Archaismen in russischen Phraseologismen


Hausarbeit, 2003

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Differenzierung zwischen den Begriffen „Historismus“ und „Archaismus“

2. Archaismen in phraseologischen Einheiten
2.1 Was war zuerst, der Phraseologismus oder der Archaismus?
2.2 Unterscheidungsfunktion von Archaismen in phraseologischen Einheiten

3. Ererbte / entlehnte Phraseologismen

4. Verschiedene Gruppen von Phraseologismen mit archaischen Elementen
4.1 Phraseologismen mit lexikalisch-phonetischen Archaismen
4.2 Phraseologismen mit archaischen Wortformen
4.2.1 Substantive
4.2.1.1 Dativ Singular
4.2.1.2 Genitiv Plural
4.2.2 Verben
4.2.2.1 Aorist
4.2.2.2 Imperfekt
4.2.2.3 Plusquamperfekt
4.2.2.4 Präsens

5. Quellenverzeichnis

1. Differenzierung zwischen den Begriffen „Historismus“ und „Archaismus“

Das Thema des Vortrags und folglich auch dessen schriftlicher Ausarbeitung im Rahmen des Hauptseminars „Phraseologie der russischen Gegenwartssprache“ sollte „Historismen in russischen Phraseologismen“ lauten. Ich habe jedoch den Titel meines Vortrags in „Archaismen in russischen Phraseologismen“ umgeändert, da ich der Meinung bin, dass Historismen eine Teilmenge von Archaismen darstellen.

Diese Meinung vertritt auch R.N. Popov in seinem Buch „Frazeologizmy sovremennogo russkogo jazyka s archaičnymi značenijami i formami slov“. Für ihn lassen sich Archaismen an zwei Kriterien erkennen. Ein sprachliches Element ist dann als archaisch einzustufen, wenn:

1.) es „aus den systematischen Verbindungen und Beziehungen des modernen Sprachsystems auf einer bestimmten Ebene, und zwar auf der phonologischen, lexikologischen, morphologischen oder syntaktischen, herausfällt“[1].
2.) es unumkehrbar und nicht wiederholbar im Prozess der sprachlichen Entwicklung ist. Beim ersten Punkt ist zu beachten, dass ein archaisches sprachliches Element nicht aus dem sprachlichen System überhaupt „herausfällt“, sondern nur keinen Bezug zu den Paradigmen des modernen, synchron betrachteten, Sprachsystems hat.

Zur Unterstützung dieser beiden Kriterien und zur weiteren Differenzierung führt Popov Beispiele von grammatikalischen und lexikalischen Archaismen an.

Charakteristisch für einen grammatikalischen Archaismus sei seine Isoliertheit im allgemeinen System der für die jeweilige Sprache typischen grammatikalischen Formen und damit auch die Überlebtheit des konstruktiven Musters an sich. Als Beispiel führt Popov die archaische Kasusform des Präpositiv во облацех aus dem Phraseotextem темна вода во облацех an. Die Bedeutung des Phraseotextems lautet „eine rätselhafte, unklare Sache“ oder „böhmische Dörfer“[2]. Wie man sieht fällt во облацех aus dem modernen Kasussystem des Russischen heraus.

Als Beispiel für die Unumkehrbarkeit von grammatikalischen Archaismen nennt Popov die archaischen Vergangenheitstempora des Russischen, wie z.B. den Aorist oder das Imperfekt.

Das Hauptkriterium für einen lexikalischen Archaismus sei der Verlust der Verbindung des jeweiligen Lexems zu den von derselben Wurzel abgeleiteten Lexemen des aktiven Wortschatzes einer Sprache und seine Verdrängung aus demselben durch synonyme Lexeme.

Dabei sind Historismen eine Untergruppe von lexikalischen Archaismen. Sie fallen aus dem lexikalischen System einer Sprache heraus, weil die Referenzobjekte, auf die sie Verweisen, in der materiellen Welt oder im Bewußtsein der Sprecher einer Sprache nicht mehr aktuell sind. Als Beispiel für Historismen in russischen Phraseologismen führt Popov die beiden Phraseme турусы на колесах, was so viel bedeutet wie „Ammenmärchen, Lügen; dummes Gerede, dummes Zeug“[3], und гол как сокол, „arm wie eine Kirchenmaus“[4], an.[5][6] Der lexikalische Archaismus liegt bei турусы на колесах im Wort турусы. So wurden Belagerungstürme genannt, die mit Hilfe von niedrigen, dicken hölzernen Rädern bewegt werden konnten und von Mongolo-Tataren zur Belagerung von mittelalterlichen Städten eingesetzt wurden. Die Erzählungen über diese Belagerungstürme wurden oft mit unglaublichen Einzelheiten ausgeschmückt und wurden deswegen als erfunden betrachtet.[7] In гол как сокол ist сокол das archaische Element. Mit diesem Wort wurde eine alte Waffe zum Durchbrechen von Toren und Mauern bezeichnet. Sie stellte so eine Art Rammbock aus Gusseisen oder Eisen in Form eins Balkens oder einen mit Eisen beschlagenen Balken dar. Die Oberfläche dieses „Rammbocks“ war glatt, also „nackt“.[8]

Textbeispiel:

1. По некоторым данным, все личные финансовые дела депутатов Думы осуществляются через банк "Столичный", коллективный член ордена, а А. Смоленский значится и в руководящих органах ордена. Темна вода в облацех.[9]
2. Ты же знаешь нашего учителя - у него что ни спросишь, он такие турусы на колесах разведет, что уши сразу в трубочку скрутятся![10]
3. Поэтому бегство Ленки из кафе было еще более стремительным, чем первое, когда мы удирали с ней вдвоем от пенсионера с другом, с той лишь разницей, что Вадим оказался гол как сокол, и по счету пришлось заплатить ей.[11]

2. Archaismen in phraseologischen Einheiten

Sprachliche Systeme enthalten neben aktuellen, produktiven Elementen Elemente vergangener Sprachepochen als Reste früherer Sprachsysteme. Phraseologismen zeichnen sich durch die besondere Fähigkeit aus, diese archaischen Elemente zu konservieren.[12] Eines der Kriterien, das eine phraseologische Einheit zu einer solchen macht, ist ihre Reproduzierbarkeit. D.h. dass innerhalb der verfestigten Verknüpfungen von Wortformen und Syntagmen eines Phraseologismus ein Archaismus ähnlich wie ein Fossil innerhalb einer Gesteinsformation konserviert und aufbewahrt wird.

2.1 Was war zuerst, der Phraseologismus oder der Archaismus?

Wie weiter oben dargelegt, sind Phraseologismen maßgeblich an der Bewahrung von archaischen Elementen innerhalb eines Sprachsystems beteiligt. Das lässt vermuten, dass im Verlauf der Sprachentwicklung zunächst eine feste Wortfügung entstand, und deren einzelnes Element oder Elemente innerhalb dieser festen Struktur sich nicht der allgemeinen Veränderung des Sprachsystems anpassten.

[...]


[1] Popov, N.P.: Frazeologizmy sovremennogo russkogo jazyka s archaičnymi značenijami i formami

slov. S 45

[2] Petermann, Jürgen; Hansen-Kokoruš, Renate; Bill, Tamara: Russisch-deutsches phraseologisches

Wörterbuch. S 71

[3] Petermann, Jürgen; Hansen-Kokoruš, Renate; Bill, Tamara: Russisch-deutsches phraseologisches

Wörterbuch. S 832

[4] Petermann, Jürgen; Hansen-Kokoruš, Renate; Bill, Tamara: Russisch-deutsches phraseologisches

Wörterbuch. S 761

[5] Popov, N.P.: Frazeologizmy sovremennogo russkogo jazyka s archaičnymi značenijami i formami

slov. S 45 - 46

[6] Übersetzung von Fragmenten aus Popovs Text – K.F.

[7] Birich, A.K.; Mokienko, B.M.; Stepanov, A.I.: Slovar´ russkoj frazeoligii. S 577

[8] Birich, A.K.; Mokienko, B.M.; Stepanov, A.I.: Slovar´ russkoj frazeoligii. S 540

[9] http://www.russia-talk.com/orden.htm (am 19.10.2003)

[10] http://vladimirilyin.chat.ru/gorizont.htm (am 14.07.2003)

[11] http://newwoman.ru/club32.html (am 14.07.2003)

[12] Eckert, Rainer; Günther, Kurt: Die Phraseologie der russischen Sprache. S 145

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Details

Titel
Archaismen in russischen Phraseologismen
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Slawische Fakultät)
Veranstaltung
Hauptseminar: Phraseologie der russischen Gegenwartssprache
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
20
Katalognummer
V62582
ISBN (eBook)
9783638557962
ISBN (Buch)
9783638908481
Dateigröße
540 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Archaismen, Phraseologismen, Hauptseminar, Phraseologie, Gegenwartssprache
Arbeit zitieren
Katharina Friesen (Autor:in), 2003, Archaismen in russischen Phraseologismen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62582

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