf die früheste gezielte Eisenverhüttung führen nach Kleinasien. Gegenstände aus verhüttetem Eisen, die aus der zweiten Hälfte des dritten Jahrtausends v. Chr. stammen, fanden sich vielerorts von der Ägäis bis zum Kaukasus. Von denen im Hochland des Kaukasus ansässigen Chattiern und Chalybern scheinen die eingewanderten Hethiter die Techniken übernommen und selbst weiterentwickelt zu haben. Nach ägyptischen Quellen des 13. Jhs. v.

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Abb. 3.3: „Schmelzfeuer“ in Ägypten (ca. 1500

Chr. stellten eiserne Objekte der Hethiter v. Chr.), (VDE 1999, 166) bereits begehrte Exportartikel dar. Die herausragende Bedeutung des Eisens im Hethiterreich zeigt sich darin, dass der eiserne Thron und das eiserne Zepter die Insignien des Herrschers waren. Des Weiteren werden u.a. von P.F. TSCHUDIN (1985) und B. NEUMANN (1954) ein verzierter Eisendolch und ein goldenes Amulett, das als Fassung für ein so genanntes Horus-Auge („Mondauge“) aus Eisen diente, im Grab des Tut-ench-Amun erwähnt, das chronologisch ins Jahr 1337 v. Chr. eingeordnet werden kann (Abb. 3.3).

Nach der Zerstörung des Hethiterreiches um 1200 v. Chr. fand das Eisen weiterhin eher selten Verwendung, doch breitete sich sein Gebrauch in

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Abb. 3.4: mögliche Ausbreitung des Eisens sowie der metallurgischen Kenntnisse in Europa ca. im 8. Jh. v. Chr.. A vermuteter thrako-venetoillyrischer Weg ; B kimmerischer Weg ; C griechisch-phönizischer Weg (nach PLEINER 1981, 124 ; mit persönl. Änderungen) der Ägäis kontinuierlich aus (Abb. 3.4). In der Mitte des 9. Jh. v. Chr. begann das eigentliche „Zeitalter des Eisens“ (Hesiod „Theogonie“, um 700 v. Chr.). Die Kenntnis der Eisenverhüttung gelangte von Kleinasien nach Griechenland, wobei wohl die Inseln Zypern, Kreta, Rhodos und später Sizilien eine Mittlerrolle spielten. Einen besonderen Ruf in der Antike hatten der sinopische Stahl der Chalyber, die an der Südostküste des Schwarzen Meeres lebten, sowie der lydische und der lakonische Stahl.

Die nach den Quellen Herodots und Dionysos um 800 v. Chr. (mitteleuropäische Spätbronzezeit) vermutlich aus dem anatolischen Taurusgebiet nach Italien (Etrurien) eingewanderten Etrusker und die Illyrer der Hallstattzeit, vermittelten die Technik der Eisenverhüttung nach Mitteleuropa, wo sie von den Kelten übernommen und von diesen weiter verbreitet wurde (PLEINER 1981). Sowohl das deutsche Wort „Eisen“ als auch das englische Wort „iron“ werden auf die illyrische Bezeichnung „isarnon“ zurückgeführt. Das bis dahin bestehende metallurgische Süd-Nord-Gefälle wurde schließlich durch die Keltenwanderungen von 500-250 v. Chr. aufgehoben. Es entstanden Zentren der mitteleuropäischen Eisenindustrie, vermutlich beginnend mit dem Hunsrück- und Eifelraum.

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Abb. 3.5: Eiserner Dolch- griff. Bisher ältester eiserner Gegenstand Mitteleuropas, 88 mm, Fundort Ganovce/ Slowakei (PLEINER 1981, 115)

3.2. Keltische Eisengewinnung und -verarbeitung

Das Verfahren zur Verhüttung der Erze in der vorchristlichen Zeit bis hinein in das Mittelalter war das so genannte „Rennfeuerverfahren“ (nach Überlieferung von Beck 1884, in KRONZ & KEESMANN 2003), welches nach KRONZ & KEESMANN (2003, 259) „[…] sich in der Begriffswelt der Eisentechnologie [...] für die Erzeugung einer Fayalitschlacke eingebürgert hat“6. Die Bezeichnung Rennfeuerverfahren ist auf das „Rinnen“ der Schlacke aus dem Ofen zurückzuführen. Die Öfen, die man dafür baute, nennt man Rennöfen.

3.2.1. Der Rennofen

Die Rennöfen dienten den Kelten bereits vor etwa 2500 Jahren zur Verhüttung von Eisenerzen (Abb. 3.6). Sie befanden sich meist dort, wo das Erz ansteht, um es direkt vor Ort zu verhütten.

Um eine kleine mit Lehm ausgeschmierte Grube wurde ein Ring aus Lehm und Steinen gelegt. Nach dem ersten Ring wurden zwei bis drei Röhren (anfangs aus Holz, später aus Eisen) eingefügt. Die eine Öffnung diente der Regulation der Luftzufuhr, die je nach Bedarf geöffnet und wieder geschlossen werden konnte und normalerweise einem Berghang zugewandt war, um Fallwinde auszunutzen (G. WEISGERBER 2003). Durch die etwas tiefer gelegene zweite Öffnung „entrann“ später die Schlacke,

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Abb. 3.6.: Aufbau eines frühlatènezeitlichen Rennofens nach den Vorstellungen von GASSMANN (1997)

w senschmelze benötigten Temperaturährend die zur Ei en nicht erreicht wurden. Daher kann grundsätzlich nicht von Eisenschmelzen und Schmelzöfen gesprochen werden, wenn vorgeschichtliche Eisenerzeugungsanlagen gemeint sind.

Es ist bekannt, dass in der auslaufenden Bronzezeit Kupfererze in hohen freistehenden Öfen in metallisches Kupfer mittels Holzkohle überführt wurden. Daher ist es für F. J. ERNST (1966) nahe liegend, dass auch das erste Eisenerz in solchen Ofentypen verhüttet wurde. Erst viele Jahrhunderte später, als der Prozess der Eisenreduktion vollständig bekannt war, wurde dazu übergegangen, Eisen auch in kleineren Öfen oder Schmelzgruben zu gewinnen. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass Eisenerzeugung aus Erzen in Schmelzgruben (bowl furnaces) ein weitaus einfacherer Vorgang sei und daher vor der Nutzung von Rennöfen angewandt wurde, wie es beispielsweise H. STRAUBE (1996) postuliert. Neben prozesstechnischen Problemen (Hitzeverlust, geringe Luftzufuhr) ist auch eine nachträgliche Beschickung der Grube nicht möglich, was den gesamten Prozess als wenig rentabel erscheinen lässt (P. WESTPHALEN 1989).

3.2.2. Roheisen und „Stahlherstellung“ - das Rennfeuerverfahren

Die Technologie des Rennfeuerverfahrens wurde ausführlich von E. SCHÜRMANN (1958) und B. OSANN (1971) dargestellt. Zum besseren Verständnis sollen hierbei einige grundsätzliche Prinzipien nachskizziert werden.

Die wichtigsten Ausgangsstoffe für die Herstellung primären Roheisens und anschließendem „Stahls“ sind Eisenträger (Eisenerze), Brennstoffe (Holzkohle) und gegebenenfalls Reduktionsmittel und Zuschläge (H. SCHUMANN & H. OETTEL 2005).

Die prähistorische Aufbereitung der zum Großteil im Tagebau gewonnenen Eisenerze bestand aus dem Ausklauben, also der Absonderung des tauben Nebengesteins (B.S. OTTAWAY 1994). Dies förderte die Anreicherung des Erzes.

Für das Rennverfahren sind besonders wasserhaltige Erze geeignet (z.B. Goethit .- FeOOH). Beim Erhitzen kommt es durch das Entweichen des Hydratwassers zum Substanzverlust. Dabei wird das Erz porig und ermöglicht eine früh einsetzende Reduktion.

Obwohl verschiedene Ansichten über den Prozessablauf existieren und zum Teil auch feststellbar ist, „[…] dass häufig einer vom anderen abschreibt, und zwar Richtiges und Falsches“ (OSANN 1971, 3), so kann doch folgende Vorgehensweise nachskizziert werden: J.W. GILLES (1958) zeigte in seinen „Schmelzversuchen“, dass Eisenerz und Kohle lagenweise im Gewichtsverhältnis von 1:1 auf bereits vorbereitete Glut im Rennofen aufgegeben werden können. Aufgrund der unterschiedlichen Dichten besteht die %eschickung zu 10 % aus Erz und 90 % aus Holzkohle.

Das Erz wird daraufhin durch Energiezufuhr (Wärme) und unter Zugabe eines Reduktionsmittels in Metall umgewandelt7. Der Wind wird im Rennofen von unten zugeführt, so dass die entstehenden Verbrennungsgase die Beschickung des Ofens durchströmen können. Nach den Gleichungen

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verbrennt der Sauerstoff mit dem Kohlenstoff der Holzkohle zunächst zu Kohlendioxid und anschließend zu Kohlenmonoxid (OSANN 1971). Erst ein entsprechendes CO2/CO-Verhältnis führt zur Reduktion des Eisens8 (SCHÜRMANN 1958).

A. KRONZ & T. EGGERS (2001) beschreiben diesen metallurgischen Prozess auf Grundlage von SCHÜRMANN (1958) vereinfacht durch die Gleichung:

Erz + Ofenwand + Brennstoffasche = Schlacke + Eisen (+ Gas),

wobei die Ofenwand als ein zusätzlicher silikathaltiger Schlackenbildner fungiert. Unter Berücksichtigung der Eigenarten des Rennprozesses sind an ein zur Verhüttung gelangendes Erz folgende Grundforderungen zu stellen:

1. Der Eisengehalt darf nicht niedriger als 50 Gew.-% sein, da eine große Menge Eisen in die Schlacke übergeht.
2. Es können nur Erze mit vorwiegend Kieselsäure (SiO2) als Gangart verwendet werden, um die günstigste schmelzpunkterniedrigende Wirkung zu erzielen (OELSEN & SCHÜRMANN 1954, 512)

Bei der Eisenherstellung wird zwischen dem direkten und dem indirekten Verfahren unterschieden: Im direkten Verfahren wird das Eisen nicht schmelzflüssig, sondern nur die Schlacke. Sie „rinnt“ aus dem Ofen. Zunächst wird (kohlenstofffreies) Eisen aus den Eisenoxiden des Erzes durch die kohlenstoffhaltigen Gase der Holzkohle (CO) stufenweise reduziert9 und bei Temperaturen von etwa 750°C auf etwa 0,5-1 Gew.-% C aufgekohlt:

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Dadurch erniedrigt sich der Schmelzpunkt und das Eisen sintert sich zu einer teigigen Masse am Boden des Rennofens an, der so genannten Luppe (Eisenschwamm). Durch oxidierende Bedingungen des Luftstroms erstarrt der Eisenschwamm und wird nach:

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teilweise wieder entkohlt (STRAUBE et al. 1964). Ein Teil des Eisenoxids bildet daraufhin mit der Gangart nach dem Modell von SCHÜRMANN (1958, Abb. 3.7) bei etwa 1200°C eine niedrigschmelzende, fayalitische Schlacke (Fe2SiO4) durch die Reaktion:

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Der Eisenschwamm ist danach ausgesprochen spröde und damit nicht direkt verwendbar, er muss ausgeschmiedet werden.

Die darin eingeschlossene Schlacke wird später durch Hämmern ausgetrieben. Ursache für die Konsistenz der Luppe sind die durch den schwachen, natürlichen Zug bedingten, relativ niedrigen Verhüttungstemperaturen, die im Rennofen erzielt werden können. Die Ausbringtemperaturen der Öfen liegen etwa bei 1150-1200°C (R. MADDIN 2003), wobei „Schmelzversuche“ von G. Gassmann (mdl. Mittlg.) im Sommer 2005 auch deutlich niedrigere Ausbringtemperaturen erreichten (ca. 1000°C).

Die Weiterverarbeitung der Luppe aus dem Rennofen beginnt mit dem Ausheizen. Bei diesem Schmiede-verfahren wird der Eisenschwamm erhitzt, mit dem Ziel die in ihm noch enthaltene Schlacke zu ver-flüssigen und auszuschmieden. Beim Ausheizen wird das Eisen gereinigt und auch sortiert, wenn es verschiedene Metallqualitäten, wie z.B. kohlenstofffreies (D-Fe) und

kohlenstoffreiches Eisen, ent-hält. Das anschließende Aufkohlen findet durch Glühprozesse bei Temperaturen zwischen 850°C- 920°C und anschließendem Hämmern statt. Nur so kann der Kohlenstoff eingebracht werden. Die Eindringtiefe (x) des Kohlen-

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Abb. 3.7: Modell Rennfeuerverfahren: Vom Erz stoffs (Diffusion) beschränkt sich über Weicheisen zum Stahl (BACHMANN 2000, 39) auf wenige Millimeter der Eisen-oberfläche und ist nach

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druck (D)- und zeitabhängig (t). Ist demzufolge die Glühzeit zu lang oder die Temperaturen zu hoch, werden die Randzonen überkohlt, was zur Bildung von Sekundärzementit führt (ERNST 1966). Der Randbereich wird dadurch spröde und blättert ab.

Die Frage ist allerdings, ob in jedem Fall eine Aufkohlung nötig war und nicht die kohlenstoffhaltigen Gase der Holzkohle während der Verhüttung ausgereicht haben. Es muss sogar überprüft werden, ob nicht eine Entkohlung, d.h. eine Art Frischung (Verbrennung) des Roheisens durch nochmalige Hitzezufuhr nach der Reaktion:

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außerhalb des Ofens von statten ging. Anzeichen dafür finden sich beispielsweise am untersuchten Kesselgriff von Rascheid (Pr. TR_1; vgl. Kap.6).

Die Tatsache, dass intakte Rennöfen selten auffindbar sind, könnte mit der verfahrensbedingten Notwendigkeit zu erklären sein, den Ofenmantel nach spätestens drei Verhüttungsprozessen teilweise auszubrechen, um die Luppe zu bergen. Nicht bekannt ist, ob stark eisenhaltige Schlacken wieder als „Erz“ verwendet wurden. Bestimmten Hinweisen darauf (pers. Mittlg. C. Eibner) ist entgegenzusetzen, dass der Fayalit, als Hauptbestandteil der Eisenschlacke, sehr schwer zu reduzieren ist, es sei denn, es erfolgte ein Zuschlag von Kalk, was zur Folge hat, dass nach der Reaktion

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das Calcium an die Stelle des Eisens treten kann (vgl. Kap.8).

Beim indirekten Verfahren werden sowohl Eisen als auch Schlacke flüssig. Die Trennung erfolgt durch die unterschiedliche Dichte der Schmelzen und der reichen Zugabe von Kalk. Dieses moderne Verfahren findet seit dem späten Mittelalter sowie der Neuzeit im Hochofen Anwendung, soll hier nicht weiter diskutiert werden. Ein Vergleich beider Verfahren findet sich in KRONZ & KEESMANN (2003).

3.2.3. Schlacken als „Abfallprodukte“ der Verhüttung und die Rolle der Ofenwand

Schlacken sind bewusst produzierte Abfälle. Sie sind „schmelzflüssige oder erstarrte Mischungen geschmolzener Oxide“ (B. LYCHATZ & D. JANKE 2000, 289) und

oftmals „[…] die einzigen Überreste pyrotechnischer Prozesse“ (H.G. BACHMANN 1978, 66). Das Ziel ist die Trennung der Gangart und des Eisens.

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Abb. 3.8: Einteilung der Schlacken beim Rennofenprozess (nach SPERL 1979, 83)

In Abb. 3.8 ist eine Einteilung der Schlacken nach G. SPERL (1979) dargestellt. Kritisch muss hierbei allerdings hinterfragt werden, ob die Luppe tatsächlich zu den Rennfeuerschlacken gezählt werden kann. Nach Meinung des Verfassers ist dies nicht der Fall.

Der Platz einer eisenzeitlichen Verhüttung wird meist nur von Schlacken gekennzeichnet, da der eigentliche Rohstoff Eisen so kostbar ist, dass er selten zurückbleibt. Die chemische Zusammensetzung der Schlacken dient als wichtiger, teilweise einziger Prozessindikator.

Der „Sch (1958) zeigt allerdings auch, dass nichtmelzversuch“ von GILLES vorschnell von der chemischen Zusammensetzung der Schlacke auf das verhüttete Erz geschlossen werden sollte10. Es zeigte sich, dass die Endschlacke mehr Kieselsäure (SiO2) enthält, als mit der Erzgangart eingebracht wurde. Folglich können diese Übermengen voraussichtlich nur aus der mit Lehm bewusst ausgekleideten Ofenwand stammen. Es muss daher grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass bei jedem stattfindenden Schmelzprozess im Rennofen auch Ofenwand mit unterschiedlichem Ausmaß mitverschlackt. Dadurch kann der Chemismus der Schmelze beeinflusst werden (KRONZ 1997), was auch ein Grund dafür zu sein scheint, dass es überhaupt zu einer Verschlackung kommt. Die teilweise Reduzierung des Eisenoxids zu metallischem Eisen und Wüstit (FeO) im ersten Schritt besitzt aufgrund eines zu niedrigen Kieselsäuregehaltes (SiO2) einen zu hohen Schmelzpunkt. Erst die Reaktion mit der o.g. silikatreichen Ofenwand führt zu einem Herabsinken des Schmelzpunktes auf etwa 1100°C und zur Bildung einer Silikatschlacke (OSANN 1971). In einer Modellrechnung zeigten KRONZ & KEESMANN (1995), dass selbst bei einem, allerdings nicht realisierbaren, hohen Ofenwandanteil von 25 % immer noch metallisches Eisen neben einer Schlacke mit 60 Gew.-% FeO erzeugt werden kann. Daraus folgt, dass selbst Erze geringerer Qualität für den Rennprozess theoretisch nutzbar sind.

Der Chemismus der Schlacken und die Interpretation der verschiedenen Schlackentypen werden in Kap. 7 nochmals näher beleuchtet.

3.3. Eisenverhüttung im Untersuchungsgebiet sowie die Arbeit von J. Driehaus

Im Jahre 1928 wurde in der Nähe von Hillesheim (Lkr. Daun) ein Hügelgräberfeld entdeckt, das in mehrere Gruppen unterteilt war. Unter anderem wurde ein „Fürstengrab“ freigelegt, welches anhand der reichhaltigen Grabbeigaben auf die Zeit um 550 v. Chr. datiert werden konnte (NORTMANN 2001). Ebenfalls fand sich eine mit Eisenschlacken durchsetzte Feuerstelle, die als

„Eisenschmelzofen“ (Abb. 3.9) interpretiert wurde. Der Grabhügel war in der Nähe einer noch älteren Verhüttungsanlage aufgeschüttet worden. Weitere Hinweise auf Eisenverhüttung konnten auch außerhalb dieses Hügels beobachtet werden. Der Hillesheimer Fund wird bis heute als die älteste Hüttenanlage nördlich der Alpen angesehen, allerdings unter sehr kritischer Einschätzung seiner tatsächlichen Funktion (vgl. KRONZ & EGGERS 2001). Schon H. CLEERE (1972) vermutete, dass solche Gruben eher Röst- und Schmiedegruben darstellen.

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Abb. 3.9:Reste des Eisenschmelzofen (?) innerhalb von Hügel D (HAFFNER 1971,24)

Außer dem Hillesheimer Ofen sind bisher keine weiteren Schmelzanlagen bekannt. Allerdings liegen zahlreiche Indizien durch DRIEHAUS (1965) und SCHINDLER (1968) vor, die „[…] auf eine blühende Eisenindustrie“ (DRIEHAUS 1965, 46) hinweisen könnten.

Handfeste Beweise für eine Eisengewinnung und -verhüttung bereiten allerdings große Schwierigkeiten, da die intensive Erzsuche der Neuzeit viele Spuren vorrömischen Erzabbaus verwischt hat.

Die Verhüttung des Eisens könnte nach Driehaus der Grund für den großen Einfluss gewesen sein, die durch die Herstellung von Goldschmuck und den beachtlichen Import von Keramik, Bronzegeschirr und Wein aus dem Mittelmeergebiet deutlich wird. Allerdings „[…] operieren wir vorerst weitgehend im hypothetischen Raum, wenn wir den Eisenerzlagern im Hunsrück [und der Eifel, Anm. des Verf.] die treibende Kraft für die historische Entwicklung der Latènezeit zuschreiben“ (SCHINDLER 1965, 23).

Obertägig abbauwürdige Eisenerzlagerstätten haben noch bis zum Ende des 19. Jh. eine wichtige Rolle im Hunsrück-Eifel-Gebiet gespielt. Daher kann auch für die frühe Eisenzeit angenommen werden, dass das abbauwürdige Eisenerz genutzt wurde. DRIEHAUS (1965) nimmt den Gedanken von Kimmig, dass der „Reichtum jener Herren von Weißkirchen, Schwarzenbach, Reinheim und Waldalgesheim […] der

Situation nach wohl nur in der Erzgewinnung bestanden haben kann“ (KIMMIG 1964, 105), auf und führt das Aufkommen reicher frühlatènezeitlicher Fürstengräber auf die gezielte Nutzung der Eisenerze von Hunsrück, Eifel und Pfalz zurück, die „[…] einer bestimmten Schicht der frühlatènezeitlichen Bevölkerung als Grundlage ihres Reichtums dienten“ (DRIEHAUS 1965, 40). Er verweist anhand von Kartenmaterial auf den für ihn bemerkenswerten Zusammenhang zwischen der Verbreitung von Rot-, Spat- und Brauneisenlagerstätten und den Siedlungs- und Bestattungszentren zwischen Rhein, Mosel und Hunsrück (Abb. 3.10).

Haffner, der die Vermutungen der möglichen Konkordanz zwischen Erzlagerstätte und Fürstensitz als „überinterpretiert“ ansieht, verweist auf einen Widerspruch, indem die Grabbeigaben näher betrachtet werden. Während in der östlichen HEK in der Stufe der jüngeren Latènekultur der Bronzeschmuck nicht mehr im Vordergrund steht, was auf eine Änderung des Bestattungsbrauchs hinweisen könnte (JOACHIM 1968), so finden sich im Arbeitsgebiet von Driehaus, der westlichen HEK, zahlreiche Bronzeschmuckgräber unter den Fürstengräbern. Der Zusammenhang zwischen Eisenerzlagerstätten und Fürstensitzen ist offenbar nicht die Regel und „[…] wird bis zum Nachweis örtlicher Schürffelder oder Verhüttungsstellen hypothetisch bleiben“ (SCHINDLER 1968, 145).

Ein weiterer Punkt gibt ebenfalls Anlass zur kritischen Betrachtung. Driehaus vermutete, dass „Braun- eisensteingebiete arm an reichen Gräbern der Frühlatènezeit [sind], Spat- und Roteisensteingebiete da gegen reich“ (DRIEHAUS 1965, 42). Die für ihn bewusste Herstellung stahlartiger Erzeug- nisse sei dem hohen Mangangehalt des Roteisensteins sowie des Sphärosiderites zuzuschreiben. Der Brauneisenstein hätte allerdings keine erwähnenswerte Bedeutung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3.10: Verbreitung von Siedlungen und Eisenerz- lagerstätten im Hunsrück (nach DRIEHAUS 1965, 37)11

Hierbei bestehen allerdings große Fehler und Widersprüche. Erstens besitzt der Braun- eisenstein den weitaus höheren Gewichtsanteil Mangan im Erz und zweitens ist es unglaubwürdig, dass der überall in Hunsrück und Eifel vorkommende Brauneisenstein nicht genutzt wurde.

Driehaus beruft sich auf Quellen des historischen Bergbaus für seine Ausführungen. Hier liegt sein Fehler. Er schließt vom neuzeitlichen Hochofenverfahren auf die Rennfeuertechnologie der Eisenzeit und beachtet nicht, dass das Rennfeuerverfahren aufgrund eisenreicher Schlacken sehr auf eisenreiches Erz angewiesen ist und beim Hochofenverfahren eher der Kalziumgehalt von Bedeutung ist.

Als Fazit lässt sich trotz widersprüchlicher Argumente und der Unkenntnis von „[…] der Eisentechnologie und deren Erfordernisse an die jeweilige Erzqualität“ (KRONZ & EGGERS 2001, 97) von Driehaus, eine gewisse Bedeutung des Eisens erkennen. Eisen scheint ein wichtiger Wirtschaftsfaktor gewesen zu sein, allerdings nicht der alleinige Grund für die reichen Gräber des Gebietes.

4 Analytik

4.1. Probenaufbereitung und Analysemethoden

Für die Untersuchung der Eisenartefakte wurden am Institut für Werkstofftechnik der TU Bergakademie Freiberg die Proben jeweils senkrecht zur Arbeitskante mit alkoholgekühlten Trennscheiben entnommen. Daraufhin wurden Anschliffe angefertigt und in kaltpolymerisierenden Kunststoff (Technovit 4071) eingebettet. Um die Rauhigkeit der Oberfläche zu verringern wurden die Proben geschliffen und poliert (max. Korngröße 1 µm). Anschließend erfolgte die Ätzung der Oberfläche, um die Gefüge herauszupräparieren. Die Bestimmung der gefügekundlichen Untersuchung fand mittels Auflichtmikroskop mit angeschlossener Bildarchivierung (Abb. 4.1) statt. Beim Anätzen wird die Oberfläche unterschiedlich stark angegriffen, so dass Höhenunterschiede entstehen und die Grenzen der Körner erkennbar machen. In der Regel erfolgte die Ätzung mit alkoholischer Salpetersäure (Nital), welche nach A. SCHRADER & SCHAARWÄCHTER (1957) das gebräuchlichste Ätzmittel zur Entwicklung eines Gefüges von Eisen und Stahl ist. Die Ätzlösung aus Salpetersäure (HNO3) wurde stark mit Ethylalkohol (C2H5OH) verdünnt, so dass 3 %iges Nital Verwendung fand.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4.1: Auflichtmikroskop (TUBAF, Werkstoffwissenschaft) www.ww.tu-freiberg.de (Stand: 20.6.06)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4.2: Mikrosonde Typ „Jeol JXA-8900R“ www.ww.tu-freiberg.de

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.4.3: RFA „Bruker AX S4 Pioneer“ www.bruker.com (20.6.06)

Ein Versuch mit alkoholischer Pikrinsäure (Pikral) zu ätzen, brachte keine neuen Erkenntnisse. Zum Aufzeigen von Seigerungen wurde das Ätzmittel nach Oberhoffer verwendet. Hierbei handelt es sich um ein Reagens bestehend aus Wasser, Ethanol, konzentrierter Salzsäure, Eisen-, Kupfer- und Zinnchlorid. Diese Makroätzung entwickelt ein Grobgefüge, insbesondere die Phosphorverteilung. Die Bestimmung des Kohlenstoffanteils erfolgte mittels Linearanalyse (siehe Kapitel 6.1.2).

[...]


1 Unter dem Begriff „Koberstadt“ versteht sich ein Waldgebiet nahe Egelsbach bei Darmstadt

2 HEK IA ist gleichzusetzen mit der jüngeren Stufe der Laufelder Gruppe nach Dehn

3 Quelle: www.uni-mainz.de/FB/Geschichte/vfg/VFGonline/Abschlussarbeiten/Doktorarbeiten.htm

4 Caesar: De bello gallico, 4/10

5 HAFFNER (1979) spricht in diesem Zusammenhang von „Wanderhandwerkern“

6 Untersuchungen konnten zeigen, dass neben typischen Fayalitschlacken auch Silikatschlacken (Glasschlacken) in der vorrömischen Eisenherstellung anfallen.

7 Häufig diente gleichzeitig die Holzkohle, ein kohlenstoffhaltiger Energieträger, als Reduktionsmittel

8 vgl. Richardson-Ellingham-Diagramm in Abb. 7.1

9 Auf die genaue Beschreibung der einzelnen Verfahrensschritte der Reduzierung von Hämatit (Fe2O3) zu Magnetit (Fe3O4) bei T < 570°C und schließlich zu Wüstit (FeO) bei T > 570°C soll hierbei verzichtet werden.

10 Das Modell von Bachmann (2000) beruht auf den theoretischen Überlegungen von Schürmann (1958)

10 Die Versuche von Gilles basieren auf der Analyse von Hauptelementen, Neben- und Spurenelemente wurden nicht beachtet.

11 Anm.: Die eingetragenen Vorkommen von Eisenerzen basieren überwiegend auf Angaben von Oberbergämtern und nicht auf lagerkundlichen Kartierungen.

Ende der Leseprobe aus 136 Seiten

Details

Titel
Archäometallurgische Untersuchungen zur frühen Eisenverhüttung und -gewinnung in der Hallstatt- und Latènezeit
Untertitel
Am Beispiel von Eisenfunden der Hunsrück-Eifel-Kultur
Hochschule
Technische Universität Bergakademie Freiberg  (Archäometrie/Industriearchäologie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
136
Katalognummer
V63007
ISBN (eBook)
9783638561433
ISBN (Buch)
9783638710121
Dateigröße
12926 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eisenverhüttung, Latènezeit, Hunsrück-Eifel-Kultur, Archäometallurgie, Archäometrie, Hallstattzeit, Eisen, Mikrosonde, Schlackeneinschluss in Eisen
Arbeit zitieren
Dipl.-Arch. Rene Kunze (Autor:in), 2006, Archäometallurgische Untersuchungen zur frühen Eisenverhüttung und -gewinnung in der Hallstatt- und Latènezeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63007

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