Entwicklung und Ebenen des Transnistrienkonflikts


Hausarbeit, 2006

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Basisinformationen

3. Entstehung und Entwicklung des Konflikts
3.1 Vorgeschichte: Vom Fürstentum Moldau bis zum Ende der 1980er Jahre
3.2 Unabhängigkeit und Abspaltung Transnistriens
3.3 Konfliktlösungsversuche seit 1992
3.4 Konfliktphasen

4. Konfliktdimensionen
4.1 Theoretischer Hintergrund
4.2 Hintergrundbedingungen
4.3 Mobilisierung
4.4 Katalysatoren

5. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Am 2. September 2006 feierte die Transnistrische Moldauische Republik ihren 16. Jah­restag der Unabhängigkeit mit Kranzniederlegungen und Paraden[1]. Zwei Wochen spä­ter, am 17. September kam ein international nicht anerkanntes Referendum erneut zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Eigenstaatlichkeit unterstützt und an engeren Beziehungen zu Russland interessiert ist.[2]

Der kleine Landstreifen östlich des Dnjestrs (rumänisch: Nistru), der völkerrechtlich auf dem Gebiet der Republik Moldau liegt, hat in den vergangenen 16 Jahren quasi­staatli­che Strukturen und die Ansätze einer nationalen Identität und Staatsideologie aufge­baut. Seit ebenso langer Zeit versucht die internationale Gemeinschaft immer wieder eine Lösung für den Konflikt zu vermitteln – bisher ohne Erfolg.

Die vorliegende Hausarbeit widmet sich der Frage nach den Gründen und Ursachen des Konflikts. Zunächst werden einige Basisdaten sowie anschließend die wichtigsten Ent­wicklungslinien der Republik Moldau und die Phasen des Konflikts um Trans­nistrien vorgestellt. Kapitel 4 der Arbeit geht schließlich systematisch auf die Dimensi­onen des Konflikts ein und wirft so Licht auf Hintergrundbedingungen, Mobilisie­rungsfaktoren und Katalysatoren.

2. Basisinformationen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Republik Moldau (in der Landessprache: Republica Moldova) ist ein 33.700 km² großer Staat in Südosteuropa, der im Westen an Rumänien grenzt (Grenzfluss: Pruth) und im Norden, Osten und Süden eine gemeinsame Grenze mit der Ukraine hat. Die Be­völkerung umfasst ca. 3,3 Millionen Einwohner, von denen 75 % Mol­dauer und 4,4 % Gagausen sind. 8,4 % sind ukrainischer, 5,9 % russi­scher, 1,9 % bulgarischer Abstam­mung; 2,2 % bezeichnen sich als Rumänen. Der Staat hat am 27. Au­gust 1991 seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion proklamiert und ist als parlamentarische Demo­kratie verfasst.[3]

Die abtrünnige Transnistrische Moldauische Republik (rus­sisch: Приднестровская Молдавская Республика, Prid­nestrovskaja Moldavskaja Respublika) umfasst das moldau­ische Staatsgebiet östlich des Dnjestr plus die an dessen westli­chen Ufer lie­gende Stadt Ben der/Bendery und ist ansonsten von der Grenze zur Ukraine begrenzt. Die Fläche von 4.163 km² entspricht etwa 12 % der Gesamtfläche Moldaus, die etwa 550.000 Einwohner machen einen Anteil von 16 % der Ge­samtbevölkerung Moldaus aus. Rund 60 % der Bevölkerung sind ethnische Russen und Ukrainer, die verbleiben­den 40 % werden von ethnischen Moldauern und eine Reihe von kleineren Volksgrup­pen gebil­det, die jedoch teilweise stark russifiziert sind.[4]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3. Entstehung und Entwicklung des Konflikts

3.1 Vorgeschichte: Vom Fürstentum Moldau bis zum Ende der 1980er Jahre

Das Fürstentum Moldau, das die Gebiete der heutigen Republik Moldau zwischen Pruth und Dnjestr (Bessarabien), den Nordosten des heutigen Rumäniens bis zum Schwarzen Meer und weite Teil der Ukraine (insbesondere die Bukowina) umfasste, entstand im 14. Jahrhundert. 1512 kam das Fürstentum unter osmanische Herrschaft, 1775 verlor es die Bukowina an die österreicherischen Habsburger. Ab 1791 nahm das Russische Reich zunächst die Gebiete östlich des Dnjestrs und das südliche Bessara­bien in Besitz, 1812 eroberte Russland das restliche Bessarabien. In den transnistri­schen Gebieten und im Süden Bessarabiens siedelte Russland russische, ukrainische, serbische, bulgarische, gagausische und deutsche Kolonisten an, verschaffte sich so eine loyale Bevölkerungs­gruppe und veränderte die ethno-demographischen Verhält­nisse erheblich.[5]

In der Endphase des 1. Weltkriegs erklärte der Landesrat Bessarabiens die Unabhän­gigkeit von Russland und bildete die Moldauische Republik. Schon 1918 wurde jedoch der Anschluss an Rumänien proklamiert, was 1920 auch von den Pariser Vorortverträ­gen völkerrechtlich sanktioniert – von Sowjet-Russland aber nicht anerkannt wurde. Um den russischen bzw. sowjetischen Anspruch auf Moldau zu untermauern, wurde 1924 auf dem Gebiet der Ukrainischen SSR die Autonome Sowjetrepublik Moldau (MASSR) mit der Hauptstadt Tiraspol gebildet.[6]

Aufgrund des Hitler-Stalin-Paktes besetzte die Sowjetunion 1940 Bessarabien, doch im Zuge der Beteiligung am deutschen Ostfeldzug eroberte Rumänien 1941 nicht nur Bes­sarabien zurück sondern okkupierte auch die transnistrischen Gebiete bis zum Bug. Im Frühjahr und Sommer 1944 nahm die Rote Armee erneut Transnistrien und Bessara­bien ein und errichtete die bereits 1940 gegründete Moldawische Sozialistische Sowjet­republik (MSSR) wieder, die erstmals Bessarabien mit einem Teil Transnistriens zu­sammenfasste.[7]

Im Zuge der Sowjetisierung wurden zehntausende russischer und ukrainischer Spezia­listen zum Aufbau des Sowjetsystems in die MSSR geschickt. Bedingt durch die Indust­rialisierung kamen weitere hunderttausende Zuwanderer, vorwiegend russischer und ukrainischer Abstammung. Zudem wurden insbesondere links des Dnjestrs umfangrei­che sowjetische Truppen stationiert. Die rumänische Sprache musste in der kyrilli­schen Schrift geschrieben werden, die Moldau-Rumänen zwischen den Flüssen Pruth und Dnjestr wurden zum Moldawiervolk erklärt. Als Gegenbewegung zu dieser Russifi­zie­rung entstand seit Mitte der 80er Jahre eine Bewegung für die Umgestaltung des politi­schen Systems und für die Gleichberechtigung des Rumänischen gegenüber dem domi­nierenden Russischen sowie für die Wiedereinführung der lateinischen Schrift.[8]

3.2 Unabhängigkeit und Abspaltung Transnistriens

Im Sommer/Herbst 1989 kennzeichneten zwei republikweite Konflikte die politische Situation in der MSSR. Einerseits handelte es sich um eine Auseinandersetzung zwi­schen Befürwortern und Gegnern von ökonomischen und politischen Reformen. Zum anderen entbrannte ein Wettbewerb zwischen den vorwiegend bessarabischen Mol­dauern auf der einen und der russischsprachigen Bevölkerung auf der anderen Seite um die politische Vorherrschaft in Moldau. Diese ethnische Auseinandersetzung wurde durch die Sprachenfrage symbolisiert.[9] Die beiden Konfliktparteien waren einerseits überwiegend bessarabisch-moldauische Reformer innerhalb der KP, die sich mit mol­dauischen Intellektuellen und pro-rumänisch gesinnten Oppositionellen zur „Demo­kratischen Volksbewegung Moldaus“ zusammenschlossen. Auf der anderen Seite grün­deten Angehörige der russischsprachigen Eliten die Edinstvo-Bewegung, die sich für die Wahrung des status-quo einsetzte und entsprechend überwiegend reformfeind­lich eingestellt war.[10]

Am 31. August und 1. September 1989 verabschiedete der Oberste Sowjet der MSSR drei Gesetze, die das Moldauische zur alleinigen Staatssprache, Russisch zum Medium inter­ethnischer Kommunikation erklärten und den Übergang zur lateinischen Schrift vorsa­hen. Außerdem vollzog sich in diesen Monaten ein Machtwechsel in der Partei, der ei­nen reformfreundlichen Moldauer aus Bessarabien an deren Spitze brachte. Nach dem Sturz Ceauşescus in Rumänien Ende 1989 wurde seitens der moldauischen Natio­nalbe­wegung erstmals eine Vereinigung mit Rumänien ins Gespräch gebracht. Am 23. Juni 1990 verabschiedete der Oberste Sowjet, der nach den ersten partiell pluralisti­schen Wahlen inzwischen von der Volksbewegung dominiert wurde, die moldauische Souve­ränitätserklärung. Unter der russischsprachigen Bevölkerung entstanden durch diese Veränderungen Statusängste, die sich mit sozialen Ängsten verbanden. Die Spra­chenge­setze signalisierten einen Statuswechsel, der die Russen von der politisch, öko­nomisch und sozial dominierenden Gruppe zur nationalen Minderheit machte und die berufliche und soziale Position der nicht-moldauischen Führungsgruppen gefährdete.[11]

Aufgrund der Einflusslosigkeit der russischsprachigen Eliten auf die gesamtmoldau­ischen politischen Institutionen betrieben diese Gruppen eine Territorialisierung des Konflikts. Vertreter russischsprachiger und reformfeindlicher Gruppen zogen nach Ti­raspol oder in andere transnistrische Städte. Zusammen mit Angehörigen der rus­sisch­sprachigen Nomenklatura aus Wirtschafts-, Verwaltungs- und Parteieliten der trans­nistrischen Städte Rîbniţa und Tiraspol begannen sie eine Transnistrische Auto­nome Republik zu propagieren, d.h. einen Autonomiestatus innerhalb der MSSR. Sie beab­sichtigten so die wichtigsten industriellen Anlagen Moldaus zu kontrollieren und ihre politische und ökonomische Machtposition wenigstens in den Gebieten zu vertei­digen, die noch von den alten Eliten sowjetischen Typs beherrscht wurden. Das ethni­sche Konfliktpotential wurde dabei bewusst zur Durchsetzung der politisch-ideologi­schen und materiellen Interessen instrumentalisiert.[12]

Am 2.9.1990 rief der transnistrische Kongress der Volksdeputierten aller Ebenen schließlich die Transnistrische Moldawische Sozialistische Sowjetrepublik (PMSSR) mit der Hauptstadt Tiraspol aus. Diese Proklamation der Loslösung von Moldau und des Aufbaus einer eigenständigen Unionsrepublik fand unter dem Schutz von Truppen des sowjetischen Innenministeriums statt.[13] Nachdem von der moldauischen Führung unter Präsident Snegur eine Föderalisierung Moldaus ebenso abgelehnt wurde wie Zu­ge­ständnisse gegenüber Moskaus insbesondere hinsichtlich des Erhalts der Union, ver­schärfte sich der Konflikt weiter. Nach dem Moskauer Putsch vom August 1991 und den Unabhängigkeitserklärungen anderer Unionsrepubliken erklärte die PMSSR am 25. August 1991 ihre Unabhängigkeit. Zwei Tag später folgte die Unabhängigkeitserklä­rung Chişinăus, die dabei auch die transnistrischen Gebiete für die neue Republik Moldau beanspruchte.[14]

Dessen ungeachtet bemühten sich die transnistrischen Separatisten erfolgreich um die Etablierung ihres Machtanspruchs. Mit Ausnahme einiger moldauischer Dörfer sowie der Stadt Dubăsari kontrollierten sie Ende 1991 die Gebiete links des Dnjestrs. Bei den am 1. Dezember 1991 durchgeführten Präsidentschaftswahlen gewann der Russe Igor Smirnov, gleichzeitig stimmte angeblich die große Mehrheit der Bevölkerung in einem international nicht anerkannten Referendum für die Unabhängigkeit der neuen Trans­nistrischen Moldauischen Republik (PMR). Die moldauischen Präsidentschaftswahlen im selben Monat wurden hingegen boykottiert.[15]

Im Januar 1992 beschloss der Oberste Sowjet der PMR ein Konzept über die zukünf­tige Gestaltung der Republik Moldau, das eine Gemeinschaft dreier souveräner und unab­hängiger Republiken (Moldau, PMR und Gagausien) vorsah. Diese Umwandlung des Staates in eine Konföderation wurde seitens Chişinăus abgelehnt. Der moldauische Prä­sident Snegur bot hingegen den östlichen Rajons und den ebenfalls nach Autono­mie strebenden Gagausen lediglich den Status freier ökonomischer Zonen an. Die mol­daui­sche Regierung forderte die transnistrische Führung Anfang 1992 außerdem ulti­mativ zu einer Entwaffnung der Streitkräfte auf, wobei seitens der PMR kein Einlenken er­folgte.[16]

[...]


[1] Vgl.: Информационное агентство REGNUM (2006)

[2] Vgl.: Oertel (2006), S. 10

[3] Vgl.: Auswärtiges Amt (2006)

[4] Vgl.: Piehl (2005), S. 473; Pridnestrovie.net (2006)

[5] Vgl.: Piehl (2005), S. 469; Hanne (1998), S. 8

[6] Vgl.: Hanne (1998), S. 9; Piehl (2005), S. 470

[7] Vgl.: Piehl (2005), S. 470; Hanne (1998), S. 9

[8] Vgl.: Piehl (2005), S. 470; Hanne (1998), S. 10

[9] Vgl.: Hanne (1998), S. 13

[10] Vgl.: Piehl (2005), S. 470; Hanne (1998), S. 13

[11] Vgl.: Hanne (1998), S. 13 und 16; Piehl (2005), S. 470

[12] Vgl.: Wróbel (2003), S. 54; Hanne (1998), S. 14-16

[13] Vgl.: Piehl (2005), S. 473; Hanne (1998), S. 17

[14] Vgl.: Hanne (1998), S. 17 und 19

[15] Vgl.: Hanne (1998), S. 19

[16] Vgl.: Wróbel (2003), S. 54; Hanne (1998), S. 20

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Entwicklung und Ebenen des Transnistrienkonflikts
Hochschule
Hochschule Bremen
Veranstaltung
Internationale Beziehungen: Konflikte, Konfliktmanagement, Konfliktlösung
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V61578
ISBN (eBook)
9783638550093
ISBN (Buch)
9783638667470
Dateigröße
801 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklung, Ebenen, Transnistrienkonflikts, Internationale, Beziehungen, Konflikte, Konfliktmanagement, Konfliktlösung
Arbeit zitieren
Andreas Schmidt (Autor:in), 2006, Entwicklung und Ebenen des Transnistrienkonflikts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61578

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