Evolution des interaktiven Fernsehens in Deutschland


Diplomarbeit, 2005

132 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

II. Abbildungsverzeichnis

III. Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Medien im Umbruch
2.1 Mediennutzung
2.2 Medienkonvergenz
2.3 Medienkompetenz
2.4 Fazit

3. Fernsehen in Deutschland
3.1 Dualer Rundfunk
3.2 Rahmen des ö.-r. Rundfunks
3.3 Bedeutung von Quote und Qualität
3.4 Motive der Zuschauer
3.5 Programminhalte aktuell
3.6 Macht des Fernsehens
3.7 Fazit

4. Digitales Fernsehen
4.1 Technik des analogen Fernsehens
4.2 Digitalisierung
4.3 Kompressionsverfahren
4.4 Digitale Übertragung
4.5 Set-Top-Box
4.6 MHP
4.7 Marktentwicklung
4.8 Fazit

5. Interaktives Fernsehen
5.1 Begriffsdefinitionen
5.2 Ist diTV ein neues Medium
5.3 Ausdrucksformen von diTV
5.4 Rückkanal
5.5 Impulse
5.6 Aufbereitung
5.7 Umgang
5.8 Fazit

6. Vorbild Großbritannien
6.1 Besonderheiten im Königreich
6.2 diTV in Großbritannien
6.3 BSkyB
6.4 Programmbeobachtung
6.5 Fazit

7. Modell Gedankenspielplatz
7.1 Wahl des Themas
7.2 Der zu vermittelnde Inhalt
7.3.Gliederung der Inhalte
7.4 Ideensammlung für diTV

8. Zusammenfassung

9. Glossar

IV. Literaturverzeichnis

II. Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Medien-Nutzungsstatistik,

Abb. 2 Parallelnutzung elektronischer Medien,

Abb. 3: Datenblatt Multimedia-Handy,

Abb. 4: Verwertungskette Kino-Film,

Abb. 5: Fernsehkonsum Kinder- u. Jugendliche,

Abb. 6: Programmbouquet ZDFvision,

Abb. 7: Zeilensprungverfahren,

Abb. 8: Sampling,

Abb. 9: Quantisierung,

Abb. 10: heute-Nachrichten,

Abb. 11: Digitalempfang,

Abb. 12: Set-Top-Box,

Abb. 13: Set-Top-Box Architektur,

Abb. 14: ARD/ZDF Olympiakanal,

Abb. 15: ARD-Kopfball,

Abb. 16: EPG,

Abb. 17: ZDF-Teletext,

Abb. 18: BskyB,

Abb. 19: sky+,

Abb. 19: sky+,

Abb. 21: EPG / BskyB,

Abb. 22: Sky text,

Abb. 23: BBCi,

Abb. 24: Exchange & Mart,

Abb. 25: Teletext Holidays,

Abb. 26: BBC News 24,

Abb. 26: SkyNews,

Abb. 27: Sky Vegas Live,

Abb. 28: Channel 425,

Abb. 29: Sky Sports Active,

Abb. 30: Sky Movies Active,

Abb. 31: On Air Promotion,

Abb. 32: Online-Kosten,

Abb. 33: Teufelskreis,

Abb. 34: Säulen der Europäischen Union,

Abb. 34: EU-Timeline,

Abb. 36: Europakarte I,

Abb. 37: Interaktives Verfassungsbuch,

Abb. 38: Europakarte II,

III. Abkürzungssverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Vorhang auf für das digitale interaktive Fern- sehen - kurz diTV. Nur leider ist der Zuschauersaal eher spärlich besetzt und auf der Bühne läuft das gleiche Programm wie immer...

Der Titel dieser Arbeit “Evolution des digitalen interaktiven Fernsehens in Deutschland” deutet an, dass der Weg in eine neue, interaktive Welt lang und steinig ist und von den Marktteilnehmern nicht so rasant begangen wird wie oftmals behauptet.

Die in den Kapiteln zwei und drei skizzierte Digitalisierung der Fernsehsignale und das Zusammenwachsen unterschiedlicher Medienformen bilden die Grundlage für die Entwicklung des neuen Mediums diTV.

Aufmerksame Seitenblicke auf allgemeine gesellschaftliche Strömungen und das Mediennutzungsverhalten der Menschen sollen verdeutlichen, welche Faktoren die Marktchancen von diTV maßgeblich beeinflussen.

Fehlt nur noch der Blick nach vorne, besser gesagt in die Ferne nach Großbritannien. Auf der Insel existieren bereits heute eine ganze Reihe interaktiver Angebote auf der Mattscheibe. In Kapitel 6 wird das Programm des britischen Bezahlsenders BskyB unter diesem Aspekt unter die Lupe genommen.

Im Anschluss daran werden die gewonnen Erkenntnisse in einem Grobkonzept für ein beispielhaftes Programmangebot umgesetzt. Unter dem Arbeitstitel “Gedanken- spielplatz” werden die Potenziale von diTV herausgestellt: Interesse wecken, Inhalte vertiefen, auf spielerische Art Informationen vermitteln, Diskussionen anregen und unterhalten. Für die Erstellung dieser Arbeit durfte der Autor bei ZDFvision, der digitalen Sendergruppe des ZDF, wichtige Eindrücke in Sachen Planung und Gestaltung von Fernsehsendungen sammeln. Aus diesem Grund werden die kommerziellen Möglichkeiten von diTV nur angerissen und dafür die Perspektive der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in den Fokus gerückt.

Um besonders zielgerichtet arbeiten zu können, werden zu Ende jeden Kapitels die wichtigsten Aspekte in Bezug auf die Programmplanung und -entwicklung von diTV noch einmal aufgegriffen und diskutiert. Wichtige bzw. komplizierte Begriffe werden im Glossar (Kapitel 9) näher erläutert.

Es ist eine spannende Herausforderung für Sender, Produzenten, Fernseh- schaffende und Hardware-Hersteller neue Angebote zu etablieren, die auch auf eine breite Nachfrage stoßen. Letzten Endes sind es nämlich immer die Konsumenten, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Den Wünschen und Vorstellungen der Menschen zu Hause in ihren Wohnzimmern muss daher immer besondere Beachtung geschenkt werden.

In dieser Arbeit sollen ganz bewusst auch kritische Stimmen zu Wort kommen.

Das Fernsehgerät wird in erster Linie zur Entspannung und Unterhaltung genutzt. Dieses passive Rezeptionsverhalten steht der Funktionsweise von diTV grundsätzlich entgegen. Das Titelbild zeigt einen jungen Mann, der sich aus einer zurückgelehnten Haltung dem TV-Gerät Schritt für Schritt zuwendet. Diese Evolution vom passiven Konsumenten zum interessierten Nutzer kann diTV fördern. Wie dies möglich ist und ob ein solches Zuschauerverhalten schon heute zu beobachten ist, werden Sie auf den folgenden Seiten erfahren.

Medien im Umbruch

Dieses Kapitel soll einen Überblick darüber geben, welche Bedürfnisse und Vorlieben die Mediennutzer antreiben und welchen grundlegenden Veränderungen der gesamte Mediensektor unterworfen ist. Mit den unmittelbaren Folgen müssen sich sowohl die Medien-Produzenten als auch die Konsumenten auseinander- setzen. Der Konkurrenzdruck unter den Programmgestaltern steigt und die Vielzahl der neuen Medienangebote führt nicht selten zu einer Orientierungslosigkeit beim Nutzer. Wer mit den dynamischen Entwicklungen Schritt halten will, muss nicht nur seine Sinne auf Empfang stellen, sondern auch ein Gespür dafür entwickeln, wie die positiven Seiten der modernen Medienlandschaft genutzt werden können.

Zum Abschluss dieses Kapitels werden die Erkenntnisse auf den Bereich diTV projeziert. Die Bedeutung von Interaktivität ist mit der Verbreitung des Internets enorm gewachsen. TV und Internet stehen deshalb besonders im Blickpunkt.

2.1 Mediennutzung

Im Jahr 2004 schauten fast 90 Prozent der Deutschen mehrmals in der Woche fern, 82 Prozent hörten Radio und 80,1 % lasen regelmäßig Zeitung. Diese drei Medien wurden mit Abstand von den meisten Menschen genutzt.1 Die größten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zuwachsraten verzeichnete weiterhin das Internet. In Deutschland war 2004 jeder Zweite online. Beim Internet handelt es sich in erster Linie um ein individuelles Medium mit einem schnellen und flexiblen Zugriff auf aktuelle oder auch sehr spezielle Informationen und unterscheidet sich somit schon in der Funktionsweise eindeutig vom massenmedialen Rundfunk. Der Internetuser muss seine Aufmerksamkeit für die richtige Navigation und dem richtigen Verständnis der Inhalte über einen längeren Zeitraum beibehalten. Inhalte aus dem Internet werden überwiegend - wie bei Zeitungen und Zeitschriften logischerweise auch - lesend aufgenommen, d.h. diese Medien konkurrieren um den gleichen Rezeptionskanal.

Das Radio hat sich im Laufe der Jahre zu einem tagesbegleitenden Medium ent- wickelt, d.h. die Konzentration liegt während des Hörens meist bei anderen Tätigkeiten, z.B. Büroarbeit, Frühstücken, Putzen etc. Das Fernsehen ist in erster Linie ein (Massen-) Unterhaltungsmedium. Mit den immer weiter steigenden Nutzerzahlen des Internets, dient das Fernsehprogramm besonders bei jungen Leuten oft nur als Hintergrundunterhaltung.2 Zwar stieg das tägliche Zeitbudget fürs Fernsehen von 179 Minuten im Jahr 1996 auf durchschnittliche 202 Minuten im Jahr

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Medien-Nutzungsstatistik

(Quelle: TimeBudget 10)

2004 an. Ob das Programm in diesem Umfang auch wirklich wahrgenommen wurde, ist allerdings zu bezweifeln.

Die Studie TimeBudget von SevenOne Media untersuchte die Entwicklungen in der Mediennutzung von 1999 bis 2004. Ergebnis: Die Zahl der Internetuser wächst und wächst - doch auf wessen Kosten? Daniel Haberfeld, Director Research bei SevenOne Media, findet eine überraschende Antwort: „Die Zeit, die die Deutschen im Internet surfen, ist zusätzliche Medienzeit. Sie geht nicht zu Lasten der anderen Medien. Das Internet ergänzt die anderen Medien, von Verdrängung ist keine Spur.“3

An den Kurven (siehe Abb. 1) ist abzulesen, dass sich die Nutzergewohnheiten in den letzten Jahren nur beim Internet signifikant veränderten. Die These von Haberfeld wird also durch diese Statistik gestärkt. Die Nutzerzahlen der Informationsmedien sind in den letzten Jahren trotz der Konkurrenz aus dem Internet nur leicht (Bsp. Zeitung) oder gar nicht (Bsp. Teletext) gesunken.

Interessant ist ein Blick auf den Zusammenhang zwischen Wahl der Medien und der Demographie der Nutzer. Die Massenmedien Fernsehen und Radio werden wie der Name schon sagt von einer breiten Masse genutzt, daher deckt sich das von TimeBudget ermittelte Durchschnittsalter der Hörer und Zuschauer in etwa mit dem Durchschnittsalter der gesamten Testgruppe (14-49). Teletext, Zeitschriften und Internet werden vermehrt von jungen Leuten genutzt, während die Tageszeitung eine ältere Zielgruppe anspricht. Eine dynamische Entwicklung in dieser Frage ist nur beim Internet festzustellen. Dieses Medium wandelt sich mit steigenden Nutzerzahlen von einem Medium für überwiegend junge und gebildete Männer zu einem Medium für alle interessierten Menschen ganz gleich welchen Geschlechts und Alters. „Wenn noch mehr Personen das Internet in ihren Alltag integrieren, wird sich die Nutzerstruktur des Internets immer weiter den klassischen Massenmedien annähern.“4

Um neben der generellen Nutzung von Medien auch die Intensität zu ermitteln, wurde im Rahmen der Forschung auch die durchschnittliche Nutzungsdauer pro Tag abgefragt. Knapp drei Stunden Fernsehen und zweieinhalb Stunden Radiohören

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

sind „nach durchschnittlich sieben Stunden Schlaf pro Nacht...die am häufigsten ausgeübten Freizeitbeschäftigungen.“5

Das Internet hat in der „internen Medienrangliste“ mit einer Nutzungsdauer von einer Stunde, Tendenz steigend, die dritte Position inne. Die Printmedien werden dagegen deutlich kürzer in Anspruch genommen. Insgesamt bleibt festzuhalten: „Jeder Deutsche verbringt über acht Stunden pro Tag mit Medien. Das ist ein Viertel mehr als noch vor sechs Jahren“.6

Dieser Anstieg ist in erster Linie auf die wachsende Nutzungsintensität beim Internet zurückzuführen. Die von SevenOneMedia errechneten acht Stunden ergeben sich aus der Summe der Einzelnutzungsdauer des jeweiligen Mediums. Wenn also jemand eine halbe Stunde im Internet surft und dabei die ganze Zeit das Radio im Hintergrund laufen lässt, so hat sich diese Person statistisch gesehen eine Stunde mit Medien beschäftigt. Dieses Beispiel ist keine Seltenheit, was die folgende Statistik zur Parallelnutzung elektronischer Medien beweist. Mehr als die Hälfte der

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 2 Parallelnutzung elektronischer Medien

(Quelle: TimeBudget 10)

Internetuser lässt zumindest ab und zu das Radio als Hintergrundunterhaltung laufen. Mit 37% in der ersten Jahreshälfte 2004 ist auch das Fernsehen ein relativ beliebtes Begleitmedium.7

Interessant ist das Maximum der Inernetnutzerzahlen am Vorabend (ca. 18 Uhr).

Am Ende des Arbeitstags oder zu Hause vor den Nachrichten noch schnell E-Mails lesen, etwas ersteigern oder chatten - so könnte man sich die Überlegungen der Nutzer vorstellen. Die sog. Prime-Time von 20 bis 22 Uhr wird dagegen klar vom TV-Medium dominiert, in dieser Zeit „sitzen jeden Tag mehr als drei Viertel der Bevölkerung vor dem Fernseher.“8

Durchschnittlich acht Stunden Mediennutzung pro Tag klingt nach einer medialen Überflutung. Ob es sich um verschwendete Zeit handelt oder ob die vielfältigen Informations-, Unterhaltungs- und Kommunikationsmöglichkeiten sinnvoll genutzt werden, hängt u.a. von der jeweiligen Medienkompetenz des Nutzers ab, die in diesem Kapitel noch beleuchtet wird.

2.2 Medienkonvergenz

In diesem Kapitel sollen einige Konvergenztendenzen im Medienbereich exemplarisch dargestellt werden.

Konvergenz bedeutet in der Physik das „Aufeinanderzustreben der einzelnen Strahlen eines Strahlenbündels.“9 Innerhalb der Medien selbst und im Blick auf andere Märkte wie der Informations- und der Kommunikationstechnologie gibt es unterschiedliche Felder, an denen eine Bündelung bzw. ein Aufeinanderzustreben stattfindet.

Die Entwicklung multimedialer Endgeräte, sog. Value Added Services (Mehrwertdienste wie z.B. Börsenkurse aufs Handy), Navigationssysteme, digitale Übertragung und Packaging (gebündelte Datenpakete) haben entscheidenden Anteil an der Medienkonvergenz.

Neben diesen technischen Neuerungen wirkt bei den Medieninhalten besonders der Mix aus Information, Unterhaltung und Kommunikation beschleunigend auf das Zusammenwachsen von Medienformen, Märkten und Unternehmen - vor allem auf funktionaler Ebene. Die ARD/ZDF Online-Studie 2000 stellt drei Aspekte heraus, die im Zusammenhang mit dem Konvergenzbegriff beachtet werden müssen. „Neben die rein technologische Seite treten die Angebots- sowie die Nutzerperspektive.“10

Matthias Knothe trifft in seinem Buch “Konvergenz der Medien - eine rechtliche Betrachtung” eine eher allgemein gehaltene Definition: „Ein Zusammenwachsen und Verschmelzen bisher traditionell getrennter Kommunikationsbereiche.“11 Diese Begriffsauslegung lässst es zu, sowohl das Zusammenwachsen der Endgeräte als auch die Inhalte unter dem Stichwort Medienkonvergenz zu beschreiben. Im Bereich der Technik wird der Konvergenzbegriff in immer vielseitigeren Endgeräten greifbar. Ein Beispiel hierfür sind Handys mit integriertem Internet-Zugang, Video- und Fotokamera, MP3 und Radio-Funktion (vgl. Abb. 3).

Mit DVB-H und UMTS lässt sich das Display auch in eine Fernsehmatt- scheibe verwandeln; telefonieren soll übrigens weiterhin möglich sein. Apropos telefonieren - dank Voice over IP ist dies nun auch bestens über das Internet möglich.

Mit der Digitalisierung von analogen Bild- und Toninformationen gab es eine Art „Urknall“, im Zuge dessen sich durch die Optimierung der Verbreitungskanäle und der Kompressionsverfahren die Übertragungsmöglichkeiten und Speicherkapazitäten sukzessive verbesserten und weiter verbessern werden. Die digitalen Daten bieten im Vergleich zum analogen Pendant unendliche Möglichkeiten zur weiteren Bearbeitung. Vom nonlinearen Schnitt angefangen bis zu aufwändigen Spezialeffekten sind keine Grenzen mehr gesetzt. Klar ist auch, dass die Produzenten eine neue „mediale Wirklichkeit“ nach

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Datenblatt Multimedia-Handy

Quelle: www.vodafone.de

ihren Vorstellungen erschaffen können und so ständig die Gefahr einer Täuschung der Zuschauer durch verfälschte Inhalte besteht.

Die Endgerätehersteller arbeiten sich Schritt für Schritt an einen multimedialen Alleskönner heran. Jede Entwicklungsstufe soll dabei an die Frau und den Mann gebracht werden. Ob diese tatsächlich eine Nachfrage für die neuen Technologien entwickeln, ist von verschiedenen Faktoren, insbesondere dem Preis und der Benutzerfreundlichkeit, abhängig.

Im außerphysikalischen Sprachgebrauch bedeutet Konvergenz „gegenseitige Annäherung, Übereinstimmung“.12 Bei der Koexistenz von unterschiedlichen Medienformen und Anwendungsmöglichkeiten auf einem Endgerät handelt es sich zwar um eine räumliche Annäherung, von einer „Übereinstimmung“ kann in den meisten Fällen nicht die Rede sein. Auf der anderen Seite zeigt das genannte Beispiel “Internet-Telefonie” wie Anwendungen aus zuvor getrennten Bereichen verschmelzen können. Es ist offensichtlich, wie die Diskussion um Konvergenz schnell zu einer Interpretationssache wird.

Die Nachfrage an Medieninhalten treibt die Konvergenz auf inhaltlicher Ebene voran. Den Produzenten bietet sich die Möglichkeit, ihre Medienprodukte mehrfach zu vermarkten. Die Wertschöpfungsketten haben sich dadurch entscheidend verändert. Die Vermarktung verläuft heute oft nicht mehr nur in sukzessiv geschalteten Stufen, sondern auch parallel auf unterschiedlichen Ebenen, wie das Beispiel Kinofilm zeigt (vgl. Abb. 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.4: Verwertungskette Kino-Film

Aktuell entwickeln sich beliebte Medieninhalte wie z.B. Kinofilme oder Fernseh- serien zu eigenen Marken. Ein Vergleich zur Industrie: Eine Firma stellt eine beliebte Schokolade her, der Markenname steht dabei für gute Qualität und besonderen Geschmack. Dieses Image will der Unternehmer jetzt auch auf anderen Wegen vermarkten und verkauft nun zusätzlich zur Schokolade (dem Hauptprodukt) auch einen Schokoladen-Brotaufstrich und ein Kakaopulver.

Ähnlich wie in diesem schokoladigen Beispiel wird auch in der Medienbranche ver- sucht, das Markenpotenzial auszuschöpfen. Insbesondere von der Kinoleinwand oder der Fernsehmattscheibe ist der Sprung der „Marke“ auf andere Medienformen beliebt. Die Vorabend-Seifenopern wie z.B. „Gute Zeiten - Schlechte Zeiten“ auf RTL werden in der Regel von einem Magazin im Print und einer umfangreichen Webseite im Internet begleitet. Diese Bestrebungen sind schon seit einigen Jahren zu beobachten, doch die zunehmende Verzahnung auf der inhaltlichen Ebene ist neu. Ein Beispiel hierfür ist die Kino-Trilogie „Der Herr der Ringe“. Das Computerspiel zum Film knüpft an die Handlung des Films an, spielt an identischen Schauplätzen und wird durch Originalszenen aus dem Film angereichert.

Die Beispiele von „Der Herr der Ringe“ und den Soap-Operas zeigen, dass die inhaltliche Konvergenz, die Mehrfachvermarktung von Medienmarken und die Verknüpfung der Vertriebswege, besonders bei der jungen Zielgruppe auf Nachfrage stößt. Die Teenager von heute bilden im Grunde die erste Generation, die zu einem großen Teil mit der ganzen medialen Palette aus Computer, Internet, Handy, MP3, Fernsehen usw. aufwächst und für die der wechselnde Umgang selbstverständlich ist.

Die individuellen Vorlieben geben vor, welche Angebote genutzt werden. Die Hoffnungen der produzierenden Firmen, mit einem beliebten Kino-Film die gleiche „Fan-Gemeinde“ für das zugehörige Computerspiel und die Bücher zu begeistern, erfüllen sich jedoch nur in den seltensten Fällen. Die Nutzer haben ihren eigenen Kopf und lassen sich nicht vorschreiben, was sie zu kaufen und zu nutzen haben. Jeder findet seinen eigenen Zugang zu den Angeboten.

Doch nicht nur das zeitliche, sondern auch das begrenzte finanzielle Budget der Konsumenten darf in Bezug auf immer mehr Medienangebote und multimediale Endgeräte nicht außer Acht gelassen werden. Die Ausschöpfung aller kommerziel- len Möglichkeiten ist eine gängige Strategie der produzierenden Unternehmen. Heutzutage lässt sich z.B. kaum ein neues Mobiltelefon finden, das „nur“ telefonie- ren kann. Den Mehrwert durch Foto- und Internetfunktionen lassen sich die Gerätehersteller teuer bezahlen. Nebenbei können so die Netzbetreiber, z.B. für die Übermittlung von Fotos, Gebühren einkassieren. Eine Hand wäscht die andere - auch eine Definition von Medienkonvergenz.

Die technische Dimension der Konvergenz wurde bereits am Beispiel des Multimedia-Handys deutlich. Diese Entwicklung ist in erster Linie auf die Digitalisierung zurückzuführen. Aus Audio, Video und Schrift werden Datenpakete aus Nullen und Einsen (binäre Form) und können so auf einem gemeinsamen Über- tragungsweg übermittelt werden. Die wachsende Verbreitung von multimediafähigen PCs in den deutschen Haushalten zeigt, dass diese Technik beim Ottonormal- verbraucher ankommt. Der mit dem Internet verbundene Computer nimmt eine ganz zentrale Position im Hinblick auf technische und inhaltliche Konvergenz ein. Orts- und Zeitunabhängigkeit sind entscheidende Eigenschaften, die konvergierende Angebote anzieht. "Fakt ist, dass sich das Medium Internet zum wichtigen Lebensbestandteil der Menschen entwickelt hat", bilanziert der Verbandschef des Online-Vermarkter-Verbands EIAA Michael Kleindl gegenüber der dpa.13

Die Konvergenztendenzen auf den beschriebenen Ebenen verändern die Mediennutzung und erhöhen die Verfügbarkeit verschiedener Medienangebote.

Diese Prognose bringt die Notwendigkeit mit sich, medienpädagogische sowie medienpolitische Aspekte zu diskutieren. In den folgenden Abschnitten rücken diese Punkte in den Fokus.

2.3 Medienkompetenz

„Der Umgang mit Informationen muss erlernt werden“ bringt Jörg Eberspächer, Professor für Kommunikationsnetze an der TU München, die gesellschaftliche Bürde der neuen Medienangebote auf den Punkt.14 Welchen Inhalten darf ich als Internetuser vertrauen? Sind die Nachrichten des neuen Lokalsenders glaubhaft? Beinhaltet das Kinderprogramm zu viele Gewaltszenen? Fragen, die angesichts des wachsenden Medienangebots schnell entstehen, aber schwierig zu beantworten sind. „Über Medieninhalte müsste viel mehr diskutiert werden, auch auf politischer Ebene. Diese Erkenntnis hat sich indes noch nicht durchgesetzt - auch nicht nach 20 Jahren duales System.“14

Interaktives Fernsehen, neue Medien oder Medienkompetenz sind Formulierungen, die in letzter Zeit inflationär benutzt werden. Dieser Abschnitt befasst sich nun mit Medienkompetenz. Um diesen Begriff greifbar zu machen, muss zunächst eine Definition gefunden werden.

Unter dem Titel „Bielefelder Modell zur Medienkompetenz“, das auf den ehemaligen Vorsitzenden der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) Dieter Baacke zurückgeht, wurden vier Dimensionen der Medienkompetenz herausgearbeitet und anschließend durch mehrere Unterdimensionen erweitert.15

Zum besseren Verständnis werden die einzelnen Punkte kurz angerissen. Die Erklärungen der Unterdimensionen setzen sich aus der Interpretation des Autors und den Ausführungen innerhalb der Studie zusammen.

I. Die Dimension der Medienkritik

1. analytische Medienkritik:
Medien sind zu einem ständigen Begleiter unseres Lebens geworden. Einige Entwicklungen im Mediensektor sind dabei durchaus kritisch zu beobachten. Wenn z.B. ein Verlagshaus mit dem Kauf einer Sendergruppe sein Medienimperium mit enormen Einflussmöglichkeiten schlagartig vergrößert, dann sollten sich die Zuschauer die Folgen und Probleme bewusst machen.

2. Reflexive Medienkritik:
Wer die eben genannten problematischen Prozesse erkennen kann, der sollte darü- ber hinaus in der Lage sein, den eigenen Medienkonsum kritisch zu betrachten.

3. Der ethische Aspekt:
Verantwortungsvoller Umgang mit Medien baut auf der analytischen und reflexiven Medienkritik auf. Eine Vorbildfunktion in der Mediennutzung zu übernehmen ist gerade für Eltern sehr wichtig.

2.3 Medienkompetenz

II. Die Dimension der Medienkunde

1. Die informative Medienkunde:
Darunter sind Grundkenntnisse über die Zusammensetzung der Medienlandschaft und wie dort gearbeitet wird zu verstehen.

2. Die instrumentell qualifikatorische Unterdimension:
Bezieht sich auf die Fähigkeit mit Mediengeräten oder Anwendungen umgehen zu können.

III. Die Dimension der Mediennutzung

1. Rezeptiv anwendende Unterdimension:
Die Fähigkeit, die Medieninhalte nicht einfach zu „konsumieren“, sondern im richtigen Kontext aufzunehmen und zu verstehen.

2. Interaktive Nutzung von Medien:
Der Nutzer setzt sich mit dem Medienangebot aktiv auseinander, er stellt Fragen, sucht nach Antworten und kommuniziert, in dem er selbst Botschaften sendet.

IV. Die Dimension der Mediengestaltung

1. Innovative Mediengestaltung:
Das Mediensystem wird durch eine innovative Mediengestaltung aktiv beeinflusst.

2. Kreative Mediengestaltung:
Mit der Produktion selbst erdachter Medienangebote wird eine eigene Botschaft vermittelt.

Bei dieser Aufschlüsselung wird deutlich, wie komplex der Begriff Medienkompetenz betrachtet werden kann und nach Meinung des Autors heutzutage auch betrachtet werden muss. Nur so können alle Aspekte, die aktuell von Bedeutung sind, berück- sichtigt werden. Blicken wir kurz 25 Jahre zurück: Im Fernsehen gibt es die Auswahl aus drei Programmmen, das world wide web liegt noch in weiter Ferne und die EDV in den Büros steckt noch in den Kinderschuhen. Eines wird deutlich: Medien- kompetenz von damals ist nicht mit den Anforderungen von heute zu vergleichen.

Damit sich die Menschen den neuen Technologien nicht unterordnen müssen, sondern die Angebote für ihre Bedürfnisse sinnvoll nutzen, ist die Ausprägung von Medienkompetenz nach modernen Maßstäben sehr wichtig. Die Bedeutung der beschriebenen Dimensionen ist abhängig von den jeweiligen Medienangeboten und von der Situation der Konsumenten. Wird Medienkompetenz am Arbeitsplatz gefordert? Konnten schon Erfahrungen im Umgang mit dem Internet gesammelt werden? Auf welche Informationsquellen kann zugegriffen werden? Diese Fragen werden von jedem ganz unterschiedlich beantwortet.

Ganz bewusst sollen in dieser Arbeit nicht nur die werberelevante Zielgruppe von 14 bis 49 Jahren, sondern vom Kleinkind bis zum Rentner alle Mediennutzer (insbesondere von TV und Internet) beachtet werden. Kinder und Jugendliche werden im Folgenden genauer unter die Lupe genommen, da diese Gruppe von der Strahlkraft der Medien besonders angezogen wird und Medienkompetenz für ihre gesamte Entwicklung von großer Bedeutung ist. Ein Großteil der Kinder und Jugendlichen ist aufgrund ihres Spieltriebs und ihrer Neugierde schnell für neuartige Medienangebote zu begeistern, auf der anderen Seite verlieren sie schnell wieder das Interesse, wenn ihnen etwas nicht hundertprozentig zusagt. Der richtige Umgang mit den Medien Fernsehen und Internet kann sehr positive Erscheinungen hervorrufen, die Welt kann begreifbar gemacht und die Neugierde und Begeisterung für unterschiedlichste Themen gesteigert werden.

Im Hinblick auf die Kompetenzentwicklung im Medienbereich haben Kinder und Jugendliche im Vergleich zu älteren Generationen einen entscheidenden Vorteil:

Sie wachsen größtenteils mit den modernen Anwendungen auf. In Bezug auf die beschriebenen Dimensionen der Medienkompetenz wird die generelle (instrumentell qualifikatorische Unterdimension) und die interaktive Nutzung der modernen Techniken heute von kleinauf durch „learning by doing“ vermittelt.

Diesem Vorteil stehen einige Gefahren gegenüber, die den Umgang mit Medien negativ prägen können. Der TV-Sender FOX fragte Kinder zwischen 6 und 13 Jahren, was sie auf eine einsame Insel mitnehmen würden. Die mit 32 Prozent mit Abstand meistgenannte Antwort war: „Den Fernseher.“16 Kinder sehen heutzutage zu viel fern! Gerücht oder Fakt? Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat durch ihre Forschung eine empfohlene Dauer des TV-Konsums für die unterschiedlichen Altersklassen ermittelt (vgl. Abb. 5).17

Der tatsächliche TV-Konsum liegt in allen Bereichen deutlich über den Richtwerten. Wie die Bundeszentrale bekannt gibt, wird nicht nur ein unbedenkliches, speziell für Kinder aufbereitetes Programm gesehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Fernsehkonsum Kinder- u. Jugendliche

Talk-Shows, Werbung, Krimi-Serien etc. gehören leider auch zum täglichen “Fernseh-Brot“ von vielen Kindern und Jugendlichen. Folgende Ergebnisse ermittelten Wissenschaftler der Bundeszentrale für gesellschaftliche Aufklärung:17 - Die Wirkung der Bilder ist je nach Alter differenziert. Bis zum sechsten Lebensjahr können Kinder nicht zwischen Phantasie und Realität trennen.

Auch wenn das Kind schon teilweise kurze Handlungen verfolgen kann ist die Gefahr einer Überforderung durch das Gezeigte groß.

- Ab sechs Jahren können die Kinder schon differenzierter, weniger emotional

Handlungen verfolgen. Gewaltszenen sollten auch in diesem Alter Tabu sein.

- Vom 10.-13. Lebensjahr können Realität und Fiktion zuverlässig voneinander

unterschieden werden. Doch auch hier warnen die Wissenschaftler vor Über forderung, z.B. durch Filme nach 22 Uhr.

Es kommt also nicht nur darauf an, wie viel Fernsehen geschaut wird, sondern auch ganz besonders auf die Inhalte. Die Psyche ist ein ganz guter Indikator, welche Sendungen einem Kind eher Schaden als Nutzen bringen. Alpträume, Schlaflosig- keit können oft ganz speziell durch ein “unpassendes“ Programm ausgelöst werden. Wenn Probleme im Alltag Überhand nehmen, ist die Flucht in die Scheinwelt Fernsehen oft der einfachste Ausweg.

Die vorgegebenen Scheinwelten führen oft zu einer Desorientierung der Jugendlichen. MTV zeigt ihren Zuschauern z.B. wie „cool“ es ist, sich zum Spaß gegenseitig zu quälen (“MTV Jackass”), eine Casting-Show nach der anderen gibt vor, wie scheinbar einfach und schnell der Aufstieg zum Star ist und „Big Brother“ vermittelt den Anschein, als sei der Verzicht auf persönliche Freiheitsrechte für Geld und Öffentlichkeit etwas Selbstverständliches. Kinder und Jugendliche müssen lernen, die mediale Wirklichkeit von der Realität zu trennen. Die Fähigkeit zur Medienkritik ist ein Teil der Medienkompetenz, die Jugendlichen vor einer Desorientierung schützen kann.

Ein wichtiger Streitpunkt im Zusammenhang mit der Mediennutzung von Minderjährigen ist die Darbietung von Gewalt. In den Nachrichten, in scheinbar harmlosen Vormittagsserien, in Reportagen, Spielfilmen und sogar in Zeichentrickfilmen für Kinder wird geschlagen, geschossen und getötet. Das härtet ab und vermittelt die Botschaft, dass Gewalt zum Alltag gehört und deswegen zu tolerieren ist.

Kinder schauen sich die Verhaltensmuster der Erwachsenen ab und lernen so, wie sie in bestimmten Situationen zu reagieren haben. Medienkompetenz muss von Eltern, Geschwistern, Lehrern etc. vorgelebt werden. Ob diese Personengruppen dazu in der Lage sind, hängt wiederum von der Entwicklung ihrer eigenen Medienkompetenz ab.

Wie sieht es also mit den Menschen aus, die nicht mit Gameboy, Handy und dem Internet aufgewachsen sind? Die Studie „Medienkompetenz im digitalen Zeitalter - wie die neuen Medien das Leben und Lernen Erwachsener verändern“ befasst sich mit der großen, aber bisher selten befragten Altersgruppe von 35 bis 74 Jahren. Im Auftrag der Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen sollte mit dieser Studie ermittelt werden, wie sich die etwas älteren Generationen sowohl im beruf- lichen als auch im privaten Umfeld auf neue Medien und neue Kommunikations- möglichkeiten einstellen. Es sind nicht wenige, die z.B. zur Bewahrung des Arbeitsplatzes regelrecht gezwungen sind, sich Medienkompetenz anzueignen.

Professor Treumann, Leiter der genannten Studie, fasst Medienkompetenz zusammen „...als eine Kompetenz, die Erwachsene befähigt in einer von Medien durchdrungenen Welt autonom zu handeln.“18

Wie werden die medialen Fortschritte von der älteren Bevölkerung angenommen? Die Erwachsenen sind in ihrer Medienkompetenz sehr unterschiedlich geprägt. Dies muss nicht unbedingt als Nachteil für die Gestalter moderner Medienangebote gelten, damit sie mit Hilfe der neuen Techniken individuell verschiedene Zugänge ermöglichen können. So ist es z.B. im E-Learning-Bereich wichtig, dass der Programmablauf an die mediale sowie themenbezogene Kompetenz des Anwenders angepasst werden kann.

Mit Hilfe der Clusteranalyse wurde im Rahmen der genannten Studie eine Typisierung der befragten 35- bis 74-Jährigen in Bezug auf ihre Medienkompetenz durchgeführt. Sechs sog. Cluster-Typen wurden in der Studie ermittelt: Die Avantgardisten, die Tüftler, die Durchschnittlichen, die Optimisten, die Zögerlichen und die Gruppe der Desinteressierten.18

Die Avantgardisten nutzen die neue Medien beruflich und privat intensiv und bilden sich auf diesen Wegen kontinuierlich weiter. Sie sind überwiegend gut gebildet, meist männlich, erwerbstätig und im Vergleich zur Testgruppe eher jüngeren Alters (35-50).

Die zweite Gruppe sind die Tüftler. Sie gehen nicht so spielerisch an die neuen Technologien heran wie die Avantgardisten und beobachten die Veränderungen im digitalen Zeitalter mit Skepsis. Der Computer wird zwar überdurchschnittlich viel genutzt, aber das Internet wird eher mit Vorsicht „betreten“.

Die dritte Gruppe sind die Durchschnittlichen. Sie nutzen die klassischen Medien durchschnittlich und sind den neuen Medien gegenüber kritisch eingestellt. Darüber hinaus besitzen sie in der Regel kaum inhaltliches Interesse.

Die Optimisten blenden negative Folgen der modernen Kommunikations- und Informationstechniken (z.B. Ersetzen von menschlicher Arbeitskraft im Verkauf oder Information durch sog. Touch-Screen-Terminals) größtenteils aus.

Die fünfte Gruppe bilden die Zögerlichen. Dieser Typ ist den neuen Medien gegenüber ohne erkennbare Gründe ängstlich eingestellt.

Die Desinteressierten lehnen die Neuen Medien bewusst ab, da sie mit ihren kommunikativen Fähigkeiten und der Freude an persönlicher Begegnung ohne mediale Hilfsmittel sehr zufrieden sind.

Die Ergebnisse dieser Studie geben ein gutes Grundwerkzeug für die weitere Untersuchung. Wer über die Medien ein Publikum nicht nur erreichen, sondern auch dessen Bedürfnisse befriedigen möchte, muss sich genau überlegen wer am anderen Ende vor der Mattscheibe, dem Radio, der Zeitung usw. sitzt. Neue Medien, zu denen auch das digitale interaktive Fernsehen zählt, machen da keine Ausnahme - ganz im Gegenteil. Gerade weil die Angebote immer vielfältiger werden, die Anzahl der Kanäle sich vervielfacht, ist es von großer Bedeutung, sein Medienangebot auf den„Kunden“ auszurichten.

2.4 Fazit

Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Medienform des interaktiven Fernsehens. Die Veränderungen im Medienmarkt und in der Mediennutzung geben wichtige Hinweise darauf, wie ein interaktives Programm erfolgreich platziert werden könnte. Die wichtigsten Punkte werden im Folgenden noch einmal zusammengefasst und mögliche Auswirkungen für das diTV formuliert.

Die Zuschauerzahlen im TV-Bereich bleiben konstant auf hohem Niveau, gleichzeitig steigt die Zahl der Internetuser stark an.

Das Internet ist von den Nutzerzahlen her auf dem Weg zum Massenmedium. Das bedeutet auch, dass durch die vermehrte Nutzung internettypischer Dienste wie dem World Wide Web oder dem Chat immer mehr Menschen Erfahrungen im Navigieren und in der Interaktion via PC sammeln. Auf diesem Weg werden Benutzerstrukturen erlernt, die sich so oder in ähnlicher Form beim interaktiven Fernsehen wiederfinden. Die Kompetenz, wie mit welchem Medium umzugehen ist, wird weiter wachsen. Der richtige Umgang mit dem Computer wird heute schon in der Schule vermittelt und ist in der modernen Arbeitswelt eine Qualifikation, die als selbstverständlich angesehen wird.

Neue Endgeräte vereinen verschiedene Medienformen auf einer Plattform.

Interaktives Fernsehen ist fast schon eine logische Entwicklung im Prozess des Zusammenwachsens von Medienformen. Mediennutzung und Kommunikation über Breitbandnetze - so kann und wird die Zukunft wohl aussehen. Die technischen Voraussetzungen verbessern sich mit jedem neuen DSL-Anschluss, mit der Einführung von UMTS und der Erweiterung des digitalen Rundfunknetzes.

Das Fernsehen entwickelt sich zum Begleitmedium.

TV-Programm als Hintergrundunterhaltung? Diesem Trend könnte die Etablierung interaktiver Programmteile entgegenwirken. Die Anbieter von diTV versprechen, das „Fernseherlebnis“ mit ihren Zusatzdiensten zu steigern. Neugierde, Informations- hunger und Spieltrieb der Nutzer vorausgesetzt, können die interaktiven Angebote die Aufmerksamkeit wieder auf die Mattscheibe lenken. Trotz des rasanten Anstiegs an Internetusern bleibt das Fernsehen in seiner klassischen Form weiterhin gefragt und diTV wird mittelfristig wahrscheinlich ein Nischenmarkt bleiben, da die Umstellung auf digitale Übertragungswege in Deutschland ihre Zeit braucht.

Fernsehen ist das Medium der Prime-Time, der Abendunterhaltung.

Zum Abend sinken Neugierde und Konzentrationsbereitschaft - zwei Eigenschaften, die für die Nutzung interaktiven Fernsehens fast schon Grundvoraussetzung sind. Zum Ende des Tages wird eher nach Entspannung statt nach Erlebnis gesucht. Das interaktive Fernsehen wird es demnach schwer haben, zur besten Sendezeit viele Zuschauer aus dem klassischen Programm „abzuholen“. Das Internet hat die meisten Nutzer am Vorabend. Wenn das interaktive Angebot über programm- begleitende Informationen hinausgeht und den Nutzer involviert, dann ist der Konzentrationsaufwand beim diTV mit dem Arbeiten am Computer vergleichbar . Es wird also von der Art der interaktiven Anwendung abhängen, welcher Sendeplatz in Frage kommt.

Der Umgang mit Information muss erlernt werden.

Die Zahl der Medienangebote wächst und wächst. Die Zahl abrufbarer Internetseiten ist kaum in Zahlen zu fassen, es gibt über 200 bundesweit ausge- strahlte TV-Sender und auch die Printmedien stehen diesem Überangebot mit einer Vielzahl von Titeln in nichts nach. Die Gefahr ist groß, in der Informationsflut nur noch ein lautes Rauschen zu vernehmen. Interaktives Fernsehen bietet die Möglichkeit, differenzierter mit bestimmten Themen umzugehen. In Kapitel 6 soll dieses Potenzial exemplarisch dargestellt werden. Die Neugier der Nutzer muss durch eine ausreichende Informationstiefe und unterschiedliche Perspektiven geweckt und später dann auch gestillt werden. Interaktive Programmangebote der öffentlich-rechtlichen Anstalten haben einen Imagevorteil zu neu etablierten Portalen im Internet. ARD und ZDF gelten als seriöse Informationsquelle.

Kinder sehen im Schnitt zu viel fern.

Mit Einführung des digitalen Fernsehens könnte ein unkontrollierter Fernsehkonsum eingedämmt werden. Technisch wird dies durch neue Verschlüsselungsverfahren möglich. Auf diese Weise könnten Eltern ihren Kindern nur Zugang zu unbedenk- lichen Programmen erlauben. Inhaltlich können interaktive Angebote dazu führen, dass die Konzentration auf ein Thema gebündelt wird - Qualität statt Quantität.

Erfolgreiche Programmangebote werden mehrfach vermarktet.

Das digitale interaktive Fernsehen reiht sich nahtlos in die Reihe möglicher Vertriebswege der „Medienmarken“ ein. Mit der Verbindung von Text, Audio, Video und Kommunikationsmöglichkeiten bietet das Medium beste Voraussetzungen. Wie in diesem Kapitel beschrieben, wird oft versucht das „Markenpotenzial“ verschiede- ner Medienprodukte voll auszuschöpfen. Im öffentlich-rechtlichen Bereich besitzen insbesondere die Nachrichtensendungen „Tagesschau“ (ARD) und „heute“ (ZDF) ein solches „Markenpotenzial“, das im digitalen interaktiven Fernsehen genutzt werden sollte.

?Die Medienkompetenz ist in der Bevölkerung sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Diesen Satz kann man als Warnung und Chance zugleich betrachten. Vereinfacht ausgedrückt, wird das digitale interaktive Fernsehen nur von einer relativ kleinen Gruppe mit offenen Armen empfangen. Erst das Internet und jetzt auch noch inter- aktives Fernsehen? Vielleicht zu viel für weniger medienaffine Menschen. Auf der anderen Seite ist der Fernsehapparat ein sehr vertrauter Gegenstand in nahezu jedem Haushalt in Deutschland. Wer sich bisher vor technischen Neuerungen wie z.B. den Internet-Diensten verschlossen hat oder sich nur ganz langsam heran- tastet, dem könnte die altbekannte Plattform Fernsehen den Zugang zu neuen Technologien erleichtern. Es ist durchaus denkbar, dass z.B. ältere Leute auf die- sem Weg die großen Informations- u. Kommunikationsmöglichkeiten kennen und schätzen lernen. „Keep it simple“ steht bei der Konzeption interaktiver Programme deshalb an erster Stelle.

Spieltrieb und Neugierde sind in jungen Jahren besonders stark ausgeprägt.

Ein speziell für Kinder und Jugendliche konzipiertes interaktives Fernsehprogramm kann diese Punkte für sich nutzen und das Interesse auf sich ziehen. Auf der anderen Seite stehen die Macher der Programme hier besonders in der Verantwortung. Sie müssen sich bewusst sein, dass ihr Programm sehr prägend für die Entwicklung junger „Langzeitfernsehgucker“ sein kann.

3. Fernsehen in Deutschland

In diesem Kapitel soll ganz bewusst nicht auf die ganz frühen Anfänge des Fernsehens eingegangen werden. Um die aktuellen Zusammenhänge und die Veränderungen im deutschen Fernsehmarkt richtig einordnen zu können, genügt es nach Meinung des Autors, den letzten Meilenstein vor dem Beginn des digitalen Fernsehzeitalters zu beschreiben: Die Einführung des dualen Rundfunksystems. Im Anschluss daran werden die rechtlichen und gesellschaftlichen Grundsätze insbesondere im Hinblick auf digitale Programmangebote skizziert.

Dieses Kapitel enthält einige juristische Feinheiten, vor denen sich - wohl oder übel - kein Programmplaner verschließen darf.

3.1. Dualer Rundfunk

Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre erhöhten sich die Übertragungs- möglichkeiten in Deutschland durch die Entwicklung des Kabelnetzes und der Verbreitung des Satellitenfernsehens. Gleichzeitig entstand in der Politik und in großen Teilen der Gesellschaft der Wunsch nach einer größeren Programmvielfalt im Rundfunk. Diese beiden Faktoren lieferten gemeinsam den Grundstein für die Deregulierung des Rundfunkmarkts - die Geburtsstunde des dualen Rundfunksystems. Dual deshalb, da dieses System seit 1984 von einem Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und privaten Rundfunkveranstaltern gekennzeichnet ist.

Ein duales Rundfunksystem verlangt folgerichtig auch nach einem dualen Rundfunkrecht. Der Rundfunkstaatsvertrag bzw. der ZDF-Staatsvertrag und die jeweiligen Landesmediengesetze bilden den rechtlichen Rahmen für die öffentlichrechtlichen Sendeanstalten und die privaten Programmanbieter. In Abschnitt 2 des Rundfunkstaatsvertrags sind die speziellen Regelungen für den öffentlich-recht- lichen Rundfunk festgehalten. Da in dieser Arbeit der öffentlich-rechtliche Sektor im Vordergrund steht, wird dieser Abschnitt besonders unter die Lupe genommen. Die zitierten Gesetzestexte sind eine Auswahl, die für die Planung eines interaktiven Programmangebots von Bedeutung sind.

Die Gesetzestexte im Rundfunkstaatsvertrag müssen durch die bereits ange- sprochenen Konvergenztendenzen und der Entwicklung neuer Übertragungs- techniken ständig angepasst werden. Seit Oktober 2004 ist mittlerweile der Achte Rundfunkänderungsstaatsvertrag gültig. Schwierigkeiten machen insbesondere die verschwommenen Begriffsdefinitionen. Wenn Fernsehkonsum heute schon über Handy und Computer oder Einkaufen per Fernbedienung möglich ist, wo zieht man beispielsweise die Grenze zwischen Rundfunk und Medien- oder Telediensten?

Im Rundfunkstaatsvertrag findet sich zum Rundfunkbegriff in §2 folgende aktuell gültige Definition (Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland):19

„(1) Rundfunk ist die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters. Der Begriff schließt Darbietungen ein, die verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind.“

Rundfunk ist demnach für die Allgemeinheit bestimmt. Die Inhalte müssen somit massenmedial verbreitet werden, wodurch das diTV mit den individuellen Abrufmöglichkeiten teilweise aus diesem Rahmen herausfällt. Im zweiten Teil dieser Begriffsdefinition wird der Etablierung des Bezahlfernsehens Rechnung getragen. Neben den öffentlich-rechtlichen Sendern und dem privaten Free-TV hat mit einigen Anlaufschwierigkeiten auch das Pay-TV in Deutschland eine relevante Marktgröße erreicht. Der Hauptanbieter in diesem Segment, Premiere, erzielte im 1. Halbjahr 2005 erstmals einen Nettogewinn von 3,3 Mio. Euro.20

Wie sieht es mit anderen neuen Programmarten im TV-Bereich aus? Home- Shopping-Kanäle, Unternehmens-TV, Video on Demand, digitaler Videotext etc. - die Angebotsliste ist lang und die Beispiele machen deutlich: Zwischen Rundfunk und Mediendiensten kann aktuell nicht immer eine klare Trennlinie gezogen werden. Die Zuständigkeit des Rundfunkstaatsvertrags ist in diesen Bereichen besonders fraglich.

Die Mediendienste werden explizit im Staatsvertrag über Mediendienste (MDStV) genauer bestimmt und sind so rein begrifflich dem Rundfunk ausgegliedert. Dies ist insofern für diese Arbeit relevant, da es gerade im digitalen interaktiven Fernsehen zu Überschneidungen zwischen Massen- und Individualkommunikation kommt:21

§2 MDStV: 3(2) Mediendienste im Sinne von Absatz 1 sind insbesondere

1. Verteildienste in Form von direkten Angeboten an die Öffentlichkeit für den Absatz von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt (Teleshopping),
2. Verteildienste, in denen Messergebnisse und Datenermittlungen in Text oder Bild mit oder ohne Begleitton verbreitet werden,
3. Verteildienste in Form von Fernsehtext, Radiotext und vergleichbaren Textdiensten,
4. Abrufdienste, bei denen Text-, Ton- oder Bilddarbietungen auf Anforderung aus elektronischen Speichern zur Nutzung übermittelt werden, mit Ausnahme von solchen Diensten, bei denen der individuelle Leistungsaustausch oder die reine Übermittlung von Daten im Vordergrund steht, ferner von Telespielen.

Der duale Rundfunkmarkt wird durch den rasanten Anstieg der Übertragungs- möglichkeiten und des Angebots an Sendern ständig verändert. Diese dynamischen Prozesse müssen für die Bestands- und Qualitätssicherung des öffentlich-recht- lichen Rundfunks in den rechtlichen Rahmenbedingungen beachtet und angepasst werden.

3.2. Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in seinem Wirken an gesetzliche und politische Aufträge gebunden. Im Rundfunkstaatsvertrag und in den jeweiligen Landesmediengesetzen sind die Rahmenbedingungen für den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk konkretisiert. Zunächst werden die finanziellen und organisatorischen Ausgangsbedingungen und die technischen Restriktionen beleuchtet, im Anschluss folgt ein Blick auf die geforderte inhaltliche Umsetzung.

§12 Finanzierung22

(1) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziert sich durch Rundfunkgebühren, Einnahmen aus Rundfunkwerbung und sonstigen Einnahmen; vorrangige Finanzquelle ist die Rundfunkgebühr.

Aktuell beträgt die Rundfunkgebühr für Fernsehen und Radio zusammen 17,03 Euro pro Monat.23. Der sehr kontrovers diskutierte Beschluss der Ministerpräsidenten der Länder, ab 2007 die Rundfunkgebühr auch auf Computer mit Internetzugang auszuweiten ist ein weiterer Beweis für die schwierige Anpassung der Gesetze an die dynamischen Entwicklungen im Markt.

Den öffentlich-rechtlichen Anstalten wird die Möglichkeit die moderne, digitale Fernsehwelt mitzugestalten, vertraglich folgendermaßen zugesichert:

§19 Rundfunkprogramme25

(4) Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und das ZDF können ihre Programme auch in digitaler Technik verbreiten; sie sind darüber hinaus berechtigt, ausschließlich in digitaler Technik jeweils bis zu drei weitere Fernsehprogramme mit den Schwerpunkten Kultur, Bildung und Information zu ver- anstalten. Die Programme können jeweils zu einem Gesamtangebot unter einem elektronischen Programmführer zusammengefasst werden (Programmbouquets); der wechselseitige Zugriff auf die gemeinsamen Programme ist sicher zu stellen.

Dieser Gesetzestext wurde vom ZDF mit der Bildung eines Programmbouqets, das auch drei digitale Spartenkanäle mit den geforderten Schwerpunkten beinhaltet, umgesetzt. Neben dem klassischen ZDF-Vollprogramm gehören die ausschließlich digital verbreiteten Kanäle ZDFdokukanal, ZDFinfokanal und ZDFtheaterkanal, die Partnerprogramme 3Sat, Arte, KI.KA und Phoenix sowie die Gastsender Eurosport und EuroNews zu dem unter dem Namen ZDFvision zusammengefassten digitalen Programmbouquet (vgl. Abb. 6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Programmbouquet ZDFvision

Auf diese Weise kann das ZDF als übergeordneter Anbieter ein vielfältiges Programmangebot garantieren. Der Elektronische Programm Guide, kurz EPG, ermöglicht den wechselseitigen Zugriff auf die jeweiligen Sender des Bouquets.

Ein vielschichtiges Angebot mit den Schwerpunkten Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung ist für die Versorgung und Erziehung der Zuschauer von großer Bedeutung. Der Begriff „Erziehung“ wird in diesem Zusammenhang ganz bewusst gewählt. In Kapitel 2 wurde bereits beschrieben, welchen großen Anteil Fernsehen als Hobby an der Freizeitgestaltung der Bevölkerung hat. Die logische Folge sind im Vergleich zu früheren Jahrzehnten fehlende reale Erfahrungen, die zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen. Das Fernsehen spielt demnach für den Bestand und die Entwicklung unserer Gesellschaft eine sehr wichtige Rolle. Dies liegt in erster Linie an der enormen Reichweite und Akzeptanz des Mediums. Das Fernsehen ist so als Grundbedingung zur Sozialisation nicht mehr wegzudenken.24 Daraus sind die gesellschaftspolitischen Aufgaben und Funktionen des Fernsehens abzuleiten, die im sog. Grundversorgungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten festgehalten sind.

Ein wesentlicher Grundsatz für die öffentlich-rechtlichen Sender ist es, die Bürger in ihrem Prozess der freien Meinungsbildung durch ein qualitativ hochwertiges Programm zu unterstützen. Dafür ist es notwendig, dem Zuschauer unterschiedliche Perspektiven aufzuzeigen und verschiedenen Stimmen ein Forum zu bieten.

Aktuell wird der Grundversorgungsauftrag in der Literatur als Funktionsauftrag beschrieben.25 Der Medienrechtler Professor Dr. Bernd Holznagel hat in seinem Gutachten „Der spezifische Funktionsauftrag des Zweiten Deutschen Fernsehens" die einzelnen Funktionen herausgearbeitet und erklärt:26

- Informationsauftrag: Das ZDF hat die Aufgabe, objektive Informationen zu vermitteln.
- Orientierungsfunktion: Als Quelle unabhängiger Informationen gibt das ZDF Orientierung zu freier Meinungsbildung.
- Forumsfunktion: Das ZDF hat dafür zu sorgen, dass alle relevanten Auffassungen zu einem Thema zu Wort kommen.
- Integrationsfunktion: Das ZDF soll für gegenseitiges Verständnis eintreten und gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern.
- Leitbildfunktion: Das ZDF hat die Verpflichtung zu einer wegweisenden, qualitativ hochwertigen und auch innovativen Programmgestaltung.
- Kulturauftrag: In den Programmen des ZDF soll sich die kulturelle Vielfalt Deutschlands und das Geschehen in den einzelnen Ländern widerspiegeln.
- Produktionsauftrag: Das ZDF hat den Auftrag zum selbstständigen Kulturschaffen. Die Anstalt kann mit Dritten zusammenarbeiten. Die Produktion ist angemessen auf Produktionsstandorte in den Ländern zu verteilen.

Innovationsfunktion: Die Entwicklungsgarantie gewährt dem ZDF eine Teilhabe an neuen Techniken und Diensten im Rundfunksektor.“

Ein kurzer Blick auf ausgewählte Gesetzestexte des Grundversorgungsauftrags soll zeigen, inwiefern die von Holznagel herausgearbeiteten Funktionen auch vertraglich verankert sind:27

§ 11 Auftrag

(1) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat durch die Herstellung und Verbreitung

von Hörfunk- und Fernsehprogrammen als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken. Er kann programmbeglei- tend Druckwerke und Mediendienste mit programmbezogenem Inhalt anbieten.

Die im Artikel 5 des Grundgesetzes festgehaltene Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit bieten das Rüstzeug für eine vielfältige und unabhängige Bericht- erstattung. Einschränkungen erfährt diese Gesetzgebung u.a. durch das Verbot der Volksverhetzung, der Beleidigung des Individuums oder der Religionen. Die Menschenwürde ist demnach auch auf der Mattscheibe unantastbar - theoretisch zumindest. In Abschnitt sechs dieses Kapitels wird diese Thematik noch kritisch betrachtet.

Weiterhin besteht eine wichtige Funktion in der Vermittlung des politischen Geschehens. Ziel ist es, den Bürgerinnen und Bürgern die Beschlüsse und Debatten von Bundesrat und Bundestag transparent zu machen. Die heutige Zeit - Stichwort Globalisierung - verlangt nach einer Berichterstattung, die den Menschen Durchblick verschafft und nicht zusätzlich die Sicht vernebelt:27

(2) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat in seinen Angeboten und Programmen einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Er soll hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Sein Programm hat der Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Er hat Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten.

Das Medium TV bietet durch die Verbindung von Audio und Video in der Theorie gute Voraussetzungen, eine gute Abbildung der Wirklichkeit für die Zuschauer zu leisten. In der Praxis wird die Arbeit der Redakteure jedoch durch persönliche Vorlieben, formale Richtlinien und technische Bedingungen beeinflusst. Die Berichterstattung im TV ist beispielsweise an die Linearität gebunden, d.h. kontro- verse Themen können nicht direkt gegenüber gestellt, sondern nur nacheinander aufgezeigt werden. So bekommt der Bericht allein durch die Wahl der Themen- Reihenfolge eine spezielle Färbung. Technisch ist es durch den sog. Split-Screen, zu deutsch: geteilter Bildschirm, zwar möglich unterschiedliche Sichtweisen parallel anzubieten, der Mensch kann sich dabei allerdings immer nur auf eine Perspektive konzentrieren.

In der langen Produktionskette von der Recherche bis zur fertigen Sendung sind u.a. die verfügbaren Informationsquellen, das finanzielle Budget oder die Erwartungen von Vorgesetzten und Zuschauern beeinflussende Variablen in der Berichterstattung. Darüber hinaus unterliegt jede Sendung einem vorgegebenen Zeitschema. Ob z.B. ein Reporter in aller Ausführlichkeit alle Aspekte eines Themas darstellen kann oder einzelne Punkte verdichten oder ganz außen vor lassen muss, hängt vom festgelegten Sendeplan ab. Des weiteren bestimmen die Zuschauer durch Ihr Ein und Ausschalt-Verhalten, welche Sendungen populär sind und dadurch gefördert werden.

Die Montage oder auch die Vertonung bestimmen im großen Maße die Wirkungs- weise des Programms beim Zuschauer. Die Vorgabe, die Wirklichkeit im TV abzubilden, ist demnach eine Utopie. Es muss daher gerade für die öffentlich- rechtlichen Sendeanstalten das Ziel sein, den tatsächlichen Gegebenheiten in der Berichterstattung möglichst nahe zu kommen. Im Rundfunkstaatsvertrag werden die Forderungen an eine objektive Informationsvermittlung folgendermaßen festgehal- ten:28

[...


1 Vgl. Gerhards, Maria / Klingler, Walter (2004)

2 Vgl. Weber, Martin (2004)

3 SevenOne Media GmbH (Hrsg.) (2004) S.4

4 SevenOne Media GmbH (Hrsg.) (2004) S.10

5 SevenOne Media GmbH (Hrsg.) (2004) S.12

6 SevenOne Media GmbH (Hrsg.) (2004) S.4

7 Vgl. SevenOne Media GmbH (Hrsg.) (2004) S.15

8 SevenOne Media GmbH (Hrsg.) (2004) S.16

9 Wahrig, Deutsches Wörterbuch (2000) S.765

10 Oehmichen, Ekkehardt / Schröter, Christian (2000), S. 359

11 Knothe, M. (1999), S. 4

12 Wahrig (2000) S. 765

13 www.heise.de (2004)

14 www.djv.de (2005)

15 Vgl. Treumann, Dr. Klaus Peter (2002)

16 Vgl. www.digitv.de (2005)

17 Bundeszentrale für gesellschaftliche Aufklärung (2004)

18 Vgl. Treumann, Dr. Klaus Peter (2002)

19 Rundfunkstaatsvertrag (2005)

20 Vgl. www.presseportal.de (2005)

21 Mediendienste-Staatsvertrag (2005)

22 Rundfunkstaatsvertrag (2005)

23 Vgl. www.gez.de (2005)

24 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, S.7 (1998)

25 Vgl. Homm S. 52

26 Holznagel (2003)

27 Rundfunkstaatsvertrag (2005)

28 Rundfunkstaatsvertrag (2005)

Ende der Leseprobe aus 132 Seiten

Details

Titel
Evolution des interaktiven Fernsehens in Deutschland
Hochschule
Hochschule Offenburg  (in Zusammenarbeit mit ZDFvision)
Veranstaltung
Medienintegration FB Medien und Informationswesen
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
132
Katalognummer
V60999
ISBN (eBook)
9783638545471
Dateigröße
2850 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diplomarbeit über die Entwicklung des interaktiven Fernsehens in Deutschland mit Prognosen für die Zukunft und mögliche Anwendungsfelder an einem konkreten Beispiel (EU-Verfassung).
Schlagworte
Evolution, Fernsehens, Deutschland, Medienintegration, Medien, Informationswesen
Arbeit zitieren
Jens Helmig (Autor:in), 2005, Evolution des interaktiven Fernsehens in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60999

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