Umberto Ecos Theorien über die fiktive Welt der Literatur und dem darin wandelnden (Modell)-Leser


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einführung in die Semiotik
2.1 Die Zeichentheorie nach Peirce
2.2 Die Zeichentheorie nach Saussure
2.3 Ecos Abgrenzung zu den Zeichentheorien

3. Die fiktive Welt
3.1 Eine kurze Definition
3.2 Die fiktive Welt und der darin wandelnde Leser

4. Der Autor und sein Modell-Leser
4.1 Der empirische Leser auf dem Weg zum Modell-Leser
4.2 Wie sich ein Text seinen Modell-Leser erschafft
4.3 Der (Modell)-Autor und seine Relation zum Leser

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im ersten Teil meiner Hausarbeit werde ich die Zeichentheorien von Ferdinand de Saussure und Charles Sanders Peirce vorstellen. Dabei wird es hauptsächlich darauf angekommen, den Begriff Zeichen zu definieren und ihm einen Platz in unserer Welt zuzuweisen. Das Deuten von Zeichen ist ein sehr komplexer Vorgang, der hier mit seinen Bedingungen skizziert werden soll.

Der Unterschied zwischen der triadischen Unterteilung von Zeichen nach Peirce (die auch den Zeichenempfänger berücksichtigt) und der Unterscheidung von „signifié“ und „signifiant“ nach Saussure, werden im weiteren Verlauf Thema dieser Arbeit sein. Denn auf diesem Unterschied basiert die Abgrenzung Umberto Ecos zu den Zeichentheorien. Für Eco bedeutet Kommunikation auch Interpretation, so dass eine Theorie, die sich nur mit Zeichenform und Zeicheninhalt beschäftigt, für ihn nicht weit genug geht, da sie den Empfänger außer acht lässt.

Anhand der Entstehung und des Aufbaus der fiktiven Welt (nach Eco), soll ein Bereich gezeigt werden, in dem vielfältige Zeichen vorkommen und in dem sich immer wieder Aspekte der Zeichentheorien finden lassen werden. Denn um den Fiktionalitätspakt realisieren zu können, müssen einige der Bedingungen der Theorien akzeptiert und angewendet werden. Doch auch der Einfluss fiktiver Welten auf den Alltag des Lesers und auf die Wirklichkeit, sollen in Kapitel 3 näher betrachtet werden. Daraus wird sich eine Überleitung zum dem Begriff des Modell-Lesers ergeben, der von Eco ausführlich beschrieben wurde. Dieser bewegt sich auf einer besonderen Textebene, welche viel mit Zeichen, Abhängigkeiten und dem Empfänger arbeitet. Anhand dieser Thematik soll in Kapitel 4 auch die Grundlage für den Pakt der Fiktionalität verdeutlicht werden.

Zum Schluss der Arbeit wird mich die Frage beschäftigen, wie Eco sein Konstrukt des Modell-Autors in dieser fiktiven Welt der Literatur unterzubringen beabsichtigt.

2. Einführung in die Semiotik

Im folgenden Kapitel werde ich die wichtigsten Aspekte der Zeichentheorie nach Charles Sanders Peirce und Ferdinand de Saussure nennen, um mich im letzten Abschnitt auf Umberto Ecos Aussagen und Abgrenzungen zu den Theorien zu konzentrieren. Auch werde ich einen ersten Bezug zum Modell-Leser (nach Eco) herstellen.

2.1 Die Zeichentheorie nach Peirce

Um die Aussage, dass alles sinnlich Wahrnehmbare zum Zeichen werden kann, und um die Bedingungen eben dieser These zu untermauern, hat Peirce die Zeichen in drei verschiedene Typen unterteilt:

1. Das Ikon (griech.: Bild)

Wenn die Beziehung des Zeichens zum Gegenstand auf einem Abbildverhältnis, also auf Ähnlichkeiten beruht, dann spricht man von einem Ikon. Diese Ähnlichkeiten können ganz unterschiedlicher Natur sein; sie können zum Beispiel aus dem Optischen resultieren (wie z.B. bei den meisten Piktogrammen); aber auch auf der lautlichen Ebene (lautmalerische Ausdrücke und Lyrik, Programmmusik) sind diese Abbilder zu finden.

Etwas sinnlich Wahrnehmbares wird für uns dadurch zum Zeichen, dass wir in dem Bezeichneten ein Abbild wiedererkennen. Dafür benötigen wir ein Erfahrungswissen von der Welt, um Ähnlichkeiten zu erkennen.

2. Das Index (oder Symptom)

Von einem Zeichen als Index spricht man, wenn es in einem Folge-Verhältnis zum Bezeichneten oder Gemeinten steht. Damit will Peirce ausdrücken, dass ein indexikalisches Zeichen Rückschlüsse auf etwas anderes, wie einen Grund oder eine Ursache, zulässt, wenn es in Folge von etwas steht. Beispiele dafür sind, dass Rauch für Feuer, Weinen für Trauer, eine bestimmte Dialekt-Intonation für die regionale Herkunft oder die Lautstärke oder Lautqualität für bestimmte emotionale Zustände steht. Darunter fallen auch kriminalistische Indizien und medizinische Symptome oder die Kategorie der indexikalischen Zeichen.

Um diese Rückschlüsse ziehen zu können, ist auch hier unser Erfahrungswissen von der Welt Voraussetzung. Doch es ist nicht immer leicht zu sagen, welche Faktoren Auslöser für welche Beurteilung eines Ereignisses sind. So kann zum Beispiel die Floskel „Schön dich zu sehen!“ eine Äußerung der Höflichkeit sein, um den Konventionen zu entsprechen. Oder es ist ein ehrlicher emotionaler Gefühlsausdruck. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Indexe oft nicht bewusst als Zeichen verwendet werden, sondern aus dem Zusammenhang der Situation, ohne bestimmte Intention, benutzt werden. Sie werden häufig `An-Zeichen´ genannt und daher von den anderen Zeichentypen (Symbol, Ikon) abgegrenzt.

3. Das Symbol

Der wesentliche Unterschied zwischen dem Typus Symbol, Ikon und Index ist die Tatsache, dass die Beziehung zum Gegenstand weder auf Ähnlichkeiten, noch auf einem Folgeverhältnis beruht. In Peirces Verständnis des Begriffes Symbol sind die Laut- und Schriftzeichen der menschlichen Sprachen fast ausschließlich Teil dieses Typus. Hier ist aber keine Verwandtschaft mit den literaturwissenschaftlichen Symbolbegriffen zu sehen.

Symbole weisen etwas sinnlich wahrnehmbaren eine Bedeutung zu, indem sie sich im Rahmen der Konventionen bewegen.

Der Zusammenhang zwischen dem Symbol ist willkürlich, unmotiviert. Es gibt keine äusseren [!] Gründe, warum ein bestimmtes Symbol gerade durch dieses und kein anderes Symbol ausgedrückt wird.[1]

Doch um diesen Zusammenhang zwischen dem symbolischen Zeichen und dem Bezeichneten richtig verstehen zu können, ist die Kenntnis der Konvention (und das Erfahrungswissen von der Welt) unerlässlich, denn erst sie verschaffen uns den Zutritt in die Welt der Zeichen.

Mit dieser Unterteilung hat Peirce grundsätzliche Bedingungen genannt, unter denen diese Zeichen als Zeichen fungieren können. Man findet für jeden Bereich zahlreiche Beispiele, allerdings lassen sich nicht alle Zeichen problemlos zu den einzelnen Kategorien zuordnen.

Doch interessanter für diese Arbeit sind die Probleme, die sich bei der Interpretation der Zeichen zeigen. Denn der Umgang mit Zeichen bringt kein automatisches Verständnis des Bezeichneten mit sich; das heißt, dass Zeichen sich nicht zwangsläufig bedingen. So tritt bei indexikalischen Zeichen häufiger die Frage auf, wie z.B. eine gewisse Mimik, ein bestimmter Laut zu deuten ist. Denn wenn alles Zeichen sein kann, dann liegen auch überall Deutungen nahe. „Unser Alltag ist deshalb voll von Zeichenprozessen – von Versuchen, Zeichen zu erkennen und zu verstehen.“[2] Und eben diese Deutungen können recht unterschiedlich ausfallen, da unser Erfahrungswissen von der Welt so verschieden ist.

2.2 Die Zeichentheorie nach Saussure

Nachdem sich nun Peirce mit sinnlichen Wahrnehmungen beschäftigt hat und versucht hat, diese als Zeichen zu kategorisieren, konzentriert sich Ferdinand de Saussure hauptsächlich auf die Bestimmung von sprachlichen Zeichen.

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass eine Zeichenform (z.B. eine Folge von Buchstaben) nur mit einer Zeichenbedeutung (also einem Wert) gemeinsam ein Zeichen ergeben kann, welches dann als zuweisende Instanz dem Bezeichneten eine Bedeutung verleiht. Dieser Komplex ist am einfachsten mit einem symbolischen Zeichen zu erklären; dieses Zeichen erfordert die Voraussetzung, einen gedanklichen Inhalt, oder einen Begriff mit einer Zeichenform zu verbinden. Hier spricht man von bilateralen Zeichen, da zwei unterschiedliche Aspekte zusammen kommen.

Eben diese linguistische Zeichendefinition hat Saussure in einem Zeichenmodell erklärt. Dazu bezeichnet er die Zeichenform als „signifiant“ und die Bedeutung als „signifié“ und stellt fest: „[...] dass erst beide Grössen [!] und ihre gegenseitige Beziehung das ausmachen, was man (sprachliches) Zeichen nennen kann.“[3] So bleibt die Zeichenform ohne seinen Inhalt eine leere Form, und auch das „signifié“ bleibt ohne Ausdruck eine nicht benennbare Größe. Anders als viele Sprachtheoretiker vernachlässigt Saussure den außersprachlichen Bezug von Zeichen (Zeichenbenützer, die die Zeichen interpretieren) und konzentriert sich ganz auf die beiden genannten Kategorien.

Das „singifié“ vermittelt zwischen der Zeichenform und der Denotation, also zwischen der mit dem Wort gemeinten Gegenstand hinweisende Bedeutung (Bildspender). Somit kommt sie auch der Voraussetzung nach, dass Zeichen ihre Stellvertreterfunktion erfüllen können. Die Tatsache also, dass Zeichen etwas präsent machen können, ohne selbst dieser Gegenstand zu sein; macht die Welt in unserem komplexen Zeichensystem verfügbar, ohne dass das Bezeichnete physisch anwesend sein muss.

Saussures Äußerungen zum „signifié“ enden mit diesen Beschreibungen; Überlegungen zur grammatischen Bedeutung als Teil des Inhaltes eines Zeichen werden hier noch nicht berücksichtigt.

Mit dem „signifiant“ meint Saussure nicht eine einzelne Realisation der Ausdrucksseite des Zeichens, sondern das Muster, das allen Verschriftlichungen als Basis dient. Es gibt zwei Realisationsformen, zwischen denen unterschieden wird, nämlich die mündliche und die schriftliche. Man spricht dann daraus folgend vom Lautbild und vom Schriftbild. Auch wenn diese beiden Begriffe singuläre Eigenarten aufweisen, ist für das Erkennen der ausgedrückten Zeichenform nur das in dem sinnlichen Ereignis wahrnehmbaren Lautbild oder Schriftbild entscheidend.

Zeichenformen werden nur im mündlichen und schriftlichen Zeichenverkehr erkannt, so dass die Beurteilung der Bedeutung der verwendeten Zeichen und der Sinn des Übermittelten ein innerlicher Prozess ist.

Das Verhältnis zwischen „signifié“ und „signifiant“ beschreibt Saussure mit einem begrenzten Abhängigkeitsverhältnis; die beiden Größen bedingen sich. Sie sind nur als Doppeleinheit denkbar, aber durch ihre Unterschiedlichkeit nicht in allen Realisationen voneinander abhängig. So können wir uns Zeichenformen vorstellen (wahllose Aneinanderreihung von Buchstaben), denen aber keine Bedeutung beiwohnt.

Im letzten Teil zu Saussures Zeichentheorie ist es noch wichtig, das Verhältnis von „signifié“ und „signifiant“ zueinander mit den Begriffen arbiträr, konventionell und assoziativ zu beschreiben. Unter Arbitrarität versteht Saussure die Willkürlichkeit, die die beiden Begriffe trotz ihrer Abhängigkeit verbindet, denn sie ist nichts in der Natur der Sprache vorgegebenes. Die Zeichenform ist durch den Inhalt nicht bestimmt und auch der Zeicheninhalt ist nicht aus der Zeichenform herzuleiten; beide sind willkürlich miteinander verbunden. Als Beispiel dafür eignet sich der Vergleich mit anderen Sprachen: gleiche Zeicheninhalte werden völlig verschieden ausgedrückt; car, voiture oder Auto haben den selben Inhalt, doch ihre Form ist unterschiedlich. Hier sieht man die Willkürlichkeit in dem Verhältnis von Form und Inhalt, die sich, so weitergeführt, auf alle unsere Sprachsysteme erstreckt.

Die Konventionalität weist die willkürliche Zuordnung von Zeichenform und Zeicheninhalt in ihre Grenzen, denn sie kann nicht: „[...] von jedem Zeichenbenutzer nach Belieben vorgenommen werden [...]“[4]. Damit überhaupt eine Kategorisierung von Zeichen vorgenommen werden kann, muss als Grundlage der Kommunikation eine beständige Zuordnung (sie kann nie abschließend fixiert werden, denn sie ist immer von gesellschaftlichen Faktoren beeinflusst) vorhanden sein. Es ist also wichtig, dass Zeichenbenutzer beim gleichen „signifiant“ das selbe „signifié“ assoziieren.

[...]


[1] Linke/Nussbaumer/Portmann, „Studienbuch Linguistik“ (2001), S. 22

[2] Linke/Nussbaumer/Portmann, „Studienbuch Linguistik“ (2001), S. 24

[3] ebd. S. 30

[4] Linke/Nussbaumer/Portmann, „Studienbuch Linguistik“ (2001), S. 33

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Umberto Ecos Theorien über die fiktive Welt der Literatur und dem darin wandelnden (Modell)-Leser
Hochschule
Universität zu Köln
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V62155
ISBN (eBook)
9783638554510
ISBN (Buch)
9783656806899
Dateigröße
523 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Umberto, Ecos, Theorien, Welt, Literatur
Arbeit zitieren
Nina Löhmer (Autor:in), 2006, Umberto Ecos Theorien über die fiktive Welt der Literatur und dem darin wandelnden (Modell)-Leser, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62155

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