Didaktische Dimensionen als Instrumente der Einordnung und Beurteilung von E-Learning-Programmen


Diplomarbeit, 2003

94 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Die Anfänge von E-Learning
1.2 Evaluation von E-Learning
1.3 Einleitendes zum Begriff „Didaktik“
1.4 Der Begriff „Mikrodidaktik“ als Bezugsrahmen und Arbeitsfeld
1.5 Makrodidaktische Dimensionen als Abgrenzung zum Arbeitsfeld
1.6 Ziel und Nutzen dieser Arbeit
1.7 Notwendigkeit einer Begriffbestimmung
1.7.1 Terminologie

2. Diskussion didaktischer Ansätze unter der Perspektive des E-Learnings
2.1 Offenheit moderner didaktischer Theorien – offene Systeme
2.2 Die bildungstheoretische Didaktik im Rahmen kritisch-konstruktiver Erziehungswissenschaft
2.2.1 Die (gesellschafts-)kritische Seite
2.2.2 Die planmäßig – inhaltliche Seite
2.2.3 Die methodische Seite
2.2.4 Zusammenfassung
2.3 Lerntheoretische Didaktik
2.3.1 Das Berliner Modell nach Heimann
2.3.2 Das Hamburger Modell nach Schulz
2.3.3 Zusammenfassung
2.4 Der informationstheoretische Ansatz
2.4.1 Programmierte Instruktion
2.4.2 Die kybernetische Didaktik von Felix von Cube
2.4.3 Zusammenfassung
2.5 Konstruktivistische Didaktik
2.5.1 Wissenserwerb
2.5.2 Anforderungen an E-Learning im Rahmen der situierten Kognition
2.5.3 Weitere konstruktivistisch orientierte Dimensionen
2.5.4 Zusammenfassung
2.6 Rückblick auf klassische Ansätze

3. Bestehende Modelle
3.1 Klassifikation durch Würfelmodelle
3.1.1 Control/Engagement/Synthesis
3.1.2 Heuristisches Modell zur Softwarebewertung
3.2 Kriterienkataloge
3.2.1 Erweiterte Prüfliste für Lernsysteme (EPL)
3.2.2 QGS-Verfahren
3.3 A Framework for Pedagogical Evaluation of Virtual Learning Environments
3.3.1 Conversational Framework
3.3.2 Überblick über die didaktischen Dimensionen
3.3.3 Viable Systems Model
3.3.4 Überblick über die didaktischen Dimensionen
3.3.5 Zusammenfassung
3.4 Rückblick auf bestehende Modelle

4. Sammlung der diskutierten Dimensionen
4.1 Ziele
4.2 Inhalte und Thema
4.3 Zielgruppe
4.4 Kosten
4.4.1 Kontrolle
4.5 Methode
4.5.1 Aufgaben/Übungen(/Tests)
4.5.2 Kommunikation
4.5.3 Kollaboration
4.5.4 Gestaltung
4.5.5 Control
4.5.6 Dozent
4.5.7 Situation
4.6 Zusammenfassung

5. Verhältnisse und Abhängigkeiten der Dimensionen
5.1 Eingansdimensionen
5.2 Zentrale Dimension „Methode“ und ihre Unterdimensionen

6. Ausblick
6.1 Grenzen von E-Learning
6.2 Blended Learning als Erweiterung

7. Resümee

8. Literatur

1. Einleitung

E-Learning ist mit Sicherheit einer der Begriffe, der nicht nur Pädagogen im engeren Sinne, sondern vor allem auch solche Menschen beflügelt hat, die sich einerseits um die Finanzierung von Weiterbildung und andererseits um neue Formen des Lernens in einer globalen, vernetzten Welt Gedanken machen. Schlagworte wie „Wissens– und Informationsgesellschaft“, „transferfähiges und vernetztes Denken“ und „lebenslanges Lernen“ werden da als Herausforderungen genannt, die mit Hilfe von E-Learning angegangen werden sollen. Immer mehr Wissen muss verfügbar sein, und das ständig in der aktuellsten Form, um in der modernen Gesellschaft bestehen zu können. Gerade im Bereich der betrieblichen Weiterbildung scheint es Ansprüche zu geben, die nicht mehr ohne Computer und damit nicht mehr ohne E-Learning zu lösen sind. „Durch verstärkten Wettbewerb und hohe Innovationsraten steigt der gesamtgesellschaftliche Aus- und Weiterbildungsbedarf ständig. Ein zunehmender Teil der Bevölkerung erhält eine qualifizierte Erstausbildung, die durch den schnellen Wandel von Arbeitsinhalten und -werkzeugen immer häufiger durch Weiterbildung ergänzt werden muss. Gleichzeitig sind Firmen und öffentliche Bildungsträger einem massiven Kostenruck ausgesetzt“ (Blumstengel 1998, Abstract). Auf der einen Seite steht also ein ständig wachsender Bildungsbedarf, auf der anderen Seite die Forderung, diesen Bedarf mit immer geringeren finanziellen Mittel bedienen zu können.

1.1 Die Anfänge von E-Learning

Anfangs schien es, E-Learning könnte diese Forderung erfüllen, da es just-in-time (vgl. Schenkel u. a. 2000, 7) eingesetzt werden kann, da die Kosten für Trainer und Weiterbildner weitgehend reduziert werden, da Teilnehmer orts- und zeitunabhängig neben ihrer Arbeitstätigkeit selbstständig, selbstorganisiert und selbstgesteuert lernen und da es sich mit E-Learning grundsätzlich einfacher und schneller lernen lassen sollte. Unter anderen diente der letztgenannte Punkt als Argument dafür, E-Learning auch generell, außerhalb der betrieblichen Weiterbildung zu etablieren, um den Teilnehmern eben dieses einfache und schnelle Lernen zu ermöglichen. An unkritischen Aufzählungen von Vorteilen von E-Learning mangelt es auch im Jahr 2000 nicht (vgl. beispielsweise Fischer in: Reglin 2000, 211f). Das neuentdeckte Medium „Computer“ sollte per se das Lernen revolutionieren, und eine Zeit lang schien, als ob der Computer tatsächlich traditionelle Konzepte des Lernens verdrängen könnte. Mittlerweile ist man zu der Einsicht gelangt, dass allein ein neues Medium, selbst wenn es als das „Neue Medium“ bezeichnet wird, keine „Innovationen oder gar Revolutionen in der Bildungsarbeit auszulösen“ (Kerres 2001, 11) vermag. „Die Medieneuphorie ist eher realistischen Kosten-Nutzen-Erwägungen gewichen. Es interessiert heute, für welche Inhalte das netzgestützte Lernen eher geeignet ist, ob damit bestimmte Zielgruppen besonders gut angesprochen werden können oder quasi im Gegenzug möglicherweise auch bestimmte Zielgruppen an der Teilnahme an lebenslangem Lernen eher ausgeschlossen werden“ (Meisel in: Apel/Kraft 2003, 5). Es ist also so, dass sich E-Learning einer kritischen Beleuchtung unterziehen muss, in der erkennbar werden soll, wozu es sich besser eignet als konventionelle Methoden, wo also der „pädagogische Mehrwert“ (a.a.O.) liegt, der durch den Einsatz von E-Learning verfügbar gemacht wird. E-Learning um des E-Learnings Willen stellt eine verfehlte Technikgläubigkeit dar, die unter Umständen mehr kostet und weniger Nutzen bringt als der Einsatz eines Präsenzseminars oder anderer Lehrformen.

Die anfängliche Phase des E-Learnings ist mit der Anfangsphase des Internets in dem Sinne vergleichbar, dass jeder, der up-to-date und nicht hinter dem Zeitgeist und den Möglichkeiten zurück bleiben wollte, „Internet haben“ musste. So war die Internetpräsenz eines Unternehmens oft nicht mehr als eine gescannte Werbebroschüre, die ins Netz gestellt wurde. Damit wurden weder die technischen Möglichkeiten genutzt noch die Chancen des Internets als Informations- oder auch Werbemediums erkannt. Als der Begriff E-Learning aufkam, schien es ebenfalls so zu sein, dass jeder E-Learning machen musste, wollte er nicht als technik- oder innovationsfeindlich gelten, selbst wenn das, was unter E-Learning firmierte, analog zu den Anfängen des Internets nicht mehr war als Scanns von Seminarunterlagen. Beide Anfangsphasen konnten mittlerweile überwunden werden, und sowohl das Internet als auch E-Learning sind Bestandteile des modernen Lebens, die nicht mehr wegzudenken sind. Doch während sich das Internet sich selbst überlassen entwickelt und sich jeder Nutzer mit dem Content beschäftigt, den er für sinnvoll hält, sollte man beim E-Learning schon etwas mehr Vorsicht walten lassen mit dem, was dem Nutzer vorsetzt wird. Denn es besteht eine gewisse Verantwortung nicht nur für die Bildungsinhalte, sondern in allgemeinerer Art eine Verantwortlichkeit von Bildungsverantwortlichen für ihre Tätigkeit.

1.2 Evaluation von E-Learning

Grundsätzlich ist es so, dass die Qualität von E-Learning gesichert und beurteilt werden muss, genau wie auch herkömmliche Präsenzveranstaltungen einem gewissen Qualitätsstandart genügen müssen. „Wie bei jeder anderen Formen der Seminarveranstaltung wird auch bei Online-Seminaren der Ruf nach fundierter Evaluation immer lauter“ (Guber u. a. in: Apel/Kraft 2003, 261). „Eingesetz werden für die Qualitätsevaluation (von E-Learning, d. Verf.) sowohl sogenannte Experten-Beurteilungsverfahren (Kriterienkataloge, Expertenratings) als auch empirische Befragungsmethoden (z. B. Nutzerbefragungen). Kriterienkataloge betreffen vor allem die Beurteilung der technischen, gestalterischen und pädagogischen Qualität von Lernprogrammen. Empirische Befragungsmethoden gelten der Erhebung von Daten bezüglich der Lernprozesse sowie von Urteilen bezüglich Qualität, Wirkung (z. B. Akzeptanz, Lernerfolg) und wahrgenommenen Nutzen einer Lernsoftware“ (Schenkel u. a. 2000, 11). Die Qualität von E-Learning weist offensichtlich verschiedene Bereiche auf, die einer Untersuchung bedürfen. Am einfachsten und wohl deshalb auch am meisten verbreitet ist es, E-Learning nach technischen Gesichtspunkten zu beurteilen, wie es mit Hilfe von Checklisten oder Kriterienkatalogen geschieht. Beurteilt wird hier unter anderem, ob sich eine Software problemlos installieren lässt, ob es eine Support-Hotline gibt, welche Systemvoraussetzungen gegeben sind oder ob sich die Software im Gebrauch nicht „aufhängt“ („Fehlerrobustheit des Systems“ (Dick 2000, 70)). Auf gleichsam einfache Grundsätze beziehen sich Beurteilungen der gestalterischen Merkmale, wenn man beispielsweise an Screendesign oder -layout denkt. Untersucht wird, ob der Seitenaufbau verständlich ist und ob der Nutzer sich schnell an die grafische Oberfläche gewöhnt. Auch wahrnehmungspsychologische Erfahrungen oder Erkenntnisse aus der Farbenlehre spielen hier eine Rolle. Die Wichtigkeit der technischen und gestalterischen Umsetzung eines E-Learning soll hier nicht abgewertet werden, es ist durchaus vorstellbar, dass ein pädagogisch gelungenes E-Learning (wie auch immer das aussehen mag) durch technische Mängel derart in Mitleidenschaft gezogen wird, dass es sich in der Praxis als untauglich erweist. Dennoch sollte es so sein, dass bei der Beurteilung von E-Learning die pädagogische Qualität im Vordergrund der Betrachtung steht, zumal in dieser Arbeit E-Learning aus der pädagogischen Perspektive betrachtet werden soll. Unter dieser Vorraussetzung kann meines Erachtens davon ausgegangen werden, dass die gestalterische und vor allem die technische Funktionalität gewährleistet ist und als gegeben angenommen werden kann.

Gleichzeitig scheint die Beurteilung der pädagogischen Qualität etwas schwieriger zu sein als die Beurteilung der technischen und gestalterischen Aspekte. Ebenso wie Wirkungen und Nutzen eines E-Learning lässt sich die pädagogische Qualität nicht mit Hilfe von Checklisten erfassen, da sie sich als ein recht komplexes, aus interdependenten Faktoren bestehendes Gebiet präsentiert. Generell ist es schwierig, einer Weiterbildungsmaßnahme konkrete Wirkungen zuzurechnen und sie so empirisch zu erfassen. Dennoch sollte dieses Problem nicht dazu verleiten, den pädagogischen Gehalt eines E-Learnings bei der Konzeption der praktischen Erfahrung oder gar dem Zufall zu überlassen. Meines Erachtens bedarf es einer genauen und vor allem begründeten didaktischen Planung und Konzepts, um die Stimmigkeit eines E-Learning zu gewährleisten. Die Stimmigkeit des Konzepts und der einzelnen Bestandteile des E-Learnings zueinander stellt dann in gewisser Weise einen Beurteilungsmaßstab für die gesamt pädagogische Qualität dar. Denn der schwammige Ausdruck der pädagogischen Qualität muss mit greifbaren Inhalten gefüllt sein, damit er handhabbar wird. Die Bezeichnung als didaktisches Konzept geht einen ersten Schritt in diese Richtung. In dieser Arbeit soll das didaktische Feld für E-Learning geöffnet, die pädagogische Qualität von E-Learning demzufolge durch didaktische Dimensionen konzipiert werden. Diese didaktischen Dimensionen stellen in diesem Zusammenhang Instrumente dar, mit deren Hilfe E-Learning eingeordnet und beurteilt werden kann.

1.3 Einleitendes zum Begriff „Didaktik“

„Didaktik ist prinzipiell die Vermittlung zwischen Sachlogik eines Inhalts und der Psychologik des/der Lernende. Zur Sachlogik gehört eine Kenntnis der Strukturen und Zusammenhänge der Thematik, zur Psychologik die Berücksichtigung der Lern- und Motivationsstrukturen der Adressaten“ (Siebert 2000, 2). Der Rahmen didaktischen Handelns ist weitaus größer als diese Definition glauben machen will, denn sie blendet viele Dimensionen didaktischer Tätigkeit aus. Doch reicht sie aus, um den Bezugsrahmen dieser Arbeit klar zu stellen: Es geht um die konkrete Lehr-Lernsituation und um die Planung eben dieser, um didaktische Dimensionen, die Beachtung finden müssen, will man E-Learning-Programme so gestalten und anschließend bewerten, dass sie sich an einem didaktischen Plan orientieren und nicht nur eine Aneinanderreihung technischer Finessen darstellen.

Didaktik kann ganz allgemein als die Bemühung um erfolgreiches Lernen verstanden werden. Dieses Lernen wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, die in einem Implikationszusammenhang stehen, (vgl. Adl-Amini 1981, 28) welcher das Zusammenspiel der einzelnen Dimensionen betont.

Die anvisierte didaktische Planung wird sich dabei nicht auf die eine Didaktik berufen können, sondern sich aus der Nutzbarmachung verschiedener Ansätze und Strömungen der allgemeinen Didaktik ergeben. Aus unterschiedlichen didaktischen Modellen werden Faktoren oder „Handlungsmomente“ (Petersen/Reinert 1991, 89) gewonnen, die auch für das E-Learning eine Rolle spielen. Über die Diskussion, Analyse und Auswertung einerseits bestehender allgemeiner didaktischer Konzepte unter der Perspektive „E-Learning“ und andererseits vorhandener Beurteilungsmodelle und -verfahren für E-Learning, sollen Dimensionen oder Schlüsselbegriffe gefunden werden, anhand denen E-Learning-Programme eingeordnet und beurteilt werden können. Somit ergeben sich didaktische Dimensionen als Instrumente der Einordnung und Beurteilung von E-Learning-Programmen. Diese didaktischen Dimensionen herauszuarbeiten und mit Inhalten zu füllen wird vornehmliches Ziel dieser Arbeit sein. Die Begriffe „Dimension“, „Faktor“, „Schlüsselbegriff“ oder „Handlungsmoment“ meinen dabei einen Sachverhalt, der im folgenden grundsätzlich als Dimension bezeichnet wird. Eine didaktische Dimension bezeichnet einen in sich geschlossenen Aspekt oder Bereich der didaktischen Planung, der auf der anderen Seite grundsätzlich von anderen Dimensionen beeinflusst wird. So ergibt sich die Schwierigkeit, einerseits die Dimension für sich abgeschlossen zu beschreiben, andererseits eine gewisse Offenheit zu erreichen, die eine Beeinflussung durch andere Dimensionen ermöglicht.

1.4 Der Begriff „Mikrodidaktik“ als Bezugsrahmen und Arbeitsfeld

Innerhalb der Didaktik gibt es viele verschiedene Bereiche, die entsprechend ihrem Inhalt entsprechend bezeichnet werden. Diese Bereiche stellen die verschiedenen Ebenen der didaktischen Tätigkeit dar, wie sie beispielsweise als Institutionsdidaktik oder Bildungspolitik stattfindet. Der Begriff „Mikrodidaktik“ wurde für diese Arbeit gewählt, um das Arbeitsfeld von Entscheidungen auf Ebenen didaktischen Handelns abzugrenzen, die nicht auf der Ebene der konkreten Lernsituation stattfinden. Es ist nicht zu bestreiten, dass Entscheidungen auf einer Ebene immer Bezug zur konkreten Lernsituation haben und auf andere Ebenen einwirken. So erfolgt die Abgrenzung aus analytischen Gründen, damit die theoretische Diskussion der didaktischen Dimensionen begrenzt und nicht uferlos aufgeweicht wird. Die aus der Diskussion gewonnenen Dimensionen werden auf der Ebene der Mikrodidaktik weitgehend vollständig angesprochen, um die Bezüge zu anderen Ebenen außer Acht zu lassen. Die Komplexität der Beziehungen innerhalb einer Ebene bietet mit Sicherheit ein genügend großes Feld der wissenschaftlichen Betätigung. Dennoch sollen die gegenseitigen Abhängigkeiten der didaktischen Entscheidungen auf Bedingungen und Entscheidungen auf anderen Ebenen nicht gänzlich unerwähnt bleiben, damit nicht der Eindruck entsteht, sie seien entweder nicht existent oder doch von so geringer Bedeutung, dass sie eine Nennung nicht wert seien.

Die beiden oben angesprochenen Dimensionen Inhalt (Sachlogik des Inhalts) und Zielgruppe (Psychologik des Adressaten) werden von einer dritten Dimension ergänzt, die in obigem Zitat auch schon enthalten ist: Die Vermittlung. Im Falle von E-Learning erfolgt diese Vermittlung zwischen Sach- und Psychologik über ein technisches Gerät, genauer gesagt über Software, die mit Hilfe eines technischen Gerätes verfügbar gemacht wird und entsprechend dem anvisierten Lerneffekt gestaltet sein muss. Somit ergibt sich „Gestaltung (der Software im weitesten Sinne)“ als dritte zu beachtende Größe. Diese auszudifferenzieren stellt ein wichtiges Anliegen dieser Arbeit dar.

Allerdings zeigt sich hier schon eine so nicht akzeptable Verkürzung der personengebundenen Dimension durch den Begriff „Psychologik“, denn es spielt nicht nur die Lern- und Motivationsstruktur auf Seiten der Adressaten einer Maßnahme eine Rolle, sondern auch die internen Zustände, also die Zusammensetzung der Einzelnen zu einer Gruppe, und die externen Zustände der jeweiligen Lerngruppe, also Faktoren wie räumliche und zeitliche Flexibilität.

Die Arbeit bewegt sich somit vorerst im Spannungsfeld von Inhalt, Zielgruppe und Gestaltung. Ausgehend von diesem Spannungsfeld soll diskutiert werden, in welchem Verhältnis die gewonnenen Kriterien zu einander stehen müssen, um ein E-Learning möglichst lernfördernd zu gestalten. Diese Verhältnismäßigkeit ist der springende Punkt der Überlegungen dieser Arbeit. Brüche in den Beziehungen der Dimensionen zueinander, Brüche im didaktischen Konzept des E-Learnings gilt es zu vermeiden. Dazu muss natürlich geklärt werden, welche Ausprägung einer Dimension zu einer andern passt. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn die Zieldimension die Ausprägung „kommunikatives Verhalten“ besitzt, „passt es nicht“, wenn innerhalb der Gestaltungsdimension des E-Learning-Programms die Möglichkeit der Kommunikation zwischen den Teilnehmern nur sehr schwach ausgeprägt ist.

Zwei weitere Punke sollen hier angesprochen werden. Zum einen stellt sich die Frage, ob nicht ein weiterer Aspekt der Planung in die Position einer didaktischen Dimension erhoben werden sollte. Die Kosten für Erstellung und Durchführung eines E-Learnings werden in der Realität sicherlich berücksichtig; als didaktische Dimension, als Bereich, der explizit für das Lernen durchdacht ist, scheinen sie bisher nicht in Erscheinung getreten zu sein. Bei traditionellen didaktischen Ansätzen werden sie wohl kaum zu finden sein. Während „Kosten“ auf anderen Ebenen der didaktischen Planung bereits einbezogen werden, sollten auch im mikrodidaktischen Bereich ökonomische Zweckmäßigkeiten und Notwendigkeiten in den Dienst der pädagogischen Sache gestellt werden. Der pädagogische Nutzen eines E-Learnings würde schließlich gänzlich verloren gehen, wenn es aus ökonomischen Gründen nicht zum Einsatz käme. In diesem Sinne wird auch diskutiert werden müssen, wie die Kostendimension in das Gesamtbild der didaktischen Dimensionen einbezogen werden kann.

Der zweite Punkt stellt einen Ausblick dieser Arbeit dar. Was hat zu geschehen, wenn festgestellt wird, dass sich gewisse Lerngegenstände mit E-Learning nicht umfassend darstellen lassen? Was geschieht, wenn Ziele nicht realisiert werden können, weil E-Learning einfach nicht in der Lage ist, diese zu realisieren? Gibt es Aspekte, die im E-Learning zu kurz kommen? Diese Fragen werden am Ende der Arbeit besprochen, wenn sich herausgestellt haben sollte, dass E-Learning aufgrund der eigenen, der system-immanenten Grenzen gewisse Ansprüche nicht erfüllen kann. Es geht hierbei nicht hauptsächlich darum, wie oben erwähnte Brüche aufzudecken sind und Vorschläge zu unterbreiten, wie diese vermieden werden können, sondern vor allem darum, weiterführende Formen des Lernens vorzuschlagen, die angebracht sind, wenn E-Learning an seine Grenzen stößt. Denkbar ist hier die Form des „Blended Learnings“, in dem eine Verbindung von E-Learning und klassischen Seminaren stattfindet.

1.5 Makrodidaktische Dimensionen als Abgrenzung zum Arbeitsfeld

Nun sollen die makrodidaktischen Dimensionen von Entscheidungen in Bildungseinrichtungen und -prozessen knapp dargestellt werden. Dies geschieht nicht der Vollständigkeit halber, sondern weil ich der Meinung bin, dass Bildungsarbeit einem professionellen Anspruch genügen sollte, der aber verloren gehen würde, wenn Maßnahmen nicht in allen Bereichen didaktische bedacht sind, wenn sich nicht alle Beteiligten ihrer Verantwortung und der möglichen Konsequenzen ihrer Entscheidungen bewusst sind.

Neben mikrodidaktischen Entscheidungen, also Entscheidungen, die ganz konkret eine einzelne Maßnahme betreffen, haben Entscheidungen auf anderen Ebenen einer Bildungsstätte oder eines Unternehmens, das für sich selbst (auch intern) weiterbilden lässt, didaktische Auswirkungen und müssen unter verschiedenen didaktischen Dimensionen betrachtet werden. Vor allem beim E-Learning scheinen Bildungsverantwortliche oftmals der Meinung zu sein, dass das Programm für sich genommen schon ein erfolgreiches Lernen garantiert oder zumindest ausreichend fördert. Es ist zwar so, dass „das Lernprogramm nach seiner Fertigstellung ein Produkt dar“ stellt, „das als Lehrstrategie zwar weitgehend geschlossen ist, für den Einsatz in didaktischen Situationen jedoch teilweise unfertig ist“ (Euler 1992, 176). Diese Unfertigkeit drückt sich dadurch aus, dass das E-Learning-Programm noch in die makrodidaktischen Strukturen und Gegebenheiten des Bildungsträgers zu implementieren ist, damit es nicht alleine und isoliert im Raum, sondern eingebunden in einem Gesamtkonzept zur Verfügung steht. „Offen bleiben die Fragen einer Abstimmung mit anderen makro- und mikrodidaktischen Entscheidungsbereichen: Makrodidaktisch interessiert die Frage, in welcher Lernumgebung das Lernprogramm prinzipiell eingesetzt werden soll“ (a.a.O.). Die Lernumgebung bezeichnet in diesem Fall im Rahmen der Fachbereichsdidaktik den Hintergrund, vor dem das Lernen stattfindet. Auf dieser Ebene wird unter anderem geplant, „wie die einzelnen Seminare gestuft und verzahnt werden sollen, wie differenziert das Angebot für spezielle Zielgruppen ... sein soll“ (Siebert 2000, 9).

Zur Institutionsdidaktik gehört der Punkt der „Modalitäten der Kursanmeldung“ (Siebert 2000, 8), die ebenfalls didaktisch überlegt sein müssen. Um ein Negativbeispiel aus dem Bereich des E-Learnings zu nennen, reicht es aus, sich vorzustellen, wie erfolgreich eine Maßnahme „Internetführerschein für Anfänger“ sein wird, wenn die Anmeldung über ein kompliziertes Web-Formular erfolgen soll, womöglich noch mit Hilfe eines Passwortes und über Rückbestätigung durch E-Mail. Hier ist die didaktische Abstimmung der Anmeldung mit der Zielgruppe und den Inhalten denkbar schlecht gelungen. Die politische Ausrichtung und nicht zu letzt das anthropologische Selbstverständnis der Einrichtung beeinflussen nicht nur die Auswahl der Inhalte und Methoden, sondern auch die in ihrer Tätigkeit implizit transportierten Wertungen und Einstellungen. In diesem Bereich sollte auch bedacht werden, ob „Unterstützung der Ziele der Bildungsmaßnahme innerhalb der Organisation“ (Blumstengel 1998, 158) vorhanden ist, oder wie die Frage nach der „Einstellung zu und Erfahrung mit neuen Medien“ (a. a. O.) zu beurteilen ist.

Initiativen wie „Schulen ans Netz“ sind ein herausragendes Beispiel dafür, wie im Bereich der Neuen Medien durch bildungspolitische Bestimmungen didaktische Entscheidungen auf einer anderen Ebene, in diesem Fall auf der Ebene der Schule, erzwungen werden oder wenigstens beeinflusst werden. An der Realität zeigt sich, dass allein durch die Anschaffung von teurer Hardware kein besserer Unterricht erzeugt wird, sondern Unterricht didaktisch anders konzipiert werden muss, damit ein pädagogischer Mehrwert durch E-Learning entsteht.

1.6 Ziel und Nutzen dieser Arbeit

Die verschiedenen Ebenen der didaktischen Entscheidungsfindung müssen sorgfältig bei der Erstellung und entsprechend bei der Bewertung eines E-Learnings oder generell einer, wie auch immer gearteten, Weiterbildungsmaßnahme miteinander in Beziehung gesetzt werden. Entscheidungen auf diesen Ebenen lassen sich als konstituierende Faktoren bei der Konzeption einer Bildungsmaßnahme beschreiben. Ziel dieser Arbeit soll es sein, innerhalb des mikrodidaktischen Bereichs diejenigen Dimensionen auszumachen, die bei der Erstellung von E-Learnings hinsichtlich der Gestaltung unter einer pädagogischen Perspektive zum Tragen kommen. An einem Beispiel formuliert heißt das, dass nicht in Frage gestellt wird, ob ein Seminar sinnvoll in den gesamten Maßnahmenkatalog einer Weiterbildungsabteilung eingebunden ist, oder ob, noch konkreter werdend, eine berufsbegleitende Schulung zum Thema „Speicherprogrammierte Steuerung“ mit der Zielgruppe „Arbeitstätige in sozialen Berufen“ morgens um 10.00 Uhr ihren Zweck erfüllen wird, sondern ob beispielsweise entsprechend der anvisierten Zielgruppe oder der zu vermittelnden Inhalte die eigentliche, mikrodidaktische Gestaltung eines E-Learnings nützlich ist. Hier zeigt sich bereits die Schwierigkeit dieses Unterfangens: Die oben erwähnte Bedingtheit der unterschiedlichen Dimensionen und ihrer jeweilige Ausprägungen wird es nicht zulassen, ein einfaches Schema aufzustellen, anhand dessen das E-Learning einzuordnen wäre.

Schon 1987 wurden diese Abhängigkeiten als ausschlaggebend für den Erfolg des Einsatzes von Technik im Bildungsprozess erkannt: „Pratt (1987) suggested that when considering the use of technology within education, the effectiveness of the instruction depends on several interacting factors. These include the nature of the content to be learned, the nature of the technology used, the time available, the cost of delivery, the quality of the learning experience, and the ability to respond to differences among learners“ (Blackwood/White in: Galbraith 1991, 135). Pratt nennt nicht alle zu berücksichtigen Dimensionen, betont aber die gegenseitigen Abhängigkeiten. Beachtung dieses Sachverhalts findet sich in bereits existierenden Würfelmodellen wieder, die „versuchen, drei Variablen als gleichrangig zu betrachten und eine rein eindimensionale bzw. hierarchische Kategorisierung zu vermeiden“ (Blumstengel 1998, 36). Die Modelle haben durch die ihnen zugrundeliegende Auswahl der Variablen einen beschreibenden, klassifikatorischen Charakter, und lassen sich damit als Einordnungsmatrix begreifen. Bei der Diskussion dieser Modelle als Beiträge zur didaktischen Beurteilung wird sich zeigen, wie umfassend sie die jeweiligen didaktischen Dimensionen abdecken und ob überhaupt alle notwendigen Dimensionen erfasst wurden.

„Auch Peterßen betont die Komplexität des didaktischen Planungs- und Entscheidungsraums: Das Problem besteht in der wechselseitigen Abhängigkeit der Dimensionen, die es ausschließt, jede Dimension für sich isoliert zu bearbeiten. Keine Dimension kann a priori ein Primat beanspruchen. Dennoch kann bestimmten Entscheidungen – insbesondere der Zielthematik – in Abhängigkeit von der Konstellation des didaktische Felds Priorität eingeräumt werden“ (Kerres 2001, 51). Offensichtlich bedarf es also eines relativ offenen Konzepts der Beurteilung, welches eine erhöhte individuelle Bedeutsamkeit einer Größe, in gewisser Weise konstituierend, zulässt. Diese konstituierende Größe lässt sich als Eingangskriterium bezeichnen.

Zusammengefasst erscheint somit das Ziel dieser Arbeit die Diskussion didaktischer Modelle für ihre Nutzbarmachung für E-Learning zu sein. Über diese Diskussion und die Auswertung der dabei gemachten Erkenntnisse sollen Dimensionen gefunden werden, welche die didaktische Funktionalität eines E-Learning beschreiben und, darüber hinausgehend, deren „Zusammenspiel“ bewertet werden kann. Abschließend soll erörtert werden, wie eventuelle Mängel oder Unzulänglichkeiten von E-Learning generell ausgeglichen werden können.

Der Nutzen dieser Arbeit liegt darin, dass das Ergebnis eine theoretische Basis für die Einordnung und Bewertung der im jeweiligen E-Learning beachteten didaktischen Dimensionen bietet und somit als grober Beurteilungsmaßstab eingesetzt werden kann. Einen solchen Maßstab benötigt meines Erachtens nicht nur der professionelle Pädagoge, sei es in der betrieblichen Weiterbildung, sei es in der öffentlichen Bildung, sondern auch ein privater Nutzer von E-Learning, um ein E-Learning hinsichtlich des Zusammenpassens der Dimensionen einzuschätzen. Sicherlich werden die betreffenden Personen gleiche Dimensionen in ihrer Wichtigkeit unterschiedlich hoch bewerten, dennoch ist es so, dass prinzipiell die gleichen Dinge bewertet werden müssen. So wie der Professionelle ein E-Learning-Programm beispielsweise bezüglich der zu lernenden Inhalte auswerten muss, so muss auch der private Lerner dies tun, ebenso wie beide abschätzen müssen, ob der Preis des E-Learning „passend“ ist.

Nachdem der Rahmen und der Ablauf dieser Arbeit herausgestellt wurde, gewissermaßen das Arbeitsfeld beschrieben wurde, wird im abschließenden Teil der Einleitung das Arbeitsmittel, und das sind in wissenschaftlichen, theoretischen Arbeiten Worte und Begriffe, näher erläutert.

1.7 Notwendigkeit einer Begriffbestimmung

Damit der Leser versteht, was der Autor sagen möchte, ist es nicht nur wichtig, dass sich ein Text einer insgesamt verständlichen Sprache bedient, denn „Konsens in der sprachlichen Kommunikation kann also nicht durch Rekurs der Kommunikationspartner auf identische Gegenstände in der Realität oder auf feste Bedeutungseinheiten im Text erklärt werden, sondern nur durch Rekurs auf Konventionen, die als Konstruktionsregeln für die Bildung von Kommunikaten sozialisationsgeschichtlich internalisiert werden. Diese Konventionalisierung erstreckt sich nach allen Erfahrungen aber nur auf lexikalische und syntaktische Stereotype für rekurrente Sprachverwendung in Normalsituationen“ (Schmitz in: Gumin/Meier 2000, 155). Somit sollte der Text sowohl vom Wortschatz als auch von der Struktur her so gestaltet sein, dass er auf Sprachverwendung in Normalsituationen zurückgreift. Diese Normalsituation ist bei einer wissenschaftlichen Arbeit naturgemäß eine andere als bei beispielsweise einem Zeitungsartikel, da sich bei der ersten Situation mit Autor und Rezipient zwei Menschen mit annähernd gleichem Verständnis der Sache oder des jeweiligen Fachgebiets treffen. „Sobald Sprachverwendungen individuell variieren (wie in literarischen Werken)“ oder eben bei wissenschaftlichen Arbeiten, „..., treten gehäuft sogenannte Verständnis- oder Kommunikationsprobleme auf, weil Konventionen versagen oder dafür gar nicht entwickelt sind.“ (Schmitz in: Gumin/Meier 2000, 155) Somit setzt eine gelingende Kommunikation und ein richtiges Verständnis dessen, was geschrieben wird, voraus, dass solche Begriffe, für die keine Konventionen vorhanden sind, oder aber für den entsprechenden Zweck zu ungenau und vieldeutig sind, definiert werden, oder, um in obiger sprachlicher Wendung zu bleiben, für genau den jeweiligen Text entwickelt werden. Dies geschieht üblicherweise in einem Abschnitt der „Begriffbestimmung“ oder der Terminologie. Diese (künstlich) festgelegt Bedeutung von Begriffen ermöglicht, „dass etwa einem sprachlichem Text von zwei Rezipienten dasselbe Kommunikat zugeordnet werden kann,“ (Schmitz in: Gumin/Meier 2000, 155) also eine weitgehende Verständigung erzielt wird über das, was gesagt wird. Kommunikate sind kognitive Konstrukte, „die stets emotional besetzt sind und hinsichtlich ihrer lebenspraktischen Relevanz eingeschätzt werden“ (Schmitz in: Gumin/Meier 2000, 154), sie beinhalten, vereinfacht ausgedrückt, nicht nur Inhalt, sondern auch Sinn für einen Menschen und besitzen dadurch eine Bedeutung für ihn. Im folgenden wird bestimmten Begriffen „meine Bedeutung“ anheim gestellt, damit ihnen das Kommunikat zugeordnet werden kann, welches intendiert ist.

1.7.1 Terminologie

Im Bereich der „Neuen Medien“ gibt es eine mitunter verwirrende Vielzahl von Begriffen, die sich mit dem Computer, dem Lernen damit, der eingesetzten Technik und den benutzen Arten der Kommunikation beschäftigen:

CSCL (Computer-Supported Collaborative Learning) als Unterform des CAL (Computer-Aided Learning), wobei sich mir hier die Frage stellt, wo dann CUL (Computer-Unterstützes Lernen) einzuordnen sei, um nur wenige Beispiele zu nennen (vgl. Blumstengel: S. 34).

Die übermäßige Nutzung „von wahlweise deutsch- oder englischsprachigen Begriffen“ (Blumstengel: S. 34), noch dazu als Abkürzungen, ist didaktisch nicht sinnvoll, da es das Begreifen der mit solchen Abkürzungen gespickten Texte erschwert und ein flüssiges, verstehendes Lesen beinahe unmöglich macht.

Der in dieser Arbeit genutzte Begriff „E-Learning“ stellt einen „Sammelbegriff für alle Formen des elektronisch gestützten Lernens“ (Bundesanstalt für Arbeit 4/2003, 14) dar. Er bezieht sich auf die zwei Kategorien, mit denen sich meiner Meinung nach die Tätigkeit der damit Befassten ausreichend beschreiben lässt: Einerseits um „Learning“ - also um Lernen. Dieser Begriff bedarf meines Erachtens keiner weiteren Ausführung, auch wenn man anmerken könnte, dass selbst ein so oft genutzter und alltäglicher Begriff wie „Lernen“ nicht einheitlich verstanden wird, wie sich bei der Diskussion der verschiedenen didaktischen Ansätze zeigen wird.

Auf der anderen Seite des E-Learnings steht das „E“ wie „Elektronisch“. Es umschreibt somit die Funktionsweise des Gegenstands, der, neben dem Lerner, noch am Lernprozess beteiligt ist. So mag zwar der Computer in der Vielzahl der Fälle das elektronische Gerät sein, unter dessen Bezugnahme gelernt wird, doch ist auch ein Telefon ein elektronisches Gerät, welches im Verlauf von ODL (Open Distance Learning) zum Lernen genutzt wird. Somit ist die Nutzung des Begriffs „E-Learning“ umfassender als anderer Begriffe, die in anderen Arbeiten Verwendung finden.

Begriffe wie Computer-Unterstützes Lernen legen ein gewisses Verständnis von der Beziehung zwischen Mensch und Computer nahe, das determinierend oder wenigstens einschränkend auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung wirkt. So beschreibt oben genannter Begriff des Computer-Unterstützten Lernens den Prozess des Lernens als einen von einem Computer unterstützten. Das ist wohl in den meistens Fällen so, doch blendet es Komponenten aus, die ebenfalls lernwirksam beteiligt sind: Terminologisch stellt sich die Frage, ob auch ein Lernen, welches hauptsächlich im Internet stattfindet, als computer-unterstützt gelten kann. Sicherlich ist es das, aber wäre hier dann nicht ein Begriff wie „Internet-basiert“ angebrachter?! Wie lassen sich Lernformen nennen, in denen Lerner in einem Lernverbund gemeinsam Themen erarbeiten und den Computer nur als reines Kommunikationsmittel nutzen? Sicherlich hat der Großteil der verwendeten Begriffe und Namen ihre Berechtigung, sobald sie auf herausragende Merkmale des Lernprozesses eingehen, wie es beispielsweise beim Begriff der Lernumgebungen geschieht, „wenn sie eine hinreichende Bandbreite des angebotenen Materials bezüglich der Fachinhalte, der Präsentationsform und der Zugriffsmöglichkeiten bereitstellen. Die Bezeichnung legt nahe, dass es sich um komplexe Lernsysteme handelt, die einen „Wissensraum“ bereitstellen, in dem sich der Lernende frei explorierend bewegen kann“ (Blumstengel 1998, 35). Trotz allem schränkt der Name ein, so dass es für mich sinnvoll erscheint, diese Einengung zu sprengen, in dem der Name „E-Learning“ genutzt wird, um damit Lernformen zu beschreiben, die mit Hilfe des Computers, gleich welcher Art diese auch sein mag, Lernen fördern, unterstützen oder gar erst ermöglichen. Sollte es hingegen nötig sein, sich auf eine spezielle Form des Lernens zu beziehen, wird das durch den jeweiligen Begriff kenntlich gemacht und dieser auch „mit Bedeutung gefüllt“. Es erscheint mir wenig angebracht, an dieser Stelle dadurch vorwegzugreifen, dass Begriffe erklärt werden, die erst an späterer Stelle benötigt werden. Vielmehr fördert es das Verstehen, wenn die jeweilige Information kontextgebunden vermittelt wird; die Begriffe stehen andernfalls verloren im Raum und verlieren mit der Zeit wieder ihre Bedeutung.

2. Diskussion didaktischer Ansätze unter der Perspektive des E-Learnings

2.1 Offenheit moderner didaktischer Theorien – offene Systeme

„Unterricht ist ein viel zu komplexer Prozess, um von einem einzigen didaktischen Modell angemessen erhellt werden zu können“ (Petersen/Reinert (1991), 84). Kennzeichnet man E-Learning als eine mögliche Form des Unterrichts, so kommt man zu dem Schluss, dass auch E-Learning nicht in einem allgemeingültigen Modell gefasst werden kann, ebenso wenig, wie nur ein Modell ausreichen wird, um E-Learning adäquat abzubilden. Vielmehr soll in dieser Arbeit durch die Diskussion vorhandener Ansätze und Modelle diejenigen Aspekte extrahiert werden, die für die Beurteilung und Einordnung von E-Learning zutreffend und brauchbar sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jede Theorie immer unter dem Einfluss des gerade herrschenden Zeitgeistes, der Lebenswirklichkeit, der vorhandenen Techniken und Verfahren entsteht, dass also eine Theorie immer historisch in ihren Entstehungskontext eingebunden und immer in ihrer Eingebundenheit zu verstehen ist. Somit steht auch der Theoretiker selbst und seine Historizität in der Reflexion bei der Auswertung und Diskussion der jeweiligen Theorie, „des weiteren wird gesehen, dass die Lebenseingebundenheit der Forscher in die zeitgeschichtlichen Zusammenhänge und in die jeweiligen Gesellschaftsverhältnisse mitbedacht werden müssen“ (Kron 1994, 102). Aus diesem Grund heraus müssen Theorien und wissenschaftliche Systeme immer „in einem offenen Horizont“ (a.a.O.) gesehen werden, „sie sind mithin als „offene Systeme“ ... anzusehen.“ (a.a.O., 103) Der augenscheinliche Sinn dieser offenen Systeme liegt in der Möglichkeit der Weiterentwicklung, zumal unter der Berücksichtigung der sich ändernden Realität eine Hypostasierung, das heißt eine „Fixierung oder Festschreibung auf eine einmal gemachte Erkenntnis“ (a.a.O.), einer selbstauferlegten Starre und Endlichkeit gleich käme. Soziale Theorien müssen sich immer vor dem Hintergrund der sozialen Realität messen lassen, sie müssen dieser angepasst, quasi aktualisiert werden. Um das an einem Beispiel zu verdeutlichen, möchte ich an das Bildungsfernsehen erinnern, dessen Abkömmling „Telekolleg“ auch heute noch zu sehen ist. Dieser Ansatz einer breiten Volksbildung erschien im Lichte seiner Entstehungszeit durchaus legitim und gewinnbringend, da das Fernsehen als das Neue Medium eine breite Masse von Menschen erreichen konnte, die normalerweise wohl eher zu den bildungsabstinenten Personen gehörten. Die Aneignung des Fernsehers als Medium durch die damaligen Bildungsverantwortlichen ist eine didaktische Medienentscheidung und so gesehen aus seiner Zeit heraus zu erklären und zu verstehen. In Anbetracht des heutigen Fernsehens mit seiner banalisierend-unterhaltenden Funktion und aktueller didaktischer Ansätze, die eine reine Präsentation und Konsum von Inhalten für nicht ausreichend erachten, mutet Telekolleg etwas antiquiert an.

Im folgenden soll die Aktualisierung bestehender Ansätze dazu beitragen, E-Learning didaktisch greifbar zu machen, den Wissenschaftscharakter der Didaktik durch „die wissenschaftliche Arbeit und ihre ... Transformation“ (a.a.O.) zu bestätigen und einzulösen. Dabei wird nicht der gesamte Ansatz oder das komplette Modell erklärt, auch nicht aus der Perspektive seiner oder der der heutigen Zeit eingeschätzt und verstanden, sondern es werden lediglich die Aspekte herausgegriffen, die dazu beitragen können, E-Learning in didaktischen Dimensionen zu fassen. Selbstverständlich werden diese Aspekte nicht gänzlich ohne Zusammenhang dargestellt, sondern es wird erläutert, sofern dies nötig ist, welche Funktion der entsprechende Aspekt innerhalb des jeweiligen Modells innehat. Es ist weiterhin wichtig anzumerken, dass sich vor allem klassische didaktische Ansätze auf die Schule beziehen und sich mit ihrem Vokabular entsprechend auch auf diesem Gebiet bewegen. Das hat zur Folge, dass Formulierungen und Beispiele aus dem schulischen Gebiet genutzt werden, die in einer andragogischen Arbeit so normalerweise nicht eingesetzt werden. Doch diese terminologischen Besonderheiten machen das Gesagte nicht weniger brauchbar und sollten deshalb kein Hindernis für der Erschließung für E-Learning sein. Gerade durch die „Übersetzung“ der Begriffe für unsere Zwecke und die Übertragung auf den Themenbereich dieser Arbeit ergeben sich eventuell Ansätze und Zusammenhänge, die wertvolle Hinweise auf die gesuchten didaktischen Dimensionen liefern können.

2.2 Die bildungstheoretische Didaktik im Rahmen kritisch-konstruktiver Erziehungswissenschaft

Wolfgang Klafki und seine Überlegungen, vor allem die didaktische Analyse, finden weiterhin Anwendung und Beachtung zum Beispiel in der Lehrerbildung. Dennoch stellte sich die Frage, ob es überhaupt zweckdienlich ist, Klafki in diese Arbeit aufzunehmen, weil es auf den ersten Blick so scheint, als ob seine Aussagen über Bildungsinhalte und Kulturgüter für die didaktischen Dimensionen von E-Learning nur geringe Bedeutung haben. Gerade im Bereich der beruflichen Weiterbildung sind die Ziele durch pragmatische Anforderungen bestimmt und die Inhalte durch entsprechende Handlungsforderungen geprägt. Die Forderung Klafkis, Bildung solle „als Befähigung zu vernünftiger Selbstbestimmung, die die Emanzipation von Fremdbestimmung voraussetzt oder einschließt, als Befähigung zur Autonomie, zur Freiheit des Denkens und eigener moralischer Entscheidungen verstanden“ (Klafki zit. nach: Kron 1994, 130) werden, scheint auf diese Weise nicht erfüllt zu werden. In anderen didaktischen Ansätzen scheint das Menschenbild, welches implizit in dieser Forderung enthalten ist, geradezu negativiert zu werden. Das „Denken“ wird beispielsweise in behavioristischen Ansätzen offenbar nicht als Mittel des Lernens anerkannt (vgl. Kapital 2.4). Auf diese Weise wird der Lerner auch von jeglicher Verantwortung für sein Lernen und seine Lernziele entbunden. Dagegen findet sich in Klafkis „Konzept der modernen Allgemeinbildung“ (Kron 1994, 130) der Anspruch an das Individuum, sich „angesichts der Vielfalt der Bedrohungen der menschlichen Welt ... mehr als bisher in eine Gesamtverantwortung“ (Kron 1994, 131) hineinzufinden. Diesem Anspruch kann aber nur durch Bildung genüge getan werden, und unter dieser Perspektive scheint es auch im E-Learning darum gehen zu müssen, Mündigkeit und Selbstverantwortung zu vermitteln. Denn auch Arbeitsprozesse werden, genau wie die Welt und die Gesellschaft, immer komplexer, dem Individuum wird eine immer größere Eigenverantwortung auferlegt. Im Bezug zu beruflicher Aus- und Weiterbildung scheint Mündigkeit einerseits zu bedeuten, lebenslanges Lernen und die eigenen Verantwortung dafür zu begreifen und wahrzunehmen, andererseits aber auch, mehr Verantwortung im Arbeitsprozess selber zu tragen. So ist Mündigkeit letztendlich eine gerechtfertigte und aktuelle gesellschaftliche Forderung, die auch mit Hilfe von E-Learning umgesetzt werden sollte und kann.

„Klafki greift bei der Entwicklung und Begründung seiner Theorie der kategorialen Bildung ausdrücklich auf“ eine „Bildungstradition zurück“ (Kron 1994, 122), die annimmt, dass „der Mensch in einem lebendigen Verhältnis zur kulturellen Welt steht und diese sinnverstehend auslegt“ (a. a. O.), wobei er als produktives Element fungiert, wenn er „die Dinge und Symbole dieser Welt verarbeitet und als kulturelle Leistungen wieder veräußert“ (a. a. O.). Aus dieser Warte stellt sich Bildung als zweigeteilter Prozess dar: Auf der einen Seite steht das Individuum mit seinen Fähigkeiten, als formaler Aspekt bezeichnet, auf der anderen Seite das Kulturgut und seine Lehrwirkung, als materialer Aspekt charakterisiert. Diese Dichotomisierung möchte Klafki in seiner Theorie der kategorialen Bildung aufheben, indem er beide Bildungsaspekte auf einander bezieht und sie so miteinander verschränkt. Diese Verschränkung kommt in der Formel vom Erschlossensein des Individuums für die Welt und Erschlossensein der Welt für das Individuum zum Ausdruck. (vgl. Schröter 1980, 42) Bildung nach Klafki muss diesem Anspruch genügen, genau wie die Inhalte von Bildungsprozessen diese dialektische Bildung ermöglichen müssen. „Die `Didaktische Analyse´ soll klären, ob der vorgesehene Unterrichtsinhalt geeignet ist, den SchülerInnen im Sinn der kategorialen Bildung Inhalte der Wirklichkeit zu erschließen und umgekehrt die SchülerInnen für eben diese Inhalte empfänglich zu machen“ (Jank/Meyer 1993 , 145). Kulturinhalte werden somit zu Bildungsinhalten, wenn sie sich auf solche Weise auszeichnen lassen, und diese lassen sich als Bildungsgehalte bezeichnen, wenn in der didaktischen Analyse ihr Bildungswert festgestellt wurde. Klafki geht es also vornehmlich um die Auswahl und die Bestimmung von Bildungsinhalten. Diese Auswahl muss allerdings eine Basis haben, also ein gewisses Entscheidungskriterium, nach dem man sich richten kann, ob die in der didaktischen Analyse geforderten Bedingungen erfüllt werden. Das Entscheidungskriterium ist bedingt vom Bildungsziel oder –ideal, welches, wenn schon nicht empirisch belegt werden, zumindest mit Hilfe von historischen Analysen (vgl. Jank/Meyer 1993, 141) nachgewiesen werden kann: Mündigkeit und Selbstbestimmung des Menschen. Das Erreichen dieses Zieles wird aber durch schulische und gesellschaftliche Realität behindert – kritisch ist Klafkis Theorie deshalb, weil sie schon innerhalb der Didaktik und auch gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Institutionen versucht, auf den Abbau dieser Restriktionen hinzuarbeiten. (vgl. Jank/Meyer 1993, 166) Somit entwirft sie auch konstruktiv eine “konkrete Utopie” (Jank/Meyer 1993, 167) über die institutionellen Rahmenbedingungen hinaus.

2.2.1 Die (gesellschafts-)kritische Seite

Diese „konkrete Utopie“ als kritisches Element entstand unter damaligen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Einflüssen (vgl. Kron 1994, 129). Doch Gesellschaften sind einem steten Wandel unterworfen, so dass Theorien immer unter dem aktuellen Stand der Gesellschaft beurteilt und gegebenenfalls angepasst oder gar verworfen werden müssen. Welche Möglichkeiten bietet der kritische Aspekt und das Bildungsideal des mündigen Menschen heute? Selbstverständlich bedarf eine sich entwickelnde Gesellschaft beider Bestandteile, weil sonst die gesellschaftliche Entwicklung zum Stillstand kommen würde. Aber es stellt sich die Frage, ob bei der Beurteilung und Einordnung von E-Learning solche Aspekte eine Rolle spielen oder spielen sollten. Bei Klafki erscheint Mündigkeit als globales Ziel von Bildung, losgelöst vom Inhalt, quasi als „Selbst-Wert“. Hier gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass Klafki seine Überlegungen explizit für die Schule gemacht hat, in der Allgemeinbildung ein grundlegendes Bildungsmoment mit der Aufgabe der gesellschaftlichen Emanzipation ist. Es kann jedoch heute nicht generell Ziel von E-Learning sein, Allgemeinbildung zu vermitteln. Zu inhaltlich, zu fachwissenschaftlich ist das zu vermittelnde Wissen, als dass es zusätzlich noch mit gesellschaftskritischen Inhalten angereichert werden könnte. Mündigkeit und Selbstbestimmung als Bildung der Persönlichkeit sind dennoch auch in der beruflichen Aus- und Weitebildung nötige Elemente, wie im vergangenen Kapitel argumentiert wurde. Vor allem die Bereitschaft für ein lebenslanges Lernen, die aus Mündigkeit, Selbst- und gesellschaftlicher Verantwortung resultiert, ist geradezu unabdingbar für die Weiterentwicklung der Gesellschaft und, in kleinerem Rahmen, für Unternehmen: „Die konsequente Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter wird immer mehr zur strategischen Maßnahme in Unternehmen“ (Hudetz o. J., o. S.). In diesem Rahmen sollte bei der Gestaltung von E-Learning eine Zielsetzung bedacht werden, welche die Lerner zu größerer (Eigen)verantwortung, Selbstbestimmung und Autonomie führt.

Mit dem Begriff des Lehrplans lässt sich der Wert der Ausführungen von Klafki für E-Learning zu demonstrieren. Lehrpläne sind für Erich Weniger „das Ergebnis gesellschaftlicher Kämpfe“ (Lott 1996, 54), „es ist unumstritten, dass die angegebenen Lehrinhalte und deren Gewichtung innerhalb des Lehrplans sehr genau die Interessen der gesellschaftlich Mächtigen widerspiegeln“ (Lott 1996, 54). Vielleicht ist es deshalb nicht mehr aktuell, Mündigkeit der Menschen zumindest in der beruflichen Weiterbildung zu berücksichtigen, auch wenn der Begriff Lehrplan hier sicherlich nicht wörtlich verstanden werden will, sondern an dieser Stelle nur für die Vorgabe von Lerninhalten durch jemanden steht. Dass diese Sichtweise von Weiterbildung kurzsichtig und damit nicht im Sinne der Weiterbildenden ist, wurde eben dargelegt. Die „gesellschaftlich Mächtigen“ in der beruflichen Weiterbildung sind die Unternehmen selber. Es liegt somit in ihrer Verantwortung, die Mündigkeit ihrer Mitarbeiter in ihrem eigenen Interesse zu fördern.

2.2.2 Die planmäßig – inhaltliche Seite

Nach Weniger ist der Staat Träger und regulierender Faktor des Lehrplans (vgl. Lott 1996, 54). In diesem Sinne gibt der Staat vor, welche kulturellen Inhalte im schulischen Unterricht behandelt werden müssen, auch wenn die Auswahl der Bildungsinhalte aus den kulturellen Inhalten durch den Lehrer erfolgte. Die bisherigen kulturellen Inhalte sind nunmehr durch „gesellschaftliche Aufgaben entschieden, die mündige Bürger zu erfüllen haben“ (Kron 1994, 305). So verfällt zwar der kritische Anspruch von Klafki, man ist fast geneigt zu sagen, diese Ausführungen zementierten auf konservative Weise den gesellschaftlichen Status quo, aber andererseits wächst eine Gesellschaft auch an ihren Herausforderungen und macht sich in diesem Sinne für die Zukunft handlungsfähig.

Beschränkt man den globalen Anspruch Klafkis auf Allgemeinbildung auf einen kleineren Rahmen, beispielsweise auf die Weiterbildung innerhalb einer Abteilung durch E-Learning, so macht der Lehrplanbegriff auch hier Sinn: Als Zusammenfassung und Ordnung der Inhalte, die für nötig erachtet werden, damit die Mitarbeiter ihre Aufgaben zufriedenstellend und zum Wohle der jeweiligen Firma erfüllen können. Legitimation erhält dieser „Lehrplan“ analog zum schulischen durch eben die Herausforderungen und Aufgaben. So gesehen stellt sich der Lehrplan als Gesamtarrangement für Weiterbildung innerhalb eines begrenzten Rahmens dar, „als die geordnete Zusammenfassung von Lehrinhalten, die während eines vom Plan angegebenen Zeitraumes über Unterricht, Schulung oder Ausbildung vom Lernenden angeeignet oder verarbeitet werden sollen“ (Lott 1996, 54). Doch nicht nur als Arrangement der gesamten Weiterbildung, sondern auch Abstimmung der Ziele innerhalb eines Kurses oder einer Weiterbildungsmaßnahme lässt sich der Lehrplan betrachten. So kann aus der Idee des Lehrplans auf das E-Learning übertragen der Hinweis darauf gewonnen werden, dass die Abstimmung und die Anordnung der Ziele eine wichtige Kategorie ist, die bei der Planung berücksichtigt werden muss. Gleichzeitig erscheint die Dimension der Ziele als, folgt man Klafki, die wichtigste überhaupt in Erscheinung zu treten. Die Auswahl und Abstimmung der Ziele erfolgt allerdings nicht nach einem emanzipatorischen, globalen Ziel wie Mündigkeit, sondern nach der aktuellen oder prognostizierten Herausforderungslage, ebenso wie sie auf schulischer Ebene aus gesellschaftlichen Bedingungen resultiert. Im Licht der komplexer werdenden Arbeitsprozesse gehört allerdings „Mündigkeit“ zur einer der Herausforderungen, mit der sich Unternehmen konfrontiert sehen. Als Zwischenergebnis kann also festgehalten werden, dass einerseits Ziele per se, andererseits die Abstimmung und Planung der Ziele innerhalb eines Zeitabschnitts auch für E-Learning relevant sind. Hier lassen sich auch Anleihen bei der didaktischen Analyse machen, wenn man die Kriterien zur Bestimmung des Bildungsgehaltes eines bestimmten Kulturgutes auf einer etwas weniger abstrakten Ebene betrachtet. Auch muss man sich vom Begriff des Kulturgutes trennen, da bedacht werden muss, dass es nicht um die Vermittlung von Allgemeinbildung gehen kann, sondern um die Aneignung ganz konkreter Fähigkeiten oder Handlungsstrategien. Beispielsweise ist die dritte Frage des zweiten Teils der didaktischen Analyse: „Worin liegt die Bedeutung des Themas für die Zukunft der Kinder?“ (Klafki zit. nach: Kron 1994, 128) auch für Bildungsinhalte im E-Learning zu stellen. Pragmatisch könnte argumentiert werden, dass die Bedeutung des Themas eines Weiterbildungsseminars darin liegt, dass der Seminarteilnehmer den Inhalt lernt, um so weiterhin qualifiziert für seine Tätigkeit zu sein, doch sollten bei der Gestaltung von E-Learning solche Fragen mit einbezogen werden, wenn über Themen nachgedacht wird. Und wir erhalten an dieser Stelle eine weitere mögliche Dimension, nämlich die der Themen.

2.2.3 Die methodische Seite

In den frühen Arbeiten Klafkis scheint die methodische Vorbereitung des Unterrichts eine untergeordnete Rolle unter den Zielentscheidungen zu spielen. „Die bildungstheoretische Didaktik richtet ihr Augenmerk überwiegend auf Bildung als Ergebnis und Prozess und weniger auf die Verfahrensfragen des eigentlichen Unterrichts“ (Schröter 1980, 117). Im Laufe seiner Tätigkeit gewinnt die Methodik allerdings an Bedeutung, auch wenn es nicht ganz einfach ist, das Verhältnis zwischen Methodik und „Didaktik im engeren Sinne“ zu bestimmen. Diese beschäftigt sich mit Bildungsinhalten und ihrer Auswahl, sie ist systematisch über oder vor methodischen Entscheidungen zu sehen. Dieses Primat der Didaktik im engeren Sinne ist „keine Anweisung zur zeitlichen Vor- bzw. Nachordnung dieser beiden Aspekte bei der Unterrichtsvorbereitung“ (Jank/Meyer 1993, 158). Vielmehr gehören beide zur Didaktik im weiteren Sinne und stehen in ihr in einer Wechselbeziehung: „Ist die Methodik auf die Didaktik angewiesen, um überhaupt begründet anfangen zu können, so ist die Didaktik auf die produktive Leistung der Methodik verwiesen, wenn es gilt, ihre Erkenntnisse aus dem Modus des theoretischen Vorentwurfs in das wirkliche Bildungsgeschehen zu übersetzen“ (Klafki nach: Jank/Meyer 1993, 158). Das heißt aber nichts anderes, als dass man zur Umsetzung der Ziele Methoden braucht, die den Zielen angemessen sind. Diese Annäherung der Methodik an die Didaktik im engeren Sinne geht so weit, dass man nach Jank und Meyer „geradezu von einer Fusion der Bildungstheoretischen und der Lerntheoretischen Didaktik sprechen kann“ (Jank/Meyer 1993, 159). Methode kann also als weitere Dimension in Betracht gezogen werden, deren nähere Beschreibung nun versucht wird, bevor die eben angesprochene lerntheoretische Didaktik einer Diskussion unterzogen wird.

Auch wenn die bildungstheoretische Didaktik wenig Konkretes zu Unterrichtsmethoden beiträgt, lassen sich dennoch bereits Ansätze dessen erkennen, was unter Punkt 5.1 einer genaueren Betrachtung unterzogen wird: Nach Klafki sind die Methoden abhängig von Inhalten und Zielen, und die unterrichtliche Planung ist nur dann gelungen, wenn „eine bewusste und systematische Beziehung zwischen den Zielsetzungen und den zielorientierten Inhalten einerseits und den methodischen Maßnahmen und Mitteln andererseits hergestellt wurde“ (Klafki u. a. 1971, 136). Für Klafki stellen also die Bildungsziele, die durch entsprechende Bildungsinhalte erreicht werden sollen, das Ausgangskriterium der didaktischen Planung dar. Sie sind die unbedingte Variable, welche die Ausformung der weiteren Dimensionen bedingt und Klafkis Hauptanliegen. Aber auch zu der bedingten Dimension der Methode erhält man Hinweise. Die oben genannte Abhängigkeit zwischen Zielen und Methode ist einer davon, auch der unter Punkt 2.2.2 behandelte Lehrplan ist in gewisser Weise als ein den Methoden zugerechnetes Planungsmoment zu betrachten. Auf den schulischen Unterricht bezogen sieht Klafki es als nämlich „Zentralproblem der Methode“ (a. a. O., 140) an, komplexe Lernziele in Teilziele zu zerlegen und jeweils einen oder einige Wege von Teilziel zu Teilziel zu organisieren; am Ende eines solchen >Weges< soll jeweils der Erwerb einer bestimmten, komplexen Fähigkeit stehen“ (a. a. O.). So gesehen kommt der Lehrplan auf der Dimension der Ziel als Rahmen- und Strukturplan zum Tragen, auf der Dimension der Methode dient er der Verknüpfung der Teilziele, er beschreibt, wie in Abbildung 1 dargestellt, die Wege zwischen den Teilzielen in ihrer Gesamtheit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 (eigene Darstellung)

Analog zum schrittweise stattfindenden Bildungsprozess plädiert Klafki für eine Stufentheorie des Lernens, auch wenn er zu Bedenken gibt, dass wissenschaftliche, vor allem lernpsychologische, Forschung momentan nur unzureichende Hinweise und Hilfestellungen oder Ergebnisse bezüglich des komplexen Vorgangs des Lernens liefert. Dennoch verweist er auf Heinrich Roth, von dem der „in dieser Hinsicht am meisten überzeugende und zugleich weithin akzeptierte jüngere Versuch einer für die Unterrichtspraxis fruchtbaren Lernstufenkonzeption stammt“ (Klafki u. a. 1971, 143). Diese geht unter anderem von einer Stufe der Motivation über die Stufe der Lösung bis hin zur Stufe des „Bereitstellens, der Übertragung und der Integration des Gelernten“ (a. a. O.). Gleichzeitig spricht Klafki sich für einen Lernprozess aus, der „nicht als rezeptiver Vorgang ... verstanden und organisiert werden dürfe, sondern als ein Prozess, der um so erfolgreicher ist, je mehr er von der Aktivität des Lernenden getragen wird“ (a. a. O.). Mit dieser Forderung befindet er sich schon damals auf dem heutigen Stand der Diskussion, wie unter Punkt 2.5 dieser Arbeit zu sehen sein wird. Ähnlich wie mit diesem methodischen Moment der Aktivität der Lerner verhält es sich, in etwas abgeänderter Form, mit den Aktionsformen, die Klafki für (schulischen) Unterricht bereithält. Diese Aktionsformen sind hauptsächlich darauf beschränkt auszudrücken, durch welche Art von Aktionen der Lehrer seine Schüler zu eigenen Aktionen veranlasst. So ruft er beispielsweise mit der Aktion einer direkten Frage eine direkte Antwort hervor – die gesamte Interaktion ist eng begrenzt auf ein vom Lehrer vorgegebenes „Denkfeld“ (Klafki u. a. 1971, 153). Bedient der Lehrer sich hingegen eines Impulses als Aktionsform, so eröffnet er seinen Schülern für ihre Lernakte ein weites Denkfeld und dadurch auch ein höheres Maß an Eigenaktivität (a. a. O.). Entsprechend der generellen Ausrichtung der bildungstheoretischen Didaktik mit ihrem Anspruch, den Schüler zur Mündigkeit zu führen, propagiert Klafki naturgemäß das weite Denkfeld. Doch besteht je nach Zweck oder Ziel des Unterrichts eine Wahlfreiheit bezüglich der jeweiligen Aktion. Nicht immer kann und soll Mündigkeit und Emanzipation als globales Ziel in den Unterricht einfließen. Bei den Inhalten vor allem der heutigen (beruflichen) Weiterbildung sind auch direkte Lehrerfragen oftmals effizient und zielführend. Bei der Übertragung auf E-Learning gilt es weiterhin zu bedenken, dass es keinen Lehrer im schulischen Sinne mehr gibt. Dennoch sind die Aktionsformen wohl mit am einfachsten von den Prinzipien oder Ideen klassischer Didaktiken auf E-Learning übertragbar, da sie ebenso gut schriftlich und nicht unbedingt von einer körperlich anwesenden Person gestellt werden müssen. Sie bieten somit in dieser Form eine gute Möglichkeit, das E-Learning-Programm entsprechend der jeweiligen Ziele auszurichten: Hohe versus niedrige Eigenaktivität beziehungsweise enges versus weites Denkfeld.

[...]

Ende der Leseprobe aus 94 Seiten

Details

Titel
Didaktische Dimensionen als Instrumente der Einordnung und Beurteilung von E-Learning-Programmen
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
94
Katalognummer
V62168
ISBN (eBook)
9783638554626
ISBN (Buch)
9783656808169
Dateigröße
931 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit schlägt auf Grundlage "klassischer" didaktischer Theorien ein Modell vor, das bei der qualitativen Beurteilung von E-Learning oder zu dessen didaktischer Konzeption genutzt werden kann.
Schlagworte
Didaktische, Dimensionen, Instrumente, Einordnung, Beurteilung, E-Learning-Programmen
Arbeit zitieren
Diplom-Pädagoge Mirco Sander (Autor:in), 2003, Didaktische Dimensionen als Instrumente der Einordnung und Beurteilung von E-Learning-Programmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62168

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