Zu Michael Endes „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch" – Ein Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

26 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Klassiker der KJL – Forschungsergebnisse
2.1. Einblick in die Forschungserkenntnisse der 50er, 60er und 70er Jahre
2.2. Einblick in die Forschungserkenntnisse der 80er und 90er

3. Michael Ende – Leben und Werk

4. Inhalt

5. Analyse unter Einbeziehung der Klassikerindizien nach Tabbert
5.1.Besondere Textstellen der Anfang und das Ende
5.1.1. Analyse
5.1.2. Betrachtung hinsichtlich des Klassikerstatus
5.2. Erzähler
5.2.1. Erzähleranalyse nach Peterson
5.2.2. Betrachtung hinsichtlich des Klassikerstatus
5.3. Gattung
5.3.1. Gattungsanalyse
5.3.2. Betrachtung hinsichtlich des Klassikerstatus
5.4. Der Raum der Geschichte
5.4.1. Raumanalyse
5.4.2. Betrachtung hinsichtlich des Klassikerstatus
5.5. Handlung und Spannung
5.5.1. Handlungsanalyse
5.5.2. Spannung
5.5.3. Betrachtung hinsichtlich des Klassikerstatus
5.6. Figuren
5.6.1. Figurenanalyse
5.6.2. Betrachtung hinsichtlich des Klassikerstatus
5.7. Mythen
5.7.1. Deutung einiger vorhandener Mythen
5.7.2. Betrachtung hinsichtlich des Klassikerstatus

6. Ist „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ ein Klassiker der KJL?

7. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Berufswunsch Lehrer, Deutschlehrer, ist zwangsläufig mit der Frage verbunden, welche Bücher können und dürfen im Unterricht gelesen werden. In der Sekundarstufe II ist die Frage verhältnismäßig leicht zu beantworten. Es ist sinnvoll Bücher zu lesen, die das Einmalige oder Besondere einer Literaturepoche darstellen; Werke, die in unserem Kulturkreis als einzigartig angesehen werden; Bücher die den Klassikerstatus erlangt haben. Für den Deutschunterricht heißt es, Goethe, Schiller, Lessing, Mann, Büchner, Hesse oder Brecht zu lesen, vielleicht auch Süsskind oder Goosen. Aber was liest man mit Kindern und Jugendlichen bis 16 Jahre? Was sind Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur[1] und was macht sie zu diesen?

Rein intuitiv würden wahrscheinlich viele Menschen dazu neigen Robinson Crusoe, Pipi Langstrumpf oder Emil und die Detektive oder die Schatzinsel zu nennen. Die Aufzählung der Werke, die seit längerer Zeit erfolgreich sind, ist nicht falsch. Sie wird der Fragestellung jedoch nicht ganz gerecht, da sie einerseits Werke neueren Erscheinungsdatums außen vor lässt und andererseits ist das Hauptauswahlkriterium die Tradierung. Dies alleine ist für ein Kind wahrscheinlich kein Grund, um ein Buch zu lesen und zu mögen. Erwachsene Menschen lesen die Klassiker wie z. B. Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“ auch nicht nur aus dem Grund, weil das Werk alt ist.

Auf die gestellte Frage gibt es viele Antworten und keine. Die fachwissenschaftliche Welt befasst sich seit längerem mit dem Phänomen. Eine allgemeingültige Antwort, falls es diese gibt, liegt jedoch nicht vor. Im Laufe der Forschungsgeschichte wurden zahlreiche Ansätze entwickelt und z. T. wieder verworfen oder widerlegt (vgl. Kapitel 2). Eine besondere Rolle in der Flut der Theorien kommt, meiner Meinung nach, Tabbert und seinem Aufsatz „Was macht erfolgreiche Kinderbücher erfolgreich?“[2] zu, da er die Klassikerindizien auf der narrativen Ebene, die er „Leseanreize“[3] nennt und auf einer vom Text z. T. unabhängigen Ebene – „Voraussetzungen zum Erfolg“[4] – vermutet. Da im Rahmen dieser Arbeit nicht alle „Klassikerindizien“ analysiert werden, erfolgt die Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse parallel zur Analyse dieser Kategorien (vgl. Kapitel 5)

Das Untersuchungsobjekt dieser Arbeit ist das Buch des bekannten deutschen Autors Michael Ende „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“[5]. Es soll die der Frage nachgegangen werden, ob es sich hierbei um einen Klassiker der KJL handelt. Nach der Vorstellung des Autors (vgl. Kapitel 3) und des Inhaltes des Geschichte (vgl. Kapitel 4) werden einige Faktoren des „Tabbertschen Kataloges“ analysiert werden (vgl. Kapitel 5).

Im letzen Kapitel steht die Frage im Mittelpunkt: Ist der „Wunschpunsch“ ein Klassiker der KJL? Neben der Zusammenfassung der zuvor erhaltenen Ergebnisse möchte ich meinen persönlichen Blickwinkel in die Waagschale werfen. Als Leser möchte ich meine z. T. subjektive Einschätzung zum Klassikerstatus dieser Geschichte äußern.

2. Klassiker der KJL – Forschungsergebnisse

2.1. Einblick in die Forschungserkenntnisse der 50er, 60er und 70er Jahre

Die Kinder- und Jugendliteraturforschung ist eine verhältnismäßig

junge Wissenschaft. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass die Kindheit als eigenständige Lebensphase erst durch Rousseaus „Emile oder Über die Erziehung“ (1762) postuliert wurde. Die hieraus entstandene KJL war in ihrem Ursprung v. a. Erziehungsliteratur und keine Unterhaltungsliteratur oder Literatur aus der Erfahrungswelt des Kindes heraus.[6] Viele der heutigen „Klassiker“ z. B. „Die Schatzinsel“ oder „Robinson Crusoe“, wurden ursprünglich nicht für Kinder geschrieben, sondern sind von Kindern im Laufe der Jahre in ihren Lesekanon übernommen worden. Hinzu kommt auch, dass Literatur ein dynamisches Gebilde ist, das sich im Laufe der Zeit verändert. Für Kinder- und Jugendliteratur bedeutet es, dass sie sich von dem ihr auferlegten Sozialisationsauftrag gelöst hat und ihre literarische Qualität der Erwachsenenliteratur angeglichen hat.

Hazard[7] sieht in den Kindern die Hauptakteure, die Bücher zu Klassikern machen. So schreibt er „Die Bücher, welche die Kinder von oben herab behandeln, sie als «liebe kleine Leser« anreden […]; die Bücher, die sie einschläfern, anstatt sie träumen zu lassen, sie alle lehnen sie einfach ab.“[8] Hier verweist er auf zwei Kennzeichen erfolgreicher Bücher, auf Spannung und den positionellen Unterschied, der nach Tabbert[9] in erfolgreichen Kinderbüchern nicht oder kaum vorhanden ist. Die Schlussfolgerung seiner Argumentation lautet: „Ich behaupte, dass sie die besten und berühmteste unter ihren Lieblingsbüchern in einem kühnen Kampf haben erobern müssen.[10]“ Wie Hurrelmann[11] schreibt, ist diese Vorstellung reizvoll. Bis zu einem gewissen Grade entspricht sie auch den Tatsachen. Sie genügt jedoch nicht, um das Phänomen gänzlich zu erklären. Dieser Ansatz setzt voraus, dass Kinder und Jugendliche in allen Lebenslagen oder zumindest in dem Teilbereich Kultur und Bildung ihren eigenen Vorstellungen folgen können und dürfen und dies ist mehr als unwahrscheinlich.

Die gesellschaftlichen Umbrüche der 60er und 70er Jahre machten auch vor den Klassikern der KJL nicht halt. Doderer entfachte die ideologiekritische Debatte, wonach viele der Bücher, die den Status des Klassikers erlangt haben, nicht mehr vermittelbar sind, da sie als Werkzeuge zur Sozialisation des Kindes betrachtet wurden.[12] 35 Jahre später stellt Tabbert[13] fest, dass eines der Kennzeichen des Klassikers das Vorhandensein von Ideologie ist und Hurrelmann[14] merkt an, dass der Kinderbuchmarkt eine „Rückwendung zur Tradition vollzogen“[15] hat. Die Ideologiekritik ist somit nicht erledigt; sie sollte weitergeführt werden, allerdings nicht mehr unter der Prämisse der Ablehnung, wie sie in den späten 60ern typisch war.

Eine Definition für Klassiker aus den späten 70er Jahren lautet:

„Unter Klassiker werden Kinder- und Jugendbücher verstanden, welche lange Zeit unter jugendlichen Lesern beliebt und weit verbreitet, in der Regel auch nach der herrschenden Ansicht der Erwachsenen wertvolle („erstklassige“) Lektüre sind.[16]

Der Grundtenor dieser Aussage gilt bis in die heutige Zeit hinein. Viele der Forscher, wie Tabbert oder Hurrelmann, greifen bei ihren Aussagen zu Klassikern, die durch Tradierung zu solchen geworden sind. Die wenigsten behandeln in ihren Ausführungen Bücher jüngeren Erscheinungsdatums. Dadurch wird gleichzeitig die Unsicherheit auf diesem Gebiet deutlich.

2.2. Einblick in die Forschungserkenntnisse der 80er und 90er

In den 80er Jahren erfolgte in der Wissenschaft eine Hinwendung zum Adressaten, dem Kind, hin. Zwei Theorien sollten hier erwähnt werden. Ewers[17] stellte die These auf, Kinderbücher werden dann zum Klassiker, wenn sie den Kindheitsmythos ihrer Zeit besonders treffend darstellen. Hier ist zwischen dem aufklärerischen, romantischen und dem Mythos vom bösen Kind zu unterscheiden.[18]. Allerdings ist diese Annahme nur auf Bücher anwendbar, die von Kindheit handeln, wie Tabbert[19] feststellt.

Wilkending[20] vertritt den Standpunkt, dass in Klassikern der KJL es

um die Vermittlung eines Widerspruchs gehe, des Widerspruchs zwischen Grenzüberschreitung und Erziehungsfunktion. Im Klassiker prallen zwei Gegensätze aufeinander. Einerseits wollen sie Erziehungsziele vermitteln, andererseits haben sie den Anspruch den Wünschen und Vorstellungen der Leser v. a. Kinder, gerecht zu werden.[21] Auch diese Theorie ist nur für einen Teil der betreffenden Werke gültig und es ist fraglich, ob das Vorhandensein der Divergenz genüge, um ein Buch zum Klassiker zu machen.

Die Forschungssituation in den 90er Jahren kommentiert Kümmerling-Meibauer wie folgt:

„Bis heute scheiden sich die Kinderliteraturforscher im Hinblick auf eine Klassikerdefinition in zwei Lager: auf der einen Seite […] orientiert man sich weiterhin am Postulat der Popularität und Langlebigkeit […]; auf der anderen Seite hebt man die literarische Qualität und Vorbildfunktion klassischer Kinderbücher als wesentliche Kriterien hervor.“[22]

Kümmerling-Meibauer ist eher der zweiten Gruppe zuzuordnen. Der Begriff der literarischen Qualität umfasst Qualität-, Wertungs- und Wirkungsmerkmale.[23] Die Wertungskategorie befasst sich mit der Frage, ob ein Werk didaktisch wertvoll sei. Mit der Qualitätskomponente wird eine Aussage getroffen, ob ein Text als besondere Leistung einer bestimmten Zeit betrachtet werden kann. Wirkungsmerkmal verweist „auf die kulturelle und nationale Bedingtheit des Klassikerbegriffs[24]. Bei diesem Ansatz stellt sich die Frage, wer die Bewertungsinstanz sein soll und reicht die Urteilskraft dieser aus, um einen Klassiker zu manifestieren.

Zu der Gruppe der Forscher, die sich am Long- bzw. Bestseller orientieren, können exemplarisch Tabbert und Hurrelmann genannt werden. Hurrelmann geht davon aus, dass „Klassiker ein historischer Begriff ist, der von der Kapazität des gesellschaftlichen Gedächtnisses abhängig ist[25]. Ausgehend vom Selektionsprozess stellt sie fest, dass die „Klassizität“ auf der Ebene der Textstrukturen und Themen zu finden sei.[26] Auf der Ebene der Textstrukturen vermutet Hurrelmann die Klassizität, darin begründet, da hier „menschliche Grundbedürfnisse und –konflikte in einfacher Form Ausdruck gefunden haben“.[27] Über den erzählerischen Grundstrukturen findet sich eine Schicht von elementaren aber kulturspezifischen und historischen Variablen, Thematiken und Motiven, die die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben betreffen. Genau diese Schicht ist es, in der die wunschgeleiteten kindlichen Entwürfe mit den gesellschaftlichen Anforderungen und Erziehungsfunktionen[28] in Spannung treten.

Tabbert geht in seinen Ausführungen einen Schritt weiter. Er nimmt handfeste Text-Kategorien, wie Figuren, Erzähler, Sprache und macht eine Aussage darüber, wie diese gestaltet sein müssen, um einen Text erfolgreich zu machen. Mit der Einschränkung, dass die Befolgung dieser Merkmale nicht zwangsläufig zum Erfolg führen muss.[29]

In erfolgreichen Kinder- und Jugendbüchern muss die Wunschbefriedigung, als eine der Grundfunktionen der Literatur, stärker ausgeprägt sein, als die Wirklichkeitsdeutung.[30] Erreicht wird dieses durch das Zusammenspiel zwischen der der Individualität des Autors und Elementen der traditions- und außengeleiten Literatur[31]. Von besonderer Bedeutung für die erfolgreiche KJL ist der Zusammenhang zwischen Autoren und Lesern von Kinderbüchern. Tabbert nennt diesen den „positionellen Unterschied“[32]. Gemeint ist damit die „asymmetrische Kommunikation“ oder das „von oben herab erzählen“, das lange Zeit typisch für die didaktische KJL war. Er stellt fest, dass eine große Distanz zwischen dem implizierten Leser und implizierten Autor nur zum Erfolg führen kann, wenn sich die Rezeption eines Werkes gegen seine Intention richtet[33]. Als Beweis dafür betrachtet er die Tatsache, dass in traditioneller erfolgreicher KJL, z. B. Robinson Crusoe oder Märchen, dieser positionelle Unterschied nicht, oder im geringen Maße existiert.[34]

[...]


[1] Anmerkung: Im Folgenden wird für Kinder- und Jugendliteratur die Abkürzung KJL verwendet.

[2] vgl. Tabbert, 1994, S. 45 ff.

[3] ebd. S. 48

[4] ebd. S. 55

[5] Anmerkung: Im Weiteren Verlauf wird die Abkürzung WP verwendet bzw. in der Zitierweise WP und die Seitenangabe.

[6] vgl. Gansel, 1999, S. 16 f.

[7] Hazard, 1952, S. 74

[8] ebd.

[9] vgl. Tabbert, 1995, S. 45

[10] Hazard, 1952, S. 75

[11] Hurrelmann, 1995, S. 10

[12] vgl. Doderer, 1969, zit. nach: Hurrelmann, 1995, S. 13

[13] vgl. Tabbert, 1994, S. 55 f.

[14] vgl. Hurrelmann, 1996, S. 18

[15] ebd.

[16] Doderer, 1977, S. 217

[17] vgl. Ewers, 1984, S. 47. zit. nach Tabbert, 1995, S. 50

[18] vgl. Hurrelmann, 1995, 14f.

[19] vgl. Tabbert, 1994, S. 50

[20] vgl. Wilkending, 1987, S. 262f.

[21] vgl. Hurrelmann, 1995, S. 15.

[22] vgl. Kümmerling-Meibauer, 1999,S X

[23] vgl. Kümmerling-Meibauer, 1997, S. 5

[24] ebd.

[25] Hurrelmann, 1995, S. 10

[26] vgl. Hurrelmann 1995, 16 f

[27] ebd. S. 16

[28] ebd. S. 17

[29] vgl. Tabbert, 1995, S. 55

[30] ebd.

[31] ebd.

[32] ebd. S. 47

[33] vgl. Tabbert, 1995, S 47

[34] ebd. S. 47 f.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Zu Michael Endes „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch" – Ein Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur?
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Veranstaltung
Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
26
Katalognummer
V62671
ISBN (eBook)
9783638558754
ISBN (Buch)
9783638666015
Dateigröße
606 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zitierung über Fußnoten
Schlagworte
Michael, Endes, Wunschpunsch, Klassiker, Kinder-, Jugendliteratur, Klassiker, Kinder-, Jugendliteratur
Arbeit zitieren
Edith Mallek (Autor:in), 2006, Zu Michael Endes „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch" – Ein Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62671

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