Erneuerung der Demokratie

Voraussetzungen für eine funktionierende Demokratie


Hausarbeit, 2003

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Polis

3. Die „wahre Demokratie“

4. Voraussetzungen der Demokratie

5. Vorschläge zur Erneuerung der Demokratie
a. Erneuerung durch Dezentralisierung
b. Erneuerung durch direkte Demokratie
c. Erneuerung durch Gegenmachtbildung

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung:

Nachdem sich Ende des letzten Jahrhunderts die weltpolitische Lage auf dramatische und grundlegende Art durch die Implosion des Sowjet- Kommunismus und des daraus resultierenden Ende des Kalten Krieges verändert hat, sieht sich auch die Demokratie großen Herausforderungen gegenüber.

Nach den Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen, totalitären Deutschland und dem Entstehen des Systemgegensatzes zwischen „Ost“ und „West“, definierte sich die freiheitliche Demokratie lange Zeit dadurch, was sie nicht sein wollte. Im Gegensatz zu den „Volksdemokratien“ des Ostblock, in denen Menschen und Bürgerrechte missachtet, freies politisches Handeln unterdrückt wurde und Transparenz der politischen Prozesse nicht gegeben war, gewannen die westlichen Demokratien an Attraktivität. Es gab praktisch keine Alternative mehr zur Demokratie im Westen. Dies meint Churchill, wenn er sagt, die Demokratie sei zwar die schlechteste Staatsform, allerdings ausgenommen aller anderen. Weder Monarchie, Diktatur, Aristokratie noch Oligarchie sind für das moderne politische Denken nennenswerte Alternativen.

Überspitzt formuliert kann man feststellen, dass man sich gedanklich in der Abgrenzung zu unerwünschten Staatsformen erschöpfte, ohne über Ziele und Weiterentwicklungen der eigenen Staatsform zu diskutieren. Auch innerhalb der politischen Elite scheint es so, als dass es vernachlässigt wurde, zu definieren bzw. zu artikulieren, wo die Schwächen der Demokratie liegen, wie diese beseitigt werden könnten und wo der Weg der Demokratie in der Zukunft hinführen soll. Man war sich wohl den Schwächen (Reformstau nach Innen Kompetenzverlust nach Außen) bewusst, am Status quo der Demokratie wurde fast nicht gerüttelt.[1] Demnach wurden keine positiven Weiterentwicklungen (nicht im Sinne einer Totalrevision) angestoßen, was ein, in einer veränderten Umwelt, zu statisches Demokratiemodell zur Folge hat. Allein der Prozess der Europäischen Integration und die damit einhergehende Kompetenzverschiebung, haben die Koordinaten, in denen sich Demokratien zu bewegen haben, verändert.

Ziel dieser Arbeit wird, ausgehend von der Polis (vornehmlich der athenischen), sein, Möglichkeiten und Chancen einer Erneuerung der Demokratie aufzuzeigen.

Hierfür werden zum einen die Voraussetzungen für eine funktionierende Demokratie untersucht und die sich hieraus ergebenden Kritiken und Chancen analysiert. Darauf aufbauend soll versucht werden, anhand von drei Ansatzpunkten, Erneuerungen bzw. Vorschläge zur Erneuerung zu untersuchen und zu bewerten.

2. Die Polis

Die Polis (gr. Stadt/Gemeinwesen) ist in der Staatsformenlehre von Aristoteles der Modelltypus des Staates und symbolisiert die politische verfasste menschliche Gemeinschaft, in der Recht, Gesetz, Ordnung, Eintracht und Gleichheit aller freien Bürger als höchstes Gut angesehen werden (Holtmann 2000: 483).

Wenn man die Geschichte der Demokratie und der politischen Theorie verstehen will, muss man sich mit der antiken Entstehung dieser Staatsform befassen.

Die politischen Begrifflichkeiten, die Verfassungstypologien und die politische Theorie und Philosophie der heutigen Zeit haben ihren Ursprung im Griechenland der Antike. Im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. entstanden in Griechenland Stadtstaaten, die sog. Polis. Exemplarisch wird hier die athenische beleuchtet, die ihre Blütezeit ca. 500 v. Chr. erlebte. Diese Blütezeit reichte bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. bevor sie von der Monarchie des Alexander abgelöst wurde.

Die athenische Demokratie ruhte auf zwei Säulen: Zum einen sollten alle Entscheidungen in der Öffentlichkeit fallen und diskutiert werden und zum anderen sollte der Bürger an der Politik direkt beteiligt sein und auch öffentliche Ämter übernehmen dürfen (Maier 1993: 478). Nach diesen Prinzipien wurden auch die institutionellen Verfahren und Prozesse ausgerichtet.

Oberstes Organ der athenischen Polis war die Volksversammlung (Ekklesia). Sie tagte alle zehn Tage auf der Agora, dem Versammlungsplatz. Die Teilnehmerzahl belief sich auf ca. ein Fünftel der ca. 250 000 Einwohner. Alle wichtigen Entscheidungen wurden in der Volksversammlung getroffen. Somit war erreicht, dass der Bürger Athens an allen wichtigen Entscheidungen teilhaben konnte und politisch direkt partizipierte. Die Polis ist daher als die direkteste aller Demokratieformen anzusehen.

Ein weiteres wichtiges Organ war der „Rat der Fünfhundert“, der die Sitzungen der Volksversammlung vorbereitete. Die Teilnehmer des Rats wurden jährlich aus der Mitte der Bürger durch das Los neu bestimmt, wobei man nicht zweimal hintereinander bestimmt werden durfte. Auch durfte man nicht mehr als zweimal in seinem Leben berufen werden. Der Vorsitz des Rats wechselte täglich.

Bürger im Sinne der athenischen Polis waren alle männlichen, selbständigen Grundeigentümer.

Die Grundidee der Polis wurde also in den praktischen politischen Prozess integriert. Der Bürger konnte direkt teilhaben und die Rotation im „Rat der Fünfhundert“ verhinderte einerseits Macht- und Wissenskonzentration und andererseits den Einfluss von Interessensgruppen (vornehmlich aristokratischer Art). Auch wurde gewährleistet, dass jeder Bürger die Chance hatte durch das Los bestimmt zu werden. Somit waren die Grenzen zwischen Herrschern und Beherrschten fließend. Darüber hinaus ermöglichten es die Verfahren, die auf dem Prinzip der kontrollierten Macht beruhten, diktatorische Herrscher aus dem Amt zu entlassen

Dieser Umstand der ständigen Partizipation erforderte vom Bürger in der athenischen Volksherrschaft (Demokratia) die ständige Bereitschaft und Fähigkeit zur Mitsprache und zum Mitdenken (Maier 1993: 472). Dieses Mitdenken war nicht allein auf das Feld der Politik beschränkt, sondern erstreckte sich auf alle Teilbereiche des Gemeinwesens. So impliziert Partizipation auch wirtschaftliche, kulturelle, militärische, moralische und religiöse Aspekte. Daher war „Politik damals so sehr Bürger-Sache wie Bürger-Sache Politik war“ (Waschkuhn 1998: 144). In der Bürgerschaft von Athen hat das Politische eine so große Rolle gespielt, wie sonst nirgendwo in der bekannten Weltgeschichte (Maier 1993: 39).

Der athenischen Polis gelang es den Einfluss der Aristokratie zu beschränken und den ärmeren, bis dato benachteiligten, Bevölkerungsschichten den Zugang zu politischen Ämtern zu erleichtern. Die Idee, die hinter der Integration ehemals marginalisierter Gruppen stand, war, dass was alle zusammen angehe, auch von allen zusammen entschieden werden müsse (Maier 2001: 59).

Perikles (500 bis 429 v. Chr.) nannte die damalige Demokratie auch die Staatsform, in welcher die Regierung in der Hand der vielen und nicht der wenigen liege.

Gleichwohl darf der Umstand nicht verleugnet werden, dass vor allem die wirtschaftliche Blüte und somit der Wohlstand auf der Sklaverei beruhte. Die Sklaven waren, genau wie später im Römischen Reich, von der Partizipation ausgeschlossen. „Die Einrichtung der Sklaverei bildete […] eine unüberwindbare Schranke für die Verwirklichung der Demokratie“ (Vilmar 1974: 62). Hier muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Griechen „keine Griechen vor sich hatten“ (Maier in Waschkuhn 1998: 137). Sowohl Verfassungen und Institutionen als auch Begrifflichkeiten und der ganze Bereich des Politischen musste von ihnen neu geschaffen werden. Diese Leistungen können nicht hoch genug eingeschätzt werden (Waschkuhn 1998: 137).

3. Die „wahre Demokratie“

Das beschriebene direkte institutionelle System der Polis ist auf die heutigen Nationalstaaten nicht zu übertragen. Selbst in der Schweiz, die oft als Vorbild in Bezug auf direkte Demokratie genannt wird, ist diese Form der Beteiligung nicht mehr möglich. Durch die Größe der Nationalstaaten ist es unabdingbar geworden, sich repräsentieren zu lassen (Maier 2001: 18). Mit dieser Entwicklung einhergehend, entstand ein weitaus höherer Institutionalisierungsgrad. Vermittlungsinstanzen zwischen Volk und Staat (Parlamente) wurden gestärkt. Durch die Größe der Staaten, hat sich gleichzeitig ein höherer Bedarf an staatlicher Tätigkeit ergeben, der in den griechischen Stadtstaaten in dieser Form nicht vorhanden war. Exemplarisch hierfür sind die Bereitstellung der Infrastruktur, die Daseinsvorsorge und staatlich geregelte Verscherungssysteme zu nennen. Daraus resultiert ein hoher Grad an Spezialisierung und Arbeitsteilung, die ein hohes Maß an zeitlicher Beanspruchung mit sich bringen. Kein Staatsbürger ist heute in der Lage, sich in alle Themengebiete gleichermaßen einzuarbeiten, um dadurch qualifiziert partizipieren zu können.

In einem System, das durch Institutionalisierung, Wissenskonzentration und Repräsentation geprägt ist, leidet die Transparenz, die zu den elementaren Prinzipien der Polis gehörte.

Obwohl die heutigen Staatsformen mit der Polis zumindest institutionell nichts mehr gemein haben, bezeichnet man sie als Demokratien. In der Bundesrepublik ist das Demokratieprinzip sogar verfassungsrechtlich verankert: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer […] Bundesstaat“ (Grundgesetz Artikel 20 I).

Es hat also eine Abkopplung von dem Begriff der „Volksherrschaft“ stattgefunden. Obwohl sich der Terminus „Demokratie“ nicht geändert hat, hat sich das Umfeld der Demokratie geändert. Die Enttäuschung, die oft bezüglich der Demokratie artikuliert wurde und wird, hat ihre Ursache in der Illusion, dass es sich um eine Staatsform handelt, in der das Volk wirklich und direkt herrscht. Bei dieser Argumentation hat die Abkopplung des Wortes von der Vorstellung der unmittelbaren Volksherrschaft noch nicht stattgefunden. Marquis d´Argenson hatte sich im frühen 18. Jahrhundert damit befasst, dass es neben der „falschen“ Demokratie noch eine „wahre“ Demokratie gebe, in der man durch Deputierte, die gewählt werden, handle.[2] Diese Überlegungen waren grundlegend für die Amerikanische Verfassung von 1787/88, die zwar die antike Volksherrschaft aufgriff aber an die neuen Gegebenheiten anpasste und damit zum Vorreiter für Verfassungen neu entstehender Nationalstaaten wurde.

[...]


[1] Orientiert an: Maier 2001, S. 46

[2] Orientiert an: Maier 2001, S. 25

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Erneuerung der Demokratie
Untertitel
Voraussetzungen für eine funktionierende Demokratie
Hochschule
Universität Erfurt
Veranstaltung
Der demokratische Staat
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
21
Katalognummer
V61776
ISBN (eBook)
9783638551564
ISBN (Buch)
9783638766791
Dateigröße
586 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erneuerung, Demokratie, Staat
Arbeit zitieren
Michael Hofmann (Autor:in), 2003, Erneuerung der Demokratie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61776

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