Interkulturelle Fettnäpfchen: Deutschland - Niederlande

Was sagt man und was sagt man besser nicht?


Essay, 2005

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Einleitung

Vor einiger Zeit las man in einer deutschen Zeitung einen Artikel, in dem der Autor sich fragt, wie es kommt, dass der durchschnittliche niederländische Geschäftsmann, eigentlich ordentlich gekleidet, fast immer diese ungeputzten, wenig eleganten Schuhe trägt. Laut dem Verfasser hängt das mit der Körpergröße zusammen. Niederländische Männer werden inzwischen so groß, dass sie die Beziehung zu ihren Füßen verloren haben. Ich achte seitdem darauf und stelle fest, dass die Kombination aus ungepflegtem Schuhwerk und einem adretten Anzug tatsächlich ein auffälliges Erkennungszeichen niederländischer Männer ist. Achten Sie einmal selbst darauf.

Ich bin Deutsche, wohne in Deutschland und arbeite und wohne in den Niederlanden und in Deutschland. Viele Leute fragen mich nach den Unterschieden zwischen den Niederlanden und Deutschland und den Bewohnern beider Länder. Die Schuhe fallen mir dann immer zuerst ein. Aber es gibt natürlich noch mehr Dinge, die anders oder nur auf den ersten Blick gleich sind. Es ist sicher gut, wenn man darüber etwas weiß. Allerdings kann ich nicht genug betonen, dass es sich vor allem um persönliche Eindrücke handelt. Sie können daher immer auch dem Gegenteil begegnen.

Falsche Freunde, foute vrienden

Aufgrund der engen Verwandtschaft des Deutschen und des Niederländischen in Bezug auf Klang, Wort- und Satzeigenschaften kann man die Nachbarsprache recht schnell lesen und Bedeutungen ableiten lernen. Das Problem liegt darin, dass diese Art der Ableitung manchmal total falsche Ergebnisse liefert. Manche Wörter ähneln einander sehr und haben doch eine total andere Bedeutung. Ein slimme kerel ist kein schlimmer Kerl, sondern ein kluger Kerl. Und wenn der deutsche Gesprächspartner aus Aachen darüber klagt, dass er es im Kreuz hat, meint er nicht, dass er bei einem Fußballspiel ungeschützt in der Mauer gestanden hat (Kreuz = kruis), sondern dass er Rückenschmerzen hat. Diese Art Wörter werden treffend „falsche Freunde“ genannt.

Even overleggen

Als Deutscher wird Ihnen bei ihren Gesprächen mit Niederländern wiederholt der Ausdruck „mal überlegen“ auffallen. Es ist möglich, dass Ihr Gesprächspartner meint, dass er noch Zeit benötigt, um darüber nachzudenken (overdenken = überlegen), aber wahrscheinlicher ist es, dass er das niederländische overleggen = beratschlagen meint. Sollte das der Fall sein, wird es eine Weile dauern, bevor Sie eine Reaktion bekommen.

Overleggen hat nämlich eine ganz andere Bedeutung als überlegen. Es gibt im Deutschen eigentlich keine Wortentsprechung hierfür. Overleggen ist das Besprechen eines Sachverhalts mit allen Beteiligten, bevor eine Entscheidung getroffen wird. In den Niederlanden wird alles erst overlegd.

Das gesamte Arbeitsleben beruht auf dem Einverständnis über gemeinsame Ziele, Zusammenarbeit ohne Gesichtsverlust und auf schier endlosen Verhandlungen darüber. Ständig finden Besprechungen statt... Es wird immer so lange verhandelt, bis eine gemeinsame oder zumindest für alle Beteiligten tragfähige Lösung gefunden ist.

Diese Kultur des Beratschlagens werden Sie in allen Ebenen und Bereichen antreffen, von der Landespolitik bis hin zur kleinen Schule in einem Wohnviertel und dem Nachbarschaftsverein, es lässt sich ganz einfach besser arbeiten, wenn jeder das Gefühl hat, gleichwertig und miteinbezogen zu sein. Erklärt wird dies aus der Geschichte. Schon im Unabhängigkeitskampf gegen Spanien im 16. Jahrhundert fehlte eine zentrale Macht und musste also overlegd werden. Außerdem waren feudale Machtstrukturen wie in Deutschland in den Niederlanden nicht bekannt, es entstand schon sehr „früh ein bürgerliches Zusammenleben mit einer egalitären Richtung und [...] Traditionen des Beratschlagens und der Einigung“ .

Die gleiche Pragmatik bestimmt die Umgangsformen in der Arbeitswelt: die Schulleiterin/der Schulleiter ist eine/einer des „Teams“, der Ton untereinander ist ungezwungen und kollegial, man spricht einander mit Du und dem Vornamen an, Aufträge werden als Bitte formuliert, am liebsten mit einer gehörigen Prise Ironie. Die deutsche Art zu arbeiten, wobei deutliche Strukturen die Vorgehensweise bestimmen (u.a. der Dienstweg), erscheint den Niederländern sehr hierarchisch und formell. Das gilt auch für soziale Kontakte untereinander und über die Grenze hinweg. Formell, steif und tadellos auf deutscher, locker, ungezwungen und ein bisschen schnodderig auf niederländischer Seite.

Humor

Deutsche haben keinen Humor, die Werbung ist langweilig und fantasielos... hört man auch Deutsche oft sagen. Tatsächlich ist die niederländische Werbung viel witziger und vor allem ironischer. Auffällig ist, dass man diesem Unterschied auch bei anderen Gelegenheiten begegnet, bei Ansprachen und Präsentationen z.B.. Niederländer bemühen sich im Vergleich zu Deutschen mehr um Humor und vor allem Selbstspott. Sogar die Thronrede begann dieses Jahr mit einer scherzhaften Bemerkung (1999).

Ironie bzw. Selbstkritik, das sind für einen Ausländer in den Niederlanden so ungefähr die wichtigsten Bedingungen, um akzeptiert zu werden. Wer nicht „ein wenig selbstironisch tiefstapelt“, ist ganz schnell ein Angeber. In Deutschland ist das nicht so. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Sie eine gehörige Dosis Humor und Ironie verwenden, im Gegenteil, aber es ist nicht zwingend notwendig. Sie können selbstverständlich auch nur seriös sein.

Ironie und Politik passen in Deutschland übrigens ganz schlecht zusammen. Deutsche betrachten Politiker und politische Themen selten mit einem Zwinkern, es wird meistens geschimpft.

A propos niederländischer Humor: Hände hoch! Filme sind in Deutschland, wenn nicht anders vermerkt, synchronisiert. Wenn Sie mit einem Niederländer über deutsches Fernsehen reden, ist es gut möglich, dass er John Wayne nachäfft und auf deutsch Hände hoch! oder Wo ist meine Kanone? ruft. Wie kommt das?

In den Niederlanden werden fast alle ausländischen Filme mit Untertiteln versehen. Das Synchronisieren oder nasynchroniseren, wie es in den Niederlanden genannt wird, kennen Niederländer nur vom ausländischen Fernsehen. Ausländisches Fernsehen war in den Niederlanden lange Zeit deutsches Fernsehen, also wurde das Sychronisieren lange als typisch deutsche Erscheinung aufgefasst.

Das ist bis zum heutigen Tag so geblieben. Alle größeren europäischen Länder synchronisieren ausländische Filme und Programme, ob das nun Frankreich, Italien, Spanien oder Deutschland ist, aber der Niederländer ist weiterhin der Überzeugung, dass es nur in Deutschland gemacht wird. Wenn Sie keine Lust haben, über dieses Thema zu sprechen, können Sie am besten sagen, dass Sie das Sychronisieren auch nicht gut finden. Wenn Sie dann auch noch bemerken, dass Niederländer vielleicht durch die Untertitelung so gut in Fremdsprachen sind, können Sie zur großen Zufriedenheit Ihres Gesprächspartners zum nächsten Thema übergehen.

Du

Es ist in Deutschland nicht gebräuchlich, jeden sofort mit Du anzusprechen. Siezen ist die Norm (auch in der Schule unter Kollegen!), man duzt sich im Familien- und Freundeskreis, bei Kindern unter 16 Jahren und wenn der Gesprächspartner es vorschlägt: Wollen wir uns duzen! In der Regel ergreift der Altere die Initiative, und bei ungefähr gleichem Alter bietet die Frau dem Herrn das Du an. Hat man einmal vereinbart, sich zu duzen, bleibt es dabei, jedenfalls so lange, wie es keine ernsthaften Auseinandersetzungen gibt.

Das deutsche Du ist also etwas exklusiver als das niederländische jij. Daher rührt auch ein anderer Gefühlswert. In den Niederlanden stört es mich überhaupt nicht, wenn mich ein Unbekannter mit Du anspricht, in Deutschland wohl. Das passiert allerdings nur in Gesprächen mit Ausländern und in emotionsgeladenen Situationen, im Verkehr z.B. Kannst du nicht

Aufgepasst! Wenn Sie einen deutschen Polizisten auf eine bestimmte Art mit Du ansprechen, kann dies als Beleidigung einer Amtsperson im Dienst aufgefasst werden und ein Knöllchen nach sich ziehen.

Dem niederländischen Brauch, durch Verwendung von Du und Sie einen Unterschied in Rang, Position oder Einkommen auszudrücken, bin ich in Deutschland noch nicht begegnet.

Drs.T.W.L.M.E. Fransen

Zur Anrede mit Du gehört der Vorname, zur Anrede mit Sie meist der Nachname (Herr.../Frau...), aber als Zwischenschritt auf dem Weg zum Duzen wird auch eine Kombination aus Sie und dem Vornamen verwendet.

Für Verwirrung sorgen Visitenkarten. Da wo der Niederländer seinen Vornamen gern hinter Initialen versteckt, steht in Deutschland der Vor- und Nachname voll ausgeschrieben. Das bedeutet nicht, dass diese Person mit dem Vornamen angesprochen werden möchte.

Beim Schriftverkehr ist alles genau umgekehrt. In den Niederlanden wird im Schriftverkehr viel mehr Wert auf formelle Traditionen, Anredeformen und Titel gelegt als in Deutschland. Viele Briefe werden auch heute noch mit Hoogachtend/Hochachtungsvoll beendet. Eine moderne Variante ist Hoogachtend en met vriendelijke groeten = Hochachtungsvoll und mit freundlichen Grüßen. Hat der Verfasser ein abgeschlossenes Hochschulstudium, folgt auf hoogachtend der Titel drs. (doctorandus = Diplom), die Initialen und der Nachname (drs.T.W.L.M.E. Fransen).

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Interkulturelle Fettnäpfchen: Deutschland - Niederlande
Untertitel
Was sagt man und was sagt man besser nicht?
Hochschule
Hochschule Bremen
Veranstaltung
Organisational Behaviour
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V62991
ISBN (eBook)
9783638561310
ISBN (Buch)
9783638749800
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Essay ohne Sekundärliteratur
Schlagworte
Interkulturelle, Fettnäpfchen, Deutschland, Niederlande, Organisational, Behaviour
Arbeit zitieren
Anika Erdmann (Autor:in), 2005, Interkulturelle Fettnäpfchen: Deutschland - Niederlande, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62991

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