Rechtschreibreform und Öffentlichkeit in Österreich zwischen 1986 und 1994


Hausarbeit (Hauptseminar), 1995

96 Seiten, Note: 1


Leseprobe


GLIEDERUNG / INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

1) Berichterstattung von 1986 bis 1989

2) Berichterstattung von 1990 bis 1992

3) Berichterstattung von 1993 bis 1994

4) Quantitative Dimension der Berichterstattung

Bibliographie

Verwendete Abkürzungen

Vorwort

Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit der Berichterstattung über die "3. Orthographische Konferenz"[1] in der österreichischen Tages- und Wochenpresse. Daraus ergibt sich der Beobachtungszeitraum, der von 1986, dem Jahr der "1. Wiener Gespräche", bis einschließlich 1994, dem Jahr der "3. Wiener Gespräche", reicht.

Ausgewertet wurden Textzeugen des medialen Diskurses über die Rechtschreibreform in folgenden heimischen Tageszeitungen: Der Standard, Die Presse, Kleine Zeitung, Kurier, Neue Kronen Zeitung, Neues Volksblatt, Neue Vorarlberger Tageszeitung, Neue Zeit, Oberösterreichische Nachrichten, Salzburger Nachrichten, täglich Alles, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten, Wiener Zeitung. Es kann somit als erstes Ergebnis dieser Arbeit gelten, daß sich das Gros der österreichischen Tageszeitungen[2] in den acht Jahren des Beobachtungszeitraumes mit der Rechtschreibreform - mehr oder weniger intensiv - auseinandergesetzt hat. Dieser Befund spricht recht eindeutig für die publizistische Bedeutung des Themas und läßt damit indirekt auf ein dementsprechend großes Informationsbedürfnis der Leserschaft schließen. Es ist in diesem Zusammenhang auch anzumerken, daß die Reform der Orthographie, betrachtet man noch einmal obige Aufzählung, nicht nur den marktbeherrschenden Wiener Blättern[3], sondern praktisch auch allen Bundesländertageszeitungen bis hin zu den Vorarlberger Nachrichten ein Thema war.

Bemerkenswert ist weiters die Tatsache, daß sich nicht nur Qualitätszeitungen[4], sondern auch ausgesprochene Boulevardzeitungen[5] - wenn auch in weit geringerem Ausmaß - unseres Themas angenommen haben. Weitere Textzeugen des vorliegenden Korpus wurde aus folgenden österreichischen Wochenzeitungen gewonnen: Die ganze Woche, Neue Freie Zeitung, profil, Wochenpresse[6]. Zusätzlich wurden auch Meldungen der Austria Presse Agentur (APA) über die Bemühungen um eine Rechtschreibreform während des Beobachtungszeitraumes in die Untersuchung miteinbezogen. Beiträge über die Rechtschreibreform und die "3. Orthographische Konferenz" in elektronischen Medien wurden dagegen außer acht gelassen[7].

Im Gesamtkorpus unterscheiden wir für die Zwecke dieser Arbeit vier Textsorten: Berichte, Kommentare, Leserbriefe und Meldungen. Berichte sind für uns diejenigen journalistischen Texte, die dem Leser vor allem Fakten darbieten, auf eine Kommentierung oder Wertung der dargebotenen Fakten weitgehend verzichten und um Objektivität bemüht sind[8]. Kommentare dagegen drücken die subjektive Meinung des jeweiligen Journalisten bzw. der Redaktion oder der Herausgeber und Eigentümer aus[9]. Wertungen bestimmter Geschehnisse, Vorgänge und Personen sind darin durchaus zulässig[10]. Als Oberbegriff für die journalistischen Textsorten Bericht und Kommentar verwenden wir im Rahmen dieser Arbeit den Terminus Artikel.Ein Leserbrief wird von einer redaktionsfremden Person an das Printmedium - meist als Reaktion auf einen bestimmten Artikel - gerichtet, dort zuweilen redaktionell bearbeitet[11] und in besonders gekennzeichneten Rubriken oder auf eigens dafür vorbehaltenen Seiten publiziert. Die im Leserbrief zum Ausdruck gebrachte Meinung muß sich nicht mit der der Redaktion decken. Als Meldungen schließlich bezeichnen wir die Texte der Presseagenturen. Meldungen sind unserer Arbeitsdefinition nach letztlich Kommentare und Berichte quasi in statu nascendi. Das heißt, der Journalist, der sich der Meldung einer Presseagentur bedient, bearbeitet diese mehr oder weniger und veröffentlicht sie schließlich als Bericht oder Kommentar. Es kann aber auch vorkommen, daß die Meldung einer Presseagentur zu einem bestimmten Thema von keiner Redaktion aufgegriffen wird und damit eine Veröffentlichung eigentlich unterbleibt.[12]

1) Berichterstattung von 1986 bis 1989

Gleich vorweg: Überraschenderweise ist, betrachtet man das uns vorliegende Korpus, die Berichterstattung der österreichischen Presse über die Rechtschreibreform in diesem Zeitraum als nicht sehr intensiv, ja eigentlich sogar als ausgesprochen dürftig anzusehen. Die"1. Wiener Gespräche" zur Rechtschreibreform fanden weitgehend unbemerkt von der österreichischen Öffentlichkeit statt.[13] Die "stille und wissenschaftliche Arbeit des "Internationalen Arbeitskreises""[14] für Orthographie wurde von der heimischen Presse bis 1990 fast nicht wahrgenommen und blieb somit ungestört.

Am 24. April 1986 meldet die APA unter dem Titel "Österreich koordiniert neuen Anlauf für Rechtschreibreform"[15]:

"Bonn (dpa) - Startschuß zu einer neuen Rechtschreibreform: Im Zusammenwirken mit den übrigen deutschsprachigen Staaten will Österreich einen abermaligen Anlauf für eine zunächst "behutsame" Rechtschreib-Reform der deutschen Sprache unternehmen. Dabei soll es nicht um das Streitthema der Groß- oder Klein-Schreibung gehen, sondern um praktische Vereinfachungen bei der Silbentrennung, der Schreibweise von Fremdwörtern sowie beim Zusammen- und Getrennt-Schreiben von Begriffen. Die entsprechenden Bemühungen sollen von Österreich koordiniert werden, wie Unterrichtsminister Herbert Moritz heute, Donnerstag, nach Gesprächen mit der deutschen Bundesbildungsministerin Dorothee Wilms (CDU) in Bonn erklärte."[16]

Damit ist der Ton angeschlagen, der vom österreichischen Unterrichtsministerium dann die nächsten acht Jahre lang in der Öffentlichkeitsarbeit konsequent durchgehalten wird: Mit dem Adjektiv "behutsam"[17] ist das Beiwort gefunden, das bis 1994 von dieser amtlichen Seite immer wieder zu Charakterisierung der Rechtschreibreform verwendet wird. Eine "radikale Reform"[18] hielt Minister Moritz laut obiger APA -Meldung "derzeit für nicht machbar"[19] und erteilte gleichzeitig der Einführung der gemäßigten Kleinschreibung indirekt eine Abfuhr, indem er sie quasi ‘auf die lange Bank schob’:

"Die von Sprachwissenschaftlern befürwortete gemäßigte Kleinschreibung nannte er [= Minister Moritz; M. W.] eine "tiefgreifende Reform", die allenfalls am Ende der Entwicklung stehen könne."[20]

Auch diese Linie wurde von den offiziellen Stellen Österreichs im wesentlichen während der gesamten Zeitraumes der "3. Orthographischen Konferenz" beibehalten.[21] Man könnte diesen Befund allerdings auch positiver formulieren: Das reformwillige österreichische Unterrichtsministerium hatte aus den hitzigen Diskussionen[22] der Siebziger Jahre über "das Streitthema Groß- oder Klein-Schreibung"[23] gelernt. Mit der vorläufigen Ausklammerung dieses Reformpunktes wurde ein Scheitern der "3. Orthographischen Konferenz" schon in der Anfangsphase vermieden.

Gegenüber der Tageszeitung Die Presse bekräftigte Unterrichtsminister Herbert Moritz wenige Tage später noch einmal seine Position, die er am 24. April gegenüber der APA eingenommen hatte. In dem "Minister Moritz geht Rechtschreibreform an. Interpunktion und Abteilungen erstes Ziel"[24] betitelten Bericht heißt es hiezu:

"Die gemäßigte Kleinschreibung, immer wieder diskutiert, stuft Moritz als "radikal" ein. Sie könne höchstens am Ende einer langen Entwicklung stehen. Der Unterrichtsminister spricht von einer "behutsamen Vereinfachung" sprachlicher Regelungen, für die unnötigerweise zu viel Gehirnsubstanz" verwendet werden müsse."[25]

In der hierzulande noch immer als ‘Zentralorgan’ des Wiener Bildungsbürgertums geltenden Presse durfte in diesem Zusammenhang natürlich die Beteuerung nicht fehlen, daß mit der geplanten Rechtschreibreform keine Sprachnivellierung nach unten verbunden sei.

"Keineswegs dürfe aber, so hob er [= Moritz; M. W.] deutlich hervor, eine "Simplifizierung" der deutschen Sprache erfolgen. "Das ist nicht erwünscht.""[26]

Der Schwerpunkt der Darstellung liegt aber, wie schon im Titel des Berichtes zum Ausdruck kommt, in der Bekanntgabe der ersten Arbeitsschritte der neuen Reforminitiative. So hebt der Bericht etwa folgendermaßen an:

"Die Worttrennung am Zeilenende und eine Neuregelung der Interpunktion seien der erste Schritt zu einer umfassenden Rechtschreibreform. Dies erklärte gestern Unterrichtsminister Herbert Moritz in einem "Presse"-Gespräch."[27]

Der Presse -Bericht bietet weiters auch ein schönes Exempel dafür, daß die inhaltliche Seite der Rechtschreibreform wohl eher von Sprachwissenschaftlern, Lehrern und Beamten, denn von Politikern bestimmt worden sein dürfte.

"Erster Reformschritt sind also die Silbentrennung und die Interpunktion, wobei Moritz selbst kaum Vorstellungen hat, welche Form die Neuregelung haben könnte: "Dafür sind dann entsprechende Kommissionen einzusetzen.""[28]

Zum Schluß des Berichtes blitzen sprachphilosophische Vorstellungen des damaligen österreichischen Unterrichtsministers auf, wenn er etwa "eine organische Entwicklung der Sprache" anspricht, welche die Rechtschreibreform bloß nachzuvollziehen habe. Damit rekurriert Moritz auf den Gedanken von der Sprache als lebendem Organismus[29], den die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft im 19. Jahrhundert entwickelt hat.

Am 19. November 1986 kündigt die Tiroler Tageszeitung in einer kurzen Notiz die "1. Wiener Gespräche" an und vermeldet weiters die Konstituierung des Koordinationskomitees für Orthographie beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst. Der Bericht schließt wiederum mit der beruhigenden Feststellung des zuständigen Bundesministers, daß die Reform "jedenfalls "behutsam und schrittweise" erfolgen"[30] werde. Diesen Inhalt bietet auch ein elaborierterer und längerer Bericht vom selben Tag in der Tageszeitung Die Presse. Ein Mehr an Information im Vergleich zur Kurznotiz der Tiroler Tageszeitung gibt es darin beispielsweise über das Koordinationskomitee, über das es zu Beginn des Artikels heißt:

"Politiker, Gewerkschafter, Wirtschaftler, Wissenschaftler und Lehrer, sie alle werden gemeinsam bestimmen, was künftig als richtiges - "behutsam vereinfachtes" - Deutsch [Recte wohl eher: als richtige - "behutsam vereinfachte" - Rechtschreibung des Deutschen; M. W.] zu gelten hat. Gestern fand im Unterrichtsministerium die erste Sitzung des neugegründeten aus 25 Mitgliedern bestehenden "Koordinationskomitees für Orthographie" statt."[31]

In diesem Presse -Bericht erfolgt auch die erste namentliche Nennung[32] des beamteten Leiters des Koordinationskomitees.

"Angetan hat es den Reformern vor allem die Interpunktion. "Insbesondere sollen die Beistrichregeln, die kaum einer kennt, auf ein rationales Maß gebracht werden", sagt Dr. Fritz Rosenberg vom Unterrichtsministerium."[33]

Bezeichnenderweise wird Fritz Rosenberger beim diesem vermutlich ersten Erscheinen in der Presse das Suffix -er seines Familiennamens vorenthalten. Sein Bekanntheitsgrad steigt aber in den folgenden Jahren rapide an. Spätestens ab 1990 gelingt es ihm[34], der österreichischen Zeitungslandschaft seine Sprachregelungen, seine Schlagwörter und Exempla aufzuprägen und so Entscheidendes zur Durchsetzung der Rechtschreibreform in Österreich beizutragen[35].

Weiters wird in dem nun schon mehrfach zitierten Bericht der Tageszeitung Die Presse auf die internationale Dimension der Rechtschreibreform hingewiesen.

"In vier Expertentreffen - zuletzt im Juni in Mannheim - haben Fachleute aus allen deutschsprachigen Ländern Regelwerke zur Änderung der Rechtschreibung ausgearbeitet. "Es zeichnet sich ein erfreulicher internationaler Kompromiß ab", heißt es im Unterrichtsministerium.

Das österreichische Koordinationskomitee wird, wie die Komitees in den anderen deutschsprachigen Ländern, nach den Dezembergesprächen[36] in Wien die weitere innerstaatliche Vorgangsweise regeln und die Regierung beraten."[37]

Von der Eröffnung der "1. Wiener Gespräche" zur Rechtschreibreform berichtet die amtliche Wiener Zeitung am 5. Dezember 1986 in einem einspaltigen Artikel, der folgendermaßen beginnt:

"Die "Wiener Gespräche zur Rechtschreibreform", an denen Vertreter der zuständigen Ministerien und staatlichen Einrichtungen der BRD, der DDR, der Schweiz, Liechtensteins, Luxemburgs und Südtirols teilnehmen, sind gestern im Bundesministerium für Unterricht und Kunst in Wien eröffnet worden. Die von Unterrichtsminister Dr. Herbert Moritz initiierten Gespräche stellen die erste offizielle Begegnung staatlicher Stellen der deutschsprachigen Länder mit dem Ziel der Koordinierung der Bestrebungen zur Rechtschreibreform dar."[38]

Daran anschließend werden in diesem Bericht die orthographischen Teilbereiche aufgezählt, deren Reform man sich widmen will:

"Die Tagungsteilnehmer werden sich mit Fragen der Groß- und Kleinschreibung, der Laut-Buchstaben-Beziehung, der Interpunktion, der Zusammen- und Getrenntschreibung, der Silbentrennung und der Fremdwortschreibung beschäftigen."[39]

Ebenso kurz und bündig sowie inhaltlich weitgehend identisch die Berichterstattung in der Presse einen Tag später. Zusätzlich zu den schon aus der Wiener Zeitung bekannten Fakten wird in diesem Artikel aus dem Abschlußkommuniqué der Veranstaltung zitiert:[40]

"Die Neuregelung erfordert eine "behutsame Vorbereitung und Durchführung sowohl innerstaatlich als auch zwischen den betroffenen Staaten", heißt es im Abschlußkommuniqué."[41]

Für 1987 konnten wir in der österreichischen Tages- und Wochenpresse keinen einzigen Artikel zur Rechtschreibreform nachweisen. Auch für 1988 ist die Beleglage dürftig. Für dieses Jahr liegen uns nur zwei Meldungen der APA vor. Die erste davon - unter den Stichwörtern "Rechtschreibung/BRD" und unter dem Datum 19. Oktober 1988 im APA -Archiv zu finden - berichtet von der hitzigen öffentlichen Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland über den von der Kommission für Rechtschreibfragen des Instituts für deutsche Sprache 1988 vorgelegten "Vorschlag zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung"[42]:

"Wahre Proteststürme haben die Vorschläge zur Neufassung der deutschen Rechtschreibung ausgelöst, die das Institut für deutsche Sprache dem Bonner Bundesminister und den Kulturministern der Länder dieser Tage vorgelegt haben. Mit einhelliger Ablehnung begegnete die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland vor allem dem Vorschlag, die schriftliche Wiedergabe der Laute neu zu regeln, künftig also zu Beispiel "Hei" statt "Hai" oder "Bot" statt "Boot" zu schreiben."[43]

Hermann Zabel[44] hat 1989 die zum Teil überaus polemischen Pressereaktionen in dem Band "Der gekippte Keiser. Dokumentation einer Pressekampagne zur Rechtschreibreform" gesammelt und dokumentiert:

"Der hiermit vorgelegten Auswahldokumentation liegen mehr als 300 Berichte und Stellungnahmen zugrunde, die in der Zeit vom 19.7.1988 bis zum 23.3.1989 in bundesrepublikanischen Zeitungen veröffentlicht worden sind."[45]

Vergleicht man dieses umfangreiche Quellenmaterial mit den von uns zusammengetragenen Belegen, so ist für Österreich im Zeitraum von 1988 bis 1989 ein völliges Fehlen dieser deutschen Diskussion - vor allem um die ‘Reizwörter’ "Kaiser" versus "Keiser", "Thron" versus "Tron", "Boot" versus "Bot", "Aal" versus "Al", "Rheuma" versus "Reuma" - zu konstatieren. Erst ab 1990 findet sich diese "Kritik an Einzelwörtern"[46] auch in österreichischen Printmedien. Hermann Scheuringer hat die entsprechenden Schlagzeilen verglichen und kommt zu folgendem Resümee:

"Die Mehrzahl der kürzeren und schlechter recherchierten Artikel tritt und trat allerdings gegen eine Reform der Orthographie ein. Nur einige wenige

symptomatische Schlagzeilen aus Zabels Sammelband:

- Frefler greift in die Seiten
- Wie der Heifisch sein ai verlor
- Wenn der Keiser küsst oder Meis isst
- Es ist etzend, wenn der Keiser Bot fährt
- Etzende Vorschläge
- Kese - Käse (Kommentar)
- Ein Kapiten gedänkt Ale zu fangen

Am meisten scheint die Schreibung "Keiser" den Leuten Schrecken eingejagt zu haben. Die Schlagzeilen mit ihr sind fast unendlich in ihrer Zahl. Neben "Gesundheitsreform" als "Wort des Jahres" 1988 wird "Keiser" das "Schreckenswort" des Jahres 1988. Auch die österreichischen Zeitungen stehen der bundesdeutschen Presse in nichts nach:

- Katastrofal unfäre sprache (Der Standard, Wien, vom 23.5.1990)
- Kein Keiser auf dem Tron hat R(h)euma (Die Presse, Wien, vom 23.5.1990)
- Ein Frefel im Mei (Kleine Zeitung, Graz, vom 27.5.1990"[47]

Obige APA -Meldung vom 19. Oktober 1988 begnügt sich damit, von diesem "Sturm im deutschen Blätterwald"[48] einen Ausschnitt, nämlich die ablehnende Reaktion des Leiters der Dudenredaktion auf den Reformvorschlag wiederzugeben:

"Der Leiter der Dudenredaktion, Prof. Dr. Günther Drosdowski, hat angesichts der heftigen Reaktionen in einer Erklärung darauf verwiesen, daß das Institut für deutsche Sprache keineswegs neue Regeln für die deutsche Orthographie festgelegt habe. [...] Darüberhinaus schließt sich Prof. Drosdowski in seiner Erklärung dem allgemeinen Widerstand gegen Boote, denen ein O über Bord gegangen ist und Haie, die auf "ei" gezähmt wurden, an. Heißt es doch: "Eine Neuregelung der Laut-Buchstaben-Beziehung führt zu einem Bruch der Schreibtradition und schließt die Durchsetzung einer Rechtschreibreform von vornherein aus - man hätte sie besser nicht die Reformvorschläge aufnehmen sollen.""[49]

Die zweite der zuvor angesprochenen, beiden APA -Meldungen zur Rechtschreibreform im Jahr 1988 vermeldet knapp den Beginn einer "Bunderländertagung zur Weiterentwicklung der Orthographie"[50]:

"In Graz hat am Freitag die diesjährige Bundesländertagung der "österreichischen gesellschaft für sprache und schreibung" (sic) begonnen, die sich mit der Weiterentwicklung der Orthographie befaßt."[51]

Ein wenigstens einigermaßen elaborierter Tagungsbericht wird nicht gegeben.

1989 ist das Thema Rechtschreibreform erstmals auf der Titelseite eines auflagenstarken österreichischen Printmediums zu finden: "Reform: Es geht der Großschreibung und den Beistrichen an den Kragen"[52] lautet die Schlagzeile der Wochenzeitung Die ganze Woche vom 16. März 1989. Angekündigt wird damit der Start einer vierteiligen Serie[53], die als die bis dahin profundeste[54] Behandlung des Themas in der heimischen Presse gelten kann.Bemerkenswert ist an dieser Serie auch, daß in ihr sowohl Befürworter als auch Gegner - "Verfechter und Verächter" in Fritz Rosenbergers Terminologie[55] - zu Wort kommen. Im ersten Teil sind dies in der Schlachtreihe der Verächter Hermann Möcker und Hans Waigel[56]. In der Phalanx der Verfechter streiten Karl Blüml[57], Karl Oldenbach, Hermann Schnell, Karl Sretenovic und natürlich Fritz Rosenberger. Auch die Meinung Prominenter zur Rechtschreibreform wird in diesem ersten Teil erfragt, und so erweisen sich der Kulturmanager Alexander Pereira und der Schauspieler Otto Schenk als Gegner der Reform. Eher dafür sind laut Ganzer Woche die Schriftsteller Ernst Jandl und Christine Nöstlinger sowie der damalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk.

Im zweiten Teil der Serie

"plädiert der Wiener Germanist Wendelin Schmidt-Dengler für eine Beibehaltung der Großschreibung, weil sie den "Blick für Kategorisierungen schärft", "das Denken in Kategorien fördert"".[58]

Ausführlich zitiert werden in diesem zweiten Teil wiederum die Befürworter Blüml, Rosenberger und Sretenovic.

Im dritten Teil wird das Problem Rechtschreibung überhaupt recht radikal angepackt (und einer Scheinlösung zugeführt):

""Die Vorstellung, daß Menschen nicht überlegen, was sie zu schreiben haben, sondern wie, ist mir völlig fremd und kommt mir absurd vor", sagt der Kulturpublizist Dr. Franz Schuh. "Deshalb fordere ich alle auf: Schreibt falsch recht!"[59]

In diesem Teil erweist sich die damalige Unterrichtsministerin als Reformbefürworterin: "So tritt auch Unterrichtsministerin Hilde Hawlicek für eine Reform ein, wenn auch "für eine behutsame"."[60] Zu Wort kommt auch die Pädagogin Johanna Juna:

"Professor Juna hat bei ihrer Beschäftigung mit Legasthenie eine Fehleranalyse entwickelt, die sich auch mit dem Zustandekommen von Rechtschreibfehlern beschäftigt. [...] Die umfangreiche Analyse, die das stufenweise Aneignen der Schrift belegt, führte nicht nur zu neuen Unterrichtsmethoden, sondern weist auch die Richtung für eine Rechtschreibreform. [...] "Soweit wie möglich vereinfachen, solange die Lesbarkeit gewährleistet ist", meint Johanna Juna. "Man muß die Lesbarkeit aber sehr genau untersuchen. Was sie nicht unterstützt, ist wegzustreichen.""[61]

Als Reformbefürworterin wird zusätzlich "eine frühere Gymnasialdirektorin"[62] zitiert:

""Eine Vereinfachung der Rechtschreibung, die Abschaffung des ,ß’ und die Einführung des Gefühlsbeistrichs würden viel Zeit und Mühe sparen, die sinnbringender aufgewendet werden könnten.""[63]

Daran anschließend erklärt "eine noch aktive Lehrerin"[64]:

"Es ist zwar gut, die Rechtschreibung in der Beurteilung nicht zu hoch einzustufen. Besser aber wäre es, die Regeln zu vereinfachen und logischer zu gestalten."[65]

Wiederum ausführlich zitiert werden Blüml, Möcker, Sretenovic und Zilk.

Im letzten Teil schließlich finden sich einige Wortmeldungen der Verfechter Blüml, Rosenberger und Sretenovic.

Obwohl wir den kompletten Inhalt dieser umfangreichen Serie hier schon aus Platzgründen nicht referieren können, ergibt sich schon aus dem rein quantitativen Übergewicht von Wortmeldungen und Stellungnahmen zahlreicher Befürworter der Rechtschreibreform die Tendenz der Befürwortung der Reform durch die Ganze Woche bzw. durch deren Autorin Karin Kathrein. Gestützt wird dieser Befund noch durch einige in den Text eingestreute Sätze pro Reform, die keinem der Zitierten zuzuordnen sind, sondern offensichtlich die Meinung der Autorin ausdrücken. So heißt es etwa unter anderem im ersten Teil: "Tatsächlich stehen Rechtschreibung und Logik nicht selten auf Kriegsfuß"[66]. Die Regeln der derzeit gültigen Rechtschreibung werden als "Horrorregeln"[67] abqualifiziert. Ebenso fassen wir den Satz "Auch die Großschreibung ist keineswegs immer sinnvoll begründet"[68] als redaktionelle Meinung auf.

Im zweiten Teil wird immerhin noch "die Großschreibung der Hauptwörter eine Anomalie"[69] genannt, und im letzten Teil wird das Nebeneinanderbestehen verschiedenster Möglichkeiten zur Kennzeichnung vokalischer Länge als "echte Anomalie der deutschen Rechtschreibung"[70] bezeichnet, "die Lernprobleme bringt und natürlich auch fehlerträchtig ist"[71].

Abschließend sei vielleicht noch bemerkt[72], daß diese Serie der Wochenzeitung Die ganze Woche dem bisher darüber uninformierten, österreichischen Zeitungsleser erstmals auch die deutsche Diskussion um den "Keiser"[73] ansatzweise zur Kenntnis bringt:

"In der Folge der 3. Orthographiekonferenz [Gemeint sind die "1. Wiener Gespräche" 1986, M.W.] in Wien kommt es auf nationaler Ebene zu Aufträgen an die Sprachwissenschaft. So wurde das Institut für Deutsche[74] Sprache in Mannheim offiziell von der Kultusministerkonferenz beauftragt, ein Regelwerk zu entwickeln und international abzustimmen. Der sogenannte "Mannheimer Vorschlag", ein sehr detailliertes, mutiges Werk, löste sofort heftige Debatten aus."[75]

Zwei Seiten später ist über diese Causa zu lesen:

"Die Mannheimer Reformkommission hat daher vorgeschlagen, diese Anomalie [Die verschiedenen Möglichkeiten der Kennzeichnung vokalischer Länge. Im Artikel einen Satz zuvor mit ""Tat", "Staat", "naht" oder "mir", "ihr", "sie", "Vieh""[76] exemplifiziert, M. W.] zu beseitigen und statt "Staat" in Zukunft "Stat" zu schreiben, statt "Boot" einfach "Bot" und "Nat" statt "Naht". Nur in Fällen von mehrfacher Bedeutung sind Ausnahmen vorgesehen wie zum Beispiel bei "Meer" neben "mehr". So sinnvoll den Sprachwissenschaftlern und Pädagogen eine derartige Reform erscheint, so wenig Chancen auf Durchführung werden ihr gegeben. "Der Widerstand ist wegen der Veränderung des Schriftbildes zu vehement", meint der Sprachwissenschaftler Dr. Karl Blüml. "Man muß sich ja nur ansehen, welchen Aufstand der Vorschlag, statt ,Keiser‘ aus Gründen der Vereinheitlichung ,Keiser‘ zu schreiben, ausgelöst hat. Oder ,Tron‘ statt ,Thron‘. Als würden wir unter lauter Monarchisten leben, für die diese Veränderung nun endgültig die Abschaffung der Monarchie bedeutet.""[77]

Die vierteilige Serie löst während und nach ihrem Erscheinen insgesamt sechzehn Leserbriefe aus, die vom 30. März bis 27. April 1989 in der Ganzen Woche erscheinen. Davon äußern sich zwölf Leserbriefschreiber[78] negativ und nur drei positiv zur Rechtschreibreform. Ein Leserbrief ist dermaßen kryptisch[79] formuliert, daß man ihn, so glaube ich, wohl keiner Partei wird zurechnen können.

2) Berichterstattung von 1990 bis 1992

Eine - auch von der Quantität der Berichterstattung her - ernstzunehmende Rezeption der "3. Orthographischen Konferenz" wird von der österreichischen Tages- und Wochenpresse erst in den Neunziger Jahren geleistet. So werden die "2. Wiener Gespräche" 1990 von wesentlich mehr Printmedien[80] wahrgenommen als noch die "1. Wiener Gespräche" 1986. Dabei setzt es auch Verrisse für die Reformer: Ein gewisser Bernd Chibici etwa gibt seinem Kommentar in der Kleinen Zeitung den Titel "Ein Frevel im Mei"[81] und bezeichnet damit wohl die ganze - im Wonnemonat stattfindende[82] -Veranstaltung eben als Frevel im Mai.[83] In nicht sehr niveauvoller Weise werden von Chibici die Tagungsteilnehmer als "die hohen Wortordner"[84] oder als "die vorwiegend mit zahlreichen Titel geschmückten Großmeister der Buchstabenpflege"[85] oder als "die Rechtschreibreparateure"[86] abqualifiziert. Es soll wohl satirisch gemeint sein, ist aber eigentlich nur peinlich. Bezüglich der Großschreibung wird den Reformern "mittelgroße Ratlosigkeit"[87] vorgeworfen, bezüglich anderer Inhalte der Tagung schwankt Chibicis Kommentar zwischen ‘orthographischem Jakobinertum’ - "Eher zaghaft[88] wird das "ß" angepackt, das die Schweiz längst durch ein doppeltes "s" ersetzt hat [...]"[89] - und Konservatismus:

"[...] es wehte ein Hauch von Altösterreich durch den Audienzsaal des Unterrichtsministeriums. Vielleicht ist's dem zu verdanken, daß der Kaiser nicht zum

Keiser wird."[90]

Quasi als Reminiszenz wird von der Kleinen Zeitung auch die 1988 und 1989 in der Bundesrepublik Deutschland abgeführte Debatte um den "Keiser" und andere ‘Reizwörter’ vermerkt. In der entsprechenden Passage wird aber auch noch nachträglich implizit eindeutig gegen die Reformvorschläge Stellung bezogen:

"Seiner Majestät [Dem Kaiser, M. W.] sei im Laufe der Jahrhunderte (ebenso wie dem Mai und anderen "Aiern") mit dem "a" eine Art sprachlicher Irrläufer einverleibt worden, und Boot wie Aal könnten in schlichter Einfachheit existieren, hatte das Institut für deutsche Sprache in Mannheim gemeint.

Aber, wie das ausschaut! Keiser, Bot, Al...Es rumorte unter Schreiber- wie Leserschaft und lieferte eine Kostprobe an emotionalem Potential, das die Rechtschreibreparateure heftigst verunsicherte. Und es rettete den Kaiser..."[91]


[...]

[1] Zur Terminologie:

"Seit 1986 läuft, was wir schon seit längerem die "3. Orthographische Konferenz" nennen, offiziell als "Wiener Gespräche", und zwar in den 1. Wiener Gesprächen 1986, den zweiten 1990 und den dritten 1994."

Scheuringer: Geschichte, S. 84

[2] In folgenden, nur regional bedeutsamen Tageszeitungen konnten keine Artikel über die Rechtschreibreform aufgefunden werden: Kärntner Tageszeitung (KTZ), Salzburger Volkszeitung und Volksbote (SVZ), Tirol Kurier. Das lag vor allem daran, daß diese Printmedien über kein elektronisches Archiv verfügen und eine ‘Rasterfahndung’ mit dem Stichwort Rechtschreibreform daher nicht möglich war.

Die Tageszeitungen Arbeiter-Zeitung (AZ) und Südost Tagespost wurden im Beobachtungszeitraum eingestellt.

[3] Der Standard, Die Presse, Kurier, Neue Kronen Zeitung, täglich Alles, Wiener Zeitung werden zwar bundesweit vertrieben, aber in Wien hergestellt.

Die Krone geriert sich zwar in ihren Bundesländermutationen als Regionalzeitung, ist aber doch eindeutig der Wiener Printmedienlandschaft zuzurechnen.

[4] Im Rahmen dieser Arbeit betrachten wir den Standard, die Presse, den Kurier und die Salzburger Nachrichten als solche. Ob diese vier Printmedien tatsächlich die Bezeichnung Qualitätszeitung verdienen oder nur in ihrer Selbstdarstellung auf dieses Epitheton ornans pochen, wird möglicherweise eine von Univ.-Doz. Dr. Günter Lipold betreute, in Arbeit befindliche Diplomarbeit von cand. phil. Christiane M. Pabst mit dem Arbeitstitel "Textlinguistische Untersuchungen vierer [Es sind ebendies: Der Standard, Die Presse, Kurier, Salzburger Nachrichten, M.E.W.] österreichischer Tageszeitungen mit besonderem Augenmerk darauf, von Quantitätsmerkmalen auf qualitative Unterschiede zu schließen" zeigen.

[5] Im Rahmen dieser Arbeit rechnen wir die Kleine Zeitung, die Neue Kronen Zeitung und täglich Alles dem Boulevard zu. Von den Wochenzeitungen wäre die Ganze Woche als Boulevardmedium anzusehen. Wie täglich Alles hat sie Kurt Falk als Eigentümer.

[6] Seit geraumer Zeit bereits den Doppelnamen Wochenpresse/Wirtschaftswoche führend heißt diese Wochenzeitung seit 1994 nur mehr Wirtschaftswoche.

[7] Man wäre hier auch sicherlich nicht so oft fündig geworden wie in den Printmedien. So heißt es etwa in einem Schreiben von Dr. Bernhard Pelzl, im Österreichischen Rundfunk verantwortlich für die Abteilung Gesellschaft, Bildung, Wissenschaft, vom 17.8.1995 an den Verfasser:

"In unserem Archiv gibt es nur eine einzige Sendung zum Themenbereich "Rechtschreibreform": ein Journal Panorama über die Wiener Gespräche 1994. [...] Zur Zeit der Tagung gab es nur einige Kurzberichte in den Journalen, die aber inhaltlich nur die Änderungen der Rechtschreibung betrafen."

Weiters hat die Zeitschrift ORF-Nachlese eine Leermeldung abgegeben. In einem mit 23.5.1995 datierten Brief der zuständigen Redakteurin Christine Schnödl an den Verfasser heißt es:

"Leider kann ich Ihnen die gewünschten Unterlagen nicht zur Verfügung stellen, da wir in der ORF-NACHLESE keinen Artikel zur Rechtschreibreform veröffentlicht haben."

Es scheint in der Natur der Sache zu liegen, daß einer Reform der Orthographie von Lesenden und Schreibenden eben entschieden mehr Interesse entgegengebracht wird als von Fernsehenden und Hörenden.

[8] Die Trennungslinie zwischen Bericht und Kommentar ist in den österreichischen Printmedien nicht sehr scharf gezogen. Mit anderen Worten: Die Übergänge zwischen Bericht und Kommentar sind zuweilen fließend.

[9] Wir befinden uns damit in Übereinstimmung mit Wilperts Sachwörterbuch der Literatur, in dem auf Seite 468 das Stichwort Kommentar (in publizistischem Sinne) folgendermaßen definiert wird:

"In der Publizistik subjektiver Meinungsbeitrag zu e. aktuellen polit., soz., kulturellen oder ökonom. Ereignis."

[10] Ein Kommentar sollte auch typographisch - etwa durch Kursivdruck - oder vom Layout her - zum Beispiel durch ‘Einkastelung’ - gekennzeichnet sein, sich also schon rein optisch deutlich von den vorherrschenden Berichten unterscheiden.

[11] Zum Beispiel durch Kürzung oder Umstellung der Perioden. Auch die Auswahl der zu druckenden Leserbriefe stellt praktisch schon eine redaktionelle Bearbeitung dar.

[12] Der durchschnittliche Zeitungsleser bekommt die entsprechende Meldung dann natürlich niemals zu Gesicht. Es mag aber durchaus sein, so ist anzunehmen, daß diese unpublizierten Meldungen einer Presseagentur doch eine gewisse Wirkung entfalten, indem sie nämlich wenigstens von Journalisten rezipiert werden.

[13] Nur zwei heimische Tageszeitungen, die amtliche Wiener Zeitung und die Presse, verzeichnen, daß diese orthographiegeschichtlich ja nicht gerade unbedeutende Zusammenkunft überhaupt stattgefunden hat.

[14] Scheuringer: Geschichte, S. 84

[15] APA v. 24.4.1986

[16] Ebd .

In der korrespondierenden dpa -Meldung vom gleichen Tag, auf die die APA auch deutlich Bezug nimmt, ist allerdings von einer Koordinationsfunktion Österreichs noch nichts zu lesen. Unter dem Titel "Beratung über Reform der Rechtschreibung im deutschsprachigen Raum" heißt es darin:

"Bonn (dpa) - Bildungsfragen sowie die seit Jahren angestrebte Reform der deutschen Rechtschreibung sind Gesprächsthemen des österreichischen Unterrichtsministers, Herbert Moritz, der am Donnerstag zum Auftakt eines dreitägigen Besuchs in Bonn von Bundesbildungsministerin Dorothee Wilms (CDU) empfangen wurde. [...] In der Kultusministerkonferenz wird gegenwärtig ein neuer Anlauf unternommen, in der Jahrzehnte alten Frage der Vereinfachung der deutschen Sprache [Recte: der deutschen Orthographie; M. W.] zu gewissen Fortschritten innerhalb der deutschsprachigen Länder zu kommen. Dabei geht es nicht um das Streitthema Groß- und Kleinschreibung, vielmehr werden praktische Vereinfachungen in den Bereichen der Silbentrennung, der Schreibweise von Fremdwörtern sowie des Zusammen- und Getrenntschreibens angestrebt. Neben Österreich und der Schweiz soll möglichst auch die DDR für eine Mitwirkung gewonnen werden."

Erst am 20. Juni 1986 meldet die dpa unter Berufung auf Horst-Werner Franke, den damaligen Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz (KMK), daß die "Koordination der Rechtschreibreform" "Österreich übernommen" habe.

[17] Zuweilen mutiert es zu "sanft".

[18] APA v. 24.4.1986

[19] Ebd.

[20] Ebd.

[21] Als ‘Dissident’ in diesem Punkt muß hier allerdings Karl Blüml, der Leiter der "Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe des Koordinationskomitees für Orthographie beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst" gelten.

[22] Siehe: Küppers: Öffentlichkeit, S. 138 - 168

[23] APA v. 24.4.1986

[24] Die Presse v. 30.4./1.5.1986, S. 14

[25] Ebd .

[26] Ebd.

[27] Ebd.

Wir gehen von der Annahme aus, daß journalistische Texte für gewöhnlich hierarchisch von oben nach unten gegliedert sind. Inhalte mit dem zur Zeit der Abfassung höchsten Nachrichtenwert stehen am Beginn des Textes, nicht so Wichtiges rangiert am Ende.

[28] Die Presse v. 30.4./1.5.1986, S. 14

[29] Vor allem vertreten durch August Schleicher.

[30] Tiroler Tageszeitung v. 19.11.1986

[31] Die Presse v. 19.11.1986, S. 18

[32] Und das erste einschlägige Statement.

[33] Die Presse v. 19.11.1986, S. 18

[34] Vor allem mit Hilfe der APA.

[35] In der ersten Hälfte der Neunziger Jahre kommt kaum mehr ein Artikel zur Rechtschreibreform ohne eine Stellungnahme Fritz Rosenbergers aus.

[36] Diese wurden im Artikel drei Absätze zuvor folgendermaßen exemplifiziert:

"Am 4. und 5. Dezember wird es in Wien Gespräche "auf hoher Beamtenebene" mit Vertretern aller deutschsprachigen Staaten geben. In etwa drei Jahren soll dann ein großer Rechtschreib-Kongreß stattfinden, bei dem die neuen vereinheitlichten Regeln der deutschen Sprache [Die unzulässige Synonym-Setzung von Rechtschreibung und Sprache ist bei Journalisten offenbar endemisch; M. W.] bekanntgegeben werden."

[37] Die Presse v. 19.11.1986, S. 18

[38] Wiener Zeitung v. 5.12.1986, S. 4

[39] Ebd.

[40] Vielleicht weil es der eher konservativen Presse das darin vorkommende Beiwort "behutsam" angetan hatte.

[41] Die Presse v. 6./7./8.12.1986, S. 16

[42] "Der "Vorschlag zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung" wird den Auftraggebern im Oktober

1988 überreicht und 1989 veröffentlicht. In der öffentlichen Reaktion auf diesen Vorschlag, wie sie v.a. 1988/89 massiv stattfindet und seitdem anhält, ist die Parallele zu 1876 unübersehbar. Grundtenor: Verriß. Gegen Traditionen vorzugehen ist heute wie gestern gefährlich und mühsam."

In: Scheuringer: Geschichte, S. 85

[43] APA v. 19.10.1988

[44] Einer der Autoren des erwähnten "Vorschlags zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung".

[45] Zabel: Keiser, S. 5

[46] Scheuringer: Geschichte, S. 85

[47] Scheuringer: Geschichte, S. 84 - 85

[48] Zabel: Keiser, S. 5

[49] APA v. 19.10.1988

[50] APA v. 11.11.1988

[51] Ebd.

[52] Die ganze Woche v. 16.3.1989, S. 1

Die " Reform" ist nicht nur auf der Titelseite zu finden, sondern ist dort der Aufmacher.

[53] Erster Teil in: Die ganze Woche v. 16.3.1989, S. 60 - 68

Zweiter Teil in: Ebd. v. 23.3.1989, S. 62 - 68

Dritter Teil in: Ebd. v. 30.3.1989, S. 60 - 67

Vierter Teil in: Ebd. v. 6.4.1989, S. 60 - 64

[54] Selbst bei penibelster Recherche ist man aber nicht vor Fehlern in Detail gefeit:

"In den allgemeinbildenden Pflichtschulen und der Unterstufe der AHS zählen die sogenannten

"logischen" und die nicht sinnstörenden Fehler zu den nicht geahndeten Verstößen. So zum Beispiel

[...] "Verstöße, die zwar etymologisch offensichtlich gerechtfertigt wären, aber nicht der geltenden

Rechtschreibung entsprechen (wie: überschwenglich, behende)"."

In: Die ganze Woche v. 30.3.1989, S. 61

Hier hat wohl der Korrektor der Ganzen Woche die angesprochenen, etymologischen Schülerfehler "überschwänglich" und "behände" dienstbeflissen korrigiert.

[55] Rosenberger, Fritz: Verfechter und Verächter. Wie die Reform der Orthographie doch noch Wirklichkeit werden könnte. In: Erwachsenenbildung in Österreich 42 (1991), Nr. 1, S. 15 - 18

[56] Besonders Waigel bringt keinerlei Argumente in die Diskussion ein, sondern läßt bloß seiner polemischen Rhetorik die Zügel schießen:

"Die Orthographie geht jeden an, genau wie die Frage nach verschmutzten und sauberen Gewässern

jeden angeht. Eine Einführung der Kleinschreibung würde uns die totale sprachliche

Umweltverschmutzung bringen, uns und allen Gebieten, wo deutsch gesprochen, geschrieben und

gedruckt wird.""

In: Die ganze Woche v. 16.3.1989, S. 60

[57] Blüml wird bei einer namentlichen Nennung im Zusammenhang mit der Rechtschreibreform in der österreichischen Presse fast durchgehend mit der Apposition "Direktor des Akademischen Gymnasiums in Wien" belegt. So auch hier. So große Verdienste man sich auch als Sprachwissenschaftler und Textgrammatiker erworben haben mag, das Prestige eines Direktors eines Wiener Elitegymnasiums ist scheinbar doch höher.

[58] Die ganze Woche v. 23.3.1989, S. 68

[59] Die ganze Woche v. 30.3.1989, S. 62

[60] Die ganze Woche v. 30.3.1989, S. 64

Sie führt damit die Linie ihres Vorgängers fort.

[61] Die ganze Woche v. 30.3.1989, S. 67

[62] Die ganze Woche v. 30.3.1989, S. 60

[63] Ebd .

[64] Ebd.

[65] Ebd.

[66] Die ganze Woche v. 16.3.1989, S. 61

[67] Die ganze Woche v. 16.3.1989, S. 62

[68] Die ganze Woche v. 16.3.1989, S. 61

[69] Die ganze Woche v. 23.3.1989, S. 62

Der Fremdwörter-Duden gibt dem Begriff eindeutig ein negatives Denotat:

"An | oma | lie [...] 1. a) [...] Abweichung vom Normalen, Regelwidrigkeit (in bezug auf etwas

Negatives, einen Mangel od. eine Fehlerhäufigkeit);"

In: Duden. Fremdwörterbuch. 5., neubearbeitete und erweiterte Auflage. Bearbeitet vom Wissenschaftlichen Rat der Dudenredaktion unter Mitwirkung von Maria Dose, Jürgen Folz, Dieter Mang, Charlotte Schrupp, Marion Trunk-Nußbaumer und zahlreichen Fachwissenschaftlern. Mannheim, Wien, Zürich: Duden 1990

(= Der Duden; Bd. 5), S. 63 - 64

[70] Die ganze Woche v. 6.4.1989, S. 64

[71] Die ganze Woche v. 6.4.1989, S. 64

[72] Berichtenswert scheint uns auch noch die in der Serie dem Reformbefürworter Hermann Schnell zugeschriebene Vermutung "Gerade diejenigen, die sich am häufigsten gegen eine Reform wehren, machen beim Schreiben die meisten Fehler" zu sein.

In: Die ganze Woche v. 16.3.1989, S. 63

Ein empirisches Beispiel zur Stärkung von Schnell Hypothese: Am 30.11.1994 bringt die Wochenzeitung Neue Freie Zeitung auf Seite 10 einen Kommentar gegen die Rechtschreibreform mit dem Titel "Triumf der Ortografie?" und dem Untertitel "Die Rechtschreibreform ist fix. Wirkliche Vorteile bringt sie niemandem und ihr Sinn ist auch nicht klar". Der Sinn der Reform, so meinen wir, liegt unter anderem auch darin, daß der Neuen Freien Zeitung künftig so mancher Fehler in der Interpunktion erspart bleiben mag. Nach Regel 116 des Rechtschreibdudens ist derzeit nämlich zwischen zwei mit "und" verbundenen selbständigen Sätzen ("Wirkliche Vorteile bringt sie niemandem, und ihr Sinn ist auch nicht klar") ein Komma noch obligatorisch, in Zukunft aber fakultativ.

[73] Das heißt: um die Reformvorschläge des Instituts für deutsche Sprache zur Phonem-Graphem-Zuordnung.

[74] Nach Kennzahl 186 aus Dieter Nerius' "Die Regeln der deutschen Rechtschreibung" wäre das Adjektiv hier, da innerhalb eines mehrteiligen Namens befindlich, klein zu schreiben.

Siehe Nerius: Regeln, S. 47

[75] Die ganze Woche v. 6.4.1989, S. 62

[76] Die ganze Woche v. 6.4.1989, S. 64

[77] Ebd.

[78] Davon wiederum drei hauptsächlich als explizite und geharnischte Gegner der Kleinschreibung.

[79] Leser Karl Gustav Klein schreibt im Wortlaut:

"Der Grundwasserspiegel einer Sprache kann nicht gehoben oder gesenkt werden. Ausgerechnet in

einer Zeit, in der die Klarwäsche aller Tabu-Mythen gelungen ist, gehen die Deutschen daran, die

Schmutzwäsche ihrer Orthographie klarzuschreiben?"

In: Die ganze Woche v. 6.4.1989, S. 3

[80] Es sind dies in chronologischer Reihenfolge:

Die Presse von 22.5.1990, S. 20

APA v. 23.5.1990

Die Presse v. 23./24.5.1990, S. 3

Kleine Zeitung v. 27.5.1990, S. 11

Tiroler Tageszeitung v. 30.5.1990, S. 24

Wiener Zeitung v. 1.6.1990, S. 16

Tiroler Tageszeitung v. 2./3./4.6.1990, S. 16

[81] Kleine Zeitung v. 27.5.1990, S. 11

[82] "[...] der sogenannten zweiten Wiener Gespräche zur Reform der deutschen Rechtschreibung, die

vom 21. bis 23. Mai in Wien abgehalten wurden."

In: APA v. 23.5.1990

[83] Titel bzw. Schlagzeilen, in denen das neue Schriftbild konzentriert auf einige wenige Wörter vorab ohne Erklärung dargeboten wird, dienen unseren Beobachtungen nach vor allem dazu, die Reformbemühungen zu diskreditieren.

[84] Kleine Zeitung v. 27.5.1990, S. 11

[85] Ebd.

[86] Ebd.

[87] Ebd.

[88] Es ist durchaus ein Befund dieser Arbeit, daß das "ß" in den westlichen Bundesländerzeitungen für verzichtbar gehalten wird. Die Kleine Zeitung erscheint in zwei Mutationen, in einer Grazer und einer Klagenfurter Ausgabe.

[89] Kleine Zeitung v. 27.5.1990, S. 11

[90] Ebd.

[91] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 96 Seiten

Details

Titel
Rechtschreibreform und Öffentlichkeit in Österreich zwischen 1986 und 1994
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Die Rechtschreibreform
Note
1
Autor
Jahr
1995
Seiten
96
Katalognummer
V60736
ISBN (eBook)
9783638543286
ISBN (Buch)
9783638683326
Dateigröße
694 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Sprachwissenschaftliche Arbeit über die in Österreich zwischen 1986 und 1994 in Printmedien veröffentlichte Meinung bezüglich Orthographiereform.
Schlagworte
Rechtschreibreform
Arbeit zitieren
Mag. Manfred Wieninger (Autor:in), 1995, Rechtschreibreform und Öffentlichkeit in Österreich zwischen 1986 und 1994, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60736

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