'Japan as Number One' von Ezra F. Vogel – Ein bahnbrechendes Werk des Japandiskurses der 70er und 80er Jahre?


Seminararbeit, 2006

23 Seiten, Note: bestanden

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Das Buch: „Japan as Number One“
2.1. Hintergründe zur Entstehung des Buches
2.2. Zum Inhalt

3. Der Japandiskurs vor dem Erscheinen des Buches
3.1. Werke, auf die der Autor Bezug nahm
3.2. Weitere Werke des Japandiskurses der späten 70er Jahre

4. Reaktionen auf das Werk
4.1. Einfluss des Buches auf den Japandiskurs
4.2. Politische Theorie im Angesicht japanischer Wirtschaftsdominanz
4.3. Einfluss des Werkes außerhalb der USA

5. Fazit

6. Bibliographie

1. Einleitung

Die Studentin las einmal in einem Artikel, das Buch „Japan as Number One“ sei das bahnbrechenste Werk des Japandiskurses gewesen - gemessen am Effekt, den es auf andere Autoren hatte.

Stimmt dies? Das Seminar „’Nihon(bunka)ron’ - Diskurse über Japan und die japanische Kultur“ belegte die Studentin, um dies herauszufinden. Nach dem Seminar schien die Antwort ‚nein’ zu sein. Doch mit Hilfe dieser Hausarbeit soll noch einmal der Effekt des Buches „Japan as Number One“ auf andere Werke untersucht werden. Außerdem soll herausgefunden werden, ob es korrekt ist, wenn Aoki Tamotsu schreibt, dass das Werk „[...]als Sammlung der verschiedenen Japandiskurse, die die Japanizität als Positivum darstellen“[1] gesehen werden kann. Daher wurde der folgende Aufbau der Hausarbeit gewählt:

Im ersten Teil der Hausarbeit wird ein Einblick in die Motivation und den persönlichen Hintergrund des Autors und die wirtschaftliche Lage der Länder geben. Darüber hinaus wird das Werk inhaltlich vorgestellt.

Im zweiten Teil wird die bereits zitierte Aussage Aokis bewiesen und der Einfluss von Werken, die die Phase der Japanizität als Positivum maßgeblich beeinflussten, auf „Japan as Number One“ nachgewiesen. Desweiteren wird eine Übersicht über zeitgenössische Werke gegeben.

Im dritten Teil wird der Einfluss des Werkes auf den Japandiskurs hauptsächlich in den USA, nach 1979 nachvollzogen. Dabei wird auch der Japandiskurs in Deutschland und Japan angesprochen. Da das Buch primär ein wirtschaftswissenschaftliches Werk ist, wird sich die Studentin in ihrer Analyse größtenteils auf diesen Bereich des Japandiskurses konzentrieren.

Das Werk „Japan as Number One, Lessons for America“ wurde in seiner Originalversion gelesen. Um die Authentizität und Nuancen von Ausdrücken in der Hausarbeit beibehalten zu können, werden alle Zitate im Original belassen.

Desweiteren werden japanische Namen in traditioneller japanischer Schreibweise – Familiennamen zuerst, gefolgt vom Vornamen - gegeben. Aus Gründen der Praktikabilität wird der Begriff „Westen“ auch trotz seiner Ungenauigkeit genutzt.

2. Das Buch: „Japan as Number One“

Ezra F. Vogel, Japan as Number One, Lessons for America. Cambridge Mass.: Harvard University Press, 1979.

Das Werk, das US-amerikanischen Experten als Ratgeber für die Neuausrichtung der lahmenden amerikanischen Wirtschaft dienen sollte, fiel besonders durch die Umkehrung der bis dato im Japandiskurs gebräuchlichen Argumentationsstrukturen auf.

Bisher waren stets japanische Modelle zur Basis von Argumentationen gemacht und mit den westlichen Pendants verglichen worden um dann Schlüsse zu ziehen.

Vogel kehrte dieses Prinzip um, um dem amerikanischen Leser „einen Spiegel vorzuhalten“.

2.1. Hintergründe zur Entstehung des Buches

Es kann davon ausgegangen werden, dass der 1932 geborene Autor aufgrund seiner Vitae mit dem Japandiskurs der 60’er und 70’er Jahre vertraut war, als er sein Werk verfasste.

Erzra Vogel hatte 1958 in Sozialwissenschaften an der Universität von Harvard promoviert nachdem er sich schon während des Studiums auf Japan spezialisiert hatte. Danach ging er nach Japan, um sozialwissenschaftliche Untersuchungen durchzuführen.[2] In dieser Zeit entstand Vogels’ erstes Buch „Japan’s New Middle Class“[3], welches laut Aoki eine der Grundlagen für sein 1979 erschienendes Buch war.[4]

Im Vorwort von „Japan as Number One“ beschreibt Vogel, dass er nach der Rückkehr in die USA engen Kontakt zu den japanischen Bekannten, die er teilweise schon von seiner Studienzeit in Harvard kannte, hielt und sich auf diese Kontakte beim Verfassen des Buches verließ. Teilweise waren diese Bekannten zu hochrangigen Beamten innerhalb der japanischen Regierung aufgestiegen.

Den Wandel von sozialwissenschaftlichem Interesse zur wirtschaftswissenschaftlichen Neugier beschreibt Vogel wie folgt:

„Astounded by the recent Japanese successes, I found myself wondering why Japan, without natural resources, was making substantial progress in dealing with problems which seemed so intractable to Americans. […] I am convinced that it is a matter of urgent national interest for

Americans to confront Japanese success more directly and consider the issues they raise“

Vogel befürchtete, Japan könne die USA schon bald als Weltwirtschaftsmacht Nummer eins ablösen.

Zur Zeit als das Buch entstand, gab es für diese Befürchtungen zahlreiche Gründe, denn tatsächlich hatte die japanische Wirtschaft erstaunlich erfolgreich zu den USA aufgeschlossen: Unter anderem war Japans Bruttosozialprodukt pro Kopf in 30 Jahren von 1950 – 1980 mehr als drei mal so stark wie das der USA gestiegen[5], das Defizit der USA im Handel mit Japan betrug jährlich über 30 Milliarden US$[6], Japan hatte die USA in der Rangliste des „IMD World Competitiveness Rankings“ der leistungsstärksten Länder auf Rang eins abgelöst[7] und Japan hatte die USA in der Personen- und Nutzfahrzeugsproduktion überholt[8].

2.2. Zum Inhalt

Das Buch ist in drei Teile unterteilt: (1) In „The Japanese Challenge“ wird zunächst erklärt, warum gerade Japan als ein Vorbild dienen soll. Obwohl die Aufstellung dieses Vergleiches bei einem Japanexperten nahe liegt, begründet er diesen unter anderem durch die Unterschiedlichkeit der beiden Staaten und den Fakt, dass Japan bereits Probleme bewältige, die in den USA erst entstünden. Desweiteren schafft Vogel in diesem Teil durch zahlreiche Vergleiche eine Basis für den Leser, um die beiden Länder gegenüberstellen zu können. Diese Vergleiche erstrecken sich von der Zufriedenheit der Bürger über die Pro-Kopf-Produktionsmengen in der Stahlindustrie bis hin zum professionellen Sport über die ganze Breite der Gesellschaft. Obwohl die Vergleiche insgesamt Japan als den Gewinner portraitieren, zieht Vogel auch Vergleiche heran, bei denen die USA vorn liegt. Damit erzielt er eine Objektivität, die für die Akzeptanz des Werkes unter Wissenschaftlern sehr wichtig gewesen sein muss.

(2) Der zweite Teil mit dem Titel „Japanese Success“ analysiert die Institutionen und Maßnahmen, die Vogel für übertragungswürdig hält. Dabei verwebt und erklärt er viele Theorien und Thesen des bis dato geführten Japandiskurses. Auf einige dieser wird in den folgenden Kapiteln zurückgegriffen.

Die „japanischen Erfolge“ werden in den Kapiteln über Wissensaneignung, den Staat mit seiner leistungsorientierten Führung und privaten Initiative, die Interessenbildung und Kräfteverteilung in der Politik, die Großunternehmensführung, die qualitativ hohe und egalitäre Bildungsvermittlung, die Wohlfahrt und das System der Verbrechenskontrolle erläutert.

(3) Den dritten Teil mit dem Titel „Lessons: Can a Western Nation Learn from the East“ beginnt Vogel mit dem Aufzeigen der Ineffizienz konventioneller Maßnahmen zur Verteidigung gegen die wirtschaftliche Dominanz Japans. So erklärt er, dass sich durch den Wertverlust des US Dollars die japanischen Waren nicht automatisch verteuerten, da unter anderem die für die japanische Produktion benötigten, Rohstoffe dann aus der USA billiger importiert werden könnten (S. 227f.).

Desweiteren schlägt Vogel Maßnahmen vor, wie man das amerikanische System reformieren könne, um dem japanischen näher zu kommen. Seine Vorschläge beziehen sich auf die zahlreiche Gebiete – von der staatlichen Unterstützung amerikanischer Unternehmen, der staatsgelenkten Verlagerung von Arbeitsplätzen von unprofitablen zu aufstrebenden Industriezweigen, bis hin zu Bürokratieabbau, einer gemeinsamen Vision der Bürger mit transnationalem Zusammenarbeiten und der Bündelung von politischen Interessen.

Am Ende des Buches rekapituliert Vogel noch einmal, dass Japan durch das Benchmarking zu seinem Erfolg kam So ermutigt er den amerikanischen Leser, sich etwas von Japan abzuschauen und so die wirtschaftliche Situation im eigenen Land zu verbessern.

3 Der Japandiskurs vor dem Erscheinen des Buches

Das Werk, das 1979 erschien, wird nach der Einteilung der Phasen des Japandiskurses nach Aoki Tamotsu in die Spätphase der Japanizität als Positivum von 1977-1983 eingeordnet.

Um den US-amerikanischen Leser zu animieren, sich etwas von Japan „abzugucken“, bediente sich Vogel folgender, schon öfter im Japandiskurs verwandter, Ansätze:

- Die noch im Japandiskurs der frühen 70er Jahren vorherrschende Idee Westen = Moderne wird umgekehrt und Japan wird zum Vorbild für den Westen – in Form der USA -erhoben.
- Ein kulturrelativistischer Ansatz wird verfolgt, in dem der Autor die diskutierten Kulturen nicht hierarchisch in Beziehung zueinander einordnet. Kulturen werden auf gleicher Höhe gegenübergestellt und die Schwierigkeit der Umsetzung japanischer Geschäftsmethoden in den USA wird anerkannt.
- Der für den Japandiskurs stets geforderte holistische Ansatz für die Argumentation wird verfolgt, doch ist es nachvollziehbar, dass ein Buch mit dem Forschungsansatz der Herausstellung der positiven Eigenschaften der japanischen Strukturen diesem Anspruch nur bedingt nachkommen kann. So werden negative Eigenschaften des japanischen Gesellschaftsmodells, wie es Vogel erklärt, nur am Rande erwähnt.[9]

3.1. Werke, auf die der Autor Bezug nahm

Laut Aoki fungiert das Werk „[...]als Sammlung der verschiedenen Japandiskurse, die die Japanizität als Positivum darstellen“[10], doch keines der Werke, die im Buch Aokis kennzeichnend und wegbereitend für den Japandiskurs der frühen oder späten Phase der Japanizität als Positivum genannt werden, sind im Quellenverzeichnis von „Japan as Number One“ aufgeführt.

Dort sind, dem Thema angepasst, ausschließlich wirtschaftsrelevante Schriften verzeichnet.

Wie kann es also sein, dass Ezra Vogels „Japan as Number One“ als Sammlung der Japandiskurse gerade dieser Zeit gilt?

Die im Buch „Der Japandiskurs im historischen Wandel“ aufgeführten Werke sind vorrangig soziologischer Art. Dies scheint logisch, da der Autor ein studierter Kulturanthropologe ist.[11] Diese Werke direkt zu zitieren, hätte Vogel bei der wirtschaftswissenschaftlichen Argumentation nicht unterstützt.

Doch wird auf einflussreiche Konzepte der Phase der Japanizität als Positivum indirekt Bezug genommen. Sie werden als Hintergrundinformation erklärt, wenn sie in einem von Vogel aufgegriffenen japanischen Konzept auftreten. Dabei werden keine soziologischen Bezeichnungen gebraucht. Sie stellen keine die Kernelemente, die Vogel zur Übernahme in das US-amerikanische System vorschlägt, dar.

Im Folgenden sollen einige Beispiele für dieses Vorgehen aufgezeigt werden.

I. Die Gruppenorientierung, die Nakane Chie in ihrem 1967 erschienenen Werk „Zwischenmenschliche Beziehungen in einer vertikalen Gesellschaft“ als ein Phänomen, das in dieser Form nur in der japanischen Gesellschaft vorkommt, beschrieb, wird auch in „Japan as Number One“ mehrmals erwähnt. Zum Beispiel wird im neunten Kapital, das die Verbrechenskontrolle thematisiert, Folgendes erklärt:

[...]


[1] Aoki, Tamotsu,Der Japandiskurs im historischen Wandel. Zur Kultur und Identität einer Nation. München: Iudicium Verlag, 1996, S. 91.

[2] Ezra F. Vogel,Japan as Number One, Lessons for America. Cambridge Mass.: Harvard University Press, 1979.S.vii f.; www.wikipedia .com. Eintrag: Ezra Vogel. [28.07.2006].

[3] Ezra F. Vogel,Japan’s New Middle Class – The Salary Man and his Family in a Tokyo Suburb Berkeley: University of California Press, 1963

[4] Aoki S. 91.

[5] Heston, Alan, Summers, Robert und Aten, Bettina. Penn World Table Version 6.1. Philadelphia: Center for International Comparisons at the University of Pennsylvania, 2002.

[6] Vogel,Japan as Number One, S.12.

[7] IMD World Competitiveness Ranking, URL: http://www02.imd.ch/wcc/. [31.07.2006].

Diese jährlich erstellte Rangliste untersucht ca. 61 Länder und Regionen der Welt auf ihre Konkurrenzfähigkeit.

[8] Gaugler, Eduard und Zandler, Ernst(Hrsg), Haben uns die Japaner Überholt?, Heidelberg: I.H.

Sauer-Verlag, 1981. S. 137f.

[9] Im letzten Teil des Buches werden unter “dangers and costs” in fünf Seiten die Nachteile der im Buch über 195 Seiten erklärten Systeme erwähnt.

[10] Aoki S. 91.

[11] Information zum Autor von seinem deutschen Verlag: http://www.iudicium.de/katalog/494-8.htm [Zugriff 28.07.06]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
'Japan as Number One' von Ezra F. Vogel – Ein bahnbrechendes Werk des Japandiskurses der 70er und 80er Jahre?
Hochschule
Universität Leipzig
Veranstaltung
Nihon(bunka)ron’ - Diskurse über Japan und die japanische Kultur
Note
bestanden
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V61571
ISBN (eBook)
9783638550024
Dateigröße
597 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Seminararbeit ist nach Korrektur durch die Professorin von der Studentin überarbeitet.
Schlagworte
Japan, Number, Ezra, Vogel, Werk, Japandiskurses, Jahre, Nihon(bunka)ron’, Diskurse, Japan, Kultur
Arbeit zitieren
Anonym, 2006, 'Japan as Number One' von Ezra F. Vogel – Ein bahnbrechendes Werk des Japandiskurses der 70er und 80er Jahre?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61571

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