Der ProfilPASS als Qualifikationsnachweis. Ein ressourcenorientiertes Methodenkonzept


Hausarbeit, 2006

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

0. Einleitung

1. Voraussetzungen
1.1. Menschenbild – der sich bildende Mensch
1.2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen als Herausforderung für den Einzelnen
1.3. Schlüsselbegriffe des ProfilPass-Konzepts
1.4. Grundlagen ressourcenorientierter Beratung

2. Das ProfilPass-Projekt
2.1. Initiatoren und Projekt-Partner
2.2. Adressaten und Ziele des ProfilPass-Projekts
2.3. Das Arbeitsmaterial
2.4. Die Beraterausbildung
2.5. Der Beratungsprozess

3. Ergebnisse und Ausblick
3.1. Der Nutzen für die ProfilPass-Inhaber
3.2. Der ProfilPass aus betrieblicher Perspektive
3.3. Weiterentwicklung des Profilpasses

4. Résumé

Quellen

0. Einleitung

Mit dem ProfilPass, dem „Weiterbildungspass mit Zertifizierung informellen Lernens“, beschreibe ich ein neu entwickeltes Methodenkonzept, das seine Entstehung einer breit angelegten Zusammenarbeit zwischen EU-Gremien, Bund-Länder-Kommission und Bildungsfachleuten verdankt: 2005 endete die Erprobungsphase.

Leitgedanke des Konzepts ist, Menschen in die Lage zu versetzen, eigene Kompetenzen zu erkennen, zu bewerten und diese eigenverantwortlich weiterzuentwickeln. Um in einem gesellschaftlich-ökonomischen Umfeld handlungsfähig zu bleiben, das zunehmend von Unsicherheit geprägt ist (vgl. 1.2.), benötigt der Einzelne eine intakte und starke innere Repräsentanz seiner selbst. Im ProfilPass (PP) wird folgerichtig in erster Linie auf die individuelle Möglichkeit der Selbstexploration und Selbstevaluation gesetzt. Dazu bietet der PP ein biographisch orientiertes Verfahren an, das den Nutzer zur Rückschau auf sein bisheriges Leben anregt, um die darin offenkundig oder versteckt enthaltenen Lernsituationen und die daraus erwachsenen Fähigkeiten aufzuspüren.

Weitere Schritte leiten im Idealfall über zu Selbsteinschätzung, zum Entwickeln von Zielvorstellungen, zum Planen und zum Handeln.

Eine begleitende Beratung mit Zertifizierung des Erarbeitungsprozesses stützt die zutage geförderten Erkenntnisse und soll ProfilPass-Inhabern auch bei Arbeitgebern Glaubwürdigkeit verschaffen.

So kann es als Ziel des ProfilPasses angesehen werden, das Potential des Einzelnen möglichst vollständig in sein familäres, gesellschaftliches und arbeitsweltliches Umfeld einzugliedern.

Welche Möglichkeiten, Begrenztheiten, Wege und Hindernisse sichtbar werden, wenn man die Umfeldbedingungen und die Beschaffenheit des ProfilPass-Projekts, die Zielgruppen und die mitwirkenden „Professionellen“ betrachtet, ist in dieser Arbeit zu lesen.

1. Voraussetzungen

1.1. Menschenbild – der sich bildende Mensch

Dem ProfilPass-Konzept liegt ein humanistisches Menschenbild zugrunde (vgl. Endbericht der Erprobungs- und Evaluationsphase, 2006). Der Mensch wird als Gestalter seines Lebens angesehen, der auf der Grundlage seiner Fähigkeiten und Begabungen, aber auch kraft seiner sozialen Beziehungen in der Lage ist, eigenständig gewählte Ziele zu verfolgen. Humanistische Psychologen gehen davon aus, dass die Sinnerfahrung, die aus selbst gesteuertem und selbst verantwortetem Handeln erwächst, unabdingbar ist für die seelische und körperliche Gesundheit des Menschen. Viktor Frankl beschrieb in seinem Buch „...trotzdem Ja zum Leben sagen“, dass die innere Aktivität, mit der ein selbst erkannter Lebenssinn gegenwärtig gehalten wird, in Situationen höchster Entbehrung ein Überleben sichern kann (Frankl, 1992).

Der Blick auf den Menschen als eigenständigen Gestalter seines Lebens beinhaltet auch, ihn nicht aufgrund äußerer Kriterien nach seinen Defiziten oder Abweichungen von der Norm zu beurteilen, sondern Kriterien aufzufinden, die seinen Fähigkeiten angemessen sind und diese möglichst umfassend abbilden, denn auch bestehende Defizite können nur ausgeglichen werden, indem man an Kompetenzen anknüpft und diese erweitert.

Eine weitere anthropologische Grundannahme, auf die sich das ProfilPass-Konzept stützt, ist in den letzten Jahren verstärkt öffentlich thematisiert worden und kleidet sich in den Begriff des „lebenslangen Lernens“; etwas differenzierter ist häufig auch von „lebensbegleitendem Lernen“ die Rede (EU-Parlament 1995).

Während Säugetiere sich instinktgeleitet ihr Handlungsrepertoire in einem kurzen Lebensabschnitt unmittelbar nach der Geburt erschließen, ist der Mensch sein ganzes Leben über prägbar. Diese Plastizität kann die Grundlage dafür bieten, dass der Mensch durch bewusst selbst gesteuertes Lernverhalten Schritte der Veränderung und Vervollkommnung im Leben gehen kann und auch Wege findet, auf Veränderungen seiner Umgebung flexibel zu reagieren.

Der Begriff des „lebenslangen Lernens“ hat nicht nur die Facette, dass der Mensch auch im höheren Alter lernt, sondern eine ebenso wichtige andere: Er lernt – zugespitzt formuliert - in jedem Augenblick seines Lebens und damit „lebensbegleitend“. Jede Tätigkeit stellt eine Herausforderung, Erprobung und Festigung seiner Fähigkeiten dar.

Dieser Erkenntnis folgend wird im ProfilPass das Augenmerk stark auf „informelles Lernen“ gerichtet und damit auf die Lebensumfelder, die landläufig nicht als „Lernorte“ bekannt sind, geschweige denn als Bildungsveranstaltungen angesehen werden. Kompetenzerwerb in der Familie ist in diesem Zusammenhang an erster Stelle zu nennen.

Anknüpfend an die humanistische Sichtweise des eigenverantwortlich gestaltenden Menschen kommt es für jeden darauf an, nicht nur unbewusst informelle Lernprozesse zu durchlaufen, sondern deren Früchte, die daraus hervorgehenden Kompetenzen, bewusst in die eigene Lebensgestaltung einzubeziehen.

Hier liegt einer der Ausgangspunkte für den ProfilPass als „Weiterbildungspass mit Zertifizierung informellen Lernens“.

1.2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen als Herausforderung für den Einzelnen

Die deutsche Gesellschaft ist – forciert durch eine global wirksame wirtschaftliche Konkurrenz der Konzerne – einem fortschreitenden Wandel unterworfen. Der rasante technologische Fortschritt trägt dazu bei, dass in vielen Bereichen menschliche Arbeitskraft durch Maschinen ersetzt werden kann oder auch ganze Berufszweige verschwinden, weil sie nicht mehr gebraucht werden wie z.B. die Schriftsetzer.

Für die verbleibenden Arbeitsbereiche werden Menschen mit hoher fachlicher Qualifikation gesucht, die zudem in der Lage sind, veränderten Anforderungen schnell und flexibel zu begegnen. Die „Bildungsexpansion“ im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts war eine Reaktion auf diese Entwicklung (vgl. Geißler, 2004, 45). Die Quote der Gymnasiasten eines Jahrgangs lag 1960 bei 15% gegenüber einer Quote von 30% im Jahr 2000 (Datenreport 2004, 60). So müssen Menschen mit niedrigen Schulabschlüssen heute feststellen, dass diese ursprünglich als solide Basisqualifikation dienenden Abschlüsse massiv an Wert verloren haben und kaum mehr zu einem angemessenen beruflichen Fortkommen taugen. Der Beruf des Kfz-Mechanikers beispielsweise, der früher ein klassischer Ausbildungsberuf für Hauptschulabgänger war, existiert nicht mehr. Stattdessen wird zum Kfz-Mechatroniker ausgebildet. Voraussetzung dafür sind Realschulabschluss und gute Physikkenntnisse (Hordych, 2005). Menschen wiederum, denen eine formale berufliche Qualifikation fehlt, geraten auf dem Arbeitsmarkt seit den 90er Jahren zunehmend in eine Randposition (vgl. Solga, 2002). 1991 waren 14,5% derer, die keinen beruflichen Abschluss erreicht hatten, arbeitslos. Bis 2004 stieg der Arbeitslosenanteil in dieser Personengruppe auf 24,6%. Universitäts- oder Fachhochschulabsolventen hingegen waren in beiden Jahren nur zu 4% arbeitslos (IAB, 2005).

Doch nicht nur Menschen mit niedriger oder fehlender formaler Qualifikation sind vom Wandel der Arbeitswelt betroffen. Unter dem Schlagwort „Generation Praktikum“ wird thematisiert, dass auch gut ausgebildete Menschen Mühe haben, ihre Kompetenzen in angemessen vergüteten, langfristigen Arbeitsverhältnissen fruchtbar werden zu lassen (vgl. Bonstein, Theile, 2006). Arbeitslosigkeit unterschiedlicher Dauer wird für viele Menschen zur Lebenserfahrung. Die Autoren der Machbarkeitsstudie zum Profil-Pass-Projekt betonen, dass

„Bürgerinnen und Bürger in einem zunehmend komplexeren beruflichen und privaten Alltag unabhängig von Status, Position und Rolle lernen müssen, die eigene Bildungsbiografie zu bilanzieren und prospektiv Bildungs-, Berufs- und Lebensziele zu formulieren.“ (Machbarkeitsstudie, 2004, 3)

So sehen sich Menschen aller Bildungsschichten vor die Aufgabe gestellt, Phasen der Neuorientierung zu gestalten. Dies kann aus freien Stücken geschehen, weil neue Interessensgebiete locken oder weil ein Karrieresprung angestrebt wird. Häufiger sind jedoch äußere, zwingend wirkende Notwendigkeiten (mit-)bestimmend, zum Beispiel: (drohende) Arbeitslosigkeit, innerbetriebliche Veränderungen, Erkrankung oder private Trennungssituationen.

Dass der letztgenannte Punkt aktuell eine große Rolle spielt, lässt sich mit Zahlen belegen: 2005 lebten in Deutschland 2,6 Mio. Alleinerziehende, das heißt, 21% der Familien waren Ein-Elternteil-Familien. Im Vergleich zu 1996 ist die Zahl der Alleinerziehenden um 15% gestiegen. Nicht in Zahlen auszudrücken ist die Beanspruchung allein erziehender Eltern, die - neben beruflichen und organisatorischen Notwendigkeiten - mit ihren Kindern Familienleben verwirklichen und die Entwicklung ihrer Kinder begleiten wollen. Unter 1.1. wurde schon darauf hingewiesen, dass der ProfilPass die vielfältigen Kompetenzen, die aus familiären Bewährungssituationen erwachsen können, ausdrücklich einbezieht.

Insgesamt sind die Lebensformen vielfältig, die Biographieverläufe erscheinen eigenwillig, manchmal zerklüftet und häufig nicht geradlinig. Die Individualisierung, die sich darin ausdrückt, wird von vielen Menschen bejaht und gewollt, dennoch wirkt das, was Ulrich Beck „Individualisierung der Arbeit“ nennt, häufig bedrohlich:

„(...) das Normalarbeitsverhältnis beginnt sich sowohl biographisch als auch betrieblich aufzulösen, und an die Stelle sozialstaatlicher Sicherheit tritt eine politische Ökonomie der Unsicherheit und Entgrenzung.“ (Beck, 1999, 58)

Dieser Unsicherheit mit stärkenden Maßnahmen zu begegnen, ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Der ProfilPass kann als eine solche, Eigenverantwortung stärkende Maßnahme betrachtet werden.

1.3. Schlüsselbegriffe des ProfilPass Konzepts

Um den „Weiterbildungspass mit Zertifizierung informellen Lernens (ProfilPass)“ gedanklich einzubetten, sind vier Begriffsfelder zu erschließen:

informelles Lernen - non-formales Lernen - formales Lernen;

Kompetenz – Fähigkeit - Qualifikation;

Entwicklungs- und Anforderungsorientierung;

Selbst- und Fremdbewertung.

Als informelles Lernen bezeichnen die Autoren des Konzepts „sämtliches Lernen jenseits institutionell organisierter Lernformen“ (Machbarkeitsstudie 2004, 6). Daraus geht hervor, dass unbewusstes Lernen „im Vorbeigehen“ ebenso von dem Begriff des informellen Lernens umschlossen wird wie Lernen, das bewusst und selbst organisiert in Familie, Freundeskreis, während ehrenamtlicher Tätigkeit oder auch im Rahmen des Arbeitsprozesses stattfindet. Informelle Lernprozesse zeichnen sich dadurch aus, dass sie häufig unerkannt und unbenannt bleiben, so dass daraus hervorgehende Kompetenzen sich Außenstehenden nicht erschließen. Die Aufgabe, informelle Lernprozesse zu rekonstruieren und auszuwerten fällt folglich jedem Einzelnen zu. Dies erscheint umso wichtiger – und auch vielversprechender -, wenn man die Angabe hinzuzieht, dass etwa 70% aller menschlichen Lernprozesse außerhalb von Institutionen stattfinden (Endbericht, 2006, 31).

Im Gegensatz zu informellem Lernen ist non-formales Lernen durch institutionalisierte Lernwege gekennzeichnet, die jedoch nicht zu einem staatlich anerkannten Zertifikat führen, - so können Aktivitäten im Sportverein oder das Freiwillige Soziale Jahr als non-formale Lernaktivitäten angesehen werden.

Formales Lernen ist auf eine (staatlich) anerkannte Zertifizierung hin ausgerichtet, die die Vergleichbarkeit von Leistungen anhand vorgegebener Standards sicherstellen soll. Eine Vergleichbarkeit dieser Art wird eine Zertifizierung informellen Lernens, der ja das ProfilPass-Projekt dienen soll, nie erreichen können.

„Dennoch gilt es, Transparenz, Überschaubarkeit und Verlässlichkeit der einzusetzenden Verfahren und eine möglichst hohe Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten.“ (Machbarkeitsstudie, 2004, 5)

Der Begriff der Kompetenz bezieht sich auf Fähigkeiten und Kenntnisse, aber auch Einstellungen und Werte, die ein Mensch während seiner gesamten Lebenszeit erwirbt, weiterentwickelt und im Umgang mit seiner Umgebung, sich selbst und anderen Menschen einsetzt. Kompetenzen zielen auf eigenverantwortliches Handeln (vgl. Endbericht, 2006, 27). Damit wird schon darauf hingedeutet, weshalb die Autoren des ProfilPass-Konzepts dem Kompetenzbegriff den Vorzug vor dem Begriff der Qualifikation gaben:

„Da der Kompetenzbegriff im Gegensatz zum Qualifikationsbegriff deutlicher auf das Subjekt und definitorisch nicht a priori auf gegebene Anforderungssituationen bezogen ist, eignet er sich besser für die Erfassung und Anerkennung gerade von informell erbrachten Lernleistungen.“ (Machbarkeitsstudie, 2004, 4f)

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der ProfilPASS als Qualifikationsnachweis. Ein ressourcenorientiertes Methodenkonzept
Hochschule
Technische Hochschule Köln, ehem. Fachhochschule Köln
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V62411
ISBN (eBook)
9783638556552
ISBN (Buch)
9783638766999
Dateigröße
577 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In dieser Arbeit werden Entstehungsgeschichte, Intentionen, Methode und erste Ergebnisse des 2002 initiierten Profilpass-Projekts dargestellt. Den Profilpass entwickelten u.a. Experten des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung, um Ergebnisse informellen Lernens erkennbar zu machen: Systematisch entdecken Nutzer des Passes informell erworbene Kompetenzen, die sie in ihre Bildungsbiographie einzubeziehen lernen. Insbesondere in Bewerbungssituationen sollen sie vom Erarbeiteten profitieren.
Schlagworte
Profilpass, Methodenkonzept
Arbeit zitieren
Corinna Contenius (Autor:in), 2006, Der ProfilPASS als Qualifikationsnachweis. Ein ressourcenorientiertes Methodenkonzept, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62411

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