Die Qualität von Konjunkturindikatoren für Deutschland


Seminararbeit, 2005

42 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Begründung und Einteilung von Konjunkturindikatoren
2.1 Theoretische Begründung für die Verwendung von Konjunkturindikatoren
2.2 Einteilung von Konjunkturindikatoren nach Märkten und Sektoren
2.3 Einteilung von Konjunkturindikatoren bezüglich der Vorlaufeigenschaften
2.4 Einteilung von Konjunkturindikatoren nach Art ihrer Entstehung
2.5 Einteilung von Konjunkturindikatoren nach ihrem Aggregationsgrad

3 Frühindikatoren zum Zweck der Konjunkturprognose
3.1 Warum haben Frühindikatoren einen Vorlauf?
3.2 Anforderungsprofil und Informationsgehalt von Frühindikatoren
3.3 Referenzreihe
3.4 Informationen zu ausgewählten Frühindikatoren

4 Empirische Befunde der Prognosegüte von Konjunkturindikatoren
4.1 Entwicklung verschiedener Frühindikatoren und des realen BIP
4.2 Kreuzkorrelationen zwischen ausgewählten Indikatoren
4.3 Korrelationsrechnungen zwischen Frühindikatoren und Referenzgrößen
4.4 Prognoseeigenschaften von Frühindikatoren

5 Probleme bei der Anwendung von Frühindikatoren in der Konjunkturanalyse

6 Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Abfolge der Geschäftsaktivitäten und ihre Erfassung durch Konjunkturindikatoren

Tabelle 2: Kreuzkorrelation zwischen ausgewählten Indikatoren

Tabelle 3: Vorlaufeigenschaften von Frühindikatoren in Bezug auf verschiedene Referenzgrößen

Tabelle 4: Test auf paarweise Granger-Kausalität

Tabelle 5: Prüfmaße für autoregressive Schätzgleichung ohne und mit Frühindikatoren

Tabelle 6: Out-Of-Sample-Prognosen für das Jahr 2000 und 2001

Tabelle 7: Wendepunkte des BIP

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Entwicklung verschiedener Frühindikatoren und des realen BIP

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Diese Seminararbeit beschäftigt sich mit dem Thema Konjunkturindikatoren und deren Aussagekraft für Deutschland. Für planende Wirtschaftssubjekte und Wirtschaftspolitiker sind Konjunkturanalyse (-diagnose) und Konjunkturprognose unverzichtbar für deren Tagesarbeit. Im Rahmen der Konjunkturforschung wird versucht, immer neuere genauere Daten über den Konjunkturverlauf zu ermitteln. Diese werden aufbereitet und es wird versucht, sie im Vorfeld der Erklärung in stilisierte Fakten umzusetzen. Konjunkturindikatoren liefern in diesem Zusammenhang vorlaufend wertvolle Hinweise für die Konjunkturanalyse und –prognose. Bei einer ausführlichen Auseinandersetzung mit der Konjunktur werden im Allgemeinen folgende Punkte angesprochen: Abgrenzung des Erkenntnisgegenstandes, die Konjunkturanalyse, die Konjunkturprognose und die Konjunkturindikatoren. Im Rahmen dieser Seminararbeit werden die Konjunkturindikatoren näher betrachtet. Im Speziellen geht es darum, die Qualität dieser Indikatoren zu analysieren, da sie für Prognosen der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung von Volkswirtschaften von großer Bedeutung sind. Die Überprüfung der Prognoseleistung (Qualität der Vorhersage) erfolgt auf der Basis von Daten ab 1992, um zum Einen Strukturbrüche (Wiedervereinigung Deutschlands) zu vermeiden und zum Anderen Konjunkturindikatoren mit in die Betrachtung einzubeziehen, welche erst seit 1992 veröffentlicht werden.

2 Theoretische Begründung und Einteilung von Konjunkturindikatoren

2.1 Theoretische Begründung für die Verwendung von Konjunkturindikatoren

Wie eingangs bereits erwähnt, besteht ein Bedarf an Prognosen hinsichtlich der konjunkturellen Entwicklung. Auf Ebene der gesamtwirtschaftlichen Makroplanung haben staatliche und öffentliche Institutionen sowie Unternehmen und private Haushalte ein besonderes Interesse an diesen Prognosen, um wirtschaftspolitische (Staat) und privatwirtschaftliche Entscheidungen (Unternehmen und Haushalte) zu treffen. Um Konjunkturschwankungen zu erfassen, werden bestimmte Messgrößen (Konjunkturindikatoren) herangezogen. Mit Hilfe von Zeitreihen dieser Beobachtungsgrößen sind Schwankungen der Wirtschaftsaktivität erkennbar.[1] Dem Frühindikatoransatz kommt diesbezüglich eine entscheidende Bedeutung im Rahmen der makroökonomischen Prognose zu.[2] Bei der Bedeutung der einzelnen Prognosemethoden werden Frühindikatoren meist erst an zweiter Stelle hinter der Methodik des Konjunkturtests (produktspezifische Befragung von über 7000 Unternehmen zur konjunkturellen Entwicklung) vom ifo-Institut in München genannt.[3],[4] Eine Renaissance haben in den letzten ca. 12 Jahren auf nationaler und internationaler Ebene die zusammengesetzten Frühindikatoren erfahren (z.B. Handelblatt-Indikator, OECD). In den folgenden Gliederungspunkten wird auf die theoretische Rechtfertigung der Verwendung von Konjunkturindikatoren eingegangen. Außerdem wird eine Systematisierung (Einteilung) der Konjunkturindikatoren vorgenommen.

2.2 Einteilung von Konjunkturindikatoren nach Märkten und Sektoren

Konjunkturschwankungen werden mittels Konjunkturindikatoren erfasst. Indikatoren sind zumeist Indexreihen (z.B. Preisindizes), Quoten (z.B. Arbeitslosenquote) oder Beziehungszahlen (z.B. Auftragseingang im Verhältnis zum Umsatz) und ihre Veränderungsraten im Zeitablauf. Bei den statistisch ermittelten Indikatoren bieten sich mehrere Möglichkeiten, diese systematisch zusammenzufassen.

Es besteht die Möglichkeit, Indikatoren nach Märkten einzuteilen. Damit ist es möglich, Indikatoren für Gütermärkte, den Geldsektor und den Arbeitsmarkt zu ermitteln. Somit sind wirtschaftlich ökonomische Analysen und Prognosen für Teilmärkte einer Volkswirtschaft wie Deutschland ableitbar.

Durch Einteilung der Indikatoren nach Sektoren sind Analysen und Prognosen für z.B. die Industriekonjunktur, die Investitionskonjunktur, die Baukonjunktur, die Ver-brauchskonjunktur und die Außenwirtschaftslage möglich.

2.3 Einteilung von Konjunkturindikatoren bezüglich der Vorlaufeigenschaften

Das wohl bekannteste und am meisten angewendete Einteilungskriterium für Konjunkturindikatoren bezieht sich auf die Vorlaufeigenschaften. Dabei erfolgt eine Einteilung in vorlaufende Indikatoren (Frühindikatoren), Spannungsindikatoren, gleichlaufende (Präsensindikatoren) und nachlaufende Indikatoren (Spätindikatoren). Hierbei sei erwähnt, dass andere Literaturquellen an Stelle des Einteilungskriteriums der Vorlaufeigenschaft häufig von einer Einteilung nach zeitlichen Aspekten sprechen und auf einen Spannungsindikator verzichtet wird.[5]

Gleichlaufende Indikatoren (Präsensindikatoren)

Gleichlaufende Indikatoren sind Normindikatoren für die Konjunktur und geben den jeweiligen Stand innerhalb eines Konjunkturzyklus an. Dabei werden vorrangig Zeitreihen der Produktion, der Kapazitätsauslastung und der Beschäftigung herangezogen. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht diese Daten monatlich.

Vorlaufende Indikatoren (Frühindikatoren) und Spannungsindikatoren

Im Gegensatz zu den gleichlaufenden Indikatoren zeigen vorlaufende Indikatoren, welcher Verlauf von der Konjunktur in naher Zukunft zu erwarten ist. Somit wird versucht, einzelne wirtschaftliche Aktivitäten (Geschäftsvorgänge) in ihren Erwartungen zu erfassen. Aufgrund der starken Verflechtungen der internationalen Finanzmärkte (Börsen, Banken etc.) wird angenommen, dass über Aktienkurse und Geschäftserwartungen Rückschlüsse auf zukünftige Gewinnerwartungen gezogen werden können. Die wichtigsten Zeitreihen bezüglich der vorlaufenden Indikatoren sind in diesem Zusammenhang erwartungsgemäß die Auftragseingänge bei den Investitionsgüterindustrien sowie die Baugenehmigungen. Mit beginnender Stagnation der Auftragseingänge ist eine annähernd genaue Aussage über den Zeitpunkt, an dem Produktion und Beschäftigung zurückgeht, möglich.[6] Zeitlich gesehen liegen Höchst- und Tiefstwerte der Auftrageingänge vor denen der Produktion, da standardmäßig erst der Auftrag bei den Unternehmen eintreffen muss, bevor die Auslastungsplanung (Losgrößenfestlegung etc.) auf die Produktionsanlagen erfolgt. Eine Aussage über Erhitzungs- und Entspannungserscheinungen liefern die Spannungsindikatoren (Auftragsbestände, Lager, Preise). Ein typisches Szenario hierfür ist die vorübergehende, nicht mögliche Bedienung der Nachfrage durch die Produktion oder wenn es nicht gelingt, Märkte zu räumen.

Nachlaufende Indikatoren (Spätindikatoren)

Der Konjunkturbewegung folgen mit mehr oder weniger zeitlicher Verzögerung die so genannten nachlaufenden Indikatoren. Typische Indizes sind hier Preise und Löhne (Lohn-Lag). Obwohl diese Indikatoren wenig zur Konjunkturprognose aussagen, sind sie wichtige Indikatoren für die Wirtschaftspolitik.

Neben der Einteilung bezüglich ihrer Vorlaufeigenschaften ist es möglich, Konjunkturindikatoren nach der Art ihrer Entstehung zu systematisieren, wobei zwischen quantitativen und qualitativen Indikatoren unterschieden wird.[7]

2.4 Einteilung von Konjunkturindikatoren nach Art ihrer Entstehung

Quantitative und qualitative Indikatoren

Quantitative Indikatoren liefern numerische Daten und weisen eine hohe statistische Messgenauigkeit auf. Dieser Vorteil wird jedoch von einem zeitlichen Nachteil beeinträchtigt. Das Erheben der Indizes der Auftragseingänge, der Produktion oder der Baugenehmigungen benötigt Zeit und ist nicht frei von eventuellen nachträglichen Änderungen.

Qualitative können anders als die quantitativen Indikatoren schneller erhoben und ausgewertet werden. Oppenländer schreibt von 14 Tagen nach Monatsende (bei monatlich erhobenen Indikatoren).[8] Aufgrund der sich schnell entwickelnden Datenverarbeitungstechnik wird die Datenaufbereitung sicherlich immer schneller möglich sein, so dass kaum noch Lags (Verzögerungen) auftreten. Gewonnen werden qualitative Indikatoren nach Häufigkeiten (gewichtete Zahl der meldenden Unternehmen; Saldobildung), vor allem durch Befragungen (Der vielleicht wichtigste Indikator dieses Einteilungskriteriums ist der ifo-Geschäftsklimaindex.). Eine hohe Antwortquote aus den Befragungen ist hierbei sehr wichtig, um die Repräsentativität zu gewährleisten und ist bei den ifo-Befragungen (Hier werden ca. 7000 Unternehmen befragt.) gegeben. Qualitative Indikatoren sind damit annähernd als gleichrangig zu den quantitativen Indikatoren anzusehen. Qualitative Indikatoren liefern ein Bild der Stimmungslage der Unternehmen und fangen somit Erwartungen und Urteile ein. Die „Konjunkturkurve“ wird direkt erfasst und der Trend ist von Anfang an ausgeschaltet. In Tabelle 1 (Zahlen in Klammern geben den Vorlauf (-) der Indikatoren in Monaten an) sind noch einmal beispielhaft die Abfolge der Geschäftsaktivitäten und ihre Erfassung durch Konjunkturindikatoren dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Abfolge der Geschäftsaktivitäten und ihre Erfassung durch Konjunkturindikatoren

Quelle: Oppenländer (1996), S. 27, Tabelle 1.2.1

2.5 Einteilung von Konjunkturindikatoren nach ihrem Aggregationsgrad

Einzelindikatoren und Gesamtindikatoren

Ein letztes und abschließendes Einteilungskriterium resultiert aus der Tatsache, dass vorlaufende Indikatoren (Frühindikatoren) häufig nur in Kombination gewonnen werden können. Dabei hat nicht ein Einzelindikator allein einen Vorlauf. Vielmehr hat er einen Vorlauf in Kombination (Aggregation) mit anderen. Weiterhin ist es möglich, dass die Vorlaufstabilität bei Indikatorkombinationen erhöht und die Diagnose- und Prognosefähigkeit zunimmt. Daher erfolgt eine Trennung in Einzelindikatoren und Gesamtindikatoren. Der Vorteil eines einzelnen Indikators besteht darin, dass er für bestimmte Erscheinungen im Rahmen der Konjunktur eine starke Erklärung liefert und es keiner weiteren Gewichtung des Indikators bedarf.

Anders verhält es sich mit den Gesamtindikatoren. Da sie aus mehreren Einzelindikatoren zusammengesetzt sind, spielt die Gewichtung eine bedeutende Rolle.[9] Die Fragen, die sich hieraus ergeben, sind z.B.: Welche Bedeutung hat die Aussagekraft des Einzelindikators für den Gesamtindikator? Bleiben die Gewichtungen stabil oder sind sie im Zeitablauf variabel? Typische Beispiele für Gesamtindikatoren sind der EU-Confidence-Indicator (EU-Kommission), der OECD-Composite-Leading-Indicator für Deutschland (OECD), der Handelsblatt-Frühindikator (Handelsblatt) und der Early Bird-Indikator (Commerzbank).[10]

Nach dieser kurzen Systematisierung von Konjunkturindikatoren werden in den folgenden Gliederungspunkten 3 und 4 nur Konjunkturindikatoren betrachtet, die speziell für den Zweck der Konjunkturprognose entwickelt wurden. Dabei stehen deren Vorlaufeigenschaften und deren Prognosegüte im Mittelpunkt der Betrachtung.

3 Frühindikatoren zum Zweck der Konjunkturprognose

Neben den wohl bekanntesten Konjunkturindikatoren in Deutschland, des ifo-Instituts und des ZEW, existieren weitere Konjunkturindikatoren wie der der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.), des Handelsblatts, der Early Bird-Indikator der Commerzbank und der von der HypoVereinsbank ermittelte R-Wort-Indikator. Außerdem existiert der von der OECD für Deutschland entwickelte OECD-Composite-Leading-Indicator, der von der EU entwickelte EU-Confidence-Indicator und viele andere mehr. Selbstverständlich existieren noch andere Wirtschaftsreihen (z.B. Auftragseingänge) neben den Konjunkturindikatoren, welche sich sehr gut zur Konjunkturprognose eignen. Diese fanden jedoch bei der Konstruktion der Konjunkturindikatoren der F.A.Z., dem Handelsblatt und dem Early Bird-Index Berücksichtigung (siehe GP 2.4 Einteilung von Konjunkturindikatoren nach Art ihrer Entstehung - Einzelindikatoren und Gesamtindikatoren) und werden im Folgenden nicht gesondert betrachtet.[11] F.A.Z.- und R-Wort-Indikator finden in den nachfolgenden Betrachtungen jedoch keine weitere Berücksichtigung, so dass sich die Ausführungen auf die verbleibenden Frühindikatoren beschränken werden. Unter Gliederungspunkt 3.1 wird zuerst der Frage nachgegangen, warum Frühindikatoren überhaupt einen Vorlauf haben, bevor in GP 3.2 das Anforderungsprofil an einen Konjunkturindikator näher erläutert wird. Anschließend erfolgt unter Gliederungspunkt 3.3 eine kurze Erklärung des Begriffs der Referenzreihe. Abschließend werden in GP 3.4 die für die spätere empirische Betrachtung herangezogenen Frühindikatoren kurz vorgestellt.

3.1 Warum haben Frühindikatoren einen Vorlauf?

Der Indikatoren-Ansatz (System von Frühindikatoren) ist ein pragmatischer Prognoseansatz. Dabei nutzt er den systematischen Vorlauf einiger Indikatoren gegenüber den Referenzgrößen wie beispielsweise des BIP und der Industrieproduktion (siehe GP 3.3 Referenzreihe). Im Folgenden wird kurz den Hauptgründen für einen Vorlauf dieser Indikatoren nachgegangen.

Produktionszeit

In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass zwischen der Produktionsentscheidung und dem Produktionsergebnis ein Zeitraum von mehreren Wochen liegt, da standardmäßig erst der Auftrag bei den Unternehmen eintreffen muss, bevor die Auslastungsplanung (Losgrößenfestlegung etc.) auf die Produktionsanlagen erfolgt. Dies trifft hauptsächlich auf die Investitionsgüter- und die Baubranche zu (siehe GP 2.3 Einteilung von Konjunkturindikatoren bezüglich der Vorlaufeigenschaften).

Anpassungsflexibilität

Bestimmte ökonomische Variablen sind leichter zu ändern als andere. Tritt beispielsweise ein Nachfragerückgang ein, ist es aufgrund des Kündigungsschutzes tendenziell nicht möglich, den Personalbestand schnell zu reduzieren und an die Produktionsverhältnisse anzupassen. Belebt sich die Konjunktur, wird im umgekehrten Fall der Unternehmer mit Arbeitszeitanpassungen bei seinem Personal reagieren. Demnach wird ein Indikator zur wöchentlichen Arbeitszeit gegenüber der Beschäftigungsentwicklung einen zeitlichen Vorlauf aufweisen.

Erwartungen der Marktteilnehmer

Die Wirtschaftsobjekte einer Volkswirtschaft entscheiden bezüglich ihrer zukünftigen Erwartungen mehr oder weniger rational. Gelingt es aufgrund repräsentativer Befragungen, diese Erwartungen zu ermitteln, ist es eventuell möglich, ein gutes Prognoseinstrument zu entwickeln. Beispielsweise trägt der ifo-Konjunkturtest dieser Überlegung auf Unternehmerseite Rechnung; durch die GfK Umfragen hingegen wird der Konsumentenseite Rechnung getragen.

Wirtschaftspolitische Initialmaßnahmen

Diese Begründung basiert auf der aus der Theorie bekannten Annahme, dass geld- und fiskalpolitische Maßnahmen einen direkten Einfluss auf die wirtschaftlichen Entscheidungen der Marktteilnehmer haben.[12]

3.2 Anforderungsprofil und Informationsgehalt von Frühindikatoren

Die Auswahl und Konstruktion von Frühindikatoren (Vorlaufende Indikatoren) zum Zweck der Konjunkturprognose sollte gewissen ökonomischen Plausibilitäten unterliegen. Dabei können Annahmen über den Einfluss der Erwartungen von Wirtschaftsakteuren auf die künftige Wirtschaftsentwicklung sowie ein ursächlicher Zusammenhang bestimmter Größen mit dem Konjunkturverlauf von Bedeutung sein. Die Ableitung

vor-, gleich- und nachlaufender Indikatoren basiert auf der Vorstellung, dass der Konjunkturverlauf mehr oder weniger regelmäßigen, typischen zyklischen Mustern (Abschwung, Rezession, Erholung, Aufschwung) unterliegt. Die Indikatoren bilden deren Verlauf ab.[13] Jedoch existiert keine genaue Definition, was unter einem Frühindikator zu verstehen ist. Somit existiert kein allgemein gültiges Konstruktionsprinzip.[14] Fritsche und Marklein stellen drei Eigenschaften heraus, welche ein Frühindikator besitzen sollte, um für die Konjunkturprognose geeignet zu sein:

1. Die Bewegungen im Konjunkturverlauf des Frühindikators sollten denen der Referenzreihe folgen.
2. Zwischen den Reihen sollte die Beziehung stabil und signifikant sein.
3. Die Out-Of-Sample-Prognose sollte sich durch Einbeziehung des Indikators verbessern.[15]

Hinze stellt Vorlaufzeit, Stetigkeit und temporale Stabilität sowie die zeitnahe Verfügbarkeit als zu erfüllende Eigenschaften eines Konjunkturindikators heraus, um für die Konjunkturprognose geeignet zu sein. Alle drei Eigenschaften werden im Folgenden erläutert, wobei die ersten beiden Eigenschaften bei Hinze den ersten beiden Eigenschaften von Fritsche und Marklein weitestgehend entsprechen.

Vorlaufzeit

Die Vorlaufzeit von Frühindikatoren auf die jeweils betrachtete Referenzreihe ist deren wichtigste Eigenschaft. Somit gelten all jene Indikatoren als Frühindikatoren (vorauslaufende Indikatoren), welche vor Bekanntgabe der amtlichen Daten der jeweiligen Referenzreihe zur Verfügung stehen. Sie liefern damit gleichzeitig Informationen über die künftig zu erwartende Wirtschaftsentwicklung. Zu diesen Indikatoren zählen auch Indikatoren die sich durch einen Gleichlauf mit der wirtschaftlichen Entwicklung auszeichnen. Sie besitzen jedoch lediglich einen Informationsvorlauf. Allein die Diagnose der aktuellen konjunkturellen Situation auf Basis der zu diesem Zeitpunkt herrschenden unvollständigen amtlichen Datenlage hat prognostischen Charakter, was gleichlaufende Indikatoren für die Konjunkturprognose sehr hilfreich macht. Allerdings bleibt festzuhalten, dass nur jene Indikatoren von prognostischer Bedeutung sind, welche über den Prognosezeitpunkt hinaus über die zu erwartende künftige Wirtschaftsentwicklung informieren.[16]

Stetigkeit und temporale Stabilität

Ein Frühindikator sollte einerseits die Eigenschaft einer geringen Schwankungsanfälligkeit gegenüber anderen Einflüssen (außer der konjunkturellen Bewegung) aufweisen.

Andererseits sollte die Vorlaufzeit des Frühindikators auf die Referenzgröße eine relative zeitliche Konstanz aufweisen. Das bedeutet, dass der zeitliche Vorlauf beispielsweise nicht einmal 6 Monate beträgt, dann 4 Monate und dann eventuell nur noch 1 Monat auf die Referenzreihe beträgt. Weist der Indikator nicht diese relative zeitliche Konstanz auf, steht der Konjunkturforscher vor dem Problem, keine zuverlässigen Schlussfolgerungen aus den Richtungsänderungen des Indikators hinsichtlich der Konjunktur ziehen zu können. Aufgrund der Tatsache, dass Entwicklungen der Frühindikatoren in Aufschwung- wie Abschwungphasen selten glatt verlaufen und von Monat zu Monat stark schwanken, lassen sich Trendänderungen erst mit zeitlicher Verzögerung erkennen. Dabei besteht nicht selten die Möglichkeit, dass der zeitliche Vorlauf des Indikators die Trendänderung wieder kompensiert. Können bei ex-post Betrachtungen den konjunkturellen Wendepunkten bestimmte Indikatoränderungen zugeordnet werden, besteht die Möglichkeit, gute Vorlaufeigenschaften für den Indikator zu ermitteln. Dies gilt jedoch nicht zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Indikatorwerte. In diesem Fall herrscht häufig eine starke Unsicherheit, ob die Richtungsänderung des Frühindikators eine Trendwende anzeigt oder ob es sich lediglich um einen „Ausreißer“ handelt. Das Problem der Richtungsänderung tritt ebenfalls auf, wenn kein stabiler Zusammenhang zwischen der Referenzreihe (Referenzgröße) und dem zeitlichen Vorlauf des Frühindikators besteht. In diesem Fall besteht ebenfalls die Gefahr, dass Wendepunktprognosen nicht mehr genau terminierbar sind.

Darüber hinaus bezieht sich Stetigkeit auch auf die Konstanz hinsichtlich des Inhalts und der Methode der Zeitreihenerhebung. Ist dies nicht gegeben, würden Sprünge auftreten und die Beurteilung der Frühindikatoren erschwert. Werden Indikatorwerte außerdem häufig, insbesondere bei Richtungswechseln, revidiert, wird die Einschätzung der Konjunkturentwicklung beeinträchtigt.[17]

Ein letzter wichtiger Aspekt im Rahmen der Stetigkeit von Frühindikatoren bezieht sich auf die Konstanz hinsichtlich des Inhalts und der Methode der Zeitreihenerhebung.

Zeitnahe Verfügbarkeit

Ein Vorlauf der Verfügbarkeit eines Frühindikators vor der Referenzreihe muss gegeben sein, da ansonsten der Informationsvorsprung des zeitlichen Vorlaufs verloren geht. In der Regel entsteht nach der Erhebung der Daten bis hin zur Veröffentlichung der Ergebnisse ein Bearbeitungs-Lag (Datenauswertung etc.), welcher bei Umfrageergebnissen kürzer als bei zusammengesetzten Indikatoren ist. Bei den so genannten zusammengesetzten Indikatoren (Gesamtindikatoren) sind daher die tatsächlichen Vorlaufzeiten tendenziell geringer als bei originären Indikatoren.[18]

3.3 Referenzreihe

Für gewöhnlich werden Konjunkturindikatoren auf Basis monatlicher Daten ermittelt, so dass die herangezogene Referenzreihe ebenfalls einer monatlichen Verfügbarkeit unterliegen sollte. Als Referenzreihen werden häufig das BIP oder die Jahresveränderungsrate des (Netto-) Produktionsindexes des verarbeitenden Gewerbes herangezogen. Bei Verwendung des BIP als Referenzgröße oder –reihe ist diese jedoch mit Problemen verbunden. Zum Einen wird das BIP nur vierteljährig erhoben, die Konjunkturindikatoren jedoch, wie bereits erwähnt, zumeist monatlich. Erschwerend tritt der Umstand hinzu, dass es sich bei den Daten des BIP zumeist um vorläufige Werte handelt, welche erst mit mehrmonatiger Verspätung veröffentlicht werden und zu einem erheblichen Teil auf Schätzungen der Teilaggregate (z.B. Daten aus Industrie, Dienstleistungsbranche etc. als Teilaggregate des BIP) beruhen. Zum Zweiten sind nachträgliche starke Revisionen des BIP sehr wahrscheinlich und darüber hinaus über mehrere Jahre möglich, was die Brauchbarkeit der Daten am aktuellen Rand stark einschränkt. Für den historischen Vergleich mit anderen relevanten Variablen ist die Reihe jedoch durchaus als geeignet anzusehen.[19]

Um genauere Aussagen über die monatliche Entwicklung der Konjunktur zu erhalten, findet in Studien deshalb die Jahresveränderungsrate des (Netto) Produktionsindexes des Verarbeitenden Gewerbes („Industrieproduktion“) als Referenzgröße Verwendung.[20] Der Produktionsindex repräsentiert dabei die Leistungserstellung des industriellen Bereichs. Jedoch hat auch diese Größe gewisse Nachteile. Einerseits, besteht die Notwendigkeit, die Konjunkturkomponente durch Trend- und Saisonbereinigungsverfahren sowie Glättung aus der Gesamtbewegung der Reihe herauszufiltern. Gewisse Verzerrungen sind dabei nicht auszuschließen. Andererseits ist ein Vergleich anzustellen, ob die Industriekonjunktur (Konjunktur des produzierenden Gewerbes) die Gesamtkonjunktur gut widerspiegelt, da der Produktionsindex des produzierenden Gewerbes nur rund ein Drittel der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung darstellt.[21]

Im Allgemeinen wird der Indikator aber als geeignet angesehen, die Konjunktur gut darzustellen. Weiterhin ist zu beachten, dass Konjunkturindikatoren wie z.B. der Handelsblatt-Indikator und der R-Wort-Indikator zur Prognose des BIP entwickelt wurden. Eine für die Industrieproduktion ungünstige Vorhersage bedeutet jedoch nicht zwangsläufig eine ungünstige Prognosegüte für das BIP.[22]

3.4 Informationen zu ausgewählten Frühindikatoren

ifo-Geschäftserwartungen (ifo-GE) und ZEW-Konjunkturerwartungen

Die ZEW-Konjunkturerwartungen und ifo-Geschäftserwartungen basieren auf den jeweiligen monatlichen Umfragen ZEW-Finanzmarkttest und ifo-Konjunkturtest. Der Teilnehmerkreis ist unterschiedlich. Seit 1949 befragt das ifo-Institut deutsche Manager und Unternehmer nach deren Einschätzungen bezüglich der künftigen Geschäftslage (ifo-GL) in ihrem Unternehmen und ihrer Branche. Mittlerweile umfassen die Umfragen des Ifo-Instituts ca. 7000 Unternehmen in Deutschland. Die Antworten werden nach Bedeutung der Branchen gewichtet und aggregiert, um so den ifo-Geschäftsklima-Index (ifo-GK) zu ermitteln. Der ifo-GK wird durch das geometrische Mittel der Antworten bezüglich der ifo-GL und der ifo-GE gebildet, saisonbereinigt und auf das Basisjahr bezogen.[23] Die Ergebnisse werden für West- und Ostdeutschland getrennt ausgewiesen. Der ZEW-Finanzmarkttest basiert auf monatlichen Umfragen seit Dezember 1991. Befragt werden ca. 350 - 400 Analysten[24] und institutionelle Anleger nach ihren Einschätzungen und Erwartungen, bezogen auf Kennzahlen des Finanzmarktes. Dabei stellen die Banken mit 77% den größten Anteil, gefolgt von Versicherungsunternehmen (14%) und großen Industrieunternehmen (9%). Mehr als 50% der befragten Experten ist im Bereich der Vermögensberatung und des Anlagenmanagements tätig; der restliche Anteil verteilt sich auf Abteilungen im volkswirtschaftlichen Bereich / Wertpapier-Research sowie Finanzbuchhaltung und die Geschäftsführungsebene. Die Teilnehmer geben ihre Erwartungen für die Finanzmärkte in Deutschland, den USA, Japan, Großbritannien, Frankreich und Italien wieder. Diese Erwartungen sind bezogen auf die Konjunktur, Inflationsrate, kurz- und langfristige Zinsen, Aktienkurse sowie die Wechselkurse. ZEW und ifo fragen lediglich nach qualitativen Tendenzeinschätzungen der Variablen. Es wird nach der Veränderungsrichtung gefragt (ob sich künftige Wirtschaftslage verbessern, verschlechtern oder gleich bleiben wird). Beide Tests sind hinsichtlich des Prognosehorizonts (Erwartungen für die nächsten 6 Monate abgefragt) gleich, was beide Indikatoren gut vergleichbar macht.[25]

[...]


[1] Vgl. Hewel / Neubäumer (1998), S. 368

[2] Vgl. Gayer (2003), S. 33

[3] Vgl. Gayer (2003), S. 33

[4] Vgl. Hinze (2003), S. 26 (Anhang)

[5] Vgl. Hewel / Neubäumer (1998), S. 371

[6] Vgl. Hewel / Neubäumer (1998), S. 371

[7] Vgl. Oppenländer (1996), S. 26 - 28

[8] Vgl. Oppenländer (1996), S. 28

[9] Vgl. Lambsdorff (2003), Vorlesungsfolie 17

[10] Vgl. Oppenländer (1996), S. 28

[11] Vgl. Breitung / Jagodzinski (2001), S. 293 - 294

[12] Vgl. Nerb (1996), S. 318 - 319

[13] Vgl. Klein (1996), S. 35

[14] Vgl. Hinze (2003), S. 2

[15] Vgl. Fritsche / Marklein (2001), S. 1

[16] Vgl. Hinze (2003), S. 3

[17] Vgl. Hinze (2003), S. 4

[18] Vgl. Hinze (2003), S. 4

[19] Vgl. Lindlbauer (1996), S. 71 - 72

[20] Vgl. Breitung / Jagodzinski (2001), S. 294

[21] Vgl. Lindlbauer (1996), S. 72

[22] Vgl. Breitung / Jagodzinski (2001), S. 294

[23] Vgl. Hüfner / Schröder (2001), S. 6

[24] Vgl. Breitung / Jagodzinski (2001), S. 296 - 297

[25] Vgl. Hüfner / Schröder (2001), S. 7

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Die Qualität von Konjunkturindikatoren für Deutschland
Hochschule
Technische Universität Berlin
Veranstaltung
Ein wirtschaftspolitischer Rahmen für mehr Investitionen
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
42
Katalognummer
V61391
ISBN (eBook)
9783638548595
ISBN (Buch)
9783656786542
Dateigröße
667 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Qualität, Konjunkturindikatoren, Deutschland, Rahmen, Investitionen
Arbeit zitieren
Diplom-Volkswirt Maik Klann (Autor:in), 2005, Die Qualität von Konjunkturindikatoren für Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61391

Kommentare

  • Gast am 31.10.2008

    Das doch alles nich verständlich....

    Gehts auch einfacher zu beschreiben ????

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Titel: Die Qualität von Konjunkturindikatoren für Deutschland



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