Die Christenheit in der altfranzösischen Chanson de Roland


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Der geschichtliche Hintergrund
2.1. Entstehung der Kreuzzüge

3. Das Rolandslied
3.1. Entstehung und Historizität
3.2. Die Christenheit im Rolandslied
3.3. Die wichtigsten Vertreter der Christenheit
3.3.1. Karl der Große
3.3.2. Erzbischof Turpin
3.3.3. Ganelon
3.3.4. Roland

4. Schluss

5. Literatur

Primärliteratur

Sekundärliteratur

1. Einleitung

Christentum, Islam und Judentum, die drei großen monotheistischen Weltreligionen, vertraten alle einen Absolutheitsanspruch. Im Gegensatz zu den Juden versuchten die Christen und die Muslime Nicht- und Andersgläubige zu bekehren und so kam es zwischen ebendiesen im Laufe der Geschichte immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Diese Thematik wurde auch in der Literatur aufgegriffen, wie beispielsweise in der altfranzösischen Chanson de Roland.

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Darstellung der Christenheit in diesem Epos. Das Ziel ist ein Vergleich von historischer Wirklichkeit und Fiktion anhand von Analysen einzelner Charaktere.

Das Kapitel 2 soll zunächst einen Überblick über die Vorfahren Karls des Großen und den Beginn seiner Herrschaft geben. Hierbei soll besonders seine Position innerhalb der katholischen Kirche dargestellt werden.

Anschließend soll in 2.1 die Entstehung der im Rolandslied thematisierten Kreuzzugsbewegung erläutert werden. Von Konstantin über Augustin bis hin zu Papst Urban II. wird die Bedeutung der Christianisierung und die Legitimation des Kriegsdienstes dargestellt. Im Rahmen dieser Arbeit kann leider nur ein kurzer Überblick über die Geschichte und keine detaillierte Darstellung gegeben werden.

Im Kapitel 3 wird in Form einer Gegenüberstellung von historischer Wirklichkeit und Fiktion in der CdR auf die in Kapitel 2 gebotenen Informationen zurückgegriffen.

Das Kapitel 3.1 soll eine Einführung in die CdR, deren Entstehung und Historizität bieten, bevor in 3.2 die Christen als Einheit dargestellt werden. Ein Schwerpunkt liegt hier auf der Rolle des christlichen Glaubens als Motivation für die Kreuzzüge und auf der positiven Beschreibung der Christen in der CdR.

In 3.3 werden abschließend die wichtigsten Vertreter der Christenheit in der CdR dargestellt. Es sollen Gemeinsamkeiten wie auch Unterschiede der Individuen zu dem in 3.2 erläuterten Bild der Christen im Allgemeinen herausgearbeitet werden.

Hierzu werden Textstellen zu vier Vertretern des Christentums auszugsweise untersucht. Diese Analyse soll zeigen, inwiefern die in den vorangegangenen Kapiteln erläuterten Theorien im Bezug auf individuelle Charaktere in der CdR Anwendung finden und es soll geklärt werden, zu welchem Grad sich dieses Epos an der historischen Wirklichkeit orientiert.

2. Der geschichtliche Hintergrund

Im Mittelalter existierten die drei großen Weltreligionen nebeneinander. Die in Europa vorherrschende Religion war das Christentum. Die Eroberung Frankreichs durch die Mohammedaner verhinderte Karl-Martell, der Großvater Karls des Großen, 732. Daraufhin bot Papst Gregor III ihm an, ihn zum König der Franken zu erheben, sofern er ihm gegen die Norditalien beherrschenden und Rom bedrohenden Langobarden zu Hilfe käme. Doch Karl-Martell lehnte dies immer wieder ab. Nach seinem Tod 741 beschlossen seine Söhne, einen Merowinger zum Scheinkönig zu wählen, da ihnen die Autorität ihres Vaters fehlte, um ohne König regieren zu können. Im Jahre 747 verzichtete Karlmann auf die Herrschaft und somit wurde Pippin der Kurze, der Vater Karls des Großen, zum Alleinherrscher des neugeeinten Frankenreiches. 751 ging er auf erneute Angebote der Kurie ein, schickte den letzten Merowinger ins Kloster, woraufhin er und seine Söhne vom Papst zu fränkischen Königen gesalbt wurden. Er wurde damit zum Begründer der arnulfingischen Monarchie, die fortan, nach Karl-Martell, die Karolingische hieß. Unter seinem Sohn, Karl dem Großen, nahm diese einen ungeahnten Aufstieg und umfasste schließlich das ganze Abendland als ein festgefügtes Kaisertum. Karl der Große wurde als der von Gott gesandte Führer der Christenheit angesehen. Er war für alle weltlichen Angelegenheiten der katholischen Kirche verantwortlich und der Papst befasste sich mit den geistlichen Aufgaben. Einzig der christliche Glaube wurde als der wahre Glaube angesehen. Alle anderen Religionen wurden als Heidentum bezeichnet.

„[...] ebenso gäbe es jetzt nur noch Christen und Heiden; das fränkische Prinzip sei zum allgemein christlichen geworden.“[1]

2.1. Entstehung der Kreuzzüge

Seit Konstantin fühlte sich die Kirche in gesteigertem Maße für die Erhaltung der pax terrena verantwortlich. Diesen göttlichen Auftrag hatte sie gemäß Röm 13 immer wieder anerkannt. Konstantin ließ ausgestoßene Christen ins Heer zurückkehren, auf der Synode zu Arles 314 wurde jeder Deserteur von der Kirche mit einem Bann belegt und Athanasius und Ambrosius lobten den Kampf für das Vaterland. Ein Erlass Theodosius II. bestimmte 416, dass nur noch Christen in die Armee aufgenommen werden durften.

Im byzantinischen Bereich wurde das Bewusstsein für die Unverträglichkeit von Kirche und Kriegertum stärker erhalten, wohingegen im abendländischen Gebiet die germanische Kampfesfreude und das römische Staatsdenken überwogen.

In dieser Entwicklung musste die Kirche die Nichtbeteiligung der Kleriker am Krieg immer wieder sicherstellen, doch die Erkenntnis, dass für das Evangelium nur geistliche Waffen eingesetzt werden dürfen, (vgl. Mt 26, 52 f; Joh 19,11) wurde von der Aufforderung an den Staat, die Kirche mit seinen Waffen zu schützen und Heidentum und Ketzerei zu bekämpfen, durchkreuzt.

Augustin strebte an, den Kriegsdienst christlich zu legitimieren. Dabei griff er die vom römischen Staatsdenken dargebotene Differenzierung von gerechtem und ungerechtem Krieg auf. Der Krieg musste eine Handlung der legitimen Regierung sein und aufgrund von Verletzung oder Bedrohung der Rechtsordnung ausgeführt werden, um Frieden und Recht wiederherzustellen. Augustin betonte, dass ein Krieg Frieden zum Ziel haben muss. Der Krieg sollte durch Rechtspflicht geboten werden und nicht von Rache und Hass besetzt sein.

Im Mittelalter wurde durch die Gregorianische Reform im Abendland ein neues christliches Gemeinschaftsbewusstsein geprägt, dem der religiöse Kern der Kreuzzugsbewegung entsprang. Doch auch ritterlicher Bedeutungsdrang hatte zuvor zu unchristlichen Blutschlachten geführt und verlief parallel zu den Kreuzzügen.

Nach der Eroberung Jerusalems durch die Türken 1071, wurde die Rückeroberung des Heiligen Landes von der abendländischen Ritterschaft als christliche Pflicht betrachtet. Verstärkt wurde dies durch den Aufruf Papst Urban II. der mit den Worten „Gott will es“ eine religiöse Massenbewegung auslöste, der er selbst vorstand. Trotz vieler Rückschläge blieb diese Bewegung bis zum Ende des Hochmittelalters lebendig.[2]

Diesem Beispiel nacheifernd, folgten viele weitere Kreuzzüge, deren Ziel die Christianisierung der Andersgläubigen war. Wie es auch in dem Glaubenssatz „Extra Ecclesiam nulla salus“[3] ausgedrückt wird, hielt die Christenheit ihren Glauben für den einzig wahren.

Die islamische Besetzung Spaniens, das die Christen stetig zurückeroberten (Reconquista), wurde zur Ursache für einen von vielen Kriegen, bei dem die Bekämpfung der Heiden im Mittelpunkt stand.

3. Das Rolandslied

3.1. Entstehung und Historizität

Im Mittelalter entstand die Kreuzzugsdichtung, die, wie der Name ausdrückt, einen Kreuzzug zum Thema hat. Nach der überlieferten Kreuzzugsepik lassen sich unterscheiden:

- Dichtungen, die den Kreuzzug propagieren
- und Dichtungen, die den Kreuzzug als Hintergrund- oder Rahmenhandlung literarisieren.

Das Rolandslied zählt zu ersterer Kategorie. Es ist ein anonymes Heldenepos, dessen Entstehung bis heute weitgehend ungeklärt blieb. Es wird auf die Zeit zwischen 997 und 1130 datiert.

Die Chanson de Roland begründet die Gattung der Chanson de geste, die ihre Blütezeit zwischen 1150 und 1250 hat. In dieser Gattung sollen Groß- und Heldentaten bedeutender Persönlichkeiten besungen werden. Es werden vermehrt Ereignisse aus vergangenen Zeiten zur Handlung gemacht, wie auch hier der Schwerpunkt auf der Karolingerzeit liegt. Die Chanson de geste unterteilt sich in Laissen und wird durch assonnierende Reime charakterisiert.

Traditionalisten gehen von einer Volksschöpfung aus, die in einer langen Kette von kurzen Heldenliedern mündlich von Generation zu Generation weitergegeben wurde und ab dem 11. Jhd. schriftlich festgehalten wurde. Auch der Stil der CdR kann als Zeichen einer mündlichen Überlieferung gewertet werden.

„(…) the CR shares a formulaic style with other epics, such as the Homeric poems and certain modern Yugoslav narrative songs. Some have claimed that this style is a sign of oral composition (...).”[4]

Die sog. Individualisten hingegen gehen davon aus, dass die chanson de geste ab dem 11. Jhd. in den Klöstern entlang der Pilgerstraßen entstanden sind. Pidal, der beide Thesen gegenüberstellt, betont den bedeutenden Einfluss der Kleriker auf die chanson de geste.

„El individualismo, desconociendo esa época primera de las literaturas románicas, no quiere prestar atención al hecho de que las chansons de geste usan una técnica más arcaica que las vidas de santos, y cree que ambos géneros son obra exclusiva de los clérigos, o cuando menos, inspiradas por los clérigos a los juglares.“[5]

Vor allem wird aber der Bezug der chanson de geste zur Geschichte hervorgehoben.

„La razón permanente del interés épico es, pues, la apetencia historial de un pueblo que se siente empeñado en una empresa secular. La epopeya no es un mero poema de asunto histórico, sino un poema que cumple la elevada misión político-cultural de la historia; es un poema historiográfico.”[6]

Erhalten sind sieben altfranzösische Handschriften der CdR, im Laufe der Zeit entstanden jedoch auch anderssprachige Versionen des Epos.

„Les témoignages de sa popularité sont des versions en prose narroise, en prose galloise, des ballades féroïennes, de longs poèmes en moyen-allemand, des poèmes ou fragments de poèmes en moyen-néerlandais, en moyen-anglais, en langue d’oc, en castillan, en latin.“[7]

Die beiden wichtigsten Handschriften sind sicherlich die Oxforder, die aufgrund der Färbung durch den anglonormannischen Dialekt dem 2. Viertel des 12. Jahrhunderts zuzuordnen ist, sowie eine venezianische Handschrift, die jedoch nur 3845 der gut 4000 Verse enthält.

Nach der Veröffentlichung ihrer ersten Ausgabe wurde die Oxforder Handschrift zum Interessenszentrum.

„Mais, depuis la première édition du ms Oxford, publié en 1837 par Francisque Michel, l’intérêt a surtout porté sur ce chef-d’œuvre. Les autres mss ont eu l’honneur de servir à ammender le ms d’Oxford (…).“[8]

Auch Menéndez Pidal betont, dass die Oxforder Handschrift historisch detailgetreuer ist als andere Berichte dieser Zeit und somit als Vorlage für andere Versionen diente.[9]

Aufgrund der unsicheren Datierung wird die Untersuchung des historischen Wahrheitsgehaltes des Textes jedoch erschwert. Belegt ist, dass Karl der Große im Jahre 778 vom muslimischen Statthalter Saragossas gegen den Großemir von Córdoba um Hilfe gebeten wurde und das fränkische Heer daher unter Karl dem Großen zum Spanienfeldzug aufbrach. Dieser dauerte von April bis September des Jahres 778. In der Schlacht bei Roncevaux in den Pyrenäen, wurde die Nachhut des Heeres Karls des Großen vom Heer der Basken, Asturier und Navarresen aus Rache für die Zerstörung Pamplonas vernichtet.[10]

Anhand der o.g. Datierung der CdR zwischen 997 und 1130 wird also deutlich, dass ein zeitlicher Abstand zu den historisch belegten Ereignissen aus dem Leben Karls des Großen gegeben ist.

[...]


[1] R. Wahl, Karl der Große, S. 64.

[2] Vgl.: A. Franzen, Kleine Kirchengeschichte, S.194-199.

[3] H. Denzinger/ A. Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum, Definitionum et Declarationum de Rebus Fidei et Morum, num. 2865.

[4] J.J. Duggan, A Guide to Studies on the Chanson de Roland, S. 71.

[5] M. Pidal, La Chanson de Roland y el neotradicionalismo, S. 423.

[6] Ders. S. 429.

[7] K. Schlyter, Les énumérations des personnages dans la Chanson de Roland, S.7.

[8] K. Schlyter, Les énumérations des personnages dans la Chanson de Roland, S. 7.

[9] Vgl. M. Pidal, La Chanson de Roland y el neotradicionalismo, S. 81.

[10] Vgl.: Kindlers neues Literatur Lexikon, Band 18, S. 383 ff.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Christenheit in der altfranzösischen Chanson de Roland
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Veranstaltung
Romanisches Seminar: Hauptseminar: Die Hölle, das sind die anderen - Islam und Judentum in spanischen, französischen und portugiesischen Epen, Romanen und Sachtexten
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
22
Katalognummer
V61315
ISBN (eBook)
9783638547987
ISBN (Buch)
9783656562634
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Christenheit, Chanson, Roland, Romanisches, Seminar, Hauptseminar, Hölle, Islam, Judentum, Epen, Romanen, Sachtexten
Arbeit zitieren
Anja Krechel (Autor:in), 2005, Die Christenheit in der altfranzösischen Chanson de Roland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61315

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