Der Gegenstandsbereich der Erziehungspsychologie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

0. Einleitung

1. Sozialisation
1.1. Begriffsbestimmung
1.2. Begriffsentwicklung
1.2.1. Struktur- funktionalistische Sozialisationsbegriff
1.2.2. Sozialökologischer Sozialisationsbegriff
1.3. Sozialisationsprozess
1.4. Sozialisation der Eltern durch ihre Kinder
1.5. Konzept der Selbstsozialisation

2. Enkulturation und Akkulturation
2.1. Begriffsbestimmungen
2.2. Was ist Kultur und wie wird sie weitergegeben?

3. Kultivation
3.1. Begriffsbestimmung
3.2. Kultivationsprozess nach Simmel
3.3. Muchowsche Lebensraumstudie: Beispiele gelungener kindlicher Kultivation

4. Beziehung zwischen erziehungspsychologischen Konzepten von Veränderung
4.1. Entwicklung vs. Sozialisation
4.2. Sozialisationsvorgänge vs. Erziehungsprozesse im engeren Sinne
4.3. Kultivationsbegriff vs. Entwicklungsbegriff

5. Entwicklungs- und Erziehungsprozesse im Beziehungskontext

6. Fazit

7. Literaturangabe

0. Einleitung

In dieser Hausarbeit mit dem Thema „Der Gegenstand der Erziehungspsychologie“ möchten wir die wichtigsten Begriffsbestimmungen der Erziehungspsychologie darstellen. Diese bilden eine Basis für weitere Theorien und Forschungsgebiete dieser Richtung der Psychologie.

Unsere Arbeit gliedert sich in zwei Teile.

Im ersten Teil beschäftigt sich Sabine Ostrowitzki mit

Im zweiten Teil dieser Hausarbeit beschäftigt sich Katharina Mewes mit den Bestimmungen der Begriffe Sozialisation, Enkulturation und Akkulturation sowie Kultivation beschäftigen und am Ende die Beziehung zwischen erziehungspsychologischen Konzepten von Veränderungen und die Entwicklungs- und Erziehungsprozesse im Beziehungskontext aufzeigen.

1. Sozialisation

1.1 Sozialisation – Was ist das eigentlich?

Es ist nicht ganz einfach den Begriff Sozialisation präzise zu erfassen, denn hinter diesem stecken eine Menge theoretischer Fragen und Problemstellungen[1].

Nach K. Hurrelmann stelle Sozialisation ein „Modell der dialektischen Beziehungen zwischen Subjekt und gesellschaftlich vermittelter Realität dar“. Er erweitert dies durch den „interdependenten Zusammenhang von individueller und gesellschaftlicher Veränderung und Entwicklung“. Dieses Modell stelle das menschliche Subjekt in einen sozialen und ökologischen Kontext, welcher subjektiv aufgenommen und verarbeitet würde, der in diesem Sinn also auf das Subjekt einwirke, aber zugleich immer auch durch das Individuum beeinflusst, verändert und gestaltet werde[2].

Durkheim liefert die klassische Bestimmung des Begriffs der Sozialisation. Seiner Ansicht nach bringe der Mensch von Geburt aus zunächst seine Physis und in Bezug auf alle späteren Eigenschaften nur unbestimmte Dispositionen mit. Der Säugling sei nahezu eine „Tabula rasa“ und müsse seine Persönlichkeit erst in der sozialen Umwelt entwickeln und auf das gesellschaftliche Leben vorbereitet (sozialisiert) werden[3].

Die Sozialisation ist eine Kategorie, die für den Menschen eine Lebensaufgabe darstellt. Sie lässt sich nicht auf einen bestimmten Zeitraum festlegen, denn sie vollstreckt sich bis an das Lebensende eines jeden. Was jedoch festgehalten werden kann ist, dass die Sozialisation im Kindesalter ihren größten Aufgabenbereich erfüllt. Die Sozialisation ist eine Kategorie, welche die Komponenten Erziehung, Entwicklung und Vergesellschaftung beinhaltet.
Die Gesellschaft lebt nach festgelegten und bestimmten Normen und Werten, in die ein Kind eingegliedert werden muss. Es muss sozusagen gesellschaftsfähig gemacht werden, um ein verantwortungsbewusstes und eigenständiges Leben führen zu können. Die Sozialisation fungiert als allgemeine Vermittlerinstanz der verschiedenen Fertigkeiten und Werte einer Gesellschaft. Durch die Sozialisationsagenten wie etwa Eltern, Lehrer, Medien oder auch peer-groups werden die wichtigsten sozialen Handlungen und Fähigkeiten einer Gesellschaft übermittelt[4].

Die Sozialisationsforschung beschäftigt sich mit der erfahrungswissenschaftlichen Analyse der gesellschaftlichen Bedingungen in der Entwicklung des Menschen zu einem sozial handlungsfähigen Subjekt[5]. Als „erfolgreiche Sozialisation“ sieht man ein hohes Maß an Symmetrie von objektiver und subjektiver Wirklichkeit (und natürlich Identität) an. Umgekehrt muss demnach „erfolglose Sozialisation“ als Asymmetrie zwischen objektiver und subjektiver Wirklichkeit verstanden werden[6].

1.2 Begriffsentwicklung

1.2.1 Struktur- funktionalistische Sozialisationsbegriff

Parsons sah Sozialisation als Prozess, durch den die Individuen die Dispositionen erwerben, um die in der Gesellschaft vorgegebenen Rollen als Akteure zu spielen. Sozialisation gewährleistet so die funktionierende Interaktion zwischen gesellschaftlichen Akteuren, wenn sie sich konform mit den entsprechenden Normen verhalten. Gesellschaftliche Instanzen bestimmen während der Ontogenese von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter die Persönlichkeitsentwicklung in zentralen Aspekten wie Motivation, Moral, Sprache oder Kognition. Es wurde kritisiert, dass dem Sozialisanden kein aktiver Beitrag an seiner Sozialisation zuerkannt wurde und kam es in den 1970er Jahren zu einer Wende im theoretischen Verständnis. Der Anteil an dieser Neuorientierung hatten vor allem die Entstehung der systemischen Familienforschung, die ökologische Sozialisationsforschung, die Entwicklungspsychologie und Jean Piaget.[7]

1.2.2 Sozialökologischer Sozialisationsbegriff

Im sozialökologischen Sozialisationsbegriff stand die Eigenaktivität des Individuums im Vordergrund und die zentrale These lag in der gegenseitigen Abhängigkeit der sozialen Wirklichkeit mit einem sinnstiftenden, konstruktiv tätigen Subjekt, wobei traditionellen Annahmen einer Normenübernahme und Weiterentwicklung dieser Normen durch das Subjekt mit einfließen. Es wird ein Spannungsverhältnis im Subjekt eingebaut, das zwischen den Polen der Autonomie und der Anbindung an bereits etablierte Strukturen pendelt.

Der Vorteil dieser Bestimmung lag in der Ermöglichung einer kritischen Sicht auf den Sozialisationsprozess aus der Perspektive des autonom handelnden Individuums[8].

1.3 Sozialisationsprozess

Innerhalb des Sozialisationsprozesses werden vor allem die primäre und die sekundäre Sozialisation unterschieden. Sozialisation ist ein Prozess, der nie abgeschlossen ist. Im Zentrum steht die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit sowie der sozialen Beziehungen einer Person. Zur Persönlichkeit gehört einerseits die Individualität, die den Einzelnen von allen Anderen unterscheidet, andererseits die Intersubjektivität, die die Mitglieder einer Gesellschaft oder Gemeinschaft miteinander teilen (Werte, Normen, soziale Rollen, usw.).

Die primäre Sozialisation findet vor allem in der Familie - aber auch in Beziehungen zu Gleichaltrigen - statt und wird mit der Herausbildung einer personalen Identität des Individuums abgeschlossen. Die in dieser Phase verinnerlichten Normen, Werte und Verhaltensweisen gelten als stabil, können sich aber in einer sekundären Sozialisation noch ändern, beispielweise bei Kontakt mit anderen Wertegemeinschaften.

Die sekundäre Sozialisation bereitet das Individuum auf seine Rolle in der Gesellschaft vor und findet hauptsächlich in der Familie, Schule oder Altersgruppe statt.

Die tertiäre Sozialisation findet im Erwachsenenalter statt und bezeichnet die Anpassungen, die das Individuum in Interaktion mit seiner sozialen Umwelt ständig vornimmt. Da Sozialisation als ein lebenslanger Prozess des Lernens und der Anpassung verstanden werden muss, kann schließlich auch im beruflichen Bereich (berufliche Sozialisation) und darüber hinaus von einer tertiären Sozialisation gesprochen werden[9].

1.4 Sozialisation der Eltern durch ihre Kinder

Rheingold war der Ansicht, dass ein Kind, das die Personen seiner Umgebung stärker sozialisiert, als dass es selbst durch seine Eltern sozialisiert wird, nicht nur den Tagesablauf seiner Eltern und die Gestaltung der äußeren Situation (zum Beispiel die Einrichtung der Wohnung) beeinflusse, sondern nachhaltige Umstrukturierungen des sozial- emotionalen Verhaltens der Eltern auslöse. Im Kindes- und Jugendalter verlangen dann Freizeitinteressen, Moden, Freunde und vielerlei Autonomieansprüche der Kinder Anpassungsleistungen der Eltern. Pauls und Johann beobachteten Methoden, mit denen Kinder ihre Eltern beeinflussen: konstruktiv-aktive Steuerung, oppositionelle Steuerung, Steuerung durch Bestrafung, Steuerung durch Ignorieren elterlicher Normen, Steuerung durch Einschmeicheln und Einfordern von Begründungen oder Vorschriften und Verboten. Diese Methoden zwingen die Eltern zur Reflexion ihrer Anordnungen und Urteile und teilweise auch zu Revision ihrer Einstellungen. Die „Replikationsstudie“ (1997) und der „Fragebogens zur Erfassung kindlicher Steuerung“ ergab im Vergleich zu den Ergebnissen der Erhebung von 1982 eine deutliche Zunahme problematischen kindlichen Steuerungsverhaltens gegenüber den Eltern und eine Abnahme aktiv- konstruktiver Formen der kindlichen Einflussnahme auf ihre Eltern. Die Annahme der aktiven Beteiligung des Kindes führt dazu, dass die Bildung eines Kindes aus der dessen Interaktion mit seiner Umwelt geklärt werden soll[10].

1.5 Konzept der Selbst sozialisation

In den gängigen Lehrbüchern, die sich mit der Persönlichkeitsentwicklung beschäftigen, tauchen schon lang Begriffe auf, die das Präfix „Selbst“ tragen. Doch nach dem Begriff „Selbstsozialisation such man eher vergeblich, denn Sozialisation wird in ersten Linie als Fremdsozialisation verstanden[11]. Fremdsozialisation hat immer etwas mit pädagogischer Lenkung zu tun, denn die heranwachsende Generation wird auch über bewusstes erzieherisches Wollen und Handeln sozialisiert[12]. Der Prozess des Heranwachsens wird als Selbstkontrolle des Subjektes jenseits von Fremdeinflüssen definiert

Dabei begründet sich das Modell der Selbstsozialisation durch die Beobachtung, dass Individuen, quer durch alle Sozialisationsinstanzen hindurch, immer früher in ihrer Entwicklung lebensperspektivisch relevante Entscheidungen selbst mitverantwortlich tragen, während gleichzeitig die individualisierte Biographisierung des Lebenslaufs immer weiter fortschreitet. Die Eigenleistung des Individuums im Rahmen des Sozialisationsprozesses wird hervorgehoben. Teilprozesse der Selbstsozialisation sind die Selbstkultivierung und die Selbsterschaffung von Entwicklungsumwelten. Krappmann kritisiert an dieser Theorie, dass zwar der Begriff des Selbstanteils hervorgehoben wird, aber dieses Selbst aus seinen konstitutiven Zusammenhängen herauslöst[13]. Nach Zinnecker birgt die Rede von der Selbstsozialisation eine auch eine Doppeldeutigkeit, denn es geht um die Eigensozialisation und um die Sozialisation des Selbst. Dennoch geht es in beiden die personalen Ressourcen in der Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen. Selbstsozialisation ist also nach Zinnecker so zu verstehen, dass ein „Selbst“, ein aktiver Kern der Persönlichkeit sozialisiert wird und dass hierbei die betreffende Person eine Eigenleistung beiträgt (Eigensozialisation). Mit dieser entwickelt sich ein eigener Kindheits- und Jugendraum, welcher in Entgegensetzung zur Welt der Erwachsenen steht[14].

[...]


[1]Zimmermann, Peter: Grundwissen Sozialisation. Einführung zur Sozialisation im Kindes- und Jugendalter. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. Opladen: 2003. S.13.

[2]Fuhrer, Urs: Lehrbuch Erziehungspsychologie, Bern: 2005. S. 42.

[3]Zimmermann, Peter: Grundwissen Sozialisation. Einführung zur Sozialisation im Kindes- und Jugendalter. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. Opladen: 2003. S. 13.

[4]Henecka, Hans Peter: Grundkurs Erziehungssoziologie. Soziologie und pädagogisches Handeln. Freiburg u.a.:1980. S.69.

[5]Fuhrer, Urs: Lehrbuch Erziehungspsychologie, Bern: 2005. S. 41.

[6]Peter L. Berger, Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt/M.: 1969. S. 175.

[7]Fuhrer, Urs: Lehrbuch Erziehungspsychologie, Bern: 2005. S. 41-42.

[8]Fuhrer, Urs: Lehrbuch Erziehungspsychologie, Bern: 2005. S. 42.

[9]Peter L. Berger, Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt/M.: 1969. S. 139-204.

[10]Fuhrer, Urs: Lehrbuch Erziehungspsychologie, Bern: 2005. S. 43.

[11]Zimmermann, Peter: Grundwissen Sozialisation. Einführung zur Sozialisation im Kindes- und Jugendalter. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. Opladen: 2003. S.75.

[12]Zimmermann, Peter: Grundwissen Sozialisation. Einführung zur Sozialisation im Kindes- und Jugendalter. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. Opladen: 2003. S.76.

[13]Fuhrer, Urs: Lehrbuch Erziehungspsychologie, Bern: 2005. S. 44.

[14]Zimmermann, Peter: Grundwissen Sozialisation. Einführung zur Sozialisation im Kindes- und Jugendalter. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. Opladen: 2003. S. 77.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Der Gegenstandsbereich der Erziehungspsychologie
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Note
1,3
Autoren
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V61614
ISBN (eBook)
9783638550383
ISBN (Buch)
9783640860760
Dateigröße
552 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gegenstandsbereich, Erziehungspsychologie
Arbeit zitieren
Katharina Mewes (Autor:in)Sabine Ostrowitzki (Autor:in), 2006, Der Gegenstandsbereich der Erziehungspsychologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61614

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