Das Phänomen Marke. Gesellschaftliche Funktionen und Kundschaft unter markensoziologischen Aspekten


Magisterarbeit, 2005

111 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Einleitung
1. Die Marke als Gegenstand der Soziologie
2. Zum Begriff der Kundschaft
3. Problemstellung
4. Ziel der Arbeit
5. Vorgehensweise

1 Die Marke – Einführung und Definition
1.1 Erscheinungsformen der Marke
1.2 Historische Entwicklung des Markenartikels
1.3 Definitionen der Marke
1.4 Die Marke als Erfolgsfaktor für Unternehmen
1.5 Zusammenfassung

2 Kundschaft – Klärung des Begriffs
2.1 Konsument
2.2 Käufer
2.3 Kunde
2.4 Kundschaft
2.5 Implikationen

3 Sozialpsychologische Erklärungsansätze des Phänomens Marke
3.1 Sozialpsychologische Einflussfaktoren der Kaufentscheidung
3.1.1 Aktivierende Prozesse
3.1.2 Kognitive Prozesse
3.1.3 Theorie der Kognitiven Dissonanz
3.2 Kaufentscheidungsformen
3.3 Funktionen der Marke im Kaufentscheidungsprozess
3.3.1 Problemerkennung
3.3.2 Informationssuche
3.3.3 Bewertung der Alternativen
3.3.4 Kaufentscheidung
3.3.5 Verhalten nach dem Kauf
3.4 Zusammenfassung
3.5 Überleitung zu Teil 5 & 6

4 Die Marke als Bündnis und Gestaltsystem
4.1 Die Marke als Bündnis
4.1.1 Die Soziologie als Lehre der Bündnisse
4.1.2 Hyperorganische Bündnisse
4.1.3 Gemeinschaft und Gesellschaft
4.1.4 Willensformen der Bündnisse
4.1.5 Die Marke als sozialer Wille
4.1.6 Kundschaft als Masse
4.2 Die Marke als Gestaltsystem
4.2.1 Hyperorganische Sozialitäten als Gestaltsysteme
4.2.2 Das Ästhetische Urteil
4.2.3 Selbstähnlichkeit als Führungsinstrument
4.3 Zusammenfassung

5 Die Marke als gesellschaftliches Phänomen
5.1 Die Marke zur Legitimierung der Marktwirtschaft
5.1.1 Die moderne Gesellschaft als funktional differenziertes System
5.1.2 Organisation der Verhaltensnormen in der modernen Gesellschaft
5.1.3 Marktwirtschaft als Programm
5.1.4 Die Marktwirtschaft als Produzent von Bedürfnissen
5.1.5 Die Rolle der Werbung bei der Produktion von Bedürfnissen
5.1.6 Zusammenfassung
5.2 Die Marke als Orientierung
5.2.1 Die Marke zur Reduktion von Komplexität
5.2.2 Markenvertrauen
5.2.3 Zusammenfassung
5.3 Die Marke als Gestaltelement der Lebensführung
5.3.1 Lebensstile und Milieus
5.3.2 Identitätsbildung der Milieus durch Massenmedien
5.3.3 Lebensstile der Milieus durch Marken
5.3.4 Zusammenfassung
5.4 Zugehörigkeit durch Markennutzung
5.4.1 Sozialisation durch Konsumgüter
5.4.2 Die Marke als Zugehörigkeitssymbol
5.4.3 Zusammenfassung

6 Schlussbetrachtung
6.1 Zusammenfassung
6.2 Fazit
6.3 Ausblick

Literatur

Online Literatur

Abbildungsverzeichnis

1 Markenwerte international bedeutender Marken für das Jahr 2000

2 Das S-O-R-Modell

3 Anteil von Markenwerten am Gesamtunternehmen nach Branche

4 Kundenbindung im deutschen Waschmittelmarkt

Einleitung

Marken wie Aspirin, Beck´s, Adidas, Bosch, Coca-Cola, Knorr, Nivea, Miele, Opel, Siemens und unzählige andere sind in unser aller Leben zahlreich vorhanden. Sie begleiten uns seit es die Marktwirtschaft gibt, denn sie sind nahezu gleichzeitig mit ihr ins Leben getreten. Wir umgeben uns mit Marken in sämtlichen Lebensbereichen und verwenden oder konsumieren sie tagtäglich. Marken sind also allgegenwärtig, als Lebensmittel, als Dienstleistungen, als Gebrauchs- und Investitionsgüter. Die Marke hat dabei einen deutlichen Wandel vollzogen. Handelte es sich bei ihr ursprünglich vor allem um ein Phänomen, das in klassischen Gebrauchsgütermärkten anzutreffen war, so hat sich das Markenwesen inzwischen deutlich erweitert. Heute gehören zum Markenwesen neben Produktmarken wie Milka oder Persil, Dienstleistungsmarken wie American Express oder Citibank, Handelsmarken wie Salto oder Die Sparsamen, Konzernmarken wie VIAG oder Telekom, Pharmamarken wie Aspirin oder Ratiopharm und Medienmarken wie Pro Sieben, Bild oder AOL, auch Material- und Komponentenmarken wie Intel oder Goretex, Non-Profit Marken wie Greenpeace oder Brot für die Welt und Personenmarken wie Gerhard Schröder, Michael Moore oder Madonna (vgl. Herrmann 1999, 45).

1. Die Marke als Gegenstand der Soziologie

Marke als Gegenstand der Soziologie wird hier also nicht als die bloße Markierung von Produkten verstanden. „Eine Marke ist der gute Ruf, der den Produkten vorauseilt. Von einer Marke im wirtschaftlich relevanten Sinne kann man erst dann sprechen, wenn diese Wirkung [Hervorhebung im Original] am Markt feststellbar ist – wenn Kunden sich eine feste positive Meinung über eine Leistung gebildet haben; verbunden mit eindeutigen Erwartungen und Präferenzen.“ (Meyer 2004, www) Marken sind eine soziale Tatsache. Soziale Tatsachen sind relativ beständige Eigenschaften der sozialen Realität, die den Handlungen der Individuen einen Rahmen setzen und sie prägen (vgl. Joas 2001, 25f). Marken stehen damit in Wechselwirkung mit den in der Gesellschaft lebenden Menschen.

Marken stellen im soziologischen Kontext die Lebenswelten der Produkte dar. Sie schaffen Lebenswelten, die mit den Produkten assoziiert werden und in denen die Menschen die Produkte verwenden.

Der markensoziologische Ansatz Alexander Deichsels u.a. beschreibt diese Lebenswelten als Gestaltsysteme. Marken nehmen dabei die Funktion ein, derartige Gestaltsysteme zu führen.

Aber auch andere soziologische Ansätze, insbesondere der Sozialpsychologie und der Wirtschaftssoziologie, liefern Hinweise darauf, dass Marken ein gesellschaftliches Phänomen darstellen, welches für die Gesellschaft selbst und den in ihr lebenden Menschen wichtige Funktionen einnimmt.

2. Zum Begriff der Kundschaft

Kundschaft stellt den für die Marke lebenswichtigen Resonanzraum dar. Als Kundschaft wird die Gruppe von Menschen verstanden, die eine bestimmte Marke in ihre Lebenswelt aufgenommen hat; sie verwendet, ihr vertraut, ihr treu ist. Mit dem Begriff der Kundschaft wird damit eine spezifische Art der Verbundenheit mit einer Marke zum Ausdruck gebracht. Aus der Menge von Menschen einer Gesellschaft bildet sich eine Vielzahl von (Marken-)Gemeinschaften, in denen die zugehörenden Menschen die gleiche Einstellung zu einer bestimmten Sache (der Marke) haben.

3. Problemstellung

Die Gründe für den Bedarf nach und die Bindung an Marken erscheinen vielfältig. Die Markenbindung steht in Zusammenhang mit den kognitiven Fähigkeiten der Menschen und dem Prozess der Einstellungsbildung. Andererseits liegt die Markenbindung in den Marken selbst begründet, indem diese als Gestaltsystem geführt werden. Zudem ist sie davon abhängig, inwieweit überhaupt gesellschaftlich ein Markenbedarf besteht. Das Phänomen Marke kann also als das Resultat verschiedener einflussnehmender Faktoren verstanden werden.

Der Stellenwert, den Marken in der Gesellschaft einnehmen, lässt annehmen, dass Marken gewisse Funktionen für die Menschen, die sich an sie binden, erfüllen. Andererseits besteht die Vermutung, dass das Phänomen Marke aus gewissen gesellschaftlichen Gegebenheiten und Entwicklungen resultiert, die das Ausmaß dieses Phänomens erst möglich gemacht haben. Zwischen dem Phänomen Marke und den in der Gesellschaft lebenden Menschen lässt sich demnach eine wechselseitige Beziehung vermuten, die damit die Ursachen und Gründe der Kundschaftsbildung erklärt.

Das Phänomen Marke könnte nicht so weit um sich greifen, gäbe es nicht eine Reihe von Funktionen, die Marken, sowohl für den Einzelnen, als auch gesamtgesellschaft­lich erfüllen. Die Aufdeckung dieser Funktionen ist insofern wichtig, als dass die Gründe, warum Menschen sich überhaupt an Marken binden, warum sie Marken sogar brauchen, bis heute nicht ursächlich und vollständig von der Marktforschung geklärt werden konnten, was die Floprate von etwa 90% (vgl. Esch et al. 2000, 672) aller Neuprodukteinführungen trotz Marktforschung beweist.

Die von Alexander Deichsel begründete Markensoziologie erklärt zwar über das Verständnis der Marke als Gestaltsystem das durch sie verursachte Vertrauen und die Gemeinschaftsbildung im Sinne von Kundschaftsbildung, lässt die gesellschaftlichen Vorraussetzungen für die Entstehung derartiger wirtschaftlicher Gestaltsysteme aber außer Acht.

Der in dieser Arbeit eingenommene Fokus auf die Kundschaft begründet sich einerseits wissenschaftlich aus der bis dato unzureichenden soziologischen Forschung zu der Thematik der Vergemeinschaftung durch ökonomische Konstrukte, andererseits ökonomisch aus der Bedeutung der gebundenen Kunden für ein Unternehmen. Das Ziel von Unternehmen bzw. Markenherstellern liegt in der Erwirtschaftung langfristiger monetärer Erfolge, welche vor allem durch gebundene Kunden einer Marke zustande kommen und ausgebaut werden können. Denn durch ihre Bindung an die Marke ist die entsprechende Kundschaft, z.B. in Hinblick auf Markentransfers, leichter und vor allem kostengünstiger zu beeinflussen und damit vom Kauf zu überzeugen. Zudem erhält ein Unternehmen durch die gebundenen Kunden mehr Planungssicherheit hinsichtlich anstehender Investitionen.

4. Ziel der Arbeit

Im Rahmen dieser Arbeit wird der Versuch unternommen, die Vorgänge und Prozesse, die zur Ausbildung des Phänomens Marke und damit zu Kundschaft führen, zu erörtern und zu begründen. Dabei sollen verschiedene soziologische Ansätze zur Bestimmung dieses Phänomens herangezogen werden, um damit abschließend einen allgemeingültigen Erklärungsversuch zur soziologischen Tatsache der Marke zu leisten. Die ganzheitliche Bestimmung der Gründe von Kundschaft ist demnach als Brückenschlag zwischen den Disziplinen des Marketings, der Sozialpsychologie, der Markensoziologie und verschiedenen makrosoziologischen Ansätzen einzuordnen, um damit die Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen diesen zu erklären.

5. Vorgehensweise

Die vorliegende Untersuchung der Bestimmungsgründe von Kundschaft besteht aus einer Struktur von sechs Teilen:

Der erste Teil befasst sich einleitend mit der Betrachtung der Marke bezüglich ihrer Erscheinungsformen, dem Prozess ihrer geschichtlichen Entwicklung und dem Nutzen, den sie für Unternehmen darstellt.

Die Klärung des Begriffs der Kundschaft steht im Fokus des zweiten Teils der Arbeit, um hiermit, zusammen mit dem ersten Teil, eine Grundlage für die darauf folgenden Theorien zur Erklärung des Phänomens Marke zu liefern.

Die eigentliche Begründung der Ausbildung von Markenkundschaft findet im dritten bis fünften Teil der Arbeit statt:

Der dritte Teil befasst sich mit den sozialpsychologischen Determinanten und Theorien zum Markenkaufverhalten, wobei zunächst auf die aktivierenden und kognitiven Prozesse der Kaufentscheidung eingegangen wird, um daraufhin umfassende Theorien zur Erklärung dieses Verhaltens vorzustellen. Die Beschreibung der Funktionen der Marke in den verschiedenen Phasen des Kaufprozesses bildet den Abschluss dieses Kapitels.

Anschließend wird im vierten Teil der Arbeit auf den markensoziologischen Ansatz Deichsels u.a. eingegangen, der die Kundschaftsbildung den Führungsqualitäten der Marke selbst zuschreibt.

Der fünfte Teil der Arbeit befasst sich mit den gesellschaftlichen Funktionen der Marke und den sich daraus ergebenden Bestimmungsgründen ihrer Kundschaft.

Der sechste und letzte Teil der Arbeit beinhaltet eine Zusammenführung und abschließende Betrachtung der Ergebnisse und gibt darauf bezogen einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des Phänomens Marke und der Bestimmungsgründe seiner „Anhängerschaft“.

1 Die Marke – Einführung und Definition

1.1 Erscheinungsformen der Marke

Mit der Erweiterung des Markenwesens hat auch die Zahl der existierenden Formen von Marken deutlich zugenommen. Die Markenliteratur unterscheidet dabei üblicherweise zwischen Hersteller- und Handelsmarken, sowie zwischen Produkt- und Dienstleistungs­marken. Des Weiteren wird die Einteilung in Einzel-, Familien- und Dachmarken vorgenommen (vgl. Sattler 2001, 66ff). Je nach Grad der Distribution werden regionale, nationale und internationale Marken differenziert (vgl. Sattler 2001, 108ff). Weit verbreitet unter den Markenstrategien ist auch die Unterscheidung zwischen Luxus-, Premium-, Zweit- und Handelsmarken, sowie No-Name-Produkten, wobei die Grenze zwischen diesen Formen oft fließend ist; es gibt zunehmend sowohl Handelsmarken der gehobeneren Klasse, wie z.B. Füllhorn von Rewe und umgekehrt ebenso im Bereich der Hersteller- und Dienstleistungsmarken auch Qualitätsprodukte, deren Markterfolg vor allem ihrem niedrigen Preis zuzuschreiben ist, wie etwa die Marke Sixt.

Viele Unternehmen setzen eine hybride Strategie zur Positionierung ihres Markenportfolios ein, indem sie neben Premiummarken oder Luxusmarken auch preiswertere Zweit- oder Drittmarken anbieten (vgl. Sattler 2001, 97ff; Becker 2002, 359f). Ein bekanntes Beispiel für eine solche Mehrmarkenstrategie stellt das Markenportfolio des VW-Konzern dar, welches neben Premiummarken wie Audi und VW auch Luxusmarken wie Lamborghini und Bentley und preisorientierte Marken wie Skoda oder Seat anbietet (vgl. Esch 2004, 268ff; Herrmann 1999, 47).

Im Jahre 2003 wurden allein in Deutschland über 680.027 Marken rechtlich geschützt; für das Jahr 1999 ermittelte das Marktforschungsinstitut ACNielsen 50.894 Marken, die in Deutschland beworben wurden (vgl. Koschnick 2005, www). Die Zahl der Neuanmeldungen ist auch heute noch steigend (vgl. Hellmann 2003, 15).

Marken stellen mittlerweile für Unternehmen sehr häufig den mit Abstand wichtigsten Vermögensgegenstand dar (vgl. Sattler 2001, 19), was sich z.B. in den durch das Unternehmen Interbrand geschätzten finanziellen Werten der weltweit bedeutendsten Marken für das Jahr 2004 zeigt (vgl. Abbildung 1):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Markenwerte international bedeutender Marken für das Jahr 2004

(in Anlehnung an: o.V. 2004, www)

Marken werden gesellschaftlich also immer relevanter, indem sie offensichtlich eine soziale Tatsache darstellen und dies nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht. „Offenbar kommt der Anwendung von Marken eine nicht unwesentliche Rolle bei der materiellen und immateriellen Ausstaffierung unserer Gesellschaft zu, die weit über das genuin Wirtschaftliche hinausreicht.“ (Hellmann 2003, 18). Marken sind damit nicht nur wirtschaftliche, sondern auch und besonders gesellschaftliche Phänomene.

1.2 Historische Entwicklung des Markenartikels

Der Beginn der Markengeschichte hängt von der jeweiligen Markendefinition ab. Um überhaupt die Möglichkeit einer diachronen Beschreibung zu erhalten, wird hier die Definition zugrunde gelegt, dass Marken Markierungen von Gegenständen mit wirtschaft-licher Funktion sind.

Wenn man also Marken und Zeichen dahingehend unterscheidet, dass Zeichen Markierungen von Gegenständen ohne, und Marken Markierungen von Gegenständen mit wirtschaftlicher Funktion sind, können die Anfänge des Markenwesens im Mittelalter verortet werden. Erst im Mittelalter konnte sich ein Handel mit Waren ausbilden, der es notwendig machte, Waren so zu markieren, dass eine Verwechslung aus wirtschaftlichen Gründen verhindert wurde, das heißt die Waren wurden markiert, um einen finanziellen Gewinn bzw. wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen.

Nachdem die Bevölkerung Europas bis dahin nahezu ausschließlich auf dem Land lebte, bildeten sich im Rahmen der Städtebildung des 13. Jahrhunderts die Zünfte und Gilden aus. Die Zünfte und Gilden erließen für die Aufrechterhaltung und Durchsetzung der wirtschaftlichen Ordnung in den Städten streng kontrollierte Richtlinien für die Herstellung und Qualität ihrer Ware (vgl. o.V. 2005, www). Sofern die Waren die kollektiv vorgegebenen Qualitätsstandards erfüllten, erhielten sie eine Markierung als Zunftmarke. Damit war „mit der Markierung durch ein öffentliches Schauzeichen eine Kontrolle der Qualität der Erzeugnisse verknüpft.“ (Leitherer 1956, 704).

Im Laufe des 19. Jahrhunderts mit dem Ende der Zunftwirtschaft und dem Aufkeimen der Marktwirtschaft entwickelte sich das moderne Markenwesen. Mit dem Beginn des Industriezeitalters, verbunden mit der Gewerbefreiheit sowie einer abnehmenden Macht des Handwerks und der Zünfte, veränderten sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen großer Bevölkerungsschichten enorm. Zudem erzeugte diese Entwicklung auch eine immer größere Kluft zwischen den beiden Bereichen Produktion und Konsumtion. An die Stelle personenorientierter Kundenproduktion trat gewinnorientierte Marktproduktion, wodurch menschliche Individuen für Unternehmer nun einzig die Funktion von Verbrauchern einnahmen. Damit entfernten sich Unternehmer und Verbraucher in einem langen Prozess voneinander, „die personale, individuelle Kommunikation zwischen ihnen zerbröckelte, um schließlich in vielen Wirtschaftszweigen völlig zu zerbrechen.“ (Reinhardt 1993, 430).

Die Entwicklung des Markenwesens hat nach Julius Hirsch folgende Gründe: „der Zug zum fertigen Produkt, die Vereinheitlichung des Bedarfs, zugleich mit schnellem Wechsel des Geschmacks, der Kaufverkehr unter Fremden.“ (Hirsch 1925, 9).

Das moderne Markenwesen bildete sich in Deutschland ab dem Jahr 1890 aus. Während dieser Zeit gab es eine Reihe von Markengründungen, die teils heute noch auf dem Markt sind, wie z.B. Leibnitz-Kekse 1892, Odol 1893, Dr. Oetker 1899, Persil 1907 und Nivea Creme 1912. Im Jahre 1894 wurde das „Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen“ erlassen. Bis 1914 wurden mittels Warenzeichenanmeldungen beim Reichspatentamt über 200.000 Markenartikel registriert (vgl. Reinhard 1993, 179).

Die Wissenschaft vom Markenwesen hat sich geschichtlich einerseits verlagert von der Orientierung am Hersteller, der die Marke anbietet, zum Verbraucher, der sie nachfragt. Andererseits hat sich die Markenanwendung auf Sach- und Konsumgüter, welche lange ausschließlich für markenfähig gehalten wurden, auf eine heutzutage unendliche Vielzahl von immateriellen Leistungsangeboten erweitert (vgl. Hellmann, 2003, 66). Jens Abend (1986, 366ff) unterscheidet hinsichtlich der Entwicklung des Markenwesens drei Generationen:

Die erste Generation von der Jahrhundertwende bis 1930 definierte die Marke anhand eines Katalogs von Wareneigenschaften, die erfüllt sein müssen, um überhaupt von einer Marke sprechen zu können. Diese Merkmalskataloge erinnern in ihrer Machart an eine Art Gebrauchsanleitung oder Rezept zum Bau einer Marke. Die Marke wird hier als Technik verstanden, frei nach dem Motto: „Man nehme eine Fertigware, die mit einer hinreichend großen Nachfrage rechnen kann, von gleichbleibender Aufmachung, Qualität, Menge und Preisgebung, treibe ordentlich Werbung für sie und sorge für ausreichende Verfügbarkeit- und voilá, schon ist die Marke fertig.“ (Hellmann 2003, 73). Das beste Beispiel für diese Leseart liefert das „Lehrbuch der Markentechnik“ von Hans Domizlaff, welches erstmals 1939 unter dem Titel „Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens“ erschienen ist.

Die zweite Generation von 1930 bis 1955 befasste sich mit dem Absatzraum, der Marktstellung und der Verkehrsgeltung von Marken und legte dabei erstmalig den Fokus auf den Verbraucher. Die dritte Generation ab 1955 beschäftigte sich schließlich vorrangig mit der Funktion der Nachfragegewinnung (vgl. Hellmann 2003, 66).

Verantwortlich für die Entwicklung und Entfaltung des Markenwesens, wie es in seiner heutigen Form und Bedeutung anzutreffen ist, ist einerseits die Industrialisierung, auch in Zusammenhang mit der Entwicklung und Etablierung industrieller Verpackungstechniken, die ihren Lauf im späten 19. Jahrhunderts nahm. Auf Grund des explosionsartigen Zuwachses des Warenangebots und der gleichzeitigen Anonymisierung der Waren durch die Massenproduktion, ergab sich die Notwendigkeit, Produkte mit Namen und Wiedererkennungsmerkmalen (wie z.B. Logos) zu kennzeichnen. Marken fungierten so einerseits als Produktdifferenzierung, andererseits als Ersatz für die fehlenden persönlichen Kontakte des Konsumenten zum Hersteller.

Außerdem verhalf die Entstehung großer Konzerne wie General Electric oder Ford dem Markenwesen zu seiner heutigen Bedeutung. Seit den fünfziger Jahren ist ein weiterer Grund für den Bedeutungszuwachs von Marken entstanden: der gestiegene Wohlstand und ein hohes Freizeitaufkommen der Bevölkerung, was zu einem enormen Anstieg der Konsumorientierung geführt hat und Marken seitdem als Mittel zum Ausdruck von Individualität und Lebenseinstellung herangezogen werden (vgl. Herrmann 1999, 45).

1.3 Definitionen der Marke

Der Begriff der Marke wird heutzutage so weit gefasst, dass es eine Vielzahl von Definitionen und Zugängen zum Begriff der Marke gibt. Die unterschiedlichen Definitionen lassen sich in fünf Gruppen unterteilen:

Rechtliche Markendefinition:

Juristisch gesehen stellt die Marke ein Rechtsgut dar, das durch entsprechende Gesetze, internationale Verträge und sonstige Rechtsakte, wie Verordnungen, Richtlinien und Rechtsprechungen, geschützt ist. Das 1995 in Kraft getretene Markengesetz definiert in § 3 Abs. 1 eine Marke rechtlich wie folgt: „Als Marke können alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“ (Markengesetz 1995, www).

Merkmalsbezogene Markendefinition:

Merkmalsbezogene Markendefinitionen stellen die in der Betriebswirtschaftslehre nach wie vor am weitesten verbreitete Form der Markendefinition dar (vgl. Meffert 1998, 784; Bruhn 1994, 7). Als Marke werden Waren und Dienstleistungen bezeichnet, die sich durch bestimmte Kernmerkmale von Nichtmarken unterscheiden. Zu diesen Merkmalen zählen neben dem rechtlichen Schutz vor allem Herkunftsnachweise, Qualitätsgarantien, besond-ere Verkehrsgeltungen und ein entsprechend ausgeprägtes Image (vgl. Bismarck/Baumann 1995, 30ff; Dichtl 1992, 16ff).

Zweckbezogene Markendefinition:

Zweckbezogene Markendefinitionen stellen nach den merkmalsbezogenen Ansätzen die am weitesten verbreitete Form von Markendefinition in der Betriebswirtschaftslehre dar. Hierbei wird die Marke über ihre ökonomische Wirkung und Funktion definiert. Marken werden dabei als zentrale Orientierungsgröße im Markt, als Instrument zur Produkt-profilierung und Absatzsteigerung, als präferenzstrategischer Schlüsselfaktor, als Innovationshilfe, als Standardisierungsgröße im Marketing und als stabilisierender Faktor im Verhältnis von Hersteller und Händler bezeichnet (vgl. Becker 2002, 188ff; Meffert 1998a, 270; Herrmann 1999, 38). Zu den zweckbezogenen Markendefinitionen sind auch die Ansätze zu zählen, die Marken über ihre Nutzen- bzw. Informationsfunktion definieren. Marken repräsentieren danach den emotionalen Zusatznutzen einer Leistung, welche aus Grund- und Zusatznutzen besteht (vgl. Halstenberg 1996, 222; Buchholz/Wördemann 1998, 30; Herrmann 1999, 38). Dabei wird eine Nutzenhierarchie unterstellt, die heute aber kaum mehr aufrechtzuerhalten ist. In vielen Produktbereichen haben sich die Bedeutungen von Grund- und Zusatznutzen deutlich verschoben, denn das, was als Zusatznutzen bezeichnet wird, ist für den Verbraucher oft nicht nur etwas Zusätzliches, sondern wesentlicher Nutzenbestandteil des gesamten Produktes (vgl. Gutjahr 1983, 146).

Werden Marken als Transportmittel aller Präferenzleistungen von Produkten und Dienstleistungen gesehen, dann umfassen diese sowohl immaterielle, als auch materielle Eigenschaften. Aus informationsökonomischer Sicht besteht die wesentliche Funktion der Marke daher darin, bestimmte funktionale wie nicht-funktionale Eigenschaften der unter ihr geführten Produkte und Dienstleistungen besonders hervorzuheben und identifizierbar zu machen. Auf unvollkommenen[1] Märkten erhält die Marke somit eine wichtige markt-erhaltende Funktion, indem sie die Markttransparenz steigert und die Informationskosten senkt (vgl. Irmscher 1997, 186f; Herrmann 1999, 38).

Kognitionspsychologische Markendefinition:

Kognitionspsychologische Markendefinitionen begreifen Marken als produktspezifische innere Bilder bzw. Images, die das Verhalten der Konsumenten steuern (vgl. Wiswede 1992, 72). Die Marke wird hierbei als kognitiver Filter betrachtet, der auf abgespeichertem Markenwissen beruht und beim Kaufverhalten intervenierend zwischen Reiz und Reaktion tritt. Wie die folgende Abbildung zeigt, geht die traditionelle Marketingforschung dabei von einem einfachen Grundmodell (vgl. Abbildung 2) aus, dem sogenannten S-O-R-Modell (Stimulus - Organismus - Response).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 : Das S-O-R-Modell

(in Anlehnung an Herrmann, 1999, 41)

Als Stimuli fungieren bei diesem Modell Werbung, der Produktkontakt in der Einkaufs-stätte bzw. POS (point of sale), Empfehlungen usw., im Organismus werden die Stimuli kognitiv zu Markenwissen, Markenvorstellungen, Markenbildern usw. verarbeitet, um sich in Kaufbereitschaft, Sympathie, Interesse usw., dem Response, niederzuschlagen. Der Organismus stellt dabei immer noch eine „Black-Box“ dar, wobei keine allgemeinen Ergebnisse vorliegen, wie die Stimuli tatsächlich verarbeitet werden (vgl. Herrmann 1999, 41).

Kommunikationswissenschaftliche Markendefinition:

Wenn Marken als Kommunikation definiert werden, wird hierbei nicht allein die werbliche Aussage mit der Marke gleichgesetzt. Auch produktsprachliche Aspekte haben auf die Wahrnehmung von Marken einen großen Einfluss (vgl. Herrmann 1999, 41f).

Außerdem wird die kommunikative Funktion von Marken und Produkten auch durch die Art ihrer Verwendung bestimmt. Die Nachfrager determinieren den Symbolgehalt der Marken selbst, indem sie sich diese auf eine ganz bestimmte Art und Weise aneignen und bewusst als Instrumente der Selbstdefinition und sozialen Abgrenzung einsetzen: „We are what we wear, what we eat, what we drive. […] You choose each of those brands among many options – because they are more like you...” (Perry 1994, 4). Die kommunikative Funktion der Marke, ihr symbolischer Mehrwert, ist demnach gleichsam abhängig von der Markierungsinitiative des Herstellers, als auch von der Art der Verwendung der Marke durch den Konsumenten.

Kultursoziologische Markendefinition:

Marken besitzen immer auch eine soziale Funktion: Sie „formen große Menschenmengen organisch zu Kundschaft“ (Deichsel 1993, 46) und produzieren dabei „soziale Stabilitäten“ (Brandmeyer/Deichsel 1991, 15). Als Vorreiter dieses Markenverständnisses gilt Hans Domizlaff, welcher als Begründer der Markentechnik gesehen wird (vgl. Domizlaff 1991, 7). Marken kommen hierbei die Funktionen als Kulte der modernen Gesellschaft bzw. als „Massen-Fetisch“ (Gerken 1996, 117) zu. Sie werden demnach auch als gesellschafts-ordnende Instanz gesehen.

1.4 Die Marke als Erfolgsfaktor für Unternehmen

Anbieter von Produkten und Dienstleistungen profitieren in mehrfacher Hinsicht von Marken: Sie ermöglichen dem Anbieter, sich von Wettbewerbern zu differenzieren, sie erleichtern die Einführung von Neuprodukten und machen die Marketingarbeit in vielen Fällen überhaupt erst plan- und gestaltbar (vgl. Scheffler 2003, www; Herrmann 1999, 48). Bei der Einführung von Neuprodukten wird oftmals eine etablierte Marke auf neue Produktbereiche transferiert, was einen Transfer des Images der etablierten Marke auf das neue Produkt bewirken soll. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist die ursprünglich für den Hautcrememarkt entwickelte Marke Nivea mit Markentransfers auf neue Produkte wie Deodorant, Duschgel, Gesichtscreme, Körperlotion, Seife, Shampoo und dekorative Kosmetik (vgl. Sattler 2001, 21f).

Außerdem stellt die Marke einen der wichtigsten strategischen Erfolgsfaktoren dar, den Unternehmen besitzen können (vgl. Herrmann 1999, 49; Sattler 2001, 19). Der Grund hierfür liegt in der Erhöhung von Markteintrittsbarrieren für Konkurrenten. Markennutzern wird dagegen der Marktaustritt erschwert, da sie beim Markenwechsel mit erhöhter Unsicherheit zu kämpfen haben (vgl. Irmscher 1997, 182ff).

PriceWaterhouseCoopers führte in Kooperation mit Prof. Dr. H. Sattler 1999 eine Umfrage zur Ermittlung des finanziellen Werts von Marken für Unternehmen durch (vgl. Sattler, 2001, 19f). Befragt wurden die 100 größten deutschen Unternehmen, sowie die Mitglieder des deutschen Markenverbandes. Die Befunde basieren auf 126 Antworten von insgesamt 403 angeschriebenen Unternehmen. Nach den Schätzungen der Befragten repräsentieren Marken durchschnittlich 56% des Gesamtwertes der jeweils angesprochenen Unternehmen, im Bereich der kurzlebigen Konsumgüter sind es sogar 62% (vgl. Abbildung 3). Die meisten befragten Unternehmen nehmen an, dass diese Werte zukünftig noch weiter steigen werden. Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 : Anteil von Markenwerten am Gesamtunternehmen nach Branche

(in Anlehnung an: Sattler/PriceWaterhouseCoopers 1999, 12)

Auch im Umgang mit dem Handel erfüllen Marken wichtige strategische Funktionen. In Deutschland halten die größten 10 Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels einen Marktanteil von ca. 83% (vgl. Sattler 2001, 33). Diese schon seit Jahrzehnten zunehmende Handelskonzentrationsprozesse werden durch die Tendenzen zur Internationalisierung mit einer steigenden Zahl von Akquisitionen und Fusionen, europaweiten Einkaufs-kooperationen und internationalen Filialnetzen noch weiter verstärkt (vgl. Sattler 2001, 33). Folglich besitzt der Handel eine enorme Verhandlungsmacht gegenüber Markenherstellern, was sich insbesondere in einem verstärkten Preis- und Konditionendruck sowie einem verschärften Regalplatzwettbewerb äußert (vgl. Schneider 2001, www; Diller 2001, 120ff). Dadurch wird es für kleine Marken immer schwieriger, überhaupt einen Platz im Sortiment eines Handelsunternehmens zu ergattern. Im Rückschluss bedeutet dies, dass Hersteller erfolgreicher Marken die Macht gegenüber dem Handel besitzen, ihre Forderungen bezüglich Preisgebung oder Regalplatzfläche durchzusetzen. So stellen Marken eine wichtige Schutzfunktion für den immer härter werdenden Preiskampf am Markt dar: „The image advantage that comes from consumer recognition as the first mover in some product category may permit its possessor to hold prices above costs for significant periods of time, while retaining a large share of the relevant market.“ (Scherer/Ross 1990, 585).

1.5 Zusammenfassung

Marken existieren seit den Anfängen des Wirtschaftswesens. Ihre historische Entwicklung zeigt ihre enge Verbindung zu gesamtgesellschaftlichen Gegebenheiten, womit die Notwendigkeit der soziologischen Perspektive auf die Marke deutlich wird.

Marken haben besonders innerhalb der letzten Jahre eine immense Präsenz in allen Lebensbereichen eingenommen. Aus diesem Grund gibt es eine Reihe von Ansätzen verschiedener fachlicher Richtungen, Marken zu definieren.

Für die vorliegende Arbeit sind vor allem die zweck-, die kognitionspsychologische-, die kommunikationswissenschaftliche und die kultursozilogische Markendefinition von Bedeu-tung, wenn es darum geht, Bestimmungsgründe für das Phänomen Marke und seine Anhängerschaft in der Gesellschaft auszumachen.

Zweckbezogen wird die Marke über ihre wirtschaftliche Wirkung und Funktion im Markt definiert. Sie wirkt hier orientierend und stabilisierend. Zudem stellt sie über den Zusatznutzen, den sie einem Produkt verleiht, eine Identifizierungsstütze dar.

Kognitionspsychologische Markendefinitionen begreifen Marken als eine Art kognitiven Filter in Form von Images, welcher zwischen einen Reiz, z.B. in Form von Werbung, und eine Reaktion, die Kaufbereitschaft, tritt. Marken wirken damit auch hier als Orientierungs- und Identifizierungsgröße, welche nach dieser Definition die aktivierenden und kognitiven Prozesse in bestimmte Richtungen lenken.

Die kommunikationswissenschaftlichen Markendefinitionen verstehen Marken einerseits als Kommunikation durch Werbung und Produkt, andererseits betonen sie ihren Symbolgehalt für die sie nachfragenden Konsumenten.

Die kultursoziologische Markendefinition schließlich beschreibt Marken als Ordnungs-instanz von Sozialität und über ihre Fähigkeit Gemeinschaft herzustellen.

Zuletzt wurde auf die Funktionen eingegangen, die Marken für Unternehmen darstellen. Erfolgreiche Marken stellen mitunter den höchsten Wert eines Unternehmens dar, und damit einen wichtigen strategischen Vorteil. Unternehmen haben folglich ein starkes Interesse an dem Erfolg ihrer Marke(n). Sie werden also bestimmte Mittel einsetzen, um den gewünschten Markterfolg zu erzielen. Auch dieser Tatsache muss man sich bewusst sein, um die Bestimmungsgründe von Kundschaft ganzheitlich aufdecken zu können.

2 Kundschaft – Klärung des Begriffs

Der Erfolg von Marken ergibt sich immer durch die Menschen, die diese Marke kaufen und verwenden, denn „hinter jeder Marke mit hoher Geltung stehen eine Menge treuer Kunden, deren Markenwissen, Markenvertrauen und Kaufbereitschaft den eigentlichen Wert des Markenkapitals darstellen.“ (Kotler/Biemel 2001, 62).

Die Beziehungen, die Menschen zu einer Marke haben, sind dabei jeweils unterschiedlich stark ausgeprägt. Ein Mensch ist immer von einer Vielzahl von Marken umgeben. Manchen davon ist er treu, manche kauft er nur einmal und nie wieder, manche nimmt er bisher noch gar nicht wahr, manche kennt er zwar, kauft sie aber selbst nicht und manche verehrt er sogar und empfiehlt sie seinen Freunden weiter. Innerhalb eines Markenpublikums existieren also meist deutlich voneinander zu unterscheidende Qualitäten in Bezug auf die Beziehung von Mensch und Marke, die Bindung ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Die unterschiedlichen Beziehungen der Menschen zur Marke werden idealtypisch als Konsument, Käufer, Kunde, Kundschaft und Kenner bezeichnet (vgl. Deichsel 1999, 333; Deichsel 2004, 47).

Das Publikum einer Marke setzt sich immer aus einem Gemisch dieser Beziehungstypen zusammen. Gleichzeitig ist jedes Mitglied dieses Publikums dementsprechend umgeben von Marken, zu denen es jeweils unterschiedliche Beziehungen unterhält. Beispielsweise ist eine Person im Hinblick auf Jeansmarken einer bestimmten Marke treu, bei Margarinemarken probiert er gerne mal eine andere Sorte und die Automarke Porsche kennt und mag er zwar, kann sie sich aber nicht leisten.

Im Folgenden werden die unterschiedlichen Beziehungsarten zur Marke idealtypisch dargestellt. Die Beziehungstypen werden dabei in Bezug zu einer bestimmten Marke gesehen, denn wie beschrieben weisen Menschen zu den verschiedenen Produkten und Marken, die sie umgeben, empirisch unterschiedliche Beziehungen auf.

2.1 Konsument

Konsumenten sind aus Sicht der betreffenden Marke ungebundene Marktteilnehmer und damit potentielle Verbraucher von neuen Produkten und Marken (vgl. Deichsel 2004, 48). Ein Mensch ist also beispielsweise Kunde der Marke a eines Marktsegments und damit Konsument aus Sicht der (Konkurrenz-) Marke b dieses Segments.

Eine Sonderform der Konsumenten, also den Nicht-Käufern einer Marke, stellen die Kenner dar. Diese kennen zwar die Marke und beurteilen sie positiv, kaufen sie aber aus verschiedenen Gründen nicht. Diese Gründe sind z.B. ein zu hoher Preis, die Marke ist in der örtlichen Umgebung nicht erhältlich, eine andere Marke des betreffenden Marktsegments wird bevorzugt, oder die Produkte der Marke werden schlichtweg persönlich nicht gebraucht. Damit stellen Kenner zwar keinen Nutzen auf monetärer Ebene für die Marke dar, sind aber trotzdem wichtig, damit sich die Bekanntheit der Marke und das Vertrauen und positive Urteil ihr gegenüber ausbreiten kann (vgl. Deichsel, 1999, 338).

2.2 Käufer

Käufer sind dem Produkt zugewandte Interessenten. Käufer nehmen das Produkt wahr und kaufen es, Kauf und Gebrauch des Produktes sind allerdings unbeständig, spontan und von der jeweiligen Stimmung abhängig. Oft ist der Preis ein wichtiges Auswahlkriterium für den Produktkauf. Die Beziehung des Käufers zum Produkt ist damit punktuell und stellt noch keine ökonomisch verlässliche Größe für das Unternehmen dar (vgl. Deichsel 2004, 49).

2.3 Kunde

Kunden haben im Gegensatz zu Käufern eine Verbundenheit zum Produkt entwickelt. „Die Produktprüfung, die ihn als Käufer charakterisierte, ist einem entstehenden Zutrauen gewichen, das schließlich durch echtes Vertrauen ersetzt wird.“ (Deichsel 2004, 50). Die Beziehung zwischen Kunde und Marke entwickelt sich zu einer persönlichen Bindung, weswegen man in diesem Fall auch von Markentreue spricht. Markentreue drückt sich allgemein darin aus, dass Konsumenten bei wiederholten Käufen eines Produkts denselben Markenartikel zu wählen pflegen, was aber nicht bedeutet, dass sie alle Produkte derselben Marke kaufen. Die Wahrscheinlichkeit von Wiederholungskäufen wächst bei Käufern, die durch den Kauf einer Markenware zufrieden gestellt wurden. Markentreue ist also gleichbedeutend mit dem stufenweisen Abbau des dem Kaufakt ursprünglich vorausgehenden Entscheidungsprozesses und seiner Ersetzung durch ein Routineverhalten (vgl. Koschnick 2005a, www).

Der Kunde vergleicht bei der Produktauswahl weniger und ist weniger preissensibel, denn der Kauf und der Gebrauch der Marke werden für ihn immer mehr zur Gewohnheit. Für ein Unternehmen erhöht sich durch diese Kundenbindung die Planungs- und Kalkulations-sicherheit (vgl. Deichsel 2004, 51).

2.4 Kundschaft

Die Gemeinschaft der Kunden, die Kundschaft, ist ein mit sich selbst agierendes soziales System. „Die einzelnen Kunden eines Markenproduktes erkennen sich gegenseitig und tauschen sich über ihre Erfahrungen aus. Sie sehen und beobachten, wie andere Kunden mit dem Produkt umgehen, und hören, wie andere Verwender über das Produkt sprechen.“ (Deichsel 2004, 52).

Deichsel geht sogar so weit zu sagen, dass eine Marke erst dann existiert, „wenn es einem Leistungsangebot gelungen ist, über die Strukturphasen des Konsumenten, des Käufers und des Kunden eine stabile Kundschaft aufzubauen“ (Deichsel 2004, 48).

Die Gemeinschaft der Kundschaft vergrößert sich, indem sie in Eigenaktivität über das Produkt/die Leistung berichtet, sie weiterempfiehlt, was laut Deichsel die wichtigste Attraktivität der Marke auf Konsumenten bewirkt. Diese sich selbst organisierenden Kommunikationsprozesse werden natürlich noch ergänzt durch die vielfältigen Formen von öffentlicher Werbung einer Marke (vgl. Deichsel 2004, 54f).

Die beteiligten Elemente des Systems Markenkundschaft wechseln im Lauf der Zeit, das heißt, die jeweilige Kundschaft einer Marke besteht nicht immer aus denselben Menschen, wie auch die Leistung einer Marke nicht immer aus demselben Produkt besteht. Aber auch wenn sich die Mitglieder des Systems im Lauf der Zeit auswechseln, bleibt die Gemeinschaft der Kundschaft trotzdem erhalten. Die Kundschaft fungiert somit auch als Vererbungsorganismus der Marke. Denn es ist vor allem der positive Konsens innerhalb der Kundschaft, der das Überleben der Marke sichert. „Das Positive Vorurteil ist als gemeinsame Willenskraft jene Energie, die die Verbundenheit mit der Markenleistung sichert und dieses Bündnis auf den Willen des einzelnen Nachgeborenen überträgt.“ (Deichsel 2004, 57).


[...]

[1] „unvollkommen“ bezieht sich hierbei auf die informationsbedingte Unvollkommenheit der Märkte hinsichtlich Informationsasymmetrien, opportunistischem Marktverhalten der Verbraucher usw. (vgl. Herrmann 1999, 38).

Ende der Leseprobe aus 111 Seiten

Details

Titel
Das Phänomen Marke. Gesellschaftliche Funktionen und Kundschaft unter markensoziologischen Aspekten
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Soziologie)
Note
1,2
Autor
Jahr
2005
Seiten
111
Katalognummer
V60778
ISBN (eBook)
9783638543651
ISBN (Buch)
9783656807025
Dateigröße
1019 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bestimmungsgründe, Kundschaft, Aspekten, Phänomen, Marke, Funktionen
Arbeit zitieren
Hanna Busemann (Autor:in), 2005, Das Phänomen Marke. Gesellschaftliche Funktionen und Kundschaft unter markensoziologischen Aspekten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60778

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