Der Internationale Strafgerichtshof, das Prinzip und die USA


Hausarbeit, 2006

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Der Internationale Strafgerichtshof
1.1 Straftatbestände
1.2 Mechanismen und Grundsätze

2. Die US-Politik gegenüber dem IStGH

3. Vorrangige Argumente der USA gegen das Statut
3.1 Bindung von Drittstaaten
3.2 Gefahr politisierter Verfahren aufgrund des unabhängigen Ermittlers
3.3 Unvereinbarkeit mit der amerikanischen Verfassung

4. Zutreffendere Gründe für die Ablehnung des IStGH
4.1 Innenpolitische Systemfragen
4.2 Nicht definierter Aggressionstatbestand
4.3 Machtfragen
4.4 Dahinter stehendes Prinzip

Fazit

Literaturliste

Einleitung

Am 17. Juli 1998 in Rom verabschiedet, trat das „Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs“ ( „Rome Statute of the International Criminal Court“) bereits am 1. Juli 2002 in Kraft. Erstmals in der Geschichte des internationalen Strafrechts entsteht somit ein permanentes, auf der Grundlage eines multilateralen Vertrages basierendes, von den Vereinten Nationen unabhängiges Gericht.[1] Die Aufgabe des Gerichtshofs mit Sitz in Den Haag ist die strafrechtliche Verfolgung „schwerster Verbrechen von internationalem Belang“[2]. Hierzu zählen das Verbrechen des Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression, Im Gegensatz zum Internationalen Gerichtshof (IGH oder Weltgerichtshof), einem zivilrechtlichen Tribunal zur Anhörung von Streitfällen zwischen Ländern[3], welches das Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen darstellt[4], ist der IStGH zuständig für die strafrechtliche Verfolgung von Einzelpersonen. 100 Staaten haben das Statut bisher ratifiziert und somit die Gerichtsbarkeit des Tribunals anerkannt.[5]

Die USA gehörte als einzige Demokratie neben Israel zu den nur sieben Staaten, die gegen die Einrichtung des Tribunals stimmten.[6] Sie unterzeichneten das Statut zwar später, ratifizierten es aber nie sondern zogen diese Unterschrift faktisch sogar zurück. Nicht nur dies: Die USA gingen auch offensiv gegen den IStGH vor.

In dieser Arbeit geht es um die Gründe für die Ablehnung des IStGH durch die USA. Meine These ist, dass diese letztlich in dem Prinzip des IStGH selbst zu suchen sind. Um diese These zu untersuchen und zu erläutern, werde ich folgenden Weg einschlagen: Zuerst möchte ich mich den Grundlagen des IStGH widmen: Seiner Entstehungsgeschichte, seinen Mechanismen und Grundsätzen. Daran anschließend geht es mir um das Verhalten der USA gegenüber dem IStGH. Ich möchte zeigen, wie sich die Haltung der USA entwickelt hat und worin die Ablehnung gegen den IStGH besteht. Im dritten Kapitel geht es um die juristisch vorgebrachten Gründe der USA gegen den IStGH. Das Ergebnis dieses Kapitels wird sein, dass diese nicht stark genug sind, um als wirkliche Ablehnungsgründe zu gelten. Im vierten Kapitel geht es schließlich um jene realistischeren Gründe, welche als Hintergründe für die Ablehnung des IStGH durch die USA zu sehen sind. Letztlich lassen sich die Ablehnungsumstände in einer Prinzipienfrage über das Völkerrecht zusammenfassen, an der sich in den USA die Geister scheiden. Diese wird in Kapitel vier erläutert, bevor ich im Fazit meine Ergebnisse zusammenfassen werde.

1. Der Internationale Strafgerichtshof

Der IStGH entspringt der Idee eines ständigen internationalen Gerichts zur Verfolgung schwerer Menschenrechtsverbrechen. Seine Vorgänger sind Ad-hoc-Tribunale wie die Internationalen Militärgerichtshöfe von Nürnberg und Tokyo nach dem Zweiten Weltkrieg, die Tribunale 1993 für das ehemalige Jugoslawien und 1994 für Ruanda. Lange waren die Bemühungen zur Errichtung eines internationalen Strafgerichts in den Spannungen des Kalten Krieges stecken geblieben.[7] Am 17. Juli 1998 konnte jedoch das „Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs“ verabschiedet werden. Diesem waren Vorbereitungen in der Völkerrechtskommission der UN (International Law Commission) und ab 1995 im für die Erstellung eines Statuts zuständigen Vorbereitungskomitees (Preparatory Committee) vorausgegangen.[8] Die größten Unterschiede zu den Ad-hoc-Tribunalen, die Aufhebung der zeitlichen und geographischen Grenzen der Zuständigkeit des Gerichts, bewirkt neben der Verrechtlichung der internationalen Beziehungen eine wichtige Abschreckungsfunktion, welche als eines der Motive für den Aufbau des IStGH gelten dürfte.

1.1 Straftatbestände

Der IStGH ist für die Bestrafung schwerer Menschenrechtsverbrechen mit internationalem Bezug zuständig. Hierunter fallen folgende Tatbestände:

Völkermord: Dieser Tatbestand ist unter Artikel 6 definiert. Die Konvention über die „Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“ von 1948 wurde im Römischen Statut fast wortgleich übernommen. Nicht nur die vorsätzliche Tötung von Mitgliedern einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe wird im ICC-Statut als Völkermord gewertet, sondern auch die „Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden“, „die vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen“, „die Verhängung von Maßnahmen“ zur Geburtenverhinderung und die „gewaltsame Überführung von Kindern einer Gruppe in eine andere Gruppe“.[9]

Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Seine Definition in Art. 7 stellt „eine gegenüber den Kriegsverbrechen selbstständige Tatbestandsgruppe zur Ahndung besonders schwerer Menschenrechtsverletzungen auch in Friedenszeiten dar“[10]. Nach Art. 7 Abs. 1 des Statuts sind Handlungen wie die vorsätzliche Tötung, Ausrottung, Versklavung oder Vertreibung und einige andere im Artikel genau definierte Tatbestände „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ sofern sie „im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs“ begangen werden. Neben dem Statut des Nürnberger Militärgerichtshofs bildeten auch die Statute der beiden ad hoc-Tribunale für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda die Grundlage der Verhandlungen.[11]

Kriegsverbrechen: Die über 40 einzelnen Straftatbestände, welche unter Art. 8 erfasst sind, lehnen sich an das vertragliche und gewohnheitsrechtliche humanitäre Völkerrecht (Kriegsvölkerrecht), im Besonderen an die vier Genfer Abkommen von 1949 an.[12] Bedeutsam ist dabei die Entwicklung, dass nunmehr auch Verletzungen des Humanitären Völkerrechts in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten geahndet werden können.

Aggression: Eine Definition des Verbrechens der Aggression, also der in der UN-Charta untersagten Führung eines Angriffskrieges, ist bei den Verhandlungen von Rom nicht geglückt. Derartige Verbrechen können vom Internationalen Strafgerichtshof erst dann verfolgt werden, wenn eine genaue Definition ins Statut aufgenommen wurde[13]. Unter anderem diese fehlende Definition ist einer der größten Streitpunkte zwischen den USA und dem IStGH.

1.2 Mechanismen und Grundsätze

Dem IStGH liegen folgende Mechanismen und Grundsätze zugrunde:

In Teil 3 des Römischen Statuts sind „Allgemeine Grundsätze des Strafrechts“ festgelegt. Wesentliche rechtsstaatliche Grundsätze wie das Verbot der Doppelbestrafung, das Prinzip der Gesetzesbestimmtheit, das Rückwirkungsverbot und die Unschuldsvermutung sind somit im Statut verankert.

Mit der Ratifikation des Römischen Statuts hat ein Staat die Gerichtsbarkeit des IStGH anerkannt und sich zur Zusammenarbeit mit dem Gericht verpflichtet. Unter anderem wird die Reichweite des IStGH jedoch eingeschränkt durch eine (auf sieben Jahre begrenzte) „Opt-out“-Möglichkeit,[14] den Verzicht auf eine rückwirkende Ahndung schwerer Menschenrechtsverbrechen[15] und das Verbot, Unter-18-Jährige strafrechtlich vom IStGH verfolgen zu lassen.[16]

Für die Zuständigkeit des IStGH müssen entweder der Staat, auf dessen Territorium das Verbrechen begangen wurde, oder der Staat, dessen Staatsangehörige die Tatverdächtigen sind, das Statut ratifiziert haben.[17] Mit dieser Regelung können also theoretisch auch Staatsangehörige zur Verantwortung gezogen werden, deren Staaten das Statut nicht anerkennen.

Der Internationale Strafgerichtshof dient ausdrücklich der Ergänzung innerstaatlicher Gerichtsbarkeit.[18] Auf der einen Seite ist er erst dann für die Verfolgung einer Straftat zuständig, wenn ein Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, dies selbst adäquat zu tun. Auf der anderen Seite liegt die Entscheidung, ob das Verfahren eines Staates angemessen ist oder nicht, beim Gerichtshof selbst.[19] Trotzdem ist aufgrund dieser Regelung damit zu rechnen, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass Bürger demokratischer Rechtsstaaten vom IStGH verfolgt und verurteilt werden.


[...]

[1] Vgl. Dauns Anke, Chancen und Grenzen eines Internationalen Strafgerichtshofes zur Verfolgung von schweren Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht, Diplomarbeit FU Berlin, 1998, S. 1

[2] Römisches Statut des Internationalen Gerichtshofs, Art. 1

[3] Fragen und Antworten zum IStGH: http://www.hrw.org/german/justice/fazumIStGH.html, zuletzt eingesehen am 05.07.2006

[4] Vgl. Gareis Sven, Johannes Varwick, Die Vereinten Nationen, Bonn 2003, S. 55

[5] Vgl.: Auflistung der Mitgliedsstaaten: http://www.icc-cpi.int/asp/statesparties.html, zuletzt eingesehen am 05.07.2006

[6] Vgl. Kindt, Anne 2002: Die USA und der Internationale Strafgerichtshof, S. 428

[7] Vgl. Hintergründe zum IStGH : http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussenpolitik/vn/voelkerrecht/IStGH/hintergrund_html, zuletzt eingesehen am: 12.05.2006

[8] Vgl. Gillhoff, Die Errichtung eines ständigen Internationalen Gerichtshofes – Beginn einer neuen Ära?, Berlin 1999, S. 16

[9] Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, Art. 6

[10] Vgl. Hintergründe zum IStGH : http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussenpolitik/vn/voelkerrecht/IStGH/hintergrund_html, zuletzt eingesehen am: 12.05.2006

[11] ebenda

[12] Fassbender Bardo, Der Internationale Strafgerichtshof: Auf dem Weg zu einem Weltinnenrecht, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B27-28/2002, S. 33

[13] Vgl. Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, Art.5 Abs. 2

[14] Vgl. Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, Art. 124

[15] Vgl. Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, Art. 11 Abs. 1

[16] Vgl. Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, Art. 26

[17] Vgl. Gillhoff 1999, S. 26

[18] Vgl. Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, Präambel

[19] Poppe Gerd, Der Internationale Gerichtshof – Instrument zur Ahndung und Prävention schwerster Verbrechen, in: von Arnim Gabriele, Jahrbuch Menschenrechte 2002, Frankfurt a.M., 2001, S. 204

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Internationale Strafgerichtshof, das Prinzip und die USA
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Völkerrecht und UNO in Krieg und Frieden
Note
1,0
Autoren
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V60641
ISBN (eBook)
9783638542661
ISBN (Buch)
9783656813989
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Hausarbeit enthält alles, was man braucht, um den seit langem schwelenden Streit über den IStGH zu verstehen. Sie beginnt mit den Hintergründen und Grundsätzen, welche dem IStGH zugrunde liegen. Sie zeigt außerdem den Streitverlauf, sowie die vorgebrachten und die wahren Begründungen der USA für ihre Haltung auf. Sie endet mit der Beschreibung der zugrunde liegenden Prinzipienalternative: Es geht hierbei nämlich um einen grundsätzlichen Richtungsstreit im Internationalen Recht!
Schlagworte
Internationale, Strafgerichtshof, Prinzip, Völkerrecht, Krieg, Frieden
Arbeit zitieren
Farid Schwuchow (Autor:in)Daniela Pilz (Autor:in), 2006, Der Internationale Strafgerichtshof, das Prinzip und die USA, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60641

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