Thomas Mann und der Film


Seminararbeit, 2006

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einführung

2 Der Film in den Werken Manns

3 Thomas Manns Haltung zum Kino

4 Manns Haltung zur Verfilmung seiner Werke

Literaturverzeichnis

1 Einführung

Thomas Mann, der am 6. Juni 1875 in Lübeck geboren wurde und am 12. August 1955 in Zürich starb, zählt noch heute zu den bekanntesten Autoren Deutschlands und erhielt 1929 den Nobelpreis für Literatur. So bekannt Thomas Mann auch als Schriftsteller und Literat war und ist, seine Beziehung zu anderen Medien, wie zum Beispiel dem Film, findet in der Öffentlichkeit noch weithin wenig Beachtung. Als das Medium Film neu erfunden wurde, war Thomas Mann gerade ungefähr 20 Jahre alt. Er erlebte es also nicht, wie nachfolgende Generationen, als etwas selbstverständliches, sondern begegnete dem neuen Medium und seinen Möglichkeiten als Erwachsener. Diese Arbeit möchte sich dem Verhältnis von Thomas Mann zu dem zu seiner Zeit modernen Medium Film widmen. Hierbei wird deutlich werden, dass Thomas Manns Einstellung sich mit der Zeit deutlich verändert und viele Stufen der Entwicklung, die teilweise zu kontrastierenden Meinungsbildern führten, durchlaufen hat. Es ist kein klares Bild, was Thomas Mann seiner Nachwelt über seine Haltung zum Film hinterlässt. Sehr stark ist das Verhältnis der beiden auch durch das zeitgeschichtliche Geschehen geprägt.

In der bisherigen Forschung wurde meist der Fehler gemacht nicht zwischen öffentlichen und privaten Äußerungen des Schriftstellers Mann zu unterscheiden, so dass oftmals ein sich widersprechendes Bild entstand. In der neueren Forschung, so zum Beispiel bei Peter Zander, wird peinlich genau zwischen diesen beiden Formen der Äußerung unterschieden. Auch ich möchte diese Linie in meiner Arbeit weiterverfolgen. Ich unterscheide deshalb zwischen drei Positionen die Mann gegenüber dem Film einnimmt. Einmal ist das die Rolle, die dieser in den Werken Manns einnimmt, zum anderen Thomas Manns persönliche Haltung, sowie als dritten Punkt die Haltung Manns zur Verfilmung seiner eigenen Werke, von denen er nur einzelne zu Lebzeiten verwirklicht sah. Alles in allem lässt sich schon im Voraus bestimmen, dass Thomas Mann eine äußerst aktive Auseinandersetzung mit dem Film gelebt hat. Dies beweisen allein schon die zahlreichen Einträge in seine Tagebücher, die das neue Medium zum Thema haben: 619 sind dem Film gewidmet, 286 davon zeichnen allein Kinogänge auf, wovon 80 nur bruchstückhaft festgehalten sind, während 206 sogar eine Identifizierung des gesehenen Films möglich machen.[1] Insgesamt verändert sich Thomas Manns Einstellung zum Film im Laufe seines Lebens radikal. Während er noch 1928 die Ansicht vertritt „ denn mit Kunst hat, glaube ich, verzeihen Sie mir, der Film nicht viel zu schaffen […]“[2], hat er 1954, wenige Zeit vor seinem Tod, den Film anscheinend als eigenständige Kunstform akzeptiert. „Mein Buch ist kein Film – der Film nicht mein Buch. Man sollte tunlichst nicht vergleichen!“[3]. Bis dahin war es ein langer Weg voller Vorurteile, aber auch Begeisterung für die Welt des neuen Mediums, den diese Arbeit nachzuzeichnen versuchen möchte.

2 Der Film in den Werken Manns

Durch die intensive Auseinandersetzung Manns mit Kino und Film bleibt es natürlich auch nicht aus, dass sich dieser Prozess der Annäherung auch in seinen Werken wieder findet. Wie eingangs schon erwähnt muss hier allerdings genau zwischen der persönlichen Meinung Manns und den Ansichten über das Kino und den Film, die Mann dem Erzählers eines Werkes in den Mund legt, unterschieden werden. So gibt es beispielsweise eine Passage in Manns Roman „Zauberberg“, der 1924 erschien, die von der Forschung oftmals fälschlicherweise als Statement Manns verstanden wurde, in Wirklichkeit jedoch nur kulturhistorisch die vorherrschenden Vorurteile und Argumente gegen den Film aus Authentizitätsgründen rezitiert. Mit beißender Ironie beschreibt der Erzähler eine Stummfilmvorführung. Kritik übt der Erzähler zum einen an den technischen Mängeln des Films der Zeit, sie werden als physisch anstrengend empfunden, womit Mann bzw. der Erzähler des Zauberbergs eine medizinische Debatte der Zeit aufgreift, die den flimmernden Bildern des Films eine gesundheitsschädigende Wirkung unterstellte.

„[…] flirrte eine Menge Leben, kleingehackt, kurzweilig und beeilt, in aufspringender, zappelnd verweilender und wegzuckender Unruhe, zu einer kleinen Musik, die ihre gegenwärtige Zeitgliederung auf die Erscheinungspflicht der Vergangenheit anwandte und bei beschränkten Mitteln alle Register der Feierlichkeit und des Pompes, der Leidenschaft, Wildheit und girrenden Sinnlichkeit zu ziehen wußte, auf der Leinwand vor ihren schmerzenden Augen vorüber.“[4]

Zum anderen schildert er parodistisch die Wirkung, die der Film aufs Publikum hat.

„Settembrini, als Mann des Urteils, hätte die humanitätswidrige Darbietung wohl scharf verneinen, mit gerader und klassischer Ironie den Mißbrauch der Technik zur Belebung so menschenverächterischer Vorstellungen geißeln müssen, dachte sich Hans Castorp und flüsterte dergleichen seinem Vetter auch zu. Frau Stöhr, die ebenfalls anwesend war und nicht weit von den dreien saß, erschein ganz Hingabe; ihr rotes, ungebildetes Gesicht war im Genusse verzerrt.“[5]

Diese Schilderung macht deutlich, dass der Erzähler des „Zauberberg“, der als paradigmatisch für eine ganze Kinokritische Generation gesehen werden kann, das Erlebnis Kino nur den Ungebildeten als Genuss zugesteht, während Settembrini als Musterexemplar eines Verfechters gesellschaftlicher Werte das Kino nicht nur ablehnen, sondern auch verachten würde. Besonders kritisiert der Erzähler zudem die Tatsache, dass das „Dort und Damals in ein huschendes, von Musik umspieltes Hier und Jetzt verwandelt“[6] wird. Die fehlende Ursprünglichkeit des Films bemängelten auch andere Kritiker, wie zum Beispiel Georg Lukács 1913 in seinen „Gedanken zu einer Ästhetik des Kino“: er kritisiert, dass die Gestalten des Films „eben nur Bewegungen und Taten von Menschen sind, aber keine Menschen“ und diese Gestalten „bloß Bewegungen, aber keine Seele haben“.

Insgesamt handelt es sich bei der Kinopassage im „Zauberberg“ um eine sehr negative Bewertung des Films. Technische Mängel, Anspruchslosigkeit, das Alleingelassensein des Zuschauers während und nach dem Film, bedingt durch die Abwesenheit der Schauspieler und Autoren bei der Vorführung, sowie die beliebige Reproduzierbarkeit des Films sind negative Merkmale des Kinos, die der Erzähler in beißender Satire aufzeigt. Der Kinogang der Protagonisten findet zudem im Kapitel „Totentanz“ statt: Hans Castorp beschließt sich um die todkranke Karen Karstedt zu kümmern und geht ihr zu Liebe mit ins Kino „weil sie das alles so sehr genoß“. Der Kinogang ist hier also von vorneherein nicht als Vergnügen, sondern als Zumutung, als letzter Wunsch einer Sterbenden, den man nicht ausschlagen kann, charakterisiert. Die Argumente, die Thomas Mann seinen Erzähler im „Zauberberg“ gegen das Kino vorbringen lässt sind alle der Kinodebatte der Zeit entnommen und spiegeln so die Realität im Roman wieder. Hinzu kommt noch, dass im Mittelpunkt des Interesses dieses Kapitels eigentlich nicht das Kino als solches steht, sondern vielmehr die beklemmende Situation dreier Todeskandidaten. Den Film, den die drei Romanfiguren vorgeführt bekommen, hat Thomas Mann wirklich gesehen, er stammt allerdings aus den 20er Jahren, während die Handlung des Romans in den 10er Jahren spielt. Zum doppelten Anachronismus wird die Konstruktion dadurch, dass Thomas Mann auch noch Argumente gegen das Kino nennt, die aus den 10er Jahren stammen.

In Manns Erzählung „Mario und der Zauberer“ wird das Kino ebenfalls als Ort beschrieben, der den unteren Bevölkerungsschichten vorbehalten ist. Genauso in „Unordnung und frühes Leid“, wo der Kinogang als standesgemäßes Vergehen des Hausdieners dargestellt wird.

Gleichermaßen in sämtlicher Literatur dieser Zeit, so zum Beispiel bei Kurt Tucholsky, Heinz Ewers oder Alfred Döblin. Neben einer offensichtlichen Technikbegeisterung und einem starken Fortschrittsglauben und der Beschreibung des Kinos als Begegnungsstätte mit integrativer Funktion, ist allen Darstellungen die Charakterisierung des Kinos als Sphäre der „kleinen Leute“ gemeinsam. In den ersten Jahrzehnten des Films stammte der Großteil der Kinobesucher auch tatsächlich aus der unteren Bevölkerungsschicht. Der Grund dafür ist in der Motivation des Kinobesuchs zu suchen: man suchte Ablenkung und Zerstreuung vom harten Alltag, genoss es andere Welten vorgeführt zu bekommen und so der Realität vor den Türen des Filmpalastes wenigstens für kurze Zeit entfliehen zu können. In den 20er Jahren sprach der Filmkritiker Siegfried Kracauer bereits von einem „Kult der Zerstreuung“[7].

[...]


[1] Vgl. Zander, Peter. Thomas Mann im Kino. Berlin 2005. S.25.

[2] Mann, Thomas. Über den Film . In: Kaes, Anton (Hg.). Kino-Debatte. Literatur und Film 1909-1929. Tübingen 1978. S.164-166.

[3] ‚Jawohl, hier Thomas Mann!’. In: Der Abend, 7.1.1954. Zitiert nach Hansen, Volkmar/Heine, Gert. Frage und Antwort. Interviews mit Thomas Mann 1909-1955. Hamburg 1983. S.375-377.

[4] Mann, Thomas. Der Zauberberg. In: Mann, Thomas. Gesammelte Werke Bd.3. Frankfurt a. M. 1990. S.440.

[5] Ebd. S.441.

[6] Ebd. S.442.

[7] Vgl. Zander, Peter. Thomas Mann im Kino. Berlin 2005. S.20.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Thomas Mann und der Film
Hochschule
Universität Konstanz  (Geisteswissenschaftliche Sektion)
Veranstaltung
Thomas Mann: Erzählungen
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
12
Katalognummer
V62121
ISBN (eBook)
9783638554268
ISBN (Buch)
9783656799139
Dateigröße
479 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Thomas, Mann, Film, Thomas, Mann, Erzählungen
Arbeit zitieren
Anna Tröndle (Autor:in), 2006, Thomas Mann und der Film, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62121

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