Eine Branchenstrukturanalyse des deutschen Strommarktes nach Porter


Diplomarbeit, 2006

115 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Grundlagen der Stromwirtschaft
2.1 Charakteristika der Stromwirtschaft
2.2 Traditioneller Ordnungsrahmen und Marktstruktur
2.2.1 Rechtliche Ausgestaltung der Monopolstellung
2.2.2 Marktstruktur vor der Liberalisierung
2.2.2.1 Aufgaben und Tätigkeitsfelder
2.2.2.2 Konzentration und Organisation in der Elektrizitätswirtschaft
2.3 Grundzüge der Liberalisierung
2.3.1 Gründe für die Neuordnung
2.3.2 EU-Binnenmarktrichtlinie für Elektrizität
2.3.3 Energierechtsreform in der Bundesrepublik
2.3.4 Auswirkungen der Liberalisierung und neue Reformen

3 Strukturanalyse des deutschen Strommarktes: Kräfteverhältnisse und Trends im Wettbewerb
3.1 Konzeptionelle Grundlagen
3.2 Rivalität unter den bestehenden Unternehmen
3.2.1 Aktive Unternehmen auf dem deutschen Strommarkt
3.2.2 Wettbewerbsdruck der Branche
3.2.2.1 Marktstruktur
3.2.2.2 Überkapazitäten
3.2.2.3 Hohe Fix- und Lagerkosten
3.2.3 Ventile für den Wettbewerbsdruck
3.2.3.1 Marktwachstum
3.2.3.2 Austrittsbarrieren
3.2.4 Katalysatoren für den Wettbewerbsdruck
3.2.4.1 Produktdifferenzierung
3.2.4.2 Unsichere Spielregeln
3.2.5 Bewertung der internen Branchenrivalität
3.3 Bedrohung durch potentielle neue Konkurrenten
3.3.1 Markteintrittsbarrieren
3.3.2 Stromerzeugung
3.3.2.1 Independent Power Producer (IPP)
3.3.2.2 Betreiber dezentraler Kraftwerke
3.3.2.3 Ausländische Stromproduzenten
3.3.3 Stromgroßhandel
3.3.3.1 Neue Großhändler
3.3.3.2 Stromimporteure
3.3.4 Stromtransport
3.3.5 Stromeinzelhandel
3.3.5.1 Billiganbieter
3.3.5.2 Ökostromanbieter
3.3.5.3 Internetfirmen
3.3.5.4 Nachfragebündler
3.3.5.5 Branchenfremde Unternehmen
3.3.6 Attraktivität eines Markteintritts
3.3.7 Bewertung der Markteintrittsgefahr
3.4 Gefahr durch Substitutionsprodukte
3.4.1 Substitution durch andere Energieträger
3.4.2 Substitution durch Eigenerzeugung
3.4.3 Substitution durch Kapital
3.4.4 Substitution durch Know-how
3.4.5 Bewertung der Substitutionsgefahr
3.5 Verhandlungsmacht der Abnehmer
3.5.1 Bestimmungsfaktoren der Abnehmermacht
3.5.2 Bewertung der Abnehmermacht
3.6 Verhandlungsmacht der Lieferanten
3.6.1 Determinanten der Lieferantenmacht
3.6.2 Bewertung der Lieferantenmacht

4 Risiken und Chancen der Strombranche
4.1 Geringes Marktwachstum
4.2 Demographischer Wandel
4.3 Marktpreisrisiken
4.4 Regulatorische Risiken
4.5 Internationalisierung
4.6 Technischer Fortschritt
4.7 Substitutionsrisiken
4.8 Risiken durch die Verhandlungsmacht der Großabnehmer
4.9 Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen
4.10 Kooperationen
4.11 Markenbildung

5 Schlussbetrachtung
5.1 Zusammenfassung
5.2 Kritische Würdigung

Literaturverzeichnis

Eidesstattliche Versicherung. Fehler! Textmarke nicht definiert.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

1 Stromwirtschaftliche Wertschöpfungskette

2 Die drei Versorgungsstufen der öffentlichen Stromversorgung

3 Die Triebkräfte des Branchenwettbewerbs

4 Vielfalt im deutschen Strommarkt

5 Wertschöpfungsaktivitäten unterschiedlicher Unternehmensgruppen

6 Nettokapazitätsanteile am Kraftwerkspark ab 100 MW bei direkter Zurechnung in den Jahren 2000 bis

7 Entwicklung der Strompreise für einen Durchschnittshaushalt

8 Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch in Deutschland

9 Strompreise privater Haushalte

10 Wichtige Substitutionsmöglichkeiten in der Energieumwandlung

11 Stand der Technik bei ausgewählten dezentralen Energietechnologien

12 Energiemix zur Stromerzeugung

13 Strompreise der privaten Haushalte nach Bestandteilen

Tabellenverzeichnis

1 Kapitalanteil der öffentlichen Hand an deutschen Verbundunternehmen im Jahre 1997

2 Preisvergleich Stromnetze Oktober 2002

3 Einsparpotentiale am Beispiel eines typischen 2-Personen Haushaltes

4 Klimawirkung der Energieerzeugung

1 Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit

Der deutsche Elektrizitätssektor unterliegt seit der Liberalisierung 1998 einer starken Dynamik. Mit dem In-Kraft-treten des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftrechts hat sich seine Wettbewerbssituation entscheidend gewandelt. Der einst monopolistisch geprägte Elektrizitätssektor musste sich mit der Liberalisierung dem Wettbewerb öffnen. Dadurch wurde das System der geschlossenen Versorgungsgebiete der Energieversorgungsunternehmen (EVU) aufgehoben.[1] Die Liberalisierung eröffnete den Stromkunden die Möglichkeit der freien Lieferantenwahl. Die ehemaligen Monopolisten standen somit in direktem Wettbewerb um Kunden und Marktanteile.[2]

In der ersten Phase nach Öffnung des Strommarktes entbrannte ein intensiver Wettbewerb, der durch erhebliche Strompreissenkungen und den Markteintritt neuer Wettbewerber gekennzeichnet war. Das geringe Marktwachstum und die hohen Überkapazitäten führten zu einem starken Verdrängungswettbewerb auf horizontaler Ebene. Als Folge davon sahen sich in der zweiten Liberalisierungsphase vor allem neue Marktteilnehmer gezwungen, aus dem Markt auszuscheiden, während die großen Verbundunternehmen ihre Marktanteile ausweiten konnten.[3] Seitens der Politik und Industrie wurde ein zunehmender Mangel an Wettbewerb und das hohe Strompreisniveau kritisiert, das schon fast an die Strompreise aus Monopolzeiten heranreichte. Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) sieht die Ursache der steigenden Strompreise dagegen eher in der Verteuerung der Brennstoffe und Co2-Zertifikate und keineswegs im Wettbewerbsmangel.[4] Der durch die Liberalisierung erhoffte intensive Wettbewerb mit den damit verbundenen Strompreissenkungen und einer Vielzahl neuer Marktteilnehmer war nur von kurzer Dauer. Auch acht Jahre nach der Liberalisierung stehen sowohl neue Marktteilnehmer als auch alteingesessene Stadtwerke und Regionalversorgungsunternehmen vor neuen strategischen Herausforderungen. Für sie ist die genaue Kenntnis der Wettbewerbssituation auf dem deutschen Strommarkt und die sich daraus ergebenen Chancen und Risiken eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Positionierung im deutschen Strommarkt.

Ziel dieser Arbeit ist daher die Analyse der Wettbewerbssituation des deutschen Strommarktes sowie die Ableitung der sich daraus ergebenen branchenspezifischen Chancen und Risiken für neue und etablierte Marktteilnehmer. Zu diesem Zweck wird unter Zuhilfenahme des Konzeptes von Porter der deutsche Strommarkt analysiert. Dabei sollen Gründe für das Ausscheiden neuer Marktteilnehmer ebenso wie die Haupteinflussfaktoren des Wettbewerbs aufgedeckt werden.

Die folgende Untersuchung stützt sich auf die Auswertung und Analyse von Sekundärdaten aus Fachzeitschriften, Fachbüchern, der Tagespresse und Branchenpublikationen, von theoretischen Erkenntnissen, insbesondere aus der Wettbewerbstheorie, Plausibilitätsüberlegungen und Internetrecherchen.

1.2 Aufbau der Arbeit

Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: Nach der in diesem Kapitel erfolgten Einleitung werden im nachfolgenden Abschnitt zunächst die elektrizitätswirtschaftlichen Grundlagen dargestellt. Hierbei werden die Branchenbesonderheiten näher erläutert, die Marktstruktur und der traditionelle Ordnungsrahmen der Stromwirtschaft vor der Liberalisierung skizziert und die Grundzüge der Liberalisierung erklärt. Dabei werden Gründe und Motivation der Liberalisierung ebenso dargelegt wie der darauffolgende Prozess der Marktöffnung. Das Kapitel 3, auf dem in dieser Arbeit der Schwerpunkt liegen soll, beinhaltet eine detaillierte Analyse der Wettbewerbssituation auf dem deutschen Strommarkt. Als Bezugsrahmen für diese Analyse dient aufgrund seiner Klarheit und Praxisrelevanz[5] das Konzept der Branchenstrukturanalyse von Porter aus der strategischen Managementlehre.[6] Nach einer kurzen Einführung in die konzeptionellen Grundlagen erfolgt eine ausführliche Analyse der einzelnen Wettbewerbskräfte im deutschen Strommarkt. Diskutiert werden der Wettbewerbseinfluss unterschiedlicher Strukturmerkmale, Markteintrittsbarrieren potentieller neuer Wettbewerber sowie wettbewerbliche Einflusspotentiale von Substitutionsmöglichkeiten, Lieferantenmacht und Abnehmermacht. Anschließend werden in Kapitel 4 die Erkenntnisse aus der Branchenstrukturanalyse verwendet, um Aussagen über die Chancen und Risiken der Branche zu treffen. Die Kenntnis der Wettbewerbssituation und der Chancen und Risiken sollen für die zahlreichen heterogenen Marktakteure als Grundlage für weitere strategische Vorgehensweisen dienen.

Um den Umfang dieser Arbeit zu begrenzen, wird auf die Strategiefindung hier nicht eingegangen. Das letzte Kapitel dient der Zusammenfassung und Reflexion der wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit.

2 Grundlagen der Stromwirtschaft

Zum allgemeinen Verständnis erscheint es sinnvoll, sich die Branchenbesonderheiten, den traditionellen Ordnungsrahmen und die rechtliche Neugestaltung der Strombranche zu vergegenwärtigen. Daneben soll eine konkretisierende Analyse der Positionierung deutscher Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) innerhalb der stromwirtschaftlichen Wertschöpfungskette im Vorfeld der Liberalisierung vorgenommen werden, um eine Grundlage für die spätere Branchenstrukturanalyse zu schaffen.

2.1 Charakteristika der Stromwirtschaft

„Strom (synonym Elektrizität, elektrische Energie) ist definierbar als der sich in einer Leitung vollziehende Elektronenfluss mit der Fähigkeit zur Verrichtung elektrischer Arbeit.“[7] Die erzeugte elektrische Energie kann in Form von Licht, Antrieb oder Wärme genutzt werden. Strom kennzeichnet sich durch völlige Homogenität, denn der Verbraucher kann bei seiner Verwendung weder Art des produzierenden Kraftwerks noch den verwendeten Energieträger feststellen.[8]

Die Elektrizitätswirtschaft zählt zu den Schlüsselindustrien einer jeden Volkswirtschaft. Aufgrund seiner vielfältigen Anwendbarkeit zählt Strom zu den gängigsten Sekundärenergieträgern. Obwohl bereits eine weitgehende Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch stattgefunden hat[9], ist die sichere Bereitstellung von Strom eine wesentliche Vorraussetzung für den Wohlstand eines Landes. Elektrische Energie lässt sich in der industriellen Produktion und im privaten Konsumbereich fast nur unter Inkaufnahme ökonomischer Nachteile ersetzen.[10]

Jedoch rechtfertigte die volkswirtschaftliche Bedeutung der Elektrizitätsbranche nicht die wettbewerbliche Sonderstellung, die die Stromwirtschaft traditionell in einer ansonsten marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftsordnung einnahm. Vielmehr lag in seinen technisch-ökonomischen Besonderheiten die Ausnahmestellung der Elektrizitätswirtschaft begründet. Somit beeinflussten sie jahrzehntelang die Marktstruktur, den Konzentrationsgrad, die Anzahl und die Größe der Unternehmen und den Grad der staatlichen Regulierung innerhalb der Branche.[11]

Eine Besonderheit ist die Netzgebundenheit der Stromversorgung. Ein mehrstufiges Netzsystem fungiert als Bindeglied zwischen dem Ort der Stromproduktion und dem des Konsums. Beim Leitungssystem handelt es sich um überregionale Höchstspannungsnetze/Verbundnetze für die Stromübertragung über relativ weite Distanzen und Mittel- und Niedrigspannungsnetze für die regionale Stromverteilung und die Versorgung des Endverbrauchers. Die Höchstspannungsnetze werden von den großen Verbundunternehmen betrieben. Die Mittel- und Niedrigspannungsnetze sind Eigentum der regionalen und kommunalen Energieversorgungsunternehmen.[12]

Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass Strom bisher nicht wirtschaftlich lagerfähig ist. Da die Stromerzeugung zeitgleich mit der Stromnachfrage erfolgen muss, bedarf es einer Anpassung, die insbesondere auf der Angebotsseite erfolgt. Um Nachfrageschwankungen auszugleichen, müssen die Stromproduzenten ihre Erzeugungsanlagen und Übertragungsnetze auf eine maximale Kapazität auslegen.[13]

Drittes grundlegendes Merkmal ist die hohe Kapitalintensität. Sie geht mit dem Bau und Unterhalt von Produktionsanlagen und Netzen einher. Beispielsweise ergibt sich bei einem Steinkohlekraftwerk (600 MW) eine Kapitalausstattung von 2,7 Mio. Euro[14] pro Beschäftigten.[15] Hohe Fixkosten, hohe versunkene Kosten[16] sowie langfristige Kapitalbindung, bedingt durch lange Investitionsvorlauf- und Amortisationszeiten, sind wesentliche Merkmale der elektrizitätswirtschaftlichen Infrastruktur. Zudem müssen teure Kapitalreserven bereitgehalten werden, um auch in Spitzenlastzeiten die Stromnachfrage befriedigen zu können.[17]

Infolge der Netzgebundenheit und der Nichtlagerfähigkeit von Strom reicht die Stromproduktion allein grundsätzlich zur Verwendung von Elektrizität auf der Nachfrageseite nicht aus. Um diese zu ermöglichen, sind zunächst spezifische Logistikprozesse notwendig. Demzufolge handelt es sich bei der Stromversorgung um einen mehrstufigen Prozess. Aus technisch-physikalischer Sicht kann zwischen den Funktionsebenen Erzeugung, Übertragung und Verteilung differenziert werden. Daneben gibt es noch die kommerzielle Funktion des Stromhandels, der sich in den Stromgroßhandel und den Stromeinzelhandel unterteilt.[18] Abbildung 1 zeigt, wie sich auf Basis der Funktionen die Wertschöpfungskette der Elektrizitätswirtschaft zusammensetzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auf der ersten Wertschöpfungsstufe der Stromerzeugung werden primäre Energieträger in elektrische Energie umgewandelt. Dabei stehen den Stromproduzenten Kraftwerke unterschiedlicher Art zur Verfügung. Man unterscheidet zwischen Grund-, Mittel- und Spitzenlastkraftwerken, die in Abhängigkeit von der Stromnachfrage eingesetzt werden. Zu den Grundlastkraftwerken gehören wegen ihrer geringen variablen Kosten, Kernkraftwerke, Braunkohlekraftwerke, Lauf-wasserkraftwerke sowie Anlagen auf Basis von Biomasse und Geothermie. Infolge ihrer Kostenstruktur müssen sie aus wirtschaftlichen Gründen möglichst gut ausgelastet sein und dienen damit der Deckung des Grundbedarfs. 2004 betrug die Grundleistung 43.223 MW, ca. 43% der Gesamtleistung. Die Mittellastkraftwerke weisen

mittlere Arbeitskosten (variable Kosten) auf und werden deswegen für den Betrieb mit häufig wechselnder Leistung und für tägliches An- und Abfahren verwendet. Zu ihnen zählen Steinkohle-, Gas- und Speicherkraftwerke sowie Biomasse- und Biogaskraftanlagen. Zur Befriedigung der Stromnachfrage in speziellen Bedarfsfällen werden Spitzenlastkraftwerke eingesetzt, die aufgrund ihrer hohen Arbeitskosten für mehrmaliges An- und Abfahren des Kraftwerkes pro Tag geeignet sind und der Reservehaltung dienen. Pumpspeicherkraftwerke, Gasturbinen, Ölkraftwerke sowie Gasanlage gehören zu dieser Kraftwerkskategorie. 2004 betrug die Mittel- und Spitzenleistung 57.660 MW (57% der Gesamtleistung).[19]

Der Stromgroßhandel als zweite Wertschöpfungsstufe fungiert als Bindeglied zwischen Stromangebot und -nachfrage sowie als Vermittler von Handelsgeschäften. Beim Stromhandel werden große Strommengen an der Börse oder direkt beim Erzeuger gekauft und an Großkunden und Weiterverteiler verkauft.[20] Typischerweise differenziert man zwischen Börsenhandel und bilateralem Handel, der auch Over the Counter-Handel (OTC-Handel) genannt wird. Beim Börsenhandel werden standardisierte Stromlieferverträge auf einem institutionalisierten Marktplatz gehandelt.[21] Die Vorteile der Strombörse liegen in ihrer Preistransparenz, Anonymität und einem minimierten Ausfallrisiko. Der bilaterale Handel findet direkt zwischen zwei Marktteilnehmern oder mit Hilfe eines Intermediärs statt. Der OTC-Handel hat den Vorteil, dass sehr individuelle Bedürfnisse bei der Vertragsgestaltung mit berücksichtigt werden können.[22]

Weiterhin kann der Großhandel von Strom in die Segmente des Regelmarktes (Stundenbereich), des Spotmarktes (Tagesbereich) und des Terminmarktes (Wochen- bis Jahresbereich) unterteilt werden. Auf dem Regel- und Spotmarkt werden Energiemengen gehandelt, bei denen der Zeitpunkt der Lieferung und des Vertragsabschlusses zeitlich nah beieinander liegen. Im Gegensatz dazu fallen im Terminmarkt Vertragsabschluss und Stromlieferung zeitlich weit auseinander.[23]

Auf der dritten Branchenstufe, dem Stromtransport, unterscheidet man zwischen Übertragung und Verteilung. Die Aufgabe der Übertragung besteht in der Verbindung der Stromproduzenten untereinander über das Höchstspannungsnetz.[24] Ferner dient die Stromübertragung der Überbrückung großer räumlicher Distanzen zwischen den Erzeugern und den jeweiligen Verteilernetzen. Hingegen übernimmt die Verteilung die Aufgabe, den Strom über geringe Distanzen mit Hilfe von Mittel- und Niedrigspannungsleitungen zum Endverbraucher zu transportieren.[25]

Im Gegensatz zum Großhandelsmarkt werden auf der letzten Branchenstufe, dem Einzelhandelsmarkt, geringere Energiemengen gehandelt. Dabei kann die Mindesthandelsmenge der Leipziger Strombörse EEX von 10.000 KWh als Obergrenze für Energiemengen im Einzelhandelsmarkt angesehen werden. Daneben erfolgt auf dieser Wertschöpfungsstufe auch die Vermarktung der Stromprodukte, z.B. durch die Anwendung der Marketinginstrumente Distribution, Kommunikation sowie der Preis- und Produktgestaltung.[26]

Aufgrund der besonderen Charakteristika der Strombranche herrschte lange Zeit Einigkeit hinsichtlich der These, dass Wettbewerb in der Elektrizitätswirtschaft zu Marktversagen führe und eine preiswerte leitungsgebundene Stromversorgung nicht gewährleisten könne. Deshalb wurde dem Sektor über alle Versorgungsstufen hinweg ein „natürliches Monopol“ unterstellt.[27] Ein natürliches Monopol ist durch eine subadditive Kostenfunktion gekennzeichnet, bei der die volkswirtschaftlichen Kosten zur Bereitstellung eines Produktes steigen, wenn mehr als ein Unternehmen den Markt bedient.[28] Existierende Größenvorteile (synonym economies of scale, Betriebsgrößenersparnisse, Skalenerträge) und Verbundvorteile (synonym economies of scope, Bündelvorteile) geben häufig einen Hinweis für das Vorliegen eines natürlichen Monopols.[29] Unter economies of scale werden Kostenersparnisse verstanden, die aufgrund zunehmender Unternehmensgröße auftreten, da infolge konstanter Fixkosten bei steigender Ausbringungsmenge die Durchschnittskosten sinken. Hingegen können economies of scope bei diversifizierten Unternehmen entstehen, die auf unterschiedlichen Märkten tätig sind. Die sich daraus ergebenden positiven Synergieeffekte, die zu Kostenersparnissen führen, werden auch Verbundvorteile genannt.[30]

Traditionell wurde angenommen, dass mit zunehmender Kraftwerksgröße die Durchschnittskosten sinken und damit Größenvorteile im Erzeugerbereich vorliegen. Der Übertragungsbereich kann durch Größenvorteile in Form von anlagenspezifischen Skalenerträgen und Komplementärerträgen charakterisiert werden. Die anlagenspezifischen Skalenerträge kommen durch sinkende Kosten für einzelne Leitungen bei zunehmender Netznutzung zustande. Im Gegensatz dazu entstehen die Komplementärerträge (synonym Durchmischungsvorteile) aufgrund der Homogenität des Gutes Strom. An einem Beispiel soll dieser Effekt verdeutlicht werden. Soll eine Strommenge von 1000 MW von A nach B transportiert und außerdem eine Strommenge von 1000 MW von B nach A transportiert werden, findet rein technisch betrachtet kein Transport und damit auch keine Transportverlust statt. Dieser Vorteil der Durchmischungseffekte wird umso größer, je mehr Kraftwerke an ein Netz angeschlossen sind und je mehr Abnehmer das Netz nutzen.[31] Wegen der Größenvorteile wurde ein Wettbewerb zwischen den Energieversorgungsunternehmen traditionell im Hinblick auf das Ziel der Versorgungssicherheit ausgeschlossen.[32]

2.2 Traditioneller Ordnungsrahmen und Marktstruktur

Aufgrund der wirtschaftlichen Relevanz, des Vorliegens eines natürlichen Monopols und der Gefahr ruinöser Konkurrenz wurde ein direkter Wettbewerb in der Elektrizitätswirtschaft als suboptimal angesehen. Infolgedessen wurde der Sektor traditionell durch den Staat reguliert.[33]

2.2.1 Rechtliche Ausgestaltung der Monopolstellung

Rechtliche Grundlage für die wettbewerbspolitische Sonderstellung und die staatliche Steuerung des Stromsektors vor der Liberalisierung war zum einen das Gesetz zur Förderung der Elektrizitätswirtschaft (EnWG) aus dem Jahre 1935 und zum anderen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bzw. seine Ausnahmetatbestände der §§ 103 ff. GWB für leitungsgebundene Energiewirtschaft.[34]

Laut der Präambel des EnWG bestand die Kernintention des bisherigen stromwirtschaftlichen Ordnungsrahmens darin „ (…) im Interesse des Gemeinwohls (…) volkswirtschaftlich schädliche Auswirkungen des Wettbewerbs zu verhindern, einen zweckmäßigen Ausgleich durch Verbundwirtschaft zu fördern und durch all dies die Energieversorgung so sicher und billig wie möglich zu gestalten, (…)“[35]. Gemäß den Vorschriften der §§ 6 und 7 EnWG unterlagen die EVU der Anschluss- und Versorgungspflicht aller privaten Abnehmer zu Preisen der Bundestarifordnung und der Einhaltung von vereinbarten Qualitätsstandards.[36] Das EnWG blieb bis auf leichte Modifikationen bis zu den energiewirtschaftlichen Reformen 1998 bestehen.[37]

Der § 103 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) erklärte die leitungsgebundene Energiewirtschaft zur wettbewerbspolitischen Bereichsausnahme und stellte sie vom allgemeinen Kartellverbot frei. Auf diese Weise wurde das System geschlossener Versorgungsgebiete gesetzlich begründet und Gebietsschutzabsprachen als kartellrechtlich zulässig befunden.[38] Die räumliche Aufteilung des Marktes zwischen den Verbundunternehmen und die Sicherung der Gebietsmonopole erfolgte durch Demarkationsverträge (§ 103 Abs. 1 Nr. 1 GWB). Sie legten die Unterlassung der Versorgungstätigkeit im Gebiet des Vertragspartners fest. Auf diese Weise erfolgte eine Abgrenzung der Versorgungsgebiete. So wurde potentiellen Konkurrenten der Marktzutritt im System geschlossener Versorgungsgebiete verwehrt.[39] Im Rahmen der Konzessionsverträge (§ 103 Abs. 1 Nr. 2 GWB) hingegen trafen die EVU mit den kommunalen Gebietskörperschaften eine Übereinkunft, in der die EVU das ausschließliche Wegenutzungsrecht zur Verlegung von Versorgungsleitungen besaßen und als Gegenleistung dafür eine Konzessionsabgabe an die Kommunen zahlten.[40]

Um einen möglichen Missbrauch der Monopolstellung der Energieunternehmen weitgehend auszuschließen, war es notwendig geworden, entsprechende staatliche Regulierungsbehörden zu schaffen.[41] Dabei wurden die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Während sich die gesetzgebenden Kompetenzen beim Bund bündelten, übertrug man die Ausübung den Bundesländern. Der Energieaufsicht oblag die Vergabe der Genehmigung zur Aufnahme der Energieversorgung (§ 5 EnWG), die Investitionskontrolle (§ 4 EnWG) und die Preisaufsicht für die Tarifkunden in Haushalt und Gewerbe (§ 7 EnWG).[42] Im Gegensatz dazu kam der allgemeinen Kartellaufsicht hinsichtlich des Wettbewerbes eine besondere Bedeutung für die Elektrizitätswirtschaft zu. Ihre Aufgaben bestanden im Wesentlichen in der Aufsicht über wettbewerbsbeschränkende Absprachen, in der Fusionskontrolle und der Missbrauchsaufsicht.[43]

2.2.2 Marktstruktur vor der Liberalisierung

Der deutsche Markt der Elektrizitätsversorgung war vor den energiewirtschaftlichen Reformen 1998 durch eine dezentrale und pluralistische Versorgungsstruktur gekennzeichnet.[44] Er war aufgrund der geschlossenen Versorgungsgebiete weitgehend vor Wettbewerb geschützt. Auf ihm agierte eine Vielzahl heterogener Energieversorgungsunternehmen, die sich bezüglich ihrer Größe, ihrer Stellung innerhalb der Wertschöpfungskette, ihrer Eigentümerstruktur und ihres ökonomischen und politischen Einflusses unterschieden.[45]

2.2.2.1 Aufgaben und Tätigkeitsfelder

Die traditionellen Hauptaufgaben der öffentlichen Stromversorgung waren die Erzeugung, Übertragung und Verteilung von Strom. Sie wurden in unterschiedlicher Gewichtung den drei Versorgungsstufen, bestehend aus überregionalem Verbund, Regionalversorgern und Lokalversorgern, zugeordnet (s. Abb. 2). Auffällig ist dabei die dominierende Marktmacht der Verbundunternehmen, die durch ihre großen Erzeugerkapazitäten und ihre weitreichende Kapitalverflechtung mit kommunalen und regionalen Unternehmen entstanden ist.[46]

Auf der Erzeuger- und Übertragungsstufe waren die acht großen Verbundunternehmen[47] überregional tätig.[48] Sie besaßen vor der Liberalisierung ca. 80 % der Kraftwerkskapazitäten und das gesamte Höchstspannungsnetz für den überregionalen Stromtransport.[49] Ihre Aufgabe bestand in der Stromproduktion, in

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

der Bereitstellung von Verbundnetzen, der Systemsteuerung, der Koordination und Be-reitstellung von Reser-vekapazitäten für Spit-zenlastzeiten und der Stromübertragung an industrielle Großkun-den und an die regio-nale und kommunale Versorgungsstufe.[50] Wegen der Freistellung von wettbewerblichen Vorschriftschriften

gemäß § 103 GWB konnten die acht großen Verbundunternehmen den Strommarkt in Deutschland untereinander aufteilen und waren vor potentiellen neuen Konkurrenten geschützt.[51]

Die ca. 70 Regionalunternehmen hingegen fungierten insbesondere als Weiterverteiler zur Versorgung der kommunalen EVU und privaten Endabnehmer in städtischen und ländlichen Gebieten mit geringer Versorgungsdichte.[52] 1995 deckten die regionalen EVU ca. 77,5% der Gesamtfläche der Bundesrepublik ab und versorgten dabei ca. 36% der Bevölkerung mit elektrischer Energie. Der Strom wurde überwiegend von den Verbundunternehmen bezogen und nur in geringem Ausmaße von ca. 10% selbst produziert.[53]

Ebenso waren auch die 900 Kommunalversorger, die sogenannten Stadtwerke, auf der Verteilungs- und Versorgungsstufe tätig. Ihr Versorgungsgebiet befand sich traditionell in Städten, wobei sie neben Strom auch öffentliche Verkehrsleistungen, Gas und Wasser für industrielle und private Endabnehmer bereitstellten. Ihren Strom bezogen sie größtenteils von der vorgelagerten Verbund- und Regionalstufe und nur ca. 10% der gesamten Stromproduktion wurde in wenigen Kraftwerken selbstständig erzeugt.[54]

Neben den oben erläuterten öffentlichen Versorgungsunternehmen existierte noch die industrielle Kraftwirtschaft, die Strom für den Eigenbedarf erzeugte, diesen jedoch nur in seltenen Fällen ins Netz einspeisen ließ.[55]

2.2.2.2 Konzentration und Organisation in der Elektrizitätswirtschaft

Typisch für die deutsche Strombranche ist das Integrations- und Konzentrationsphänomen. Die folgenden Ausführungen sind für die Elektrizitätsbranche vor der Liberalisierung ebenso charakteristisch wie nach der Marktöffnung. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen die Verbundunternehmen, die sowohl vertikal als auch horizontal integriert sind. Fast alle großen Verbundunternehmen sind auf allen Versorgungsstufen tätig und machen darüber hinaus ihren Einfluss durch Haupt- und Minderheitsbeteiligungen bei den Regionalversorgern geltend. Nur die Stadtwerke blieben vor der Liberalisierung bis auf wenige Ausnahmen rechtlich eigenständig und im Besitz der Kommunen. Durch ihre Kapitalbeteiligungen an regionalen und in kleinerem Ausmaß auch an kommunalen EVU stellen die Verbundunternehmen auch heute noch ihre Stromabgabe an die beiden nachgelagerten Versorgungsstufen sicher. Die Integrationstendenzen gehen sogar über die Branchengrenzen hinaus und richten sich sowohl auf die vorgelagerten Primärenergiemärkte als auch auf die benachbarten Versorgungsmärkte. So ist die RWE AG beispielsweise Alleinaktionär des größten deutschen Braunkohleunternehmens Rheinbraun (vertikale Integration) und engagiert sich daneben noch in der Gas- und Wasserwirtschaft (horizontale Integration).[56]

Die Konzentration lässt sich einerseits durch die Querbeteiligungen der Verbundunternehmen untereinander begründen, andererseits sind Unternehmenszusammenschlüsse und –aufkäufe bereits seit Jahrzehnten in der Strombranche zu beobachten. So hielten RWE, PreussenElektra und Bayernwerk ca. 75% der Anteile des ostdeutschen Verbundunternehmens VEAG und die Bayernwerk AG war mit 26% an der Bewag beteiligt, um nur einige Beispiele zu nennen.[57]

Jedoch waren trotz jahrzehntelanger Privatisierungstendenzen und wegen öffentlichen Interesses auch kommunale Träger nicht unerheblich an Verbund- und Regionalversorgern beteiligt (s. Tab. 1). Beispielsweise betrug der Kapitalanteil der Freien Hansestadt Hamburg 50,2% an der Hamburgischen Electricitäts-Werke AG (HEW).[58] 1997 waren 62,8% der Mitglieder der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) in öffentlicher Hand. 23,9% waren gemischtwirtschaftliche Unternehmen und nur 13,3% waren privatwirtschaftlich organisiert. Hierbei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass es sich bei den öffentlichen Unternehmen überwiegend um kleine Stadtwerke handelte und der größte Teil der Stromerzeugung in privaten und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen erfolgte.[59] Hinsichtlich der Eigentumsstruktur konnte demzufolge zwischen privaten, öffentlichen und gemischtwirtschaftlichen EVU unterschieden werden.[60]

Trotz des öffentlichen Einflusses durch staatliche Regulierungsinstanzen und Beteiligungen wurde eine aktive staatliche Investitionslenkung und Preiskontrolle durch die zahlreichen elektrizitätswirtschaftlichen Ressourcen zur Selbstorganisation enorm erschwert.[61] Denn auffallendes Merkmal der Elektrizitätswirtschaft war und ist der hohe Organisationsgrad der Branche, der ihr erheblichen politischen und ökonomischen Einfluss ermöglichte. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die politischen Interessen der Stromwirtschaft werden vom Spitzenverband Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) vertreten. Seine ca. 800 Mitglieder stammen aus allen Versorgungsstufen. Dabei übernimmt der VDEW nicht nur externe Aufgaben der Interessenvertretung, sondern auch vielfältige interne Dienstleistungen. Auf subsektoraler Ebene wurden drei Verbände gegründet, die die spezifischen Interessen der jeweiligen Versorgungsstufe vertreten. Die Verbundunternehmen organisierten sich in der Deutschen Verbundgesellschaft (DVG), die regionalen Energieversorger in der Arbeitsgemeinschaft regionaler Energieversorger (ARE) und die Kommunalversorger im Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Die Mitglieder der subsektoralen Verbände sind üblicherweise auch Mitglied des VDEW. Aufgrund des hohen Organisationsgrades, der Ausgrenzung von Konkurrenz und des erheblichen politischen Einflusses der Elektrizitätswirtschaft bildete sich ein stark in sich geschlossenes System heraus, das am Status Quo festhielt und sich gegenüber wirtschaftlichen, politischen und technischen Erneuerungen resistent zeigte.[62]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Kapitalanteil der öffentlichen Hand an deutschen Verbundunternehmen im Jahre 1997[63]

Im Gegensatz dazu waren die Energieverbraucher schwach organisiert. Die Preisgestaltung wurde bei den Tarifkunden von der Bundestarifverordnung und bei den Sondervertragskunden von der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht bestimmt. Dabei wurden die Preise zwar auf Grundlage der durch getätigte Investitionen entstandenen Kosten kalkuliert, jedoch wurde die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit und Rationalität der Investitionen nicht berücksichtigt. Da es infolgedessen keinen Kostendruck gab, neigten die Unternehmen zu technischem Perfektionismus und zur Überkapitalisierung, was sowohl eine hohe Versorgungsqualität als auch Überkapazitäten mit sich brachte. Der private Abnehmer im regulierten Strommarkt konnte keinen Druck auf die Unternehmen ausüben, da er von dem in seinem Bereich zuständigen EVU mit Strom versorgt wurde und seinen Anbieter nicht frei wählen durfte.[64] Lediglich die industriellen Großabnehmer konnten durch Androhung industrieller Eigenerzeugung zu ihrem Vorteil auf die Preise einwirken. Im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern lagen die deutschen Strompreise auf sehr hohem Niveau. Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im europäischen Vergleich zu sichern, wurden wettbewerbspolitische und energiewirtschaftliche Reformen notwendig.[65]

2.3 Grundzüge der Liberalisierung

Der Diskurs um eine wettbewerbspolitische Reform kann in Deutschland bis in die 50iger Jahre zurückverfolgt werden. Er war in den letzten Jahrzehnten ein wiederkehrendes Thema in der deutschen Politik. Die Reformen scheiterten insbesondere am Widerstand der EVU, die durch ihre effiziente Interessenvertretung (VDEW) und ihren guten Kontakt der kommunalen EVU zur Politik ihre Vetoposition konsequent vertraten.[66]

2.3.1 Gründe für die Neuordnung

Die Gründe für die elektrizitätswirtschaftlichen Reformversuche waren vielfältig. Einerseits gab es eine starke Unzufriedenheit auf Seiten der industriellen Abnehmer, für die sich infolge des hohen deutschen Strompreisniveaus ein Standortnachteil in Deutschland ergab.[67] Andererseits fehlte der Zwang zu effizientem, kostenminimierendem Wirtschaften innerhalb der Stromversorgungsunternehmen, die in einem wettbewerbsfreien Umfeld[68] weder dem marktwirtschaftlichen Kostendruck noch einer effizienten staatliche Regulierung unterlagen.[69] Daneben wurde in den letzten beiden Jahrzehnten besonders durch neue wettbewerbsökonomische Erkenntnisse die Monopolstellung der Elektrizitätsbranche in Frage gestellt und die traditionelle Annahme der Größenvorteile in der Stromwirtschaft bezweifelt.[70]

Basierend auf einer disaggrigierten Betrachtung der stromwirtschaftlichen Wertschöpfungskette (s. Abb. 1) wurden die einzelnen Teilmärkte separat im Hinblick auf ihren Charakter eines natürlichen Monopols untersucht. Dabei wurde lediglich für den Stromtransport im Netzbereich (Übertragung und Verteilung) ein natürliches Monopol anerkannt[71], weil es hier durch konkurrierende Netzbetreiber zu unnötigen Investitionen, einer schwer zu koordinierenden Netzfragmentierung und zu einer hohen Flächeninanspruchnahme kommen könnte.

Auf den Wertschöpfungsstufen der Erzeugung und des Vertriebs war man der Ansicht, dass Wettbewerb die beste Möglichkeit sei, um etwaige Mängel der bisherigen Stromwirtschaft zu beseitigen. Der Wettbewerb sollte Rationalisierungspotentiale hinsichtlich der betrieblichen Kostensenkung und der Produktivitätssteigerung freisetzen und damit die überhöhten Energiepreise senken sowie die Monopolrenten abschaffen.[72]

Das zentrale erwartete Marktergebnis nach der Strommarktliberalisierung sollte die Strompreissenkung für Industrie- und Tarifabnehmer sein.[73] Doch trotz vieler Reformversuche in Deutschland kamen die wesentlichen Reformanstöße von der europäischen Wettbewerbspolitik, die letztlich zur Umsetzung der Strommarktliberalisierung in Deutschland führten.[74]

2.3.2 EU-Binnenmarktrichtlinie für Elektrizität

Der Liberalisierungsprozess der europäischen Elektrizitätswirtschaft vollzog sich wegen der Widerstände und Differenzen in den Mitgliedsstaaten etappenweise.[75] Mit dem Ziel, die Öffnung der nationalen Strommärkte voranzutreiben, erließ die EU-Kommission 1990 die Preistransparenzrichtlinie und 1991 die Transitrichtlinie.[76] Der endgültige Durchbruch gelang jedoch erst durch die 1996 verabschiedete und von allen EU-Mitgliedern verifizierte Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie 96/92/EG. Sie trat am 19. Februar 1997 in Kraft.[77]

Die Richtlinie beruht auf den neuen ökonomischen Erkenntnissen einer disaggregierten Betrachtung der Stromversorgung, in der die Branchenstufen Erzeugung und Vertrieb durch den Wettbewerb Effizienzpotentiale ausschöpfen könnten und lediglich die Teilmärkte der Übertragung und Verteilung von Strom ein natürliches Monopol darstellen.[78] Ziel der Richtlinie war die Öffnung der Strommärkte für den freien Stromverkehr innerhalb der nationalen Grenzen und zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten zur Gewährleistung einer effizienten, sicheren und umweltfreundlichen Versorgung. Durch die Abschaffung monopolistischer Marktstrukturen und den freien Wettbewerb sollten sich die erheblichen Strompreisdifferenzen innerhalb der Europäischen Union verringern und auf möglichst niedrigem Niveau einpendeln. Deshalb wurden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, eine wettbewerbsorientierte Regulierung der EVU zu schaffen.[79]

Kernpunkt der Richtlinie und von besonderer Bedeutung für einen funktionsfähigen Wettbewerb ist der transparente und diskriminierungsfreie Netzzugang Dritter als Vorraussetzung für die freie Anbieterwahl des Endkonsumenten. Dabei muss der Netzinhaber sein Netz zur Stromdurchleitung gegen ein Entgelt zur Verfügung stellen.[80] Zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs stehen den Mitgliedstaaten drei Wahlmöglichkeiten zur Verfügung: der verhandelte Netzzugang (Negotiated Third Party Access, NTPA), der geregelte Netzzugang (Regulated Third Party Access, RTPA) oder das Alleinabnehmersystem.[81]

Außerdem ist die buchhalterische Entflechtung (unbundling) der Unternehmensbereiche Erzeugung, Übertragung und Verteilung von besonderer Bedeutung, um Quersubventionen innerhalb vertikal integrierter Unternehmen zu verhindern und Netznutzungsgebühren adäquat und diskriminierungsfrei zu ermitteln.[82]

Um den Ländern die Möglichkeit zu geben, ihre sehr heterogenen, spezifisch nationalen Energiesysteme dem neuen europäischen wettbewerbspolitischen Umfeld anzupassen, erfolgt die Öffnung des europäischen Strommarktes schrittweise. Gemäß der Richtlinie wurde der Markt für Abnehmer mit mehr als 100 GWh automatisch geöffnet. Die Erweiterung der zugelassenen Kunden, die ihren Anbieter frei wählen können, erfolgt dann etappenweise in Abhängigkeit der verbrauchten Strommenge.[83]

Zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen bzw. Ungleichgewichten im grenzüberschreitenden Stromhandel zwischen Ländern, deren Markt in unterschiedlichem Grad liberalisiert ist, wurde die Reziprozitätsklausel erlassen. Sie erlaubt die Belieferung eines ausländischen Kunden zu verhindern, sofern die Kunden nicht in beiden Staaten als zugelassene Kunden betrachtet werden können.[84]

Die EU-Richtlinie musste innerhalb von 2 Jahren in nationales Recht umgesetzt werden und erfolgte nach dem Subsidaritätsprinzip, das den Mitgliedsstaaten eine Vielzahl an Spielräumen und Wahlmöglichkeiten einräumt, um ihre nationalen Besonderheiten zu berücksichtigen.[85]

2.3.3 Energierechtsreform in der Bundesrepublik

In Deutschland trat die EU-Richtlinie für Elektrizität am 29. April 1998 mit der Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG 1998), das den Zielkatalog um die Umweltverträglichkeit erweitert, in Kraft.[86]

Kernpunkt ist die Aufhebung der wettbewerbspolitischen Sonderstellung der Elektrizitätswirtschaft infolge der Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Damit wurden Demarkationsverträge und Ausschließlichkeitsvereinbarungen in Konzessionsverträgen (s. Kap. 2.2.2.1) aufgelöst und das System der geschlossenen Versorgungsgebiete abgeschafft.[87]

Auf der Branchenstufe der Erzeugung konnte durch den Wegfall der Investitionsaufsicht beim Kraftwerksbau eine Deregulierung erreicht werden. Daneben vereinfachte man das Genehmigungsverfahren für Energieanlagen und die Aufnahme der öffentlichen Energieversorgung.[88]

Der wesentliche Inhalt der Novelle bestand in der Verpflichtung der Netzbetreiber, allen Marktteilnehmern einen diskriminierungsfreien Zugang zu bestehenden Versorgungsnetzen zu gewähren. Zur Regelung des Netzzugangs vertraute man in Deutschland auf die selbstregulierenden Kräfte des Marktes (verhandelter Netzzugang).[89] Grundlegend sollte der Netzzugang zwischen den Verbänden der deutschen Stromwirtschaft (VDEW), der deutschen Industrie (BDI) und der industriellen Kraftwirtschaft (VIK) verhandelt und auf eine staatliche Regulierungsinstanz verzichtet werden. Sollten die Verbändevereinbarungen jedoch wettbewerbshemmend oder unpraktikabel sein, so behielt sich die Bundesregierung das Recht vor, eine entsprechende Rechtsordnung zu erlassen.[90] Neben dem verhandelten Netzzugang war das Alleinabnehmersystem befristet bis 2005 zugelassen. Das kam vor allem den Kommunen entgegen, weil diese in der Funktion des Alleinabnehmers den direkten Kundenkontakt halten konnten.[91]

Das Gesetz geht wesentlich über die europäische Strommarktrichtlinie hinaus. Die Öffnung des Strommarktes erfolgte in der Bundesrepublik nicht schrittweise wie vorgesehen, sondern der Markt wurde mit dem Tag des Inkrafttretens für alle Abnehmersegmente geöffnet. Damit wollte man Probleme bei der Abgrenzung von Abnehmergruppen verhindern und allen Marktteilnehmern die Möglichkeit geben, von der Öffnung der Märkte zu profitieren.[92]

Die EU-Vorschriften bezüglich der Entflechtung (unbundling) und Transparenz der Buchführung bei vertikal integrierten Unternehmen wurden aber in der Novellierung des EnWG nur minimal umgesetzt. Sie verpflichtet die vertikal integrierten Unternehmen lediglich zu getrennten Konten für die Erzeugung, Übertragung und Verteilung. Eine gesellschaftsrechtliche oder funktionale Trennung war hingegen nicht vorgesehen.[93]

2.3.4 Auswirkungen der Liberalisierung und neue Reformen

Durch die Liberalisierung wurden die historisch geprägten monopolistischen Marktstrukturen der Energieversorgung aufgehoben, und es entstand ein weitgehend funktionsfähiger Wettbewerb auf dem Strommarkt.[94]

Die Liberalisierung hatte den Markteintritt einer Vielzahl heterogener Marktteilnehmer, wie z.B. unabhängige Stromerzeuger, Händler, Broker und Dienstleister zur Folge. So wurde die Wertschöpfungskette um die Branchenstufe des Stromgroßhandels erweitert und der Vertriebsbereich durch die neue Wettbewerbssituation erheblich ausgedehnt.[95] Der Großhandel an der Strombörse bietet die Möglichkeit der Absicherung von Strompreisrisiken, der Optimierung des Kraftwerkseinsatzes auf der Erzeugerstufe und für die Händler die Chance, ihre Strombeschaffung effizienter zu gestalten. In der Branchenstufe des Stromvertriebs konnten nach der Liberalisierung neue Stromanbieter ohne eigene Erzeuger- und Netzkapazitäten agieren. Sie kaufen den Strom im Großhandel ein und vertreiben ihn dann an den Endkunden. Ihr Geschäftserfolg ist wesentlich vom diskriminierungsfreien Netzzugang abhängig.[96]

Obwohl der entstandene Wettbewerb in den ersten Jahren nach der Liberalisierung zunahm[97], wurden bald erhebliche wettbewerbshemmende Ineffizienzen sichtbar, die der Nachbesserung bedurften.[98] Auf Drängen der EU-Kommission[99] (Beschleunigungsrichtlinie 2003/54/EG) wurde deshalb das Energiewirtschaftsgesetz von 1998 überarbeitet und im letzten Jahr nach vielen Verhandlungen zwischen den einzelnen Interessengruppen und der Regierung verabschiedet (EnWG 2005).[100] Insbesondere die beiden immer wieder genannten Kritikpunkte, die Entflechtung[101] und der verhandelte Netzzugang[102], griff man dabei auf und änderte sie.

Als einziger Mitgliedstaat der EU hatte sich Deutschland bei der Umsetzung der EU-Binnenmarktrichtlinie für Strom für das System des verhandelten Netzzugangs entschieden.[103] Dabei bildeten die Verbändevereinbarungen die vertragliche Grundlage zur Berechnung der Netznutzungsentgelte.[104] Diese sind im europäischen Vergleich am höchsten, sodass der Verdacht der Quersubventionierung entstand. Es wird angenommen, dass die EVU mit Hilfe der hohen Netzgebühren ihre Stromerlöse stabilisieren[105] und dadurch neue Marktteilnehmer, die auf die diskriminierungsfreie Nutzung der Netze zur Stromdurchleitung angewiesen sind, benachteiligen. Viele neue Stromanbieter wurden infolgedessen bereits aus dem Markt gedrängt.[106] Wegen der wettbewerbshemmenden und diskriminierenden Wirkung der Verbändevereinbarungen[107] wird nach der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes von 2005 die Bundesnetzagentur mit der Aufsicht über die Netznutzungsentgelte beauftragt, ähnlich der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Rep. TP). Aufgabe des Regulierers ist die Genehmigung aller Preiserhöhungen für die Stromdurchleitung. Nach dem neuen EnWG basiert die Preisberechnung auf einer garantierten Verzinsung von 6,5% für die Netzbetreiber. Allerdings wird nach zwölfmonatiger Frist das System der festen Verzinsung durch das System der Anreizregulierung ersetzt. Dabei setzt der Regulierer den Unternehmen Anreize für einen effizienten Netzbetrieb und legt per Vergleichsmarktprinzip Preisbänder fest.[108]

Des Weiteren soll in Zukunft die Entflechtung vertikal integrierter Unternehmen mit mehr als 100 000 Kunden nicht nur in buchhalterischer Form vollzogen werden, sondern es muss darüber hinaus eine gesellschaftsrechtliche Ausgliederung der Netzbetriebe vorgenommen werden.[109]

3 Strukturanalyse des deutschen Strommarktes: Kräfteverhältnisse und Trends im Wettbewerb

Im folgenden Kapitel wird eine detaillierte Analyse des deutschen Strommarktes durchgeführt, um die auf die Wettbewerbsintensität einwirkenden Kräfte zu bestimmen. Unter Wettbewerbsintensität wird die Geschwindigkeit verstanden, in der ein durch Innovationen entstandener Wettbewerbsvorteil innerhalb einer Branche durch die Nachahmung von Konkurrenten aufgezehrt wird.[110] Als theoretischer Bezugsrahmen dient Porters Konzept der Branchenstrukturanalyse. Hierbei werden Fragen diskutiert, wie: Wie ist der deutsche Strommarkt strukturiert? Welches sind die etablierten Anbieter? Wo besteht eine Bedrohung durch den Markteintritt potentieller Wettbewerber? Wie ist das Machtverhältnis zwischen den einzelnen Marktteilnehmern? Durch welche Produkte könnte Strom substituiert werden? Welche Bedeutung kommt den Lieferanten im Branchengefüge zu? Welchen Einfluss üben die Nachfrager auf die Branchenrentabilität aus?[111]

3.1 Konzeptionelle Grundlagen

Die Strukturanalyse von Porter hat seine theoretischen Wurzeln sowohl in der Industrieökonomik als auch in der strategischen Managementlehre. Aus Sicht der Industrieökonomik, die die Grundlage für den marktbasierten Ansatz des strategischen Managements darstellt, wird das Unternehmensergebnis maßgeblich von den Charakteristika des Marktes beeinflusst.[112] Dabei stellt das von Bain begründete Structure-Conduct-Performance-Paradigma (S-C-P-Paradigma) die wesentlichen Grundzusammenhänge dar. Grundsätzlich wird dabei angenommen, dass die Marktstruktur, ausgedrückt durch den Konzentrationsgrad, den Marktanteil und die Größe der im Markt agierenden Unternehmen, das Marktverhalten der Industrieunternehmen (conduct) beeinflusst, welches dann wiederum das Marktergebnis (performance) bestimmt.[113]

Von diesem Ansatz inspiriert, entwickelte Porter das 5-Kräfte-Modell zur Analyse von Branchen und Konkurrenten.[114] Dabei schafft er ein Gleichgewicht zwischen der Perspektive der Industrieökonomik und der strategischen Managementlehre. Sein Konzept basiert sowohl auf der industrieökonomischen Annahme, dass die Branchenstruktur Einfluss auf das Unternehmensverhalten und –ergebnis ausübt, als auch auf Ansichten des strategischen Managements, dass jedes Unternehmen durch die Wahl seiner Wettbewerbsstrategie seinen Unternehmenserfolg und die Branchenstrukturen beeinflussen kann.[115] Dabei wird nicht nur das Verhalten der Konkurrenten untersucht, sondern auch die Unternehmensumwelt umfassend analysiert. Dieses neu entstandene Modell wird im Rahmen der strategischen Planung vielfältig eingesetzt.[116] Den Untersuchungsgegenstand bildet die Branche. Über die Definition der Branche wurde in der Literatur viel diskutiert. Im Allgemeinen umfasst eine Branche die Unternehmen, die Produkte erstellen und verwerten, die sich gegenseitig substituieren lassen.[117] Allerdings lässt eine Vielzahl von Autoren den Funktionen mehr Bedeutung bei der Branchenabgrenzung zukommen als den Produkten.[118] Im Rahmen dieser Arbeit soll die Definition anhand der agierenden Unternehmen auf der Vertriebsstufe der Wertschöpfungskette erfolgen, d.h. zu den Branchenteilnehmern zählen alle Unternehmen, die Stromprodukte an den Endkunden vertreiben (s. Kap. 3.2.1).[119]

In seiner Branchenstrukturanalyse greift Porter die Überlegung von Bain auf, dass die Branchenrentabilität von der Marktstruktur der Branche massiv beeinflusst wird. Über die Branchenrentabilität kann eine Aussage über die Wettbewerbsintensität der Branche getroffen werden. Die Branchenrentabilität und damit der finanzielle Erfolg der einzelnen Unternehmen ist umso höher, je geringer die Wettbewerbsintensität ist. Porter identifiziert fünf Triebkräfte (s. Abb. 3) die den Wettbewerb in einer Branche und das Verhalten der darin agierenden Unternehmen bestimmen: die Rivalität unter den bestehenden Branchenteilnehmern (1), die Gefahr des Markteintritts potentieller neuer Konkurrenten (2), die Bedrohung durch Substitutionsprodukte (3), die Verhandlungsmacht der Abnehmer (4) sowie die Verhandlungsmacht der Lieferanten (5). Ein Faktor, der in Porters Branchenanalyse nicht explizit erwähnt wird, ist der Staat. Insbesondere in der Elektrizitätswirtschaft ist sein Eingreifen von entscheidender Bedeutung. Porter vernachlässigt ihn jedoch nicht, sondern kommt zu dem Ergebnis, das der Staat in die Analyse der fünf Triebkräfte miteinbezogen werden sollte.[120]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mit Hilfe der Branchenstrukturanalyse können Unternehmen ihre Wettbewerbsposition in Relation zur Branche ermitteln und daraus potentielle Chancen und Risiken ableiten. Daneben unterstützt die Analyse den Prozess der Strategiebestimmung und -auswahl.[121] Der Zweck der Wettbewerbsstrategie besteht im Schutz des Unternehmens vor den bestehenden Triebkräften des Wettbewerbs, in der Verbesserung der Wettbewerbsposition des Unternehmens durch strategische Maßnahmen sowie in der Früherkennung neuer wettbewerblicher Rahmenbedingungen.[122] In dieser Arbeit erfolgen jedoch ausschließlich die Strukturanalyse der Strombranche und die Bestimmung der branchenspezifischen Chancen und Risiken. In den folgenden Teilkapiteln werden die fünf Triebkräfte für die deutsche Elektrizitätsbranche untersucht.

3.2 Rivalität unter den bestehenden Unternehmen

Die Wettbewerbsintensität einer Branche wird wesentlich von der Rivalität der im Markt agierenden Wettbewerber bestimmt. Diese Rivalität entsteht durch strategisches Verhalten etablierter Wettbewerber zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsposition. Die Wettbewerbsintensität ist umso höher, je größer die Rivalität unter den bestehenden Marktteilnehmern ist. Die Branchenrivalität wird von Preiskämpfen, intensiven Werbeaktionen, Produktinnovationen oder Serviceverbesserungen erhöht. Jegliche Aktivitäten zur Neugewinnung von Marktanteilen und Kunden können zu einer Reduzierung der Branchenrentabilität führen. Insbesondere der Preiswettbewerb kann die Gewinne der gesamten Branche schmälern, da Preissenkungen schnell realisiert und ebenso schnell von der Konkurrenz gekontert werden können.[123]

Rivalität entsteht durch das Zusammenspiel unterschiedlicher struktureller Branchenfaktoren. Wenn in einer Branche zahlreiche oder gleichausgestattete Wettbewerber agieren und die Branche nur langsam wächst oder durch hohe Fix- und Lagerkosten gekennzeichnet ist, entsteht daraus die Notwendigkeit, die Kapazitäten möglichst umfassend auszulasten. Daneben führen fehlende Produktdifferenzierung, geringe Umstellungskosten, hohe strategische Einsätze zur Sicherstellung des Erfolges sowie hohe ökonomische, emotionale oder strategische Austrittsbarrieren zu einer weiteren Zunahme der Rivalität unter den am Markt operierenden Unternehmen.[124]

3.2.1 Aktive Unternehmen auf dem deutschen Strommarkt

Um die Rivalität innerhalb einer Branche zu analysieren, ist es sinnvoll die aktiven

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Unternehmen der Branche zu bestimmen. Als Folge der Li-beralisierung ist eine Vielzahl neuer Branchenakteure in den Strommarkt getreten. Nach Angaben des VDEW (s. Abb. 4) umfasste die deutsche Elek-trizitätswirtschaft 2005 etwa 1100 Unternehmen, wobei pri-vate Betreiber von Windan-lagen und kleine Wasserkraft-werke nicht mitgezählt wur-den.[125] Um eine bessere Über-sichtlichkeit der vielen hetero-genen alten und neuen Marktteilnehmer zu erreichen, werden zunächst unter-schiedliche Unternehmens-

gruppen in Abhängigkeit ihrer Aktivitäten auf den verschiedenen Wertschöpfungsstufen identifiziert. Danach können die agierenden Marktteilnehmer in integrierte Verbundunternehmen, Regionalversorger, Kommunalversorger, Stromhändler, Stromproduzenten sowie in die industrielle Kraftwirtschaft gruppiert werden. Gemäß der Branchendefinition sind diese Unternehmensgruppen auf der Vertriebsstufe der Wertschöpfungskette aktiv (s. Abb. 5).[126]

Die Anzahl der integrierten Verbundunternehmen (s. auch Kap. 2.2.2.1 und 2.2.2.2), ist nach der letzten Fusionswelle in den Jahren 2000 bis 2003[127] auf vier geschrumpft. Dazu gehören in Deutschland RWE, E.On, EnBW und Vattenfall. Kennzeichnend für fast alle Verbundunternehmen ist ihre vertikale Integration. Dies bedeutet, dass sie in allen Geschäftsfeldern entlang der Branchenwertschöpfungskette agieren.[128] Sie dominieren sowohl die Erzeugerstufe, wo sie über einen sehr heterogenen Kraftwerkspark mit etwa 80% der Erzeugerkapazitäten verfügen, als auch die Übertragungsstufe, in der sie das Transportmonopol über die überregionalen Höchstspannungsnetze besitzen.[129] Aufgrund ihrer Kapitalbeteiligungen an den Kommunal- und Regionalunternehmen sind sie auch in der Stromverteilung tätig. Durch ihre vertikale Integration sind sie in der Lage Kostenvorteil insbesondere an der Schnittstelle zwischen Erzeugung und Transport zu generieren.[130] Nach der Liberalisierung haben die großen Verbundunternehmen eigene Handelsgesellschaften, z.B. RWE Trading[131], gegründet und betätigen sich nun auch in der vergleichsweise neuen Wertschöpfungsstufe des Stromgroßhandels.[132] Daneben haben sie wegen der neuen Wettbewerbssituation ihre Vertriebsaktivitäten ausgedehnt und versorgen sowohl Weiterverteiler als auch Endkunden mit Strom.[133]

[...]


[1] Vgl. Ridder 2003, S. 34.

[2] Vgl. König & Fritz 2001, S. 9.; Schlesinger 1999, S. 1.

[3] Vgl. Dresdner Bank 2003, S. 3 f.; Monstadt 2004, S. 186.

[4] Vgl. Gassmann et al. 2005, S. 29.; Ockenfels 2005, S. 15.

[5] Vgl. Kroha 2002, S. 16.;

[6] Vgl. Wüstenhagen 2000, S. 14.

[7] Latkovic 2000, S. 76.

[8] Vgl. Schäfer 2004, S. 3.

[9] Vgl. Ridder 1999, S. 63.; Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie & Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 2006, S. 8.

[10] Vgl. Ksoll 2003, S. 23.

[11] Vgl. Monstadt 2004, S. 74.; Renz 2001, S. 65.

[12] Vgl. Renz 2001, S. 65 f.

[13] Vgl. Renz 2001, S. 66.; Weizsäcker 2004, S. 11.

[14] Die finanziellen Angaben erfolgten in DM. Die Umrechnung in Euro erfolgte zum festgelegten Kurs von 1 Euro = 1,95583 DM.

[15] Vgl. Kumkar 2000, S. 22.

[16] Unter versunkenen Kosten werden die durch irreversible Entscheidungen entstandenen pagatorischen Ausgaben verstanden, welche bei Aufgabe des Geschäftsbetriebes nicht rückgängig gemacht werden können. (vgl. Ksoll 2003, S. 27.)

[17] Vgl. Monstadt 2004, S.74.; Renz 2001, S. 65 ff.

[18] Vgl. Schulz & Riechmann 2002, S. 3 f.

[19] Vgl. Schiffer 2005, S. 207-212.

[20] Vgl. Bohne & Frenzel 2003, S. 378 ff.

[21] Die beiden Strombörsen, die in Deutschland im Jahre 2000 gegründet wurden, fusionierten aus wirtschaftlichen Gründen zur EEX mit Sitz in Leipzig.

[22] Vgl. Bohne & Frenzel 2003, S. 378 ff.

[23] Vgl. Borchert 2003, S. 12.; König & Fitz 2001, S. 16.

[24] Vgl. Schäfer 2004, S. 7.

[25] Vgl. Latkovic 1999, S. 1, 79 ff.

[26] Vgl. Cappallo 2005, S. 256, 260.; Bohne & Frenzel 2003, S. 378.

[27] Vgl. Renz 2001, S. 69.; Monstadt 2004, S. 74.; Latkovic 1999, S. 2.

[28] Vgl. Knieps 2005, S. 23.

[29] Vgl. Monstadt 2004, S. 175.; Renz 2001, S. 74.

[30] Vgl. Gablers Wirtschaftslexikon 2004, S. 771.

[31] Vgl. Kumkar 2000, S. 27-34.

[32] Vgl. Monstadt 2004, S. 175.; Renz 2001, S. 74.

[33] Vgl.Ksoll 2003, S. 27.; Latkovic 1999, S. 109.

[34] Vgl. Fuchs 2000, S. 16.

[35] EnWG 1935.

[36] Vgl. Schikarski 2005, S. 7.; Ksoll 2003, S. 27.

[37] Vgl. Renz 2001, S. 64 f.

[38] Vgl. Latkovic 1999, S. 124.

[39] Vgl. Ksoll 2003, S. 28.

[40] Vgl. Ridder 2003, S. 19 f.; Monstadt 2004, S. 87.

[41] Vgl. Latkovic 1999, S. 127.

[42] Vgl. Monstadt 2004, S. 79.

[43] Vgl. Renz 2001, S. 82, 84.

[44] Vgl. Latkovic 1999, S.104.

[45] Vgl. Schlesinger 1999, S. 74.

[46] Vgl. Monstadt 2004, S. 81 f.

[47] RWE Rheinisch-Westfälische-Elektrizitätswerke AG Essen, VEW Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG, HEW Hamburgische Electizitäts-Werke AG, PreussenElektra AG Hannover, die Bayernwerk AG München, EnBW Energie Baden-Württemberg AG Karlsruhe, BEWAG AG Berlin und VEAG Vereinigte Energiewerke AG Berlin (vgl. Kroha 2002, S. 23.)

[48] Vgl. Renz 2001, S. 72.

[49] Vgl. Schäfer 2004, S. 8.

[50] Vgl. Ksoll 2003, S. 28.

[51] Vgl. Fuchs 2000, S. 17.

[52] Vgl. Schlesinger 1999, S. 71 ff.

[53] Vgl. Schäfer 2004, S. 8.; Monstadt 2004, S. 83.

[54] Vgl. Monstadt 2004, S. 84.; Schäfer 2004, S. 8.

[55] Vgl. Monstadt 2004, S. 81 f.

[56] Vgl. Renz 2001, S. 72 .; Monstadt 2004, S. 86.

[57] Vgl. Renz 2001, S. 72 f.

[58] Vgl. Renz 2001, S. 72 f.

[59] Vgl. Monstadt 2004, S. 80 f.

[60] Vgl. Ksoll 2003, S. 29.

[61] Vgl. Monstadt 2004, S. 81.

[62] Vgl. Monstadt 2004, S. 85, 87.

[63] angelehnt an Renz 2001, S. 72.

[64] Vgl. Monstadt 2004, S. 79 ff.

[65] Vgl. Ridder 2003, S. 23.

[66] Vgl. Monstadt 2004, S. 174 f.

[67] Vgl. Monstadt 2004, S. 174 f.

[68] Vgl. Latkovic 1999, S. 149.

[69] Vgl. Ksoll 2003, S. 29.

[70] Vgl. Monstadt 2004, S. 175.

[71] Vgl. Renz 2001, S. 70.; Ksoll 2003, S. 30.

[72] Vgl. Deutsche Bank 2003, S. 7.; Monstadt S. 74, 177.

[73] Vgl. Latkovic 1999, S. 149 f.

[74] Vgl. Monstadt 2004, S. 175.

[75] Vgl. Schäfer 2004, S. 9 f.

[76] Vgl. Fuchs 2000, S. 163 ff.

[77] Vgl. Schäfer 2004, S. 10.

[78] Vgl. Ridder 2003, S. 24.

[79] Vgl. Ridder 2003, S. 24.; Schäfter 2004, S. 10.

[80] Vgl. Monstadt 2004, S. 179.

[81] Vgl. Renz 2001, S. 144.; Schäfer 2004, S. 13.

[82] Vgl. Haller 2005, S. 28.

[83] Vgl. Schäfer 2004, S. 13.

[84] Vgl. Schäfer 2004, S. 14.

[85] Vgl. Schäfer 2004, S. 18.

[86] Vgl. EnWG 1998.

[87] Vgl. König & Fritz 2001, S. 9.

[88] Vgl. Latkovic 1999, S. 160.

[89] Vgl. Ridder 2003, S. 35.

[90] Vgl. Kroha 2002, S. 33.

[91] Vgl. Eising 2000, S. 289 f.

[92] Vgl. Kroha 2002, S. 34.

[93] Vgl. Eising 2000, S. 290.

[94] Vgl. Ridder 2003, S. 34.

[95] Vgl. VDEW 2005, S. 5.; Müller 2004, S. 309 f.

[96] Vgl. Monstadt 2004, S. 205 ff.

[97] Vgl. Ridder 2003, S. 34.

[98] Vgl. Schäfer 2004, S. 19.

[99] Vgl. Monstadt 2004, S. 192.

[100] Vgl. Gammelin 2005, S. 2.

[101] Vgl. Monstadt 2004, S. 190.

[102] Vgl. Ridder 2003, S. 34.

[103] Vgl. Ridder 2003, S. 34.

[104] Vgl. Monstadt 2004, S. 183.

[105] Vgl. Ridder 2003, S. 35.

[106] Vgl. Monstadt 2004, S. 186.

[107] Vgl. Schäfer 2004, S. 20.

[108] Vgl. Bünder 2005, S. 13.

[109] Vgl. Bünder 2005, S. 13.

[110] Vgl. Blum et al. 2006, S. 13.

[111] Vgl. Porter 1999, S. 33-69.

[112] Vgl. Harms 2004, S. 39.

[113] Vgl. Neumann 2000, S. 87.

[114] Vgl. Göttgens 1996, S. 100.

[115] Vgl. Belz 1998, S. 7.

[116] Vgl. Daschmann 1994, S. 26.

[117] Vgl. Becker 2000, S. 57.

[118] Vgl. Porter 1999, S. 67.

[119] Vgl. Cappallo 2005, S. 291.

[120] Vgl. Porter 1999, S. 33-37, 63 f.; Harms 2004, S. 42.

[121] Vgl. Porter 1999, S. 33 f.

[122] Vgl. Blum et al. 2006, S. 13.

[123] Vgl. Porter 1999, S. 50-56.

[124] Vgl. Porter 1999, S. 50-56.

[125] Vgl. Schiffer 2005, S. 183.

[126] Vgl. Cappallo 2005, S. 291.

[127] Vgl. Stahlke 2005, S. 879.

[128] Vgl. Monstadt 2004, S. 82.

[129] Vgl. Statistisches Bundesamt 2006.

[130] Vgl. Krakowski 2002, S. 296.

[131] Vgl. RWE Geschäftsbericht 2005, S. 22.

[132] Vgl. Schiffer 2005, S. 230.

[133] Vgl. Monstadt 2004, S. 82, 205 f.

Ende der Leseprobe aus 115 Seiten

Details

Titel
Eine Branchenstrukturanalyse des deutschen Strommarktes nach Porter
Hochschule
Universität Lüneburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
115
Katalognummer
V62086
ISBN (eBook)
9783638554015
Dateigröße
2643 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eine, Branchenstrukturanalyse, Strommarktes, Porter
Arbeit zitieren
Ute Melzer (Autor:in), 2006, Eine Branchenstrukturanalyse des deutschen Strommarktes nach Porter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62086

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