Die Inuit-Künstlerin Kenojuak Ashevak und die Entwicklung der Grafikkunst der Inuit


Hausarbeit, 2003

34 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Kindheit in der Tradition der Inuit Kultur
2.1. Frühe Kindheit und der Tod ihres Vaters
2.2. Die Jugend bei ihrer Großmutter

3. Der Einfluss der Handelsfirmen
3.1. Die Hudson’s Bay Company
3.2. Die Gründung von Kooperativen

4. Kontakte zu anderen Kulturen / Traditionen
4.1. Die christliche Religion
4.2. Handelsbeziehungen und wirtschaftliche Abhängigkeit

5. Kenojuaks Hochzeit und das frühe Familienleben
5.1. Die Hochzeit und die Geburt des ersten Kindes
5.2. Staatliche Einflüsse
5.3. Der Ausbau von Cape Dorset

6. Ihre Kunst – die frühen Jahre
6.1. Die Kunst der Inuit im Allgemeinen – eine Skizze
6.2. Der Beginn der Kunstförderung und die Rolle von James und Alma Houston
6.3. Die Ausgangssituation
6.4. Der Krankenhausaufenthalt und der Einfluss der Brüder Pfeiffer

7. Ihre Kunst – die Entwicklung der Grafikkunst
7.1. Rückkehr nach Cape Dorset – die ersten Zeichnungen
7.2. Die technische Entwicklung der Inuit-Grafik von Cape Dorset
7.3. Motive und Inhalte der Inuit-Grafik von Cape Dorset
7.4. Die Kunst Kenojuaks – Aussagen, Themen und Motive

8. Kenojuak als international rennomierte Künstlerin
8.1. ‚Eskimo Artist – Kenojuak’
8.2. Umzug nach Cape Dorset
8.3. Das Leben in der Siedlung
8.4. Künstlerischer Erfolg
8.5. Kenojuaks Leben nach Johnniebos Tod

9. Schlussbetrachtung
9.1. über Kenojuak
9.2. über meine Hausarbeit

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Die folgende Hausarbeit beschäftigt sich mit der Inuit-Künstlerin Kenojuak Ashevak. Ich werde ihre Biographie darstellen, und anhand dessen auch auf die Entwicklung der Grafikkunst der Inuit in Cape Dorset seit 1950 eingehen. Dabei möchte ich auch die Veränderungen im Leben der Inuit dort mit einbeziehen, die mit der Entstehung der neuen Kunstformen und eines neuen Kunstverständnisses einher gingen.

Das Beispiel Kenojuak eignet sich hierfür aus zwei Gründen besonders: erstens ist Kenojuak eine der bedeutensten Künstlerinnen, die Cape Dorset hervorgebracht hat, und zweitens ist ihr Leben geprägt von dem Spagat zwischen zwei Welten, der traditionellen Inuit Kultur auf der einen und der Kultur der westliche Welt auf der anderen Seite.

Diese Hausarbeit setzt die Lebensgeschichte Kenojuaks mit der Entwicklung der Inuit-Grafik in Cape Dorset in Zusammenhang und legt daher auch den Schwerpunkt auf die Jahre zwischen 1950 und 1965. In diesem Zeitraum fand der größte Wandel statt. Ich werde zu Anfang auch auf Kenojuaks Kindheit und die Zeit vor ihrer künstlerischen Aktivität eingehen. Das bildet schließlich die Basis, auf der ihr Werk aufbaut.

Auch die Kunst der Inuit vor 1950 fließt in Ansätzen mit in meine Arbeit ein, da sie die Grundlage für die spätere Entwicklung und essentiell für das Verständnis der Thematik ist. Ebenso dazu gehören die wirtschaftliche, soziale und politische Situation und diverse Kunstförderungsprogramme der kanadischen Regierung, die seit den fünfziger Jahren durchgeführt werden. Alles zusammen bildet den Hintergrund, vor dem sich die Kultur der Inuit grundlegend veränderte und sich das Werk von KünstlerInnen wie Kenojuak entwickelte.

Kenojuaks Leben seit 1970 werde ich aus zwei Gründen nur in Ansätzen betrachten: erstens ist es für die Entwicklung der Grafik-Kunst nicht mehr von großer Bedeutung, und zweitens lässt das mir zur Verfügung stehende Material eine intensive Auseinandersetzung mit der späteren Zeit, die auch den hiesigen Rahmen sprengen würde, nicht zu.

Die Literatur, das sind zwei Bücher über Kenojuak[1] und ein Sammelband mit verschiedenen Aufsätzen zu verwandten Themen[2], ist in ihrer Art sehr unterschiedlich. Inhaltlich sind Blodgett und Walk vergleichbar. Ansgar Walk ist Naturwissenschaftler und studierte zusätzlich Literatur und Philosophie. Sein Interesse gilt der Kunst der kanadischen Inuit ebenso wie ihrem sozialen Wandel. Er bereiste den kanadischen Norden bereits viele Male und hat aufgrund dessen ein fundiertes Wissen, schreibt aber sehr persönlich und emotional, weniger sachlich. Das macht es manchmal sehr schwierig, die wichtigen Informationen heraus zu filtern.

Der Sammelband ist sehr hilfreich, um mit einigen Informationen zu Situation und Umfeld von Kenojuak ihre Geschichte besser nachvollziehen und verstehen zu können.

Es ist das erste Mal, das ich mich mit der Kunst der Inuit beschäftige, so dass ich meine Informationen ausschließlich aus den vorliegenden Quellen ziehen muss.

2. Kindheit in der Tradition der Inuit Kultur

2.1. Frühe Kindheit und der Tod ihres Vaters

Kenojuak wurde 1927 in Camp Ikirasak geboren. Ein genaues Geburtsdatum lässt sich nicht ausmachen, da Geburtstage generell bei den Inuit keine große Rolle spielen und auch Kenojuak selbst keinen Wert darauf legt. So variieren die Angaben zwischen Januar und Oktober. Camp Ikirasak an der Südküste von Baffin Island war eines der damals üblichen Camps, in denen die Inuit in einem Verband von einigen Familien lebten und jagten.[3]

Kenojuak und ihre Eltern blieben allerdings nur ungefähr ein Jahr dort. Dann siedelten sie um und lebten die folgenden drei Jahre in einem relativ großen Camp auf Mansel Island.[4] Dort kam es häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen Kenojuaks Vater Usuaqjuk und den anderen Männern. Usuaqjuk wurde von den anderen im Camp regelrecht gefürchtet. Kenojuak selbst vermutet, dass das mit der Tasache zusammenhing, dass ihr Vater der Sohn eines Schamanen war und deshalb eine besondere Aura hatte, die den andenen Männern im Camp Angst machte. Bei den Inuit war es damals üblich, nach einem gemeinschaftlichen Beschluss gegen Mitglieder vorzugehen, die die Gemeinschaft störten oder gefährdeten, um die Harmonie im Camp zu sichern. Männer, die sich nicht camp-konform verhielten, wurden des öfteren umgebracht. Häufig kam es nach solchen Ereignissen jedoch zu weiteren Hinrichtungen, weil die Familien den Tod eines nahen Verwandten rächten.[5]

Kenojuaks Vater wurde im Winter 1933 von drei Männern aus dem Camp erschossen. Nicht alle, die ihn kannten, führten seine Erschießung allerdings allein auf seine Stellung im Camp zurück. Es ging das Gerücht um, dass sein Vater viele Jahre zuvor, in seiner Rolle als Campleader, einen Mann, der seine Familie sehr schlecht behandelt hatte, zum Tode verurteilt und seinen eigenen Sohn ausgewählt hatte, das Urteil auszuführen. Daraufhin hätte das Blut eines Menschen an den Händen von Kenojuaks Vater geklebt und er hätte sterben müssen.[6]

2.2. Die Jugend bei ihrer Großmutter

Nach diesen Ereignissen im Winter 1933 kehrte Kenojuaks Mutter mit ihren Kindern in die Gegend von Cape Dorset zurück. Auf dem Weg nach Mansel Island waren sie dort vorbeigekommem und einige Mitglieder ihrer Familie waren nicht weiter mitgereist. Kenojuak und ihre Familie wurden herzlich aufgenommen. Sie zogen nun nach Camp Sapujjuaq, zu Kenojuaks Großmutter. Hier fühlte sich Kenojuak wirklich wohl. Sie hatte ein Zuhause gefunden, das ihr für die nächsten 14 Jahre erhalten bleiben sollte. Sie lebte zusammen mit ihrem Bruder in einem Zelt mit ihrer Großmutter und hatte von nun an eine unbeschwerte Kindheit.[7]

Ihre Großmutter lehrte sie all die traditionellen Inuit-Handarbeitstechniken, die in Kenojuaks zukünftigem Leben von so großer Bedeutung sein sollten. Damals war es für junge Mädchen üblich, sich diese Techniken anzueignen. Kenojuak hatte sich sehr schnell zu einer herausragenden Näherin entwickelt und konnte schon bald mithelfen, die Produkte zu fertigen, die dann an die Hudson’s Bay Company verkauft wurden.[8]

3. Der Einfluss der Handelsfirmen

3.1. Die Hudson’s Bay Company

Die Hudson’s Bay Company war die wohl erfolgreichste Handelsgesellschaft, die sich bei den Inuit etablieren konnte. Schon im 18. und 19. Jahrhundert erhielten die ersten Gesandten der Hudson’s Bay Company von den Inuit Biber-, Nerz- und Rotfuchsfelle, nach denen in Europa eine rege Nachfrage bestand. Dabei verlief der Handel meist zugunsten der Inuit, die als Tauschwaren unzählige nützliche Artikel von den Handlungsreisenden bezogen.[9]

1911 entstand die erste Niederlassung der Hudson’s Bay Company, gleichzeitig das spätere Hauptbüro der Region, auf Baffin Island. Den Menschen im direkten Umfeld des Handelspostens ging es zuerst sehr gut, sie hatten genug zu essen und allerlei zusätzliche Güter, die sie aus dem Handel bezogen. Schon sehr bald hatte sich das herumgesprochen, und mehr und mehr Inuit siedelten sich in der Umgebung der Niederlassung an. Das führte dazu, dass die Nahrungsgrundlagen bald ausgeschöpft und die Menschen auf Unterstützung der Hudson’s Bay Company angewiesen waren.[10]

Während der folgenden zwanzig Jahre entstanden im gesamten Norden Kanadas feste Handelsniederlassungen. Der Tierbestand konnte die Nachfrage nach Pelzen kaum decken. Das Einkommen der Inuit basierte zu sehr großen Teilen auf Einnahmen aus dem Pelzhandel. In den dreißiger Jahren verfielen aber die Pelzpreise und die meisten Inuit waren auf die Handelsgesellschaften angewiesen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.[11]

Neben der Hudson’s Bay Company gab es noch weitere Handelsfirmen, die sich in den Gebieten der Inuit niederließen. 1939 zum Beispiel entstand mit der Baffin Trading Company eine scharfe Konkurrenz für die Hudson’s Bay Company. Die Inuit hatten nun eine Alternative, ihre Felle zu verkaufen. Vorher wurden die Preise einzig und allein von der Hudson’s Bay Company diktiert. Außerdem konnten die Inuit jetzt mit verschiedenen Arten von Fellen handeln. Zuvor wurden viele ihrer Felle nicht angenommen, die Hudson’s Bay Company selektierte sehr stark. Bis 1949 brachte die Konkurrenz zwischen den beiden Handelsfirmen viele Verbesserungen im Leben der Inuit mit sich, dann aber musste der Stützpunkt der Baffin Trading Company schließen und die einseitige Abhängigkeit von vor 1939 war wieder hergestellt.[12]

3.2. Die Gründung von Kooperativen

Da die Abhängigkeit der Inuit auf Dauer für den Staat zu teuer wurde, versuchte er ihr entgegen zu wirken. Die Inuit sollten ihre Fähigkeit zur Selbstversorgung wieder herstellen, indem sie sogenannte Kooperativen gründeten, um erfolgreich Fischfang, Kunsthandwerksprogramme und Einzelhandel zu entwickeln. Damit waren viele von ihnen in ein Lohnsystem eingebunden und konnten ohne staatliche Almosen leben, denn die Entwicklung und der Aufbau der Kooperativen funktionierte sehr gut. Zum einen wirtschafteten die Inuit nun innerhalb des modernen Systems Kanadas relativ unabhängig, zum anderen aber konnten sie ihre Traditionen beibehalten und zum Großteil entsprechend ihrer Kultur leben und arbeiten.[13]

Kenojuak führte später den Erfolg der Kooperativen auf die schlechten Erfahrungen mit den Handelsgesellschaften zurück, denn die hätten die Inuit dazu gebracht, sehr schnell zu begreifen, wie nützlich diese Kooperativen für sie sein können.[14]

Kooperativen waren von Inuit betriebene Gesellschaften, denen jeder beitreten konnte. Es gibt sie heute noch in großer Zahl. Für Kenojuak von besonderer Bedeutung war die West Baffin Eskimo Co-operative. Sie war besonders in künstlerischer Hinsicht aktiv und bildete seit den sechziger Jahren ein starkes Gegengewicht zur Hudson’s Bay Company.[15]

4. Kontakte zu anderen Kulturen/Traditionen

4.1. Die christliche Religion

Im Herbst 1935 hatte Kenojuaks Mutter wieder geheiratet. Sie war mit ihrem Mann zusammen nach Camp Igalaalik gezogen, etwas südlich von Sapujjuaq. Kenojuak war bei ihrer Großmutter geblieben, mit der sie sich sehr gut verstanden hatte. Als die Großmutter zehn Jahre später für ein volles Jahr mit ihrer Tochter, Kenojuaks Tante, auf Reisen ging, zog Kenojuak kurzzeitig zu ihrer Mutter. Aber sie vermisste ihre Großmutter und ging zurück zu ihr, sobald diese wieder in Sapujjuaq war. Die Großmutter war während des vergangenen Jahres mit der christlichen Religion in Berührung gekommen und hatte von einem anglikanischen Missionar ein Gebetsbuch auf Inuktitut erhalten. Kenojuak nutzte dieses einzige Medium, das sie besaßen, um sich die Schrift, mit der ihr Sprache geschrieben wurde, anzueignen. Sie lernte alle Gebete aus diesem Buch zu lesen.[16]

Während im 19. Jahrhundert Missionsstationen hauptsächlich an Handelsposten gekoppelt waren und somit die Inuit selten mit Missionaren in Berührung kamen, entstand im 20. Jahrhundert eine Missionsstation nach der anderen. In jeder Siedlung gab es meist sogar je eine römisch-katholische und eine anglikanische Station. In den fünfziger Jahren breiteten sich auch noch andere Glaubensrichtungen aus. Die Missionare verbrachten oft Jahrzehnte bei den Inuit. Dabei erhielten sie tiefe Einblicke in deren Kultur. Sie lernten Inuktitut, und auch sie waren es, die eine Schrift für die Inuit entwickelten. So konnten sie die Bibel und andere religiöse Schriften übersetzen. Es gab Missionarsschulen, Krankenhäuser und Pflegeheime, die von Missionaren geführt wurden. Bei allem, was sie taten, versuchten die Missionare, den Inuit ihren Glauben aufzuzwingen. Nach langen, erfolglosen Jahren, hatten sie ungefähr 1950 doch beinahe alle Inuit Kanadas zu einem christlichen Glauben bekehren können.[17]

[...]


[1] Blodgett 1985 und Walk 1999.

[2] Hoffmann 1988.

[3] Vgl. Walk 1999: 15.

[4] Vgl. Walk 1999: 22.

[5] Vgl. Blodgett 1985: 8.

[6] Vgl. Walk 1999: 27.

[7] Vgl. Walk 1999: 30-32.

[8] Vgl. Blodgett 1985: 10.

[9] Vgl. Burch 1988: 197-198.

[10] Vgl. Walk 1999: 17-18.

[11] Vgl. Burch 1988: 198.

[12] Vgl. Blodgett 1985: 11-12.

[13] Vgl. Myers 1988: 204.

[14] Vgl. Blodgett 1985: 12.

[15] Vgl. Walk 1999: 150-151.

[16] Vgl. Blodgett 1985: 10-11.

[17] Vgl. Burch 1988: 198-199.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Die Inuit-Künstlerin Kenojuak Ashevak und die Entwicklung der Grafikkunst der Inuit
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Fachbereich 03: Gesellschaftswissenschaften und Philosophie Institut für Vegleichende Kulturforschung)
Veranstaltung
PS: Einführung in die Völkerkunde
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
34
Katalognummer
V61687
ISBN (eBook)
9783638550949
ISBN (Buch)
9783656782063
Dateigröße
896 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Inuit, Künstlerin, Kenojuak, Ashevak, Einführung, Völkerkunde
Arbeit zitieren
M.A. Anna Füller (Autor:in), 2003, Die Inuit-Künstlerin Kenojuak Ashevak und die Entwicklung der Grafikkunst der Inuit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61687

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