Steuerloch trotz hoher Steuern?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

23 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Einkommensteuer im Zeitverlauf
2.1 Die Ausgestaltung der deutschen Einkommensteuer: Ein kurzer Überblick
2.2 Steuerpolitik und Steueraufkommen der Lohnsteuer und veranlagten Einkommensteuer bis 1990
2.3 Änderung des Einkommensteuertarif 1990 und ihre Auswirkungen
2.3.1 Änderung des Steuertarifs
2.3.2 Reaktionen am Arbeitsmarkt
2.3.3 Reaktion des Steueraufkommens
2.3.4 Konsequenzen

3. Interpretation
3.1 Progressiver Steuertarif und Wertsteuern
3.2 Personelle Lohn- und Lohnsteuerverteilung

4. Fazit

5. Ökonomischer Hintergrund
5.1 Arbeitsangebot, Besteuerung und Lohnelastizität
5.2 Steuersatz und Steueraufkommen: Die Laffer-Kurve

Literaturverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

In der letzten Schätzung vom 08./09. November 2001 des, vom Bundesfinanzministerium einberufenen, Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ wurden die Steuereinnahmen gegenüber Mai 2001 weiter nach unten korrigiert. Bund, Länder und Gemeinden müssen demnach mit Mindereinnahmen 2001 gegenüber dem Vorjahr von über 18 Mrd. € rechnen. Die Steuerausfälle der Steuern vom Einkommen[1] fallen hierbei mit 20 Mrd. € sogar noch höher aus. Die Hauptursache hierfür liegt v.a. am Wegbrechen des Aufkommens der Körperschaftsteuer
(-21,9 Mrd. €), der veranlagten Einkommensteuer (-3,7 Mrd. €) sowie der Lohnsteuer
(-3 Mrd. €). Vor allem bei diesen Steuern scheint der Staat an die Grenze der Einnahmenerzielung gelangt zu sein. Während die Einkommensteuerquote in den 1960er bis Mitte der 1970er Jahre von 5,9% auf 10,9% stieg und damit das Einkommensteueraufkommen schneller wuchs als das Bruttoinlandsprodukt, blieb es bis Ende der 1990er Jahre in etwa auf dem Niveau von 10% und sank seitdem wieder auf einen Wert von 8,3% in 2001. Auch unter Hinzurechnung des Solidaritätszuschlags als implizite Einkommensteuer liegt die Einkommensteuerquote mit 8,8% gut 1,5 Prozentpunkte unter denen der 1970er und 80er Jahre.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Steuerquoten 1960 bis 2002 (ab 1991 Gesamtdeutschland, 2001 und 2002: AK „Steuerschätzungen“ November 2001) Quelle: Statistisches Bundesamt, BMF 2001b, eigene Berechnungen

Das Einkommensteueraufkommen ist mit einem Anteil von derzeit ca. 36 Prozent (38% incl. Solidaritätszuschlag) an den gesamten Steuereinnahmen die bedeutendste Einnahmequelle der öffentlichen Haushalte. Von 1960 bis Mitte der 1970er Jahre hat sich der Anteil der Einkommensteuer an den gesamten Steuereinnahmen von 26% auf ca. 43% nahezu verdoppelt und blieb in etwa auf diesem Niveau (40-43%) bis Ende der 1980er Jahre. Seit Anfang der 1990er Jahre ist jedoch wieder ein Rückgang auf ca. 36% zu beobachten (vgl. Abbildung 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Steueraufkommensanteile 1960-2002 (ab 1991 Gesamtdeutschland, 2001 und 2002: AK „Steuerschätzungen“ November 2001) Quelle: Statistisches Bundesamt, BMF 2001b, eigene Berechnungen

Wie aus Abbildung 2 ersichtlich, dürfte der Hauptgrund für diesen Verlauf im Aufkommen der Lohnsteuer zu suchen sein. Ihr Anteil an der Einkommensteuer liegt derzeit bei etwa 80%. Während 1960 die Lohnsteuer nur zu etwa 45% am Einkommensteueraufkommen beteiligt war, stieg ihr Anteil fast kontinuierlich auf über 89% im Jahre 1997. Somit kann sie als relativ sichere Einnahmequelle der öffentlichen Haushalte angesehen werden. Die Lohnsteuerquote änderte sich von 2,7% im Jahre 1960 auf 7,3% 1974 und verzeichnete bis zum Jahre 1995 einen leichten Anstieg auf 8,2%. Ab diesem Zeitpunkt ist das Aufkommen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt rückläufig und lag 2000 mit 6,7% wieder auf dem Niveau von 1973 (vgl. Abbildung 1).

2. Einkommensteuer im Zeitverlauf

2.1 Die Ausgestaltung der deutschen Einkommensteuer: Ein kurzer Überblick

Bevor mögliche Ursachen für diese Verläufe untersucht werden, sollen die ebenso komplexen wie komplizierten Vorschriften des Einkommensteuergesetzes kurz dargelegt werden. Die Einkommensteuer ist eine direkte Steuer vom Einkommen von natürlichen Personen mit Wohnsitz im Inland (unbeschränkt Steuerpflichtige). Mit der Einkommensteuer wird grundsätzlich versucht, alle Einkünfte aus erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten zu erfassen. Im Einkommensteuergesetz werden die verschiedenen Einkünfte in sieben Einkunftsarten klassifiziert, diese werden nochmals in die sog. „Gewinneinkunftsarten“ (z.B. Einkünfte aus selbständiger Arbeit) und „Überschusseinkunftsarten“ (z.B. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) unterteilt. Die „Summe der Einkünfte“ aus den sieben Einkunftsarten ergibt allerdings noch nicht die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer. Diese lässt sich vereinfacht folgendermaßen herleiten: Das Jahresbruttoeinkommen vermindert um steuerlich zugelassene Abzugs- (z.B. Werbungskosten) und Verrechnungsmöglichkeiten (z.B. Splitting oder negative Einkünfte) ergibt das zu versteuernde Einkommen oder die Bemessungsgrundlage. Auf die Bemessungsgrundlage wird der Steuertarif angewandt und es ergibt sich die veranlagte Einkommensteuer.

Besondere Erhebungsformen der Einkommensteuer sind u.a. die Lohnsteuer, die Kapitalertragsteuer und der Zinsabschlag; bei ihnen wird eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer im Rahmen des sog. „Quellenabzugsverfahrens“ erhoben. So wird z.B. die Lohnsteuer durch den Arbeitgeber einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Die gezahlte Lohnsteuer wird dann im Lohnsteuerjahresausgleich oder bei der Einkommensteuerveranlagung (wenn noch andere Einkünfte außer aus nichtselbständiger Arbeit bestehen) auf die Einkommensteuerschuld angerechnet.

Der Steuertarif der Einkommensteuer gibt den funktionalen Zusammenhang zwischen Bemessungsgrundlage und Steueraufkommen wieder. Bei der deutschen Einkommensteuer kann zwischen drei Arten von Tarifzonen unterschieden werden: der sog. „Nullzone“, bei der ein Grundfreibetrag des zu versteuernden Einkommens generell steuerfrei bleibt, einer Proportionalzone, innerhalb derer der Grenzsteuersatz konstant bleibt, und einer Progressionszone, hier steigt der Grenzsteuersatz mit zunehmenden Einkommen an. Bis 1995 gliederten sich die Zonen wie folgt: Nullzone, untere Proportionalzone, Progressionszone und obere Proportionalzone. Seit 1995 ist die untere Proportionalzone weggefallen, dafür wurde die Progressionszone in eine untere und obere Progressionszone aufgeteilt (vgl. weiterführend: Blankart 2001,
S. 255 ff., BMF 2001a).

2.2 Steuerpolitik und Steueraufkommen der Lohnsteuer und veranlagten Einkommensteuer bis 1990

Wie schon oben dargelegt, ist der Anteil der Lohnsteuer an der Einkommensteuer bis Mitte der 1990er Jahre stetig gestiegen. Des Weiteren kann beobachtet werden, dass der Anteil des Aufkommens der veranlagten Einkommensteuer[2] eine gegenläufige Tendenz zeigt und immer weiter abnahm. Die Steuerquote der veranlagten Einkommensteuer tendierte Mitte der 1990er Jahre gegen Null (vgl. Abbildung 3).

Eine Veränderung am Steueraufkommen kann mehrere Gründe haben. Zum einen stellt sich die Frage, ob der Steuertarif geändert wurde, da, wie oben geschildert, das Steueraufkommen von der Bemessungsgrundlage und dem auf diese angewandten Steuertarif abhängig ist. Zum anderen lässt sich aus dieser Beziehung auch der zweite Grund ableiten, nämlich dass eine Aufkommensänderung durch eine Veränderung der Bemessungsgrundlage hervorgerufen worden sein könnte.

Bei der Frage, ob sich der Steuertarif geändert hat, richtet sich der erste Blick auf die Steuersätze. Werden die Steuersätze angehoben und es kommt zu keinen Ausweichreaktionen, d.h. das Arbeitsangebot verändert sich nicht, sollte das Steueraufkommen steigen. Die Steuersätze haben sich im Laufe der Zeit jedoch kaum verändert. Der Eingangssteuersatz lag bis 1964 bei 20% und wurde 1965 auf 19% abgesenkt. 1975 wurde er um 3 Prozentpunkte auf 22% angehoben und bis 1989 auf diesem Niveau belassen. Der Spitzensteuersatz wurde ebenfalls 1975 um 3 Prozentpunkte auf 56% angehoben, nachdem er bis zu diesem Zeitpunkt bei 53% lag (BMF 2000b). Da die Steuersätze über einen längeren Zeitraum konstant blieben, dürfte von ihnen eine signifikante Aufkommensänderung nicht ausgegangen sein. Selbst die Steuererhöhung von 1975 hat in den kurz darauf folgenden Jahren keine relative Aufkommensänderung erbracht (vgl. Abbildung 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Steuerquoten und Steueranteile 1960-2000 (ab 1991 Gesamtdeutschland)

Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen

Des Weiteren sollten die Einkommensgrenzen, ab denen die Steuersätze greifen, mindestens der Inflation angepasst werden, um zu vermeiden, dass sich der Staat durch inflationsbedingte Einkommenserhöhungen „bereichert“. Denn steigen die Einkommen im gleichen Maße wie die Inflationsrate, d.h. das Realeinkommen bleibt gleich, würde die Steuerbelastung aufgrund des progressiven Steuertarifs steigen, obwohl sich die Leistungsfähigkeit nicht geändert hat. Diese Anpassung wurde jedoch vom Gesetzgeber nur unzureichend durchgeführt. Während der Grundfreibetrag bzw. die Einkommensgrenze für den Eingangssteuersatz zumindest ab 1975 in etwa an die Inflation angepasst wurden, hat sich die Einkommensgrenze des Spitzensteuersatzes kaum verändert. Lediglich 1975 wurde sie um rund 10.200 € von 56.263 € auf 66.478 € erhöht und lag damit 1989 um 112.600 € unter der Einkommensgrenze von 1958 in Preisen von 1958 (vgl. Abbildung 4).

Aus letzterem lässt sich vermuten, dass bei steigendem Einkommen die Steuereinahmen ebenfalls zunehmen müssten. Da die durchschnittlichen Einkommen (bis 1989) in etwa um die gleiche Rate wie das nominale Bruttoinlandsprodukt wuchsen (Tabelle 1) und somit am realen Wirtschaftswachstum partizipierten, müssten auch die Steuerquoten gestiegen sein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Tatsächliche und an die Inflation angepasste Einkommensgrenzen 1958-1989 (Angaben in €)

Quelle: BMF 2000b, eigene Berechnungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Durchschnittliche Einkommen 1961-1995 (ab 1992 Gesamtdeutschland)

1) Anpassung der Einkünfte mit den Wachstumsraten des nominalen Bruttoinlandsprodukt
2) Basis 1960
3) Basis 1961
4) incl. mithelfende Familienangehörige

Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen

Wie aus Abbildung 3 ersichtlich traf dies nicht zu, lediglich die Lohnsteuerquote bewegte sich in die vermutete Richtung; die Steuerquote der veranlagten Einkommensteuer nahm dagegen fast kontinuierlich ab. Die Ursache hierfür muss in einer Verminderung der Bemessungsgrundlage, also dem Rückgang des Arbeitsangebots und/ oder dem Ausnutzen von Steuervergünstigungen und Absetzungsmöglichkeiten liegen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Volkswirtschaftliche Einkommens-, Erwerbstätigen- und Steuerquoten der Selbständigen 1960-2000 (ab 1991 Gesamtdeutschland) Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen

Ein Rückgang des Arbeitsangebots lässt sich bei den selbständig Tätigen in der Tat beobachten. Gingen 1960 noch 5.990.000 einer selbständigen Beschäftigung nach, so waren es 1989 3.011.000[3], also nur noch etwa die Hälfte. Damit einhergehend hat sich die theoretische makroökonomische Bemessungsgrundlage[4] im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt von 14% (1961) auf 8,5% (1989) um 39% verringert. Die Steuerquote der veranlagten Einkommen­steuer hat sich im gleichen Zeitraum sogar um 49% vermindert. Somit muss sich die tatsächliche Bemessungsgrundlage, das zu versteuernde Einkommen, durch Ausnutzen von Steuervergünstigungen und Abschreibungsmöglichkeiten um weitaus mehr verringert haben, da aufgrund der oben geschilderten Progressionswirkung der Steuer bei steigenden Individualeinkommen die Steueraufkommensquote nur in einem weit geringeren Maße hätte sinken dürfen.

[...]


[1] incl. Solidaritätszuschlag; Steuern vom Einkommen umfassen die Einkommen- und Körperschaftsteuer

[2] Die veranlagte Einkommensteuer ergibt sich aus Anwendung des Steuertarifs auf das im Veranlagungszeitraum zu versteuernde Einkommen abzüglich der im Steuerabzugsverfahren einbehaltenen Einkommensteuer (z.B. Lohnsteuer). Sie umfasst somit v.a. die Einkommensteuer auf die Gewinneinkunftsarten (u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit).

[3] incl. mithelfende Familienangehörige; ohne mithelfende Familienangehörige: Rückgang von 3,3 Mio. 1960 auf 2,4 Mio. 1989

[4] Gesamtbetrag der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und selbständiger Tätigkeit ohne Abzug von Freibeträgen, Sonderausgaben und sonstigen Abzugsmöglichkeiten

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Steuerloch trotz hoher Steuern?
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Volkswirtschaftslehre)
Veranstaltung
Fallstudien in Mikro- und Makroökonomik
Note
2,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
23
Katalognummer
V6126
ISBN (eBook)
9783638137782
Dateigröße
629 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Progression, Kalte Progression, Steuerquoten, Laffer-Kurve
Arbeit zitieren
Maik Hetmank (Autor:in), 2002, Steuerloch trotz hoher Steuern?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6126

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