Medien auf Kuba: Journalismus vor dem Hintergrund eines sozialistischen Regimes


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Kontext und Thema der Arbeit
1.2 Ziel und Vorgehensweise

3. Journalismus und politische Systeme

4. Kuba
4.1 Länderdaten
4.2 Geschichte
4.3 Politisches System

5. Medien und Journalismus auf Kuba: Bestandsaufnahme
5.1 Offizieller Journalismus
5.2 Unabhängiger Journalismus
5.3 Internet

7. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Kontext und Thema der Arbeit

Die Wechselbeziehungen zwischen Information und Gesellschaft stehen immer wieder im Zentrum kontroverser öffentlicher Diskussionen. Die Informationsgesellschaft, allgemein verstanden als eine durch ein hohes Maß an Informations- und Wissensvermittlung geprägte Gesellschaft, zeichnet sich durch die Produktion, Sammlung, Verwertung und Verbreitung von Information und Wissen aus. Diese Verbreitung geschieht in der Regel über Massenmedien, wozu Presse, Hörfunk, Fernsehen und das Internet gezählt werden. Die Publikumsinformation, ein Schwerpunkt der Informationswissenschaft, beschäftigt sich damit, wie Medien dieser Funktion gerecht werden. Grundlage dafür ist die in vielen Ländern der Welt gesetzlich verankerte Pressefreiheit, ein Grundrecht zur ungehinderten Herstellung und Verbreitung von Presseerzeugnissen. Dieses Fundament trägt in Demokratien zur Information, zur persönlichen Meinungsbildung der Gesellschaft und zur Ausübung von Kritik und Kontrolle bei – die zentralen Funktionen von Massenmedien (Chill/Meyn 2000, S. 3).

In anderen Regierungssystemen bleibt der Gesellschaft und den Journalisten als Vertreter der Massenmedien das Recht auf die Ausübung dieser Medienfunktionen verwehrt. Das ist zum Beispiel auf Kuba der Fall: Die Pressefreiheit gilt nur im Rahmen der sozialistischen Maximen, die Presse ist gleichgeschaltet, unabhängiger Journalismus ist gesetzlich verboten und wird strafgesetzlich verfolgt. Diese grundlegenden Bedingungen stellen andere Anforderungen an die journalistische Arbeit als zum Beispiel in Deutschland. Deshalb wird in der vorliegenden Arbeit das kubanische Mediensystem untersucht. Es wird dargestellt, welche Aufgaben dem Journalismus in einem sozialistischen System zukommen und wie und unter welchen Bedingungen Journalisten arbeiten.

Raúl Rivero (1998, S. 1), Gründer der unabhängigen kubanischen Presseagentur CubaPress in Havanna, charakterisiert die Mediensituation in Kuba wie folgt:

„Seit wir, eine Gruppe aus Männern und Frauen, von innen heraus begonnen haben, der Außenwelt und großen Teilen der kubanischen Bevölkerung unser Bild der Wirklichkeit und unsere Standpunkte näher zu bringen sowie objektiv und professionell die wichtigsten Episoden unseres täglichen Lebens zu schildern, wurden wir mit Verboten belegt, vergessen, unseres Menschseins beraubt und schließlich eingesperrt. Denn in Kuba gibt es nicht nur keine Pressefreiheit, sondern – schlimmer noch – keine Presse. Was in Zeitungen und Zeitschriften zu lesen, im Radio zu hören oder im Fernsehen zu sehen ist, stellt die Ansicht des Lebens dar, die der Staat als alleiniger Gebieter über die Wahrheit für seine Bevölkerung als geeignet erachtet.“

Raúl Rivero ist einer der 75 Dissidenten, die im März 2003 auf Kuba festgenommen wurden. 30 unabhängige Journalisten waren unter den Verhafteten, die in schnellen, dreitägigen Gerichtsverfahren – von manchen als „Geheimprozesse“ (Gehrke 2003, S. 2) oder „stalinistisch anmutende Prozesse“ (ROG 2005) bezeichnet – zu zwischen 14 und 27 Jahren Haft verurteilt wurden. Den Menschen wurde der Prozess gemacht, weil sie angeblich mit den USA gegen die Unabhängigkeit und die territoriale Integrität Kubas zusammenarbeiten. Am 24. März 2005 wird der freie Journalist Oscar Mario González von der Polizei verhört und erpresst: Wenn er nicht aufhöre, die Regierung zu kritisieren, würde ihm die Ausreise aus dem Land verboten, um seine Tochter in der Schweiz zu besuchen (Radio Martí 2005). Diese neuesten Entwicklungen lassen vermuten, dass die Verhaftungswelle von 2003 nicht Höhe- und Wendepunkt zugleich war, sondern nur eine weitere Station im Kampf der kubanischen Regierung gegen objektiven Journalismus.

1.2 Ziel und Vorgehensweise

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem kubanischen Mediensystem und den Bedingungen, denen der Journalismus vor dem Hintergrund eines sozialistischen Regimes unterworfen ist. In einem ersten Schritt wird zunächst erläutert, inwieweit Journalismus allgemein abhängig ist von den politischen Systemen, in denen er arbeitet. Dazu werden sowohl theoretische Modelle von Mediensystemen betrachtet als auch Untersuchungen über die Situation der Pressefreiheit, jeweils mit besonderem Blick auf Kuba und dessen Staatsform der sozialistischen Republik. Kapitel 4 gibt einen Überblick über das Land Kuba mit seiner Geschichte ab der Kubanischen Revolution von 1959 und dem seither geltenden politischen System. Kapitel 5 beinhaltet eine Bestandsaufnahme der Medien und Formen des Journalismus auf Kuba. Es wirft einen Blick auf die offiziellen Medien, die unabhängigen Medien und auf die Rolle des Internet, zeichnet die aktuelle Situation nach und beschäftigt sich mit den Problemen, die das sozialistische Regierungssystem für die Funktion von Medien und für die Aufgabe und Arbeit von Journalisten in der Praxis darstellt.

Die deutschsprachige Wissenschaft hat sich mit der Lage der Presse auf Kuba bislang wenig auseinandergesetzt, Literatur zu dieser brisanten Thematik gibt es kaum. Für diese Arbeit war es daher erforderlich, auf spanischsprachige Quellen, zumeist aus dem Internet, zurückzugreifen. Zitate daraus wurden im Fließtext durch die Verfasserin übersetzt, das spanische Original findet sich zudem jeweils in Fußnoten.

3. Journalismus und politische Systeme

Allgemein wird unter Journalismus die „hauptberufliche Tätigkeit von Personen, die an der Sammlung, Prüfung, Auswahl, Verarbeitung und Verbreitung von Nachrichten, Kommentaren sowie Unterhaltungsstoffen durch Massenmedien beteiligt sind“ verstanden (Koszyk/Pruys 1981, S. 96). In einem demokratischen System üben die Massenmedien Presse, Hörfunk, Fernsehen und Internet drei grundlegende Funktionen aus, die sich zum Teil überschneiden: Information, Mitwirkung an der Meinungsbildung und Kontrolle und Kritik (Chill/Meyn 2000, S. 3). Weitere Aufgaben sind Unterhaltung und Bildung. Die Freiheit der Presse wurde in Deutschland bereits 1848 bei der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche als wesentliches Grundrecht erklärt. Auch in die Weimarer Verfassung von 1919 wurde die Pressefreiheit in den Grundrechtskatalog aufgenommen. Seit 1949 ist die Pressefreiheit im deutschen Grundgesetz (1994, S. 14) verankert. In Artikel 5, Absatz 1 heißt es:

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Auch in anderen demokratischen Ländern ist die Pressefreiheit gesetzlich festgelegt, zum Beispiel in den USA seit 1791 und in Frankreich seit 1872 (Chill/Meyn 2000, S. 7). Innerhalb anderer politischer Rahmenbedingungen als den demokratischen wurden und werden die Medien immer wieder dazu benutzt, gemäß den Zielen der politischen Marschrichtung massiv Einfluss zu nehmen auf die Information, die den Bürger über die Medien erreicht.

Weischenberg (1998, S. 105) unterscheidet deshalb grundlegend zwischen geschlossenen und offenen Mediensystemen. Einem offenen Mediensystem, wie es in demokratisch geführten Ländern existiert, schreibt er zu, dass das Mediensystem als soziales Subsystem prinzipiell selbstständig ist beim Umgang mit Informationsangeboten. Mit einem geschlossenen Mediensystem bezeichnet der Autor „die legalisierte Einflussnahme durch bestimmte gesellschaftliche Subsysteme, die sich als Kommunikationskontrolle auswirkt“. Dies geschehe im Allgemeinen durch das politische System, was die explizite Einbindung der Medien und ihrer Nachrichtengebung in eine staatliche Ideologie bedeute. Als Beispiel eines Vertreters eines geschlossenen Mediensystems nennt Weischenberg den ehemaligen Chefredakteur der russischen kommunistischen Tageszeitung Prawda [1], Wiktor Afanasjew, der 1984 in einem Interview bekannt hatte, dass Nachrichten, die die Herausgeber der Zeitung nicht für lebensnotwendig halten, auch nicht veröffentlicht werden. In seiner Medienwelt gehe es vor allem um die Übermittlung der „richtig ausgewählten“ Aussagen über die „vitalen Bedürfnisse der Bevölkerung“ (Weischenberg, S. 106). Dass es die Aufgabe der Medien in einem sozialistischen Staat ist, das „falsche“ Bewusstsein in „richtiges“ Bewusstsein umzuwandeln, definierte auch Karl Marx. Diese Umwandlung könne nicht mit Hilfe von objektiven Medien geschehen (Weischenberg 1998, S. 109). In der Folge, so leitet Weischenberg her, geht es dabei nicht um eine Interpretation der Welt, wie sie ist, sondern um die Veränderung dieser Welt. Weischenberg schlussfolgert daraus, dass die Presse damit als zentrales Element der Gesellschaft und insbesondere als Element der gesellschaftlichen Veränderung definiert wird. Selbst der Charakter der Information, die den Bürger erreicht, wird in einem sozialistischen Staat sehr genau unterschieden. Hier erfolgt die Einteilung zwischen Primär- und Sekundärinformation (Weischenberg 1998, S. 111). Primärinformation meint dabei das Lebensnotwendige, „das, was man wissen muss, um sich in der Gesellschaft bewegen zu können“. Mit Sekundärinformation wird jede Form von Unterhaltung und Zerstreuung bezeichnet.

Besonders durchdringend missbrauchten die Nationalsozialisten im Dritten Reich die Macht der Medien. Presse, Rundfunk und Film waren durch ein eigenes Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda gleichgeschaltet. Es wurden nur solche Informationen weitergegeben, die das politische System stützten (Chill/Meyn 2000, S. 7). Auch am anderen Ende des politischen Spektrums, im Kommunismus und Sozialismus, wird die zentrale Lenkung der Medien zur Stärkung der politischen Macht eingesetzt. Dies geschieht in erster Linie durch Zensur, worunter die staatliche Überwachung und Unterdrückung von Veröffentlichungen mit dem Ziel, unerwünschte Äußerungen zu verhindern und die Meinungen der Bürger in einseitiger Weise zu beeinflussen (Duden 1992, S. 442), verstanden wird. Totalitäre Staaten setzen Zensur somit als zentrales Mittel der Meinungsmanipulation ein.

Die Kontrolle der Presse ist allerdings kein historisches Problem. Alljährlich veröffentlicht die Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) eine Rangliste zur Situation der Pressefreiheit weltweit (ROG 2004c). Die Grundlage für diese Rangliste bildet ein umfassender Fragenkatalog, der von Journalisten, Wissenschaftlern, Rechtsexperten und Menschenrechtlern beantwortet wird. Abgefragt werden verschiedene Aspekte wie Verhaftungen, gewalttätige Übergriffe, Morde sowie politische, rechtliche und ökonomische Einflüsse. 2004 zählten unter anderen Dänemark, Finnland, die Niederlande und Deutschland zu den Ländern mit der größten faktischen Pressefreiheit. Am Ende der 167 Länder erfassenden Rangliste standen Saudi-Arabien (Platz 159), Vietnam (161), China (162) und auf dem letzten Platz Nord-Korea.

Kuba, dessen Mediensystem den Kern dieser Arbeit bildet, liegt auf dem vorletzten Platz. Das Land zählt laut Schäfter (2004, S. 1) „zu den größten Gefängnissen für Journalisten weltweit“, da Kritik an der Politik von Staatsoberhaupt Fidel Castro als Verbrechen geahndet und unter Umständen mit langer Haft bestraft wird. Ein Viertel der weltweit 126 inhaftierten Journalisten sitzt in kubanischen Gefängnissen. Fidel Castro wird deshalb auch als „einer der 37 schärfsten Widersacher der Pressefreiheit“ (ROG 2004d, S. 1) bezeichnet. Als einer der Hauptgründe für das schlechte Abschneiden Kubas in der aktuellen sowie in der Rangliste des Vorjahres gilt die Verhaftungswelle von März 2003. 26 Journalisten sind seither inhaftiert. Zwei der Inhaftierten wurden zwar unter Auflagen entlassen, doch das „kann nicht über das Nachrichtenmonopol des Staates hinwegtäuschen“ (ROG 2004a, S. 1). Auf die Verhaftungswelle wird in Kapitel 5.2 genauer eingegangen. Weitere Gründe für die schlechte Platzierung liegen in den Arbeitsbedingungen der Journalisten auf Kuba, die ebenfalls in Kapitel 5.2 erläutert werden, sowie im politischen Umfeld.

Bevor auf das politische System Kubas eingegangen wird, ist es von Bedeutung, sich dem Thema theoretisch zu nähern. Dass Medien stets die Form und Ausprägung der sozialen und politischen Strukturen übernehmen, in denen sie arbeiten, untermauern die Four Theories of the Press (Siebert/Peterson/Schramm 1956, S. 7), die unterschiedliche Modelle von Medien und Journalismus in unterschiedlichen ideologischen Systemen unterscheiden (vgl. Weischenberg 1998, S. 86). Vier Medienmodelle werden voneinander abgegrenzt: das Autoritarismus-Modell, das Liberalismus-Modell, das Sozialverantwortungs-Modell und das Kommunismus-Modell. Da Siebert/Peterson/Schramm das Kommunismus-Modell als eine Spielart des Autoritarismus-Modells verstehen (vgl. Weischenberg 1998, S. 91), werden diese beiden Medienmodelle für diese Arbeit näher betrachtet.

[...]


[1] Die russische kommunistische Tageszeitung Prawda wurde 1912 gegründet und erschien ab 1918. Herausgegeben wurde sie in Moskau und war bis 1991 Organ der KPdSU.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Medien auf Kuba: Journalismus vor dem Hintergrund eines sozialistischen Regimes
Hochschule
Universität des Saarlandes  (Informationswissenschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar: Information und Gesellschaft
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
25
Katalognummer
V61544
ISBN (eBook)
9783638549790
ISBN (Buch)
9783656808817
Dateigröße
592 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medien, Kuba, Journalismus, Hintergrund, Regimes, Hauptseminar, Information, Gesellschaft
Arbeit zitieren
Kristin Dörr (Autor:in), 2005, Medien auf Kuba: Journalismus vor dem Hintergrund eines sozialistischen Regimes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61544

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