Zur nachhaltigen Beurteilung von Lieferanten unter Unsicherheit


Seminararbeit, 2006

23 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Bedeutung und Bewertung der Zulieferer in der Supply Chain

2. Die CCDEA
2.1 Die DEA in der Praxis und als Grundlage der CCDEA
2.2 Die CCDEA für die Zuliefererbewertung als Erweiterung der DEA
2.2.1 Der mathematische Aufbau der CCDEA
2.2.2 Die Funktion der CCDEA anhand eines Beispieles
2.2.3 Der Einsatz der CCDEA in der Praxis
2.3 Alternative Bewertungsmethoden
2.3.1 Stochastische Ansätze
2.3.2 Deterministische Konzepte
2.4 Die Charakteristika der CCDEA
2.4.1 Die Voraussetzungen der CCDEA
2.4.2 Vor- und Nachteile in der Praxis

3. Fazit und Verwendungsempfehlungen für den Einsatz in der Praxis

1. Bedeutung und Bewertung der Zulieferer in der Supply Chain

Schärfer werdender Wettbewerb mit Produkten, die technisch gesehen, immer austauschbarer werden hat dazu geführt, dass nicht mehr nur das Produkt an sich Gegenstand des Kundeninteresses ist, sondern auch die zusätzlichen Serviceleistungen der Produzenten und Händler. Es wird für Firmen immer schwieriger sich von ihren Konkurrenten zu differenzieren und dabei ein, den Kundenwünschen entsprechendes, Preisniveau zu halten.

Ein Schritt aus dem Kostendilemma ist sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren und andere, nichtkritische, Bereiche auszulagern. Diese Verringerung der Fertigungstiefe führt zwar, zu reduzierten Fertigungskosten, erhöht jedoch den Bedarf an Koordination aller Beteiligten enorm. Erschwerend kann hinzukommen, dass die Partner in einer solchen Lieferkette oft über den gesamten Globus verteilt sind.

Diese neuartige Art der Zusammenarbeit führte zu der Auffassung, dass die eingebundenen Firmen als Glieder einer vernetzten Supply Chain anzusehen sind. Supply Chains im weiteren Sinne schon seit Beginn des organisierten Handels, jedoch haben erst die oben erwähnten Faktoren dazu geführt sie auch als zentralen Wettbewerbsfaktor zu sehen.[1]

Die weltweite Verteilung einer Supply Chain, die hohe gegenseitige Abhängigkeit der Partner und insbesondere die Entwicklung und Implementierung zeitkritischer Lieferkonzepte wie JIT haben dazu geführt, dass u. a. die Auswahl der richtigen Zulieferer einen extrem hohen Stellenwert im strategischen Management der Supply Chain einnehmen muss. Bereits kleinste Abweichungen von der vereinbarten Qualität oder Lieferzeit am Anfang der Kette können durch die komplizierte Vernetzung in Lieferausfälle und Produktionsstopps an deren Ende resultieren.

Nach Chen und Paulraj (2004) können Lieferanten so einen großen direkten Einfluss auf Kosten, Qualität und Reaktionsfähigkeit der kaufenden Organisation haben.[2] Um eine möglichst gute Bewertung und Auswahl potentieller und bestehender Lieferanten zu gewährleisten wurden eine Vielzahl von Methoden und Konzepten entwickelt. Dabei ging es zunächst primär um die Erfüllung von Kostenzielen. Choi und Hartley (1996) konstatierten aber, dass Firmen einen größeren Wert auf die Höhe und Stetigkeit von Qualität und Lieferzeiten legten als auf den Preis der gekauften Produkte.[3] Doch wie in jeder realen Situation ist das Umfeld in der sich die Beschaffungsprozesse bewegen geprägt von Unsicherheiten. Diese drücken sich in Beschaffungsrisiken aus, die Reske (2006) in Liefer-, Transport- und Lagerisiken mit den Unterteilungen Ausfall- und Mängelrisiken gliedert. Diese wiederum bestehen aus den grundsätzlich unsicheren Bereichen Qualität, Preis, Zeit und Menge.[4]

Um diese Unsicherheiten weitestgehend reduzieren zu können, ist es von vitaler Bedeutung die Leistungsfähigkeit potentieller oder bereits bestehender Lieferanten mit zuverlässigen, systematischen und nachvollziehbaren Methoden erfassen zu können. Grob können diese Bewertungsmethoden in implizite, auf subjektiven Einschätzungen beruhende, sowie in explizite, nachvollziehbare, Verfahren unterteilt werden. Letztere werden wiederum in quantitative (numerische) und qualitative (verbale) unterschieden. Zu den qualitativen Konzepten können u. a. Checklisten und strategischen Portfolioanalysen gezählt werden.[5]

Nutzwertanalyse und Multiattributive Nutzentheorie, diverse mathematische Optimierungsansätze, der Analytical Hierachy Process (AHP) und die Data Envelopment Analysis (DEA) sind dagegen den numerischen Verfahren zuzuordnen und stellen aufgrund ihrer Objektivität die Gruppe mit der größten Bedeutung. Wichtig ist zu unterscheiden, ob das gewählte Verfahren es zulässt Unsicherheiten einzuschließen und damit evtl. wichtige Faktoren, wie z.B. saisonale Schwankungen, nicht unberücksichtigt lässt. Im vorliegenden Fall soll nun die stochastische Erweiterung der DEA, die Chance Constrained Data Envelopment Analysis (CCDEA), genauer auf Voraussetzungen, Funktionsweise und Anwendungsmöglichkeiten untersucht werden. Der zentrale Bewertungsfaktor ist hier die Effizienz.

2. Die CCDEA

Die CCDEA stellt eine Erweiterung der DEA dar, die stochastische Gegebenheiten berücksichtigt. Damit können Unsicherheiten der Performance von Lieferanten (ausgelöst durch Unsicherheiten der Umwelt, wie Wetterbedingungen oder Preisschwankungen) in die Bewertung einbezogen werden. Somit kann eine, dem Grundmodell gegenüber, bessere Entscheidung getroffen werden. Da die CCDEA sehr stark auf der DEA basiert, soll diese Basis zunächst näher erläutert werden.

2.1 Die DEA in der Praxis und als Grundlage der CCDEA

Die Data Envelopment Analysis basiert konzeptionell auf den Arbeiten von Koopmans (1951) und Farrell (1957). Aber erst in einer Reihe von Artikeln von Charnes, Cooper und Rhodes wurde dieser Ansatz auch mathematisch so formuliert wie er heute besteht.[6] Da er ein wichtiges Element für die Weiterentwicklung dieses Ansatzes darstellt, wird daher auch vom CCR-Modell gesprochen.

Mit DEA werden Organisationseinheiten, oder auch Decision Making Units (DMUs), eines Sets bezüglich ihrer Effizienz miteinander verglichen. Die Effizienz stellt dabei einen Quotienten aus gewichteten Out- und Inputs dar. Einen umfassenden Überblick über die DEA Methode gibt Andreas Kleine.[7]

Der große Vorteil der DEA liegt darin In- und Outputs vollkommen unterschiedlicher Einheiten verarbeiten zu können. Damit können z.B. Lernerfolge, Qualität, Zufriedenheit und andere sehr unterschiedliche Eigenschaften miteinander in Beziehung gesetzt werden. Dies führte zu einem vermehrten Einsatz der DEA im Bereich des Non-Profit Sektors, da hier die einzelnen Faktoren oft nicht monetär zu bewerten sind.[8] Sehr gute Beispiele hierfür sind die Arbeiten von Carrico, Hogan, Dyson, Athanassopoulos (1997) über die Bewertung von Universitäten[9], die von öffentlichen Schulen durch Ray (1991)[10] und nicht zuletzt die etwas ungewöhnliche Untersuchung von Kim und Hendy (1998) über die Verteilung von Belastungen auf Mitglieder der NATO.[11]

Selbstverständlich wurde das Konzept auch für die Bewertung von DMUs die sich im freien Markt bewegen[12] und sogar für Produkte[13] genutzt. Doch hier zeigen sich auch die Schwächen der Methode. Da die CCDEA und DEA hier einige Gemeinsamkeiten aufweisen, wird darauf in Punkt 2.4 näher eingegangen. Das größte Manko der DEA, die Unfähigkeit stochastische Begebenheiten zu erfassen führte u. a. zur Entwicklung von Erweiterungen, die die Stochastik der Umwelt mit in Betracht zogen. Paradigmatisch zu nennen ist hier die Mean-Variance Methode[14] sowie die Chance Constrained Data Envelopment Analysis.[15] Letztere soll hier in ihrem Einsatz zur Bewertung von Zulieferern näher beleuchtet werden.

2.2 Die CCDEA für die Zuliefererbewertung als Erweiterung der DEA

In vielen mathematischen Modellen zur Berechnung einer optimalen Supply Chain werden die Lieferanten lediglich anhand ihrer Preise ausgewählt. Dies kann angesichts der zunehmenden Bedeutung von langfristigen Lieferbeziehungen sowie Produkt- und Lieferqualität nicht mehr ausreichend sein.[16] Eine funktionierende und flexible Supply Chain ist nur mit einer simultanen Bewertung mehrer Lieferanteneigenschaften möglich.

Talluri, Narasimhan und Nair (TNN) waren, laut eigener Aussage, die Ersten, die den Einsatz der CCDEA für Belange der Beschaffung im Allgemeinen und für die Bewertung von Lieferanten im Besonderen untersucht haben.[17] Ihre Arbeit basiert dabei grundlegend auf einem Artikel von Land et al. aus dem Jahre 1993. Da die CCDEA lediglich eine Erweiterung der DEA darstellt, können viele Eigenschaften auf sie übertragen werden.

2.2.1 Der mathematische Aufbau der CCDEA

Hier soll zunächst das für einen Effizienzvergleich notwendige Formelwerk dargestellt und erklärt werden. Zunächst die verwendete Notation:[18]

i, j das „Set“ der zu bewertenden DMUs (=1, …, I),

m Art des Inputs (=1, …, M),

n Art des Outputs (=1, …, N),

X Inputmatrix der betrachteten DMU (=[xmi])

Y Outputmatrix der betrachteten DMU (=[yni])

Xm Reihenvektor von X

Yn Reihenvektor von Y

Xo Spaltenvektor der Inputs der betrachteten DMU (=[xmo])

Yo Spaltenvektor der Outputs der betrachteten DMU (=[yn0])

λ DMU individuelle Gewichtung des jeweiligen In- oder Outputs

Die Inputs werden als deterministisch und bekannt, die Outputs als stochastisch definiert. Außerdem wird von xmi und yni angenommen, dass sie eine gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilung besitzen (hier aus Gründen der Einfachheit eine Normalverteilung, die mit dem Gauß-Markov Theorem begründet wird. Der realistischere Fall einer lognormalen Verteilung wird von Land et. al 1993 näher untersucht und dargestellt).

Die Effizienz θ wird als Quotient von gewichteter Inputs zu gewichteten Outputs verstanden.

DMUs mit:

θ < 1, oder θ = 1 und vorhandenen Slacks werden als CCDEA-ineffizient betrachtet,

θ = 1 und keinen Slacks werden als CCDEA-effizient betrachtet,

θ > 1 und keinen Slacks werden als CCDEA-hypereffizient betrachtet.

Hypereffizienz kann dadurch entstehen, indem es einer kleinen Anzahl von DMUs durch den stochastischen Charakter des Modells erlaubt wird die Grenze der Best-Practice zu überschreiten.[19]

Charnes, Cooper, Rhodes (1981) charakterisieren eine weitere Eigenschaft der Effizienz:[20]

1) Outputorientierung: Eine DMU ist nur dann effizient, wenn es nicht mehr
möglich ist einen Output zu erhöhen ohne einen anderen zu reduzieren oder einen oder mehrere Inputs zu erhöhen.
2) Inputorientierung: Eine DMU ist nur dann effizient, wenn es nicht möglich ist einen Input zu reduzieren ohne einen anderen zu erhöhen oder einen oder mehrere Outputs zu verringern.

Dabei ist es leicht zu erkennen, dass das bekannte Paretoprinzip als Grundlage dieser Aussagen diente.

Best Practice wird als ein gewichtetes Mittel aller Beobachtungen hinsichtlich der In- oder Outputs festgelegt. Das Gewicht λ wird dabei für jede DMU spezifisch festgelegt. Und zwar:

Problematik 1

Minimiere θ

U. d. B. 1) Prob (Yn λ ≤ yn0) ≤ p, n = 1, …, N,
2) Xm λ ≤ θ xmo, m = 1, …, M,
3) θ unbeschränkt, λ ≥ 0

Die Nebenbedingung 1) legt fest, dass die Wahrscheinlichkeit, mit der der Output einer DMU den Best-Practice Output überschreitet kleiner oder gleich einem bestimmten Wert p (Signifikanzlevel, siehe Bild 1) ist. Best-Practice bezieht sich in dem vorliegenden Artikel auf die Topperformer im Set. Die Bedingung 2) legt fest, dass die Inputs deterministisch sind, und der Best-Practice Input nicht mehr als θ xmo beträgt. Diese Problem kann man verändern zu:

[...]


[1] Vgl. Chen; Paulraj (2004), S. 131

[2] Vgl. Chen; Paulraj (2004), S. 135

[3] Vgl. Choi,; Hartley (1996)

[4] Vgl. Reske (2006), S. 113

[5] Vgl. Bogaschewsky´(2005)

[6] Vgl. Papahristodoulou (1997), S. 1

[7] Vgl. Kleine (2002)

[8] Vgl. Freiwald (2005), S. 90

[9] Siehe Carrico / Dyson / Hogan / Athanassopoulos (1997)

[10] Siehe Ray (1991)

[11] Siehe Kim / Hendry, (1998)

[12] Siehe Braglia / Zanoni / Zavanella (2003)

[13] Vgl. Papahristodoulou (1997)

[14] Vgl. Post (2001)

[15] Vgl. Talluri / Narasimhan / Nair (2006)

[16] Vgl. Freiwald, (2005), S. 22,

[17] Vgl. Talluri / Narasimhan / Nair (2006), S. 214

[18] Aus den Artikeln Talluri / Narasimhan / Nair, (2006) und Land / Lovell / Thore (1993)

[19] Vgl. Land / Lovell / Thore (1993), S. 544 f.

[20] Vgl. Charnes / Cooper / Rhodes (1981), S. 669

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Zur nachhaltigen Beurteilung von Lieferanten unter Unsicherheit
Hochschule
Universität Mannheim  (Lehrstuhl für Logistik und ABWL)
Veranstaltung
Seminar: Supply Chain Design
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V60936
ISBN (eBook)
9783638544993
ISBN (Buch)
9783638667722
Dateigröße
578 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beurteilung, Lieferanten, Unsicherheit, Seminar, Supply, Chain, Design
Arbeit zitieren
Florian Gramlich (Autor:in), 2006, Zur nachhaltigen Beurteilung von Lieferanten unter Unsicherheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60936

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