Super Nanny mit super Quote - zur Theatralität in RTLs "Die Supernanny"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Sendung

3. Das Format
3.1 Reality-TV:
3.2 Die Doku-Soap

4. Theatralität
4.1 Die Inszenierung
4.1.1 Authentizität
4.1.1 Dramaturgie
4.1.2 Inszenierung durch die Montage
4.1.3 Emotionalisierung
4.1.4 Stereotypisierung
4.2 Performance
4.3 Korporalität
4.4 Wahrnehmung

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Der Wurm muß dem Fisch schmecken und nicht

dem Angler!”[1] Dieses Zitat des ehemaligen RTL-Geschäftsführers Dr. Helmut Thoma fasst dessen Verständnis von Privatfernsehen zusammen und kann symptomatisch für die ganze Riege der privaten Fernsehsender in Deutschland gelten. Denn die privaten Fernsehsender sind abhängig von Werbeeinnahmen und die können wiederum nur durch den Verkauf von möglichst quotenstarker Werbezeit erzielt werden. Es wird also vor allem das gesendet, wovon vermutet wird, dass es bestimmte Zielgruppen mit bestimmbaren Konsumgewohnheiten zu bestimmten Zeiten sehen wollen.[2]

Offiziell geben die Sender selbst jedoch andere Sendeziele an. Laut RTL.de ist es beispielsweise das Ziel der Sendung „Die Supernanny“, „eine fundierte Analyse, Besprechung der Erziehungssituation und eine individuelle pädagogische Beratung für die Eltern zu leisteten“[3]. Denn RTL will nach eigener Aussage „mit diesem Format einerseits den betroffenen Familien eine Hilfestellung bieten, andererseits aber auch dem Zuschauer anhand von unterschiedlichen Fällen Lösungsansätze für Probleme in der eigenen Familie aufzeigen.“[4]

Ob und wie RTL in der „Supernanny“ die Erfüllung dieses Anspruchs mit dem Erzielen einer hohen Einschaltquote und damit eben hoher Werbeeinnahmen verbindet, soll in dieser Arbeit untersucht werden. Dabei soll es primär darum gehen, die theatralen Eigenschaften des Formates herauszuarbeiten, die von der Seite der Produktion eingesetzt werden, um eine möglichst hohe Publikumsresonanz zu erzielen.

Basis dieser Hausarbeit ist lediglich die seit September 2004 ausgestrahlte erste Staffel der Serie. Zum einen ist diese bereits als DVD Version verfügbar, und zum anderen hat sich die Sendung über die folgenden zwei Staffeln hinweg stetig verändert. So ist seit der zweiten Staffel neben der diplomierten Sozialpädagogin Katja Salfrank auch eine zweite „Supernanny“ im Einsatz, und seit der dritten Staffel werden in einer Sendung oftmals auch mehrere „Fälle“ behandelt.

Zunächst soll die Sendung allgemein beschrieben werden, um sie danach in ein Format einzuordnen. Im Hauptteil dieser Arbeit wird die Sendung dann mit Hilfe des Theatralitätskonzeptes von Erika Fischer-Lichte genauer untersucht werden.

2. Die Sendung

Im September 2004 war die „Supernanny“, Katja Salfrank, zum ersten Mal in Deutschland auf dem privaten Fernsehsender RTL zu sehen. Heute hat sich die Sendung in der deutschen Fernsehlandschaft fest etabliert und läuft bereits in der dritten Staffel. Nach wie vor erreicht sie dabei wöchentlich ca. 4 Millionen Zuschauer vor den Fernseher. Vorbild der Sendung ist die britische Serie „Supernanny“, die seit Juli 2004 in Großbritannien auf Sendung ist.

Der Ablauf der Sendung ist stets der gleiche: Die „Supernanny“, Katja Salfrank, wird in eine offensichtlich „kaputte“ Familie gerufen, in der die Eltern mit ihren Kindern überfordert sind, und in der augenscheinlich keine Aussicht auf Besserung besteht. Diese Familien haben, so erzählt meist der Off-Kommentar, keine andere Chance mehr – die „Supernanny“ ist die letzte Mögliche Hilfe für diese Familien. Auf RTL.de, der Webseite des Fernsehsenders, klingt dies ein wenig pragmatischer: “Familienprobleme? Die Supernanny hilft.“[5] Und die „Supernanny“ hilft tatsächlich, so scheint es zumindest. Katja Saalfrank unterzieht die Familien einem „ 2-Wochen Intensiv Programm“. Ihr Vorgehen ist dabei stets das selbe. Sie beobachtet zunächst rein passiv die Situation in der Familie. Im nächsten Schritt greift sie ein und erteilt den Eltern Handlungsanweisungen. Schließlich verlässt sie die Familie, damit diese die erlernten Methoden erproben kann, um sie dann nach einigen Tagen erneut zu besuchen und möglicherweise noch letzte Verhaltenskorrekturen vorzunehmen. Spätestens danach aber läuft in der Familie alles so, wie es in einer „ordentlichen“ Familie laufen sollte. Welche Probleme dabei der Ausgangspunkt waren, spielt kaum eine Rolle. Ob die Kinder drei oder 13 Jahre alt sind, ob die Mütter alleinerziehend sind oder der Sohn mit der rechtsextremen Szene in Kontakt ist – die „Supernanny“ ist stets in der Lage mit pädagogischen Maßnahmen einzugreifen und die Probleme zu lösen. Einzelne pädagogische Interventionen werden von der Nanny oder dem Off-Kommentar für die Zuschauer verständlich erklärt und motivieren zum Nachmachen. Die Familie wird dabei fortlaufend von einem Kamerateam beobachtet.

Das Echo in der (Medien-) Öffentlichkeit auf die erste Folge war immens. Nicht nur die Ausstrahlung der Sendung in Serie war die Folge, sondern auch eine Vielzahl von Anrufen und Beschwerden bei RTL. Unter anderem verschiedene Kinderschutzbünde oder auch einzelne Pädagogen warnten vor Menschenwürde-verletzungen und der „unprofessionellen“ Nanny.[6] Doch der kommerzielle Erfolg blieb und so zogen auch andere Sender, wie RTL II mit den „Supermamas“, mit vergleichbaren Formaten nach.

3. Das Format

Bei der „Supernanny“ handelt es sich um ein Hybridformat, welches Beratung mit Unterhaltung verbindet und sich dabei den verschiedensten inszenatorischen Mitteln bedient, auf die später genauer eingegangen werden soll. Im Bereich der Hybridformate gibt es eine Vielzahl an schwer abgrenzbaren Begrifflichkeiten bzw. Genredefinitionen. So wird die „Supernanny“ z.B. mitunter als Doku-Soap, „Reality-TV“ oder auch als „Reality-Soap“ bezeichnet

3.1 Reality-TV:

Unter dem Begriff „Reality-TV“ werden verschiedene Sendeformate zusammengefasst. Was genau unter dem Begriff zu verstehen ist, darüber herrscht in der Literatur jedoch Uneinigkeit.[7] Für Wegener sind vier Merkmale für Reality TV-Sendungen konstitutiv: Zunächst werden Realereignisse entweder wirklichkeitsgetreu nachgestellt oder durch originales Filmmaterial dokumentiert. Ein weiteres Merkmal ist, dass sich diese Ereignisse nicht unmittelbar auf aktuelle, gesellschaftlich-relevante Themen beziehen. Drittens ist für sie ausschlaggebend, dass diese Ereignisse primär Personen zeigen, die entweder psychische bzw. physische Gewalt ausgeübt oder erlitten haben. Zuletzt sind die verschiedenen Beiträge, aus denen sich eine einzelne Reality TV-Sendung zusammensetzt, ein Merkmal.[8] Einen etwas anderen Ansatz verfolgt eine Untersuchung des Instituts für Medienanalyse Essen. In dieser wurden bestimmte Darstellungsformen dem Begriff Reality TV zugeordnet. Diese sind Filmdokumente, Dokumentationsdramen, Reality-Shows und Suchsendungen.[9] Von den Fernsehsendern selbst hingegen werden meist jene Formate als Reality-TV bezeichnet, in denen keine Schauspieler, sondern „Menschen wie du und ich“ mitwirken, welche auch nur sich selbst darstellen sollen. Jörg Mielich schlägt angesichts dieser Undurchsichtigkeit eine sehr pragmatische und vor allem sehr praktikable Definition vor: „Reality-TV ist jede Sendung, die vom Fernsehen als solche ausgewiesen wird“[10].

Da die genaue Abgrenzung wie gezeigt sehr schwammig ist und auch im Rahmen dieser Hausarbeit nicht weiter führt, folge ich daher der Definition von Mielich und betrachte die „Supernanny“ im Weitern als Doku-Soap.

3.2 Die Doku-Soap

Der Begriff der Doku-Soap setzt sich aus dem Genre des Dokumentarfilms (Doku) und dem Genre der Soap Opera (Soap) zusammen. In der heutigen Ausprägung wurde das Format Mitte der 1990er Jahre in Großbritannien entwickelt. Wobei hier keineswegs von einem plötzlichen Novum in der Fernsehwelt, sondern vielmehr von einem Prozess einer Vielzahl von vor allem technischen Entwicklungen gesprochen werden muss. So sind z.B. kleine und leichte Kameras zum Produzieren einer Doku-Soap notwendig, die überall problemlos eingesetzt werden können. Auch soziale Entwicklungen spielen eine Rolle. Für viele Menschen ist es heute nicht mehr problematisch, von Fernsehsendern gefilmt zu werden – im Gegenteil - viele wollen sogar unbedingt im Fernsehen auftreten. „Die Talkshows haben ein Terrain freigeschlagen, in dem gewohnheitsmäßig Privates und Intimes öffentlich verhandelt wird und niemand mehr etwas dabei findet, sich zu veröffentlichen.“[11] Eine wichtige Voraussetzung für die Doku-Soap, da sie sich dadurch auszeichnet, dass Menschen während ihres authentischen Alltags von der Kamera begleitet werden. Dieses Material wird dann nach den Konventionen fiktionaler Serien zusammengeschnitten.[12] Der dem Zuschauer als authentisch angebotene Alltag wird also dramaturgisch zugespitzt. Das Spezifische an Doku-Soaps ist nach Jeannette Eggert, dass sie sich Elemente und Konventionen bedienen, die primär in fiktionalen Genres zu finden sind, wobei vor allem die Soap Opera zu nennen ist. Auf der anderen Seite bedienen sie sich aber auch Eigenschaften von nichtfiktionalen Genres, wie zum Beispiel der Reportage oder des Dokumentarfilms.[13] Mikos fasst zusammen: „Mit den Doku-Soaps hat sich ein zunächst rein fiktionales Genre wie die Serie hin zu einer Mischform entwickelt, die auf lebensweltliche Orientierung, Authentizität und Performanz der Menschen baut.“[14] Dies läuft auf ein permanentes Balancieren zwischen Authentischem und Erzähltem, zwischen Beobachten und Inszenieren, zwischen Finden und Erfinden hinaus.[15] Wie dieses Balancieren in der Sendung aussieht und inwiefern überhaupt von einer Balance gesprochen werden kann, soll im weitern herausgearbeitet werden.

[...]


[1] Zit. Nach Ralf Radler (1995) S.32.

[2] vgl. Schwäbe (2004) S.215 f.

[3] http://www.rtl.de/ratgeber/familie_876804.php

[4] http://www.rtl.de/ratgeber/familie_874467.php

[5] http://www.rtl.de/ratgeber/familie_912404.php

[6] http://www.kinderschutzbund-nrw.de/Stellungnahme“Supernanny“.htm

[7] Vgl. Schwäbe (2004) , S.239 ff.

[8] Wegener (1994), S.17

[9] Eberle (2000), S.211

[10] Mielich (1996), S. 6

[11] Wolf (1999), S.5

[12] Schwäbe (2004), S. 169

[13] Eggert (1999), S.105

[14] Mikos (2000), S.45

[15] Wolf (1999), S.5

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Super Nanny mit super Quote - zur Theatralität in RTLs "Die Supernanny"
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Institut für neue deutsche Literatur und Medien)
Veranstaltung
Theatralität: Medieninszenierung zwischen Information und Unterhaltung
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V62880
ISBN (eBook)
9783638560399
ISBN (Buch)
9783656798767
Dateigröße
517 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Super, Nanny, Quote, Theatralität, RTLs, Supernanny, Theatralität, Medieninszenierung, Information, Unterhaltung
Arbeit zitieren
Marius Rausch (Autor:in), 2006, Super Nanny mit super Quote - zur Theatralität in RTLs "Die Supernanny", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62880

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